Welchen Frieden bringt das Meer? Reisen über den Pazifik


WELCHEN FRIEDEN BRINGT DAS MEER?
UND WELCHES GLÜCK DER DRACHE?
PERLENHAFEN UND PELZERHAKEN
LANGES KAP UND BREITE INSEL
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REISEN ÜBER DEN PAZIFIK

[Hokusai, Welle - neuerdings auch 'Tsunami' genannt]
[Nihon-no Hitatachi (japanische Geschichte)]
EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
REISEN DURCH DIE VERGANGENHEIT
GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE

Herbst 1520. Käpt'n Ferdi Magellan irrt an der Südspitze Südamerikas herum, mit den Resten seiner Flotte (die anderen sind desertiert und nach Spanien zurück gesegelt), in der Wasserstraße, die heute nach ihm benannt ist, in der Hoffnung, endlich den westlichen Seeweg nach "Indien" zu entdecken. (Damit sind nicht die Gebiete gemeint auf dem südasiatischen Halbkontinent, der heute so genannt wird, sondern die sagenhaften Gewürz-Inseln Insulindes - das heute in einem schlechten Latgraec-Gemisch "Indonesien" genannt wird -, vor allem die Molukken.) Und den nach "Zipango" (Japan) und "Formosa", der "Schönen [Insel]" vor der Küste Chinas. Daß sein Kollege Kolumbus diesen Seeweg nicht entdeckt hatte, war eigentlich allen längst klar - außer ihm selber, der es einfach nicht wahr haben wollte und seinen Irrtum mit ins Grab genommen hat. Die Frage ist nur: gibt es diesen Seeweg überhaupt? Oder endet das Land irgendwo im Eis der Pole? Magellan steht an Bord seines Äppelkahns und blickt mißmutig auf die Küste vor ihm, wo die Eingeborenen Leuchtfeuer angezündet haben - er nennt die Ecke deshalb "Tierra de Fuego (Feuerland)". Es ist ziemlich kalt und windig, die Fahrt ist stürmisch; und als die Seefahrer endlich durch sind und westlich des Kontinents wieder 'raus kommen, wo das Wasser etwas ruhiger ist, sind sie so erleichtert, daß sie den Ozean, der sich vor ihnen auftut (und von dessen Ausdehnung und Charakter sie nicht die mindeste Ahnung haben) vertrauensvoll "Mar Pacífico (friedliches Meer)" nennen. Der Name bleibt hängen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, denkt Dikigoros. Also kontrollieren wir mal und lassen dabei großzügig außer Betracht, daß Magellan selber bald darauf im Kochtopf irgendwelcher Insulaner landet, in deren Streitigkeiten er sich in ganz unfriedlicher Weise eingemischt hat - dafür kann schließlich das Meer nichts. (Ganz unwichtig ist es dennoch nicht; denn so konnte Magellans Leutnant, der Italiener Pigafetta, der als einer der wenigen Überlebenden jener Reise einen fantastischen Bericht über sie schrieb, seinem toten Kapitän das Märchen in den Mund legen, er sei an Land gewesen und habe dort Menschen mit riesigen Füßen gesehen. Danach heißt das Land nördlich von "Feuerland" bis heute "Patagonia [Großpfotien]".) Lassen wir auch außer Betracht, daß andere Leute jenes Meer "Südsee" genannt haben und den Kontinent, der in seinem Süden liegt, "Terra Australis [Südland]". Fragen wir nur, wie es um den Frieden bestellt ist, an den man beim Hören des Namens "Pazifik" unwillkürlich denkt, und überspringen ein paar Jahrhunderte, bis es wieder etwas zu berichten gibt, wovon jeder Leser bestimmt schon einmal gehört hat.

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25. Juli 1776, Hinchingbrook Park. Johnny Montagu und Jim Knopf sitzen beim morning tea und ärgern sich. Über George Washington, diesen Spielverderber. Vor zwei Wochen hat er den Krieg gegen Groß-Britannien für gewonnen erklärt und die Unabhängigkeit der USA... Nein, liebe Leser, so flapsig kann man doch nicht anfangen. Noch einmal ganz seriös von vorne: Auf dem Sitz von John Montagu, dem vierten Grafen von Sandwich, hat sich eine illustre Gesellschaft zum Frühstück eingefunden. Sie haben nur ein Gesprächsthema: Am Vorabend ist die Nachricht eingegangen, daß sich so ein paar größenwahnsinnig gewordene Tabak-Pflanzer aus Virginia (das ist wohl eine der dreizehn britischen Kolonien an der Ostküste Nord-Amerikas, ist es nicht?), die schon seit einiger Zeit Trouble machen, für "unabhängig" erklärt haben. Unabhängig vom eigenen Mutterland? Very funny. Wie soll denn das bitteschön möglich sein? Und sie wollen nicht nur für ihre paar Plantagen, sondern gleich für ganz Amerika sprechen? Soll das etwa ihr Programm sein, den ganzen Kontinent unter ihre Herrschaft zu bringen? Da können der Herr Graf und seine Gäste ja nur herzlich (aber natürlich dezent, wie es britischen Adeligen geziemt) lachen. Da muß man doch gleich mal die Meinung von Montagu's gutem Freund Jim Knopf einholen, der zufällig gerade anwesend ist. (Nein, der heißt natürlich nicht Jim Knopf - kleiner Scherz am Rande -, sondern richtig Jim Koch, oder - wenn man es unbedingt ins Englische übersetzen will - Cook. Warum Dikigoros das nicht tut? Weil solche Namen damals durchaus noch als "sprechend" im Sinne ihrer ursprünglichen Bedeutung empfunden wurden. Ein Zeitgenosse, der mal zusammen mit ihm zu einem schlechten Abendessen eingeladen wurde, soll hinterher gesagt haben: "Das Essen war zwar schlecht, aber dafür hatte ich einen guten Koch als Tischnachbarn."). Es ist ein seltenes Vergnügen, ja schon fast eine Ehre, diesen gestandenen Seebären mal auf der heimischen Insel begrüßen zu können, denn normalerweise segelt der in der Welt umher. Mit Ende 40 hat er sie schon zweimal umrundet, und mit aufmüpfigen Kolonialvölkern kennt er sich bestens aus: In all den Jahren hat er auf See bloß vier Mann verloren (einen davon an Fisch-Vergiftung), denn er hat immer gleich voll drauf gehalten, und wo er drauf haut, da wächst kein Gras mehr. (Schaut Euch sein Bild doch mal an, liebe Leser - erinnert er Euch nicht irgendwie an den ukraïnischen Preisboxer Klitschko?) Er ist keiner dieser adeligen Milchbubis, denen ihre Väter, wenn sie noch kaum trocken hinter den Ohren sind, Offizierspatente gekauft haben, sondern ein "Selfmade man" einfacher Herkunft, der sich hoch gedient hat vom einfachen Matrosen zum Maat, zum Steuermann und schließlich zum Kapitän.

Der Gastgeber, Graf Montagu, geht dagegen schon auf die 60 zu, was damals ein biblisches Alter ist, etwa so, als wenn jemand heute auf die 100 zu geht, was bekanntlich mit allerlei Zipperlein verbunden ist, zum Beispiel mit ausfallenden Haaren (ja, davon weiß auch Dikigoros ein Lied zu singen) und Zähnen. Gegen ersteres hilft damals eine Perücke (die man in gewissen Kreisen ohnehin tragen muß, aus Prestige-Gründen, z.B. als Politiker, der Montagu zufällig ist - er hat den Posten eines Ersten Lords der Admiralität inne, den im übernächsten Jahrhundert ein gewisser Weinstein Kirchügel bekleiden soll). Gegen letzteres helfen heute künstliche Gebisse; aber die sind damals noch nicht erfunden, jedenfalls nicht die Sorte, die man beim Essen nicht heraus nehmen müßte - und so machen sie ja kaum Sinn. Aber der zahnlose Graf von Sandwich weiß sich zu helfen: Er läßt Weizen gaaanz fein mahlen und daraus ein schneeweißes, ziemlich labberiges Brot backen (das wir heute "Toastbrot" nennen, aber eigentlich soll man es gar nicht toasten, sonst wird es ja wieder hart!); je zwei Scheiben davon bestreicht man mit Butter oder einem anderen Schmiermittel und legt dazwischen eine ebenso weiche Scheibe Cheddar-Cheese (wir nennen das heute "Schmelz-Käse"), der schon davon läuft, wenn man ihn nur warm anhaucht. Das kann jeder essen, auch ohne noch einen einzigen Zahn im Mund zu haben... Bald wird dieser traurige Fraß, den man nach seinem Erfinder "Sandwich" nennt, zum Nationalgericht aller Angelsachsen. (Nein, liebe Leser, das hat Dikigoros sich nicht einfach nur so ausgedacht, das ist historisch belegt, wie überhaupt alles, was er in "Reisen durch die Vergangenheit" schreibt - darauf legt er großen Wert!) Ja, auch das der Amerikaner - denn soweit gehen die Unabhängigkeits-Bestrebungen damals noch nicht. Erst im Jahre 1904 wird sich, von St. Louis in den USA ausgehend, ein neues, nach Dikigoros' Geburtsstadt benanntes Nationalgericht um die angelsächsische (und noch später um die ganze) Welt verbreiten und den "Sandwich" allmählich aus der Gunst der Verbraucher verdrängen (aber das ist eine andere Geschichte).

[James Cook] [Cooks Weltreisen] [James Cook]

Bald macht sich Käpt'n Koch wieder auf die Reise, und die führt ihn - natürlich - auch in den Pazifik, denn er will die "Nordwest-Passage" nördlich von Nordamerika entdecken, das Gegenstück zum Seeweg um die Südspitze Südamerikas herum, den Magellan entdeckt hatte - dafür hat die britische Regierung eine Prämie von sage und schreibe 20.000 Pfund Sterling ausgelobt (das ist fast das Hundertfache seines letzten Jahresgehalts als Kapitän und Frühstücksdirektor des Königlichen Marine-Hospitals). Unterwegs entdeckt Koch Ende 1778 ein paar friedliche Inselchen, die von den Eingeborenen nach Hawaiiki, ihrem mythischen Herkunftsland (in das sie auch nach ihrem Tode wieder einzugehen glauben), genannt werden. Aber das ist doch lächerlich. Jim steht an Bord seines Schiffes und überlegt, ob man dafür nicht einen besseren Namen finden könnte. Sein Magen knurrt, er denkt an das schöne, labberige Weißbrot mit Käse bei seinem Freund Montagu - und da kommt ihm die Idee: Er wird sie "Sandwich-Inseln" nennen! Und die Hütten-Siedlung an der Bucht, wo er gerade ankert und wo die Eingeborenen nach Perlen tauchen, nennt er "Perlenhafen". (Dikigoros zieht die deutsche Übersetzung dem englischen Original vor; denn sonst hätte er Probleme mit der Rechtschreibung: James Cook als Brite schrieb "Pearl Harbour"; die Amerikaner dagegen schrieben und schreiben bis heute "Pearl Harbor", ohne "u".) Koch und seine Leute verbringen ein schönes, friedliches Weihnachtsfest, und wenn es nach den Wünschen der Mannschaft ginge, würden sie noch viel länger in dieser Idylle bleiben, bei den netten Insulanern - und vor allem bei den netten Insulanerinnen. (Dikigoros, der sowohl die Angelsächsinnen als auch die Polynesierinnen ein bißchen kennt, kann es ihnen nachfühlen.) Doch irgendwann im Neuen Jahr fehlt plötzlich ein Rettungsboot. Vielleicht hat es sich bloß los gerissen, ist ans Ufer getrieben und dort von den Eingeborenen fürsorglich in Obhut genommen worden, damit es nicht verloren geht; vielleicht haben die es aber auch schlicht geklaut. So gehts nicht, da muß mal wieder voll drauf gehalten werden! Käpt'n Koch stellt ein Kommando zusammen, das diese mutmaßliche böse Tat bestrafen soll. Er wird es persönlich anführen. Was kann schon passieren? Sie sind gut bewaffnet, mit doppelschüssigen Gewehren; die Eingeborenen dagegen haben nur Stöcke und Steine. Leider vergißt man in der Eile, auch genügend Munition mit zu nehmen. Sie reicht gerade, um den mutmaßlichen Haupt-Täter, einen Häuptling namens Kareemoo, zu erschießen, dann kann man die Gewehre nur noch als Schlagstöcke benutzen. Das können die Eingeborenen aber besser; und so wird es Käpt'n Kochs letzte Reise. In Hinchingbrook Park gedenkt man seiner in Ehren und bringt einen Toast auf seine dritte Weltumseglung aus (obwohl es ja eigentlich nur die zweieinhalbte war). Die Hawaiianer aber bleiben fürs erste unabhängig und scheren sich überhaupt nicht darum, wie die Sandwich-Muffler aus Übersee ihre schönen, friedlichen Inseln nennen.

[Exkurs. Warum kapriziert sich Dikigoros hier ausgerechnet auf Leute, die einfach Pech hatten, wie Magellan und Cook? Haben nicht noch andere große Reisende den Pazifik befahren und sind ganz friedlich im Bett gestorben? Der Bretone Yves de Kergulen, der dänische Russe Vitus Behring, der Franzose Louis de Bougainville? Wohl wahr, liebe Leser, wohl wahr. Aber was die getan und entdeckt haben, hatte für die spätere Geschichte gleich gar keine Bedeutung. Die Inselchen, die nach ihnen benannt wurden, kennt heute mit Verlaub kein Schwein mehr; und wer außer Frau Dikigoros - einer ausgesprochenen Blumennärrin - weiß noch, daß es auch eine "Bougainvilia" gibt, die nach dem letzteren benannt ist? im Übrigen war Behring nicht richtig im Pazifik, und die beiden anderen waren jedenfalls nicht auf Hawaii - und darauf kommt es hier in erster Linie an. Und obwohl sie allesamt ebenso schöne Reiseberichte hinterlassen haben wie Käpt'n Koch - darum geht es auf dieser Reise durch die Vergangenheit nicht. Also seht es Dikigoros bitte nach, wenn er auf sie bei allem ehrlichen Respekt, den er vor ihnen hegt, nicht weiter eingeht. Exkurs Ende.]

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[Schwarze Schiffe]

Sommer 1853. Käpt'n Matthias Perry steht an Bord seines schwarz geteerten Schiffes und blickt mißmutig auf die Küste vor ihm, wo die Eingeborenen Leuchtfeuer angezündet haben (um den Shirauo anzulocken, einen kleinen, fast durchsichtigen Fisch, der als Vorspeise so begehrt ist); aber niemand kommt auf die Idee, Japan darob als "Feuerland" zu bezeichnen, und erst recht nicht mehr als "Zipango". Das Kaff, wo Perry einen Brief seiner Regierung abgeben soll, heißt Uruga, aber das ist ihm egal. Es ist ziemlich heiß und ziemlich windig, und es gibt noch kein Dreiwetter-Taft-Haarspray. Was fällt dem Marine-Minister ein, ihn hier als Postboten zu verheizen? Immerhin ist er ein gestandener Commodore, Veteran des Krieges von 1812 gegen die Limeys. ("Zitronenfresser", so nennen die Amerikaner - und andere Leute, die sie nicht mögen - die Bewohner der britischen Inseln. Außer den Iren, die heißen in den USA "Paddies", wie die Reisfelder in den Ländern am Westufer des Pazifiks, aber nicht nach denen, sondern nach ihrem Nationalheiligen, St. Patrick.) Lächerlich, ihn über den ganzen Pazifik zu schicken, bloß wegen so einer Lappalie... Sein Weltbild ist noch ganz geprägt vom Land zwischen dem Atlantik und den Großen Seen (sein Vater war Oberbefehlshaber der kleinen amerikanischen Kriegsflotte auf dem Erie-See); als er klein war, waren die USA noch nicht viel größer; als er in die Marine eintrat, hatten sie gerade von den Franzosen Louisiana gekauft (das sich damals noch über mehr als ein Viertel der heutigen USA erstreckte, von den Rocky Mountains im Westen bis zum Mississippi im Osten, von der kanadischen Grenze im Norden bis zum Golf von Mexiko im Süden); das Land noch weiter westlich war noch fast ein halbes Jahrhundert lang spanisch bzw. mexikanisch geblieben. Bis an den Pazifik sind die Amerikaner erst vor ein paar Jahren vorgestoßen, anno 1848/49, beim großen Goldrausch (aber das ist eine andere Geschichte), wobei sie Kalifornien den Mexikanern und Oregon den Kanadiern abgenommen (pardon, nachträglich abgekauft) haben - aber Alaska ist noch russisch, die Sandwich-Inseln sind noch ein unabhängiger Staat "Hawaii" unter einem Eingeborenen-Häuptling, und die Inseln weiter westlich gehören Spanien. Dennoch wollen einige junge Hitzköpfe in Washington schon jetzt über den pazifischen Ozean hinaus einige tausend Seemeilen weit nach Westen greifen?! Perry schüttelt den Kopf. Er weiß nicht mal genau, was drin steht in dem versiegelten Schreiben an die japanische Regierung, den Bak'fu. Das ist damals noch der Shōgun, nicht etwa der Tenno, dessen Rolle am ehesten der des Papstes in Rom zu vergleichen ist: früher mal ziemlich mächtig, aber inzwischen ziemlich ohnmächtig. Auch das ist Perry ziemlich egal; er erledigt seinen Auftrag und schippert zurück in die USA.

Darf Dikigoros an dieser Stelle für alle, die es interessiert (die anderen mögen die nächsten drei Absätze überspringen) zum besseren Verständnis der Japaner und ihrer Denkweise einen kleinen Exkurs über ihre Sprache und ihre Schrift einfügen? Das Japanische ist eine einfache Sprache, die mit keiner anderen näher verwandt ist. (Die Herren Professoren meinen, es sei eine "ural-altaïsche" Sprache - aber mit dieser "Erkenntnis" ist wenig gewonnen.) Von ihren alten Lehrmeistern, den Chinesen, haben die Japaner irgendwann einmal deren Schrift übernommen, die aus lauter kleinen Bildern besteht (die Herren Professoren sagen dazu auf Griechisch "Piktogramme"; die Japaner - die weniger kompliziert veranlagt sind - einfach "Kanji"). Leider sind das Chinesische und das Japanische so verschieden von einander wie sonst kaum zwei Sprachen auf der Welt (vor allem da japanische Silben im Gegensatz zu denen der so genannten "sino-tibetischen" Sprachen keine unterschiedlichen "Tonarten" haben), so daß die chinesische Schrift überhaupt nicht auf die japanische Sprache paßte. Also nahmen die Japaner (manche meinen auch: die Japanerinnen - und wer japanischen Müttern einmal beim Unterrichten ihrer Kinder im Lesen und Schreiben zugesehen hat, ist geneigt das zu glauben) einige chinesische Zeichen und machten daraus eine vereinfachte Silben-Schrift, die sie "Kana" nennen, und die den Lautbestand des Japanischen einigermaßen genau wiedergibt - jedenfalls wenn man noch einige diakritische Zeichen zu Hilfe nimmt. (Genau genommen sind es zwei Silben-Schriften, die eine für eigene Wörter, die andere für Fremdwörter - aber sie sind einander ziemlich ähnlich, etwa wie Druckschrift und Schreibschrift bei uns). Jedes Bedeutungszeichen/Kanji kann man also auch in Lautzeichen/Kana schreiben. (In japanischen Boulevard-Blättern ist es heute üblich, die Kana klein gedruckt über die Kanji zu setzen, damit auch der letzte Hilfsschüler oder "Gaijin" - das ist das Wort für Ausländer und andere Außenseiter - weiß, wie sie ausgesprochen werden). Um nicht für jedes Wort ein eigenes Zeichen erfinden zu müssen (so erfinderisch sind nicht mal die Japaner!), gibt es für jedes Kanji mehrere Lesarten, eine (oder mehrere) chinesische und eine (oder mehrere) japanische, und zu allem Überfluß wechseln die auch noch ständig, je nachdem mit welchen anderen Zeichen sie zusammen gesetzt werden. (Wenn dem nicht so wäre, wäre Japanisch eine der am einfachsten zu lernenden Fremdsprachen überhaupt; da es aber so ist, ist es eine der schwierigsten. Dafür fördert das Erlernen der japanischen Schrift in einem für den Gaijin kaum nachvollziehbaren Maße die Fähigkeit des schnellen, im wahrsten Sinne des Wortes augen-blicklichen Analysierens und Rekombinierens, pardon, des Auseinandernehmens und Wiederzusammensetzens. Die vielen Westlern rätselhafte, einzigartige Nachahmungs-, Verbesserungs- und Erfindungsgabe der Japaner ist nicht zuletzt eine Frucht des Lesen- und Schreibenlernens - obwohl die Japaner umgekehrt ein solches Schriftsystem nie hätten entwickeln können, wenn sie nicht von je her Meister des Kopierens und Verbesserns gewesen wären.)

Beispiel gefällig, damit es etwas anschaulicher wird als diese abstrakten Ausführungen? Bitte sehr: Japans berühmter heiliger "Reichherrenberg" (das ist der, den Ihr im Hintergrund des Titelbildes von Hok'sai seht) wird mit den Zeichen "Fuji" und "Yama" (Japanisch für Berg) geschrieben; zusammen gesetzt sprechen die Japaner das aber "Fujisan" aus (nach der chinesischen Lesart für Berg). Das könnte man sich ja noch merken - aber so einfach ist es nicht: Man kann auch "Fuji no Yama" sagen, was das gleiche bedeutet - aber dann ist es nicht mehr ein zusammen gesetztes Wort, sondern es sind zwei Wörter, also "Berg des reichen Herrn". "Fuji" dagegen kann man immer nur chinesisch lesen, denn sein zweiter Bestandteil, "Shi (Samurai)" ist einer der wenigen, der keine japanische Lesart hat. Gewiß, liebe Leser, es gibt auch ein japanisches Wort für "Samurai", aber das bezeichnet ausweislich seiner Zusammensetzung nur "Ji", den Raubritter, der nach dem Raub in den Tempel geht und seine Beute dort versteckt, pardon, opfert. (Noch genauer aufs Konto einzahlt, denn die Tempel nahmen früher in Japan die Funktion von Banken wahr - es war nicht alles reine Frömmigkeit!) Das echte "Shi" bezeichnet dagegen nicht nur den Krieger, sondern auch den Gelehrten und den Lehensmann, den "Herrn" im positiven Sinne, und das gibt es nur in chinesischer Lesart. Diese Wörter ohne japanische Lesart werfen übrigens ein interessantes Licht auf die japanische Seele, und Dikigoros muß leider bei aller Sympathie für dieses Volk einräumen, daß es nicht das schmeichelhafteste ist. Fangen wir gleich mit der Seele an: "Ki"; weiterhin "Chū" (Herz im übertragenen Sinne), "Tei" (Tugend), "Ren" (Ehrlichkeit), "Ken" (Bescheidenheit), ein anderes "Ken" (Recht), "Ho" (Gesetz), "Gi" (Gerechtigkeit), "Ron" (Argument), "Ri" (Vernunft), "Sō" (Idee), "Sui" (Rücksichtnahme - die man in japanischen U-Bahnen oft so schmerzlich vermißt) "Shin" (Glaube - daher die japanische Religion "Shintō", der Weg des Glaubens), "Gei" (Kunst im Sinne der "schönen Künste" - daher "Geisha", kunstfertiger Mensch), "Ai" (Liebe - im Sinne von Vaterlandsliebe; für das, was wir unter "Liebe" verstehen, sagt der Japaner heute "rabu", das ist eine Verballhornung des englischen "love") und "Cha", der Tee - aber das ist eine andere Geschichte.

Halt, wird da der brave Japanologe einwenden, will Dikigoros etwa andeuten, daß die Japaner all das, worauf sie heute mit Recht so stolz sind und was sie so deutlich z.B. von den heutigen (Rot-)Chinesen unterscheidet, gar nicht selber entwickelt, sondern aus China übernommen haben? Was ist denn mit den weniger schönen Errungenschaften? Haben nicht z.B. die Wörter für Metallverarbeitung und die Herstellung aller Kriegsgeräte daraus sowie die höheren Dienstgrade der Armee auch allesamt "rein chinesische" Lesarten? Tja, liebe Leser, so steht es wohl in den Lehrbüchern der japanischen Sprache; allein Dikigoros - der ein klein wenig Sprachgefühl zu haben für sich in Anspruch nimmt - fehlt der Glaube: Sowohl "jutsu", die Kunst (im technischen Sinne, also auch, aber nicht nur) der Metall-Verarbeitung, als auch "tetsu", das Eisen (und die Waffen, die daraus hergestellt werden) gelten zwar offiziell als "chinesische" Lesarten, aber wer auch nur ein klein wenig von beiden Sprachen versteht, erkennt sofort, daß das keine originär chinesischen, sondern vielmehr ganz typische japanische Wörter sind, wie auch die Weisheit (ebenfalls "tetsu", aber buchstäblich: den Mund halten). Dikigoros hegt deshalb den finsteren Verdacht, daß das gar keine chinesischen, sondern japanische Erfindungen - oder zumindest Parallel-Entwicklungen - sind; aber das möge der geneigte Leser um Himmels Willen keinem Chinesen weiter erzählen, die bilden sich nämlich einiges darauf ein, daß das ihre ureigensten Erfindungen waren. Ach so, der Einwand des Japanologen. Dikigoros fällt die Antwort nicht leicht - zumal man diese wiederum keinem Japaner weiter erzählen sollte -, aber er will sich nicht davor drücken: Die Japaner von heute sind nicht mehr die Japaner von damals; sie sind zwar noch keine richtigen "Westler" geworden, aber auch keine richtigen "Asiaten" mehr, sondern ein Volk sui generis, eine große Familie, die sich als neue Rasse versteht. Das japanische Wort für diese Rasse lautet "Minzoku", zusammen gesetzt aus "Min" (Volk) und "Zoku" (Familie) - während sie die anderen Rassen mehr oder weniger verächtlich "Jinshu" nennen (buchstäblich: menschliche Getreidesorten - die Amerikaner z.B. sind "Bei", Reis; nur für die Deutschen machen sie freundlicherweise eine - halbe - Ausnahme: die stellen sie immerhin den Tierrassen gleich; "Doku" setzt sich zusammen aus den Zeichen für "Hund" und "Insekt"). Und wahrscheinlich steht diese neue Rasse innerlich Europa sogar näher als Asien. "Ōshū" (Europa) bedeutet buchstäblich "Land mit Mangel an Distrikt-Grenzen", im übertragenen Sinne: "Land der unbegrenzten Möglichkeiten". Dagegen schreiben die Japaner das chinesische Wort "aku" (nach japanischer Lesart "warui") - böse, schlecht, schlimm - mit den Zeichen für "Asien" und "Herz"; und das Zeichen, das sie dabei für "Asien" benutzen (es gibt deren mehrere), ist ein Gefängnis-Gitter. Die Japaner sind aus diesem Gefängnis ausgebrochen, auch wenn einige von ihnen das noch nicht wahr haben wollen oder es mit gemischten Gefühlen betrachten. Nicht so Dikigoros, der überzeugt ist, daß die Japaner alles Wichtige aus diesem Gefängnis mit in die Freiheit gerettet haben.

Zurück zum Berg Fuji. (Und ab hier darf auch der am Japanischen nicht so interessierte Leser wieder mitlesen, denn es ist von allgemeinem Interesse.) Wenn man den nach japanischer Lesart aussprechen will, muß man ihn anders nennen, z.B. "Mikamiyama (Berg auf dem man die Götter sieht)" oder "Niiyama (Berg, den man am Neujahrsfest besteigt)" - und noch ein knappes Dutzend anderer Möglichkeiten. Für alle, die angesichts dieser Kompliziertheit daran denken, einen Strick zu nehmen: Der rituelle Selbstmord, den jeder anständige Japaner begeht, wenn er Mist gebaut hat (oder wenn sein Vorgesetzter Mist gebaut hat - dann gilt es als mahnender Protest!), wird mit den Zeichen "hara" (Japanisch für Bauch) und "kiri" (Japanisch für aufschneiden) geschrieben; zusammen gesetzt sagt man aber (nach der chinesischen Lesart) "Seppuku". Und da das Japanische keine Buchstaben kennt, wird jeder Konsonant als Silbe geschrieben, d.h. es wird noch ein Vokal dran gehängt, meist ein "u", manchmal auch ein "i". Deshalb wird der geneigte Leser z.B. den Ausdruck "Bak'fu" in keinem unserer klugen Lexika finden, denn die schreiben das Silben-u immer mit, auch wenn es so gut wie stumm ist (etwa wie das indische Silben-a oder das französische Endungs-e). Es heißt also nicht "Bakufu", und schon gar nicht "Bakúfu", wie einige hierzulande sagen. Zum Glück hat der Kaiser, den man hierzulande "Hirohito" oder gar Hirohíto" aussprach, inwischen das Zeitliche gesegnet, so daß sich niemand mehr blamieren kann; richtig hieß er nämlich Hiroh'tó. A propos: "Ten-no (Kaiser)" bedeutet wörtlich "der vom Himmel" (was übrigens in zwei deutlich getrennten Silben zu sprechen ist, nicht wie ein Wort mit doppeltem "n"); und "Shōgun" ist die Abkürzung für "Sei-i-tai-shō-gun", was so viel bedeutet wie "der gegen die Barbaren gesandte große Heer-Führer". Und zum Abschluß dieses kleinen Exkurses: "Yō" (nur chinesische Lesart - s.o.) bedeutet "Ozean, ausländisch, westlich" - und damit sind wir wieder beim Thema. Es ist nur das Wort für den Pazifik und andere fremde Gewässer, denn für ihren "inländischen" Ozean haben die Japaner ein anderes Wort - den nennen sie "Nihonkai" (die Deutschen sagen: "Japanisches Meer"). So wie wir sagen "zwischen Himmel und Erde", so sagen sie "Tenkai (zwischen Himmel und Ozean)". So nannte sich auch der japanische Luther, ein Mönch, der den "Tripitak" (das buddhistische Buch der Bücher) auf Japanisch neu heraus gab und die Tendai-Sekte reformierte, nur wenige Jahre nach der Bibel-Übersetzung des mitteldeutschen Reformators. (Nein, liebe Leser, sucht Tenkai nicht in Euren modernen Lexika, da werdet Ihr ihn nicht finden, denn dort stehen heute nur noch bedeutende Menschen verzeichnet, wie Madonna, Bill Clinton oder Britney Spears.) Mit Frieden assoziieren die Japaner freilich auch den nicht - Wasser ist und bleibt ihnen ein feindliches, kriegerisches Element. Ihre Vorstellung von Frieden ist es, unter blühenden Bäumen spazieren zu gehen, besonders dem "Sakura (Baum des Friedens)", den die Westler "Kirschblütenbaum" nennen. So hat es Dikigoros jedenfalls in Deutschland gelernt, und daran denkt er, wenn er aus dem Fenster seiner Kanzlei schaut auf die rosarote Blütenpracht der Allee, die mit diesen Bäumen bepflanzt ist.

* * * * *

Ein Jahr lang lassen die Amerikaner den Japanern Zeit, das Schreiben zu übersetzen (das natürlich auf Englisch abgefaßt worden ist, da diese Sprache bekanntlich alle zivilisierten Menschen beherrschen müssen - davon sind jedenfalls die Angelsachsen damals wie heute felsenfest überzeugt - und im Zweifel auch alle halb-zivilisierten, zu denen man die Japaner damals zählt) und zu überdenken. Dann schickt man Perry wieder los, diesmal nach Kanagawa, um die Antwort abzuholen, und diesmal mit einer richtigen Flotte von sieben Kriegs-Schiffen - die vielleicht wichtiger sind als die Glasperlen und der andere Tand, die man ihm als "Geschenke" für die Japaner mitgegeben hat, damit die auch "positiv" auf das Anliegen der Amerikaner reagieren: Sie sollen ihre Grenzen für den Außenhandel der USA öffnen und ihnen zollrechtlich die Meistbegünstigung einräumen. Schließlich haben die Briten sich schon den chinesischen Markt unter den Nagel gerissen und machen dort glänzende Geschäfte mit dem Opium-Handel; da wollen die Amerikaner - die von den Chinesen bisher nur insoweit profitiert haben, als sie ein paar von denen als billige (und rechtlose) Arbeits-Kulis nach Kalifornien importiert haben - nicht zurück stehen... Solange die Amerikaner zurück denken können haben die Japaner unfairer Weise nur mit einem einzigen nicht-asiatischen Volk Außenhandel getrieben: den "Dutch" aus dem nordwestdeutschen Flachland (das wir seit 1648 "Niederlande" nennen), ausgerechnet jenem komischen Völkchen also, das sich in Pennsylvania bis heute nicht richtig dem "American Way of Life" angepaßt hat, hatten sie anno 1640 einen Hafen eingerichtet, auf der "kleinen Insel" (De=kleiner Bruder, shima=Insel) vor dem "Langen Kap" (naga=lang, saki=Kap). Das war nicht nett, und die Amerikaner werden ihnen das nicht vergessen - den Namen Nagasaki merken sie sich für später. [Überhaupt, die damned Dutch. Hatte Dikigoros oben geschrieben, daß Käptn Koch auf See bloß vier Männer verloren hatte? Wohl wahr; allerdings hatte er Dutzende an Land verloren, nämlich bei Zwischenlandungen in den niederländischen Kolonien Südafrika und Insul-Inde, an den dort grassierenden Krankheiten. Die britische Admiralität hat seine diesbezüglichen Berichte nicht vergessen; ein paar Jahre später wird sie die Napoleonischen Kriege zum Vorwand nehmen, sie zu erobern, aber das nur nebenbei.]

Noch ein kleiner Exkurs zum Japanischen gefällig? Keine Sorge, nur ein wenig über einige Wörter, die auch bei uns in aller Munde sind. "Saki" bedeutet wörtlich, d.h. wenn man die Bestandteile seines Kanji auseinander nimmt, "Berg, auf dem vieles möglich (oder: nichts unmöglich) ist". Man könnte also den bekannten Werbespruch eines japanischen Autoherstellers von heute wie folgt abwandeln: "Nichts ist unmöglich, Nagasaki". Das spricht sich übrigens richtig "Nangássaki" aus, nicht "Nagasáki" oder so ähnlich, ebenso wie Hiroshima, die "breite Insel", richtig auf der zweiten Silbe betont wird und nicht auf der dritten. (Auch den Namen werden sich die Amerikaner gut merken, denn von dort werden in den nächsten Jahrzehnten die meisten japanischen Einwanderer in die USA kommen - aber das ist eine andere Geschichte.) Sumimasenga, Dikigoros hat vorgegriffen.

Zurück ins Jahr 1854, zu Perry's zweiter Reise und dem Vertragsentwurf, den er unterschrieben wieder mitbringen soll. Der Shōgun ziert sich zwar erst etwas, aber dann unterschreibt er doch (und wird dafür prompt ermordet, von einem aufgebrachten Samurai, der das Unterschreiben für ganz unpatriotisch hält - er hätte gefälligst unterpinseln sollen. Bald darauf wird das ganze Shōgunat gestürzt; an seiner Statt übernimmt der Tenno auch wieder das weltliche Regiment). Perry's Mission ist also auf dem Papier ein voller Erfolg; er schreibt einen schönen Bericht, bekommt einen Orden und geht als Admiral in Pension. Alle Amerikaner freuen sich - besonders die Kaufleute - und hoffen auf eine Gewinn bringende Zusammenarbeit mit den Japanern, deren Häfen er ihnen geöffnet hat. Nur vier Jahre später, im Jahre 1858, segnet Perry das Zeitliche, von (fast) allen Amerikanern verehrt und betrauert. (Kunststück - seine Beförderung hat den Steuerzahler ja nicht mehr viel gekostet, und was der Vertrag, der die Öffnung Japans erzwingt, einmal kosten soll, weiß ja noch niemand!) Nur die Japaner hassen ihn bis heute (aber das beruhte auf Gegenseitigkeit - damit konnte er leben und sterben); dabei haben sie dazu eigentlich gar keinen Grund - oder glaubt etwa heute noch jemand im Ernst, daß er den Japanern mit seiner Expedition etwas Böses getan hätte und den Amerikanern etwas Gutes? O sancta simplicitas! Als ob mit der Öffnung der japanischen Zollgrenzen irgend etwas für die USA gewonnen wäre: Was sollen die Japaner denn fortan von den Amerikanern kaufen? Rauschgift? Die sind doch keine Chinesen! Maschinen? Die werden von jeder genau ein Stück kaufen, sie auseinander nehmen und dann nachbauen. Und Lebensmittel? Die werden sich hüten, den harten, körnigen US-Reis zu essen, wo sie doch selber ihren schönen, klebrigen Pappreis haben. Der kostet zwar das dreifache, aber den hatte ihnen einst die Göttin Amaterasu geschenkt, und wer weiß, wie die sie strafen würde, wenn sie ihr und ihrer Gabe untreu würden! Noch anno 1918 werden fromme Japaner nach einer Mißernte lieber verhungern, als ausländischen Importreis zu essen (wie heute noch fromme Inder - aber das ist eine andere Geschichte); und um die letzten halbwegs gefüllten Reisspeicher der alsbald gestürzten Regierung wird ein Monate langer Bürgerkrieg ausbrechen, mit verzweifelten Hausfrauen an vorderster Front. Im fernen Europa wird man davon freilich kaum Notiz nehmen; dort tobt noch der Erste Weltkrieg, und man hungert selber, obwohl man bereit wäre, statt Kartoffeln Steckrüben zu essen, wie im letzten Winter - wenn es denn genug davon gäbe.

[Exkurs. Ein Leser hat Dikigoros gefragt, warum er an dieser Stelle nicht etwas über den "zweiten Opiumkrieg" geschrieben hat - der sich hier chronologisch bestens einfügen würde -, nachdem er schon den ersten nur mit einem Halbsatz gestreift hat. Haben sich die Briten nicht mit ganz ähnlichen Methoden den Zugang zum chinesischen Markt erzwungen wie die US-Amerikaner den zum japanischen, und mit viel verhängnisvolleren Folgen? Und liegt nicht auch Hongkong irgendwie am Pazifik? Na, nicht so ganz, aber das wäre kein Hindernis gewesen. Doch die Briten kamen nicht über den Pazifischen, sondern über den Indischen Ozean, und von dort brachten sie auch das Dreckszeug mit, das sie in den chinesischen Markt drückten. (Nicht, daß es die chinesischen Bonzen an sich gestört hätte, wenn ihre Untertanen rauschgiftsüchtig wurden; aber sie hätten das Geschäft gerne selber gemacht - die Handelsspannen waren hoch -, statt daß die ausländischen Teufel den Gewinn abschöpften!) Aber als kleinen Ersatz hat Euch Dikigoros hier einen Aufsatz zum Thema verlinkt, für alle, die es interessiert. Exkurs Ende.]

[Wappen Frankreich]

Neujahrstag 1869. Es ist ziemlich heiß und windig, und es gießt in Strömen - es herrscht "Monsun" (das ist eine Verballhornung des indischen Wortes "mausam", was eigentlich nur "Wetter, Jahreszeit" bedeutet) -, und es gibt noch immer kein Dreiwetter-Taft-Haarspray. August Pavie, ein knapp 22-jähriger Sergeant der französischen Marine-Infanterie, und seine Kameraden stehen an Bord ihres Segelschiffes, mit dem sie um die halbe Erde bis in den Pazifik geschippert sind, und blicken mißmutig auf die Küste vor ihnen, auf das Delta des Flusses, den die Eingeborenen "Mekong" nennen, wo sie gleich an Land gesetzt werden sollen. Wozu eigentlich? Nun, zuhause, im fernen Paris, regiert Kaiser Napoleon III, und der möchte gerne Weltmacht-Politik betreiben (aber das ist eine andere Geschichte). Deshalb sollen sie also hier, zwischen Indien und China, erkunden, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gibt, ein schönes Schutzgebiet für Frankreich zu erobern, pardon, zu befreien. Denn irgend einen bösen Unterdrücker wird es schon geben, von dem man die armen Eingeborenen befreien muß, um ihnen die Segnungen des Christentums im allgemeinen und der französischen Zivilisation im besonderen zuteil werden zu lassen. Und sie werden tatsächlich fündig: Die Kambodjaner und Laoten, die am Ostufer des Mekong wohnen (und die Tongkinesen, die weiter nördlich, am Schwarzen Fluß und am Roten Fluß wohnen, an deren Zusammenfluß die Stadt liegt, die heute Hanoi heißt) werden bedrängt und unterdrückt von syamesischen Mörderbanden, die vom Westufer des Mekong herüber kommen und sich selber "Thai (Freie)" nennen. August hält sie bald für das mieseste Volk der Welt, und er nimmt sich fest vor, die Menschen östlich des Mekong eines Tages von ihnen zu befreien. Leider muß er sich da noch etwas gedulden und die Franzosen müssen erstmal wieder umkehren, denn erstens wollen die Eingeborenen offenbar gar nicht von ihnen befreit werden, zweitens haben sie nicht genügend Truppen, um sie gegen ihren Willen zu befreien, und drittens ist in Europa gerade ein Krieg zwischen Frankreich und Preußen ausgebrochen, da hat man andere Sorgen, als Soldaten in Fernost zu verplempern.

[Wappen Frankreich]

1888. August Pavie reist erneut über den Pazifik. Er hat inzwischen den Militär-Dienst quittiert und ist Zivilangestellter bei der France Telecom geworden, die damals noch etwas anders heißt und gerade dabei ist, Telegrafen-Leitungen durch "Indochina" zu verlegen. Denn die Franzosen haben sich - obwohl sie selber inzwischen wieder eine Republik haben - mit dem von ihnen "Kaiser" genannten Oberpriester der Annamesen (das ist ein Volk, das auch am Pazifik wohnt, östlich der Laoten und Kambodjaner, zwischen Tongking und Cochinchina) verbündet und sich mit ihm darauf geeinigt, das für ihn Angenehme mit dem für sie Nützlichen zu verbinden: Sie erobern ihm die Länder östlich des Mekong, pardon, befreien sie von den syamesischen Banditen, und er - der dadurch wie sein japanischer Kollege, der Tenno, vom bloß religiösen zum auch weltlichen Staatsoberhaupt wird - stellt sich und sein Land dafür unter französischen Schutz. (Ihre "Schutzgebiete" nennen die Franzosen übrigens weiterhin "Empire", also "Kaiserreich", so wie die DDR ihre Rostlauben auf Schienen bis zuletzt "Reichsbahn" nennen wird, obwohl es schon längst kein Deutsches Reich mehr gibt.) Leider wollen die Nicht-Annamesen das immer noch nicht so recht; besonders die Laoten (die ja doch irgendwie mit den Thais verwandt sind - bis heute bewohnen einige von ihnen gemeinsam mit denen das Grenzgebiet westlich des Mekong) sehen nicht ein, welche Vorteile ihnen eine französische "Schutz"-Herrschaft bieten sollte. Zwischen den Stämmen und Banden herrscht - wie eh und je - Bürgerkrieg (wenn man ihn denn so nennen darf, denn eigentlich gibt es dort weder Burgen noch Bürger). Aber August schafft das Wunder: Alleine, d.h. zusammen mit sechs eingeborenen Trägern, macht er sich auf eine Good-Will-Tour durch Indochina, beschwatzt die Häuptlinge und Räuberhauptleute; und am Ende ist das "Kaiserreich" der Annamesen unter dem Namen "Indochina" ein befriedetes französisches Protektorat, ohne daß ein einziger Schuß abgefeuert werden mußte. Friede am Pazifik! Zur Belohnung wird August ins Diplomatische Corps übernommen; er geht zunächst als Vize-Konsul in die laotische Hauptstadt Luang Prabang, dann als General-Konsul in die syamesische Hauptstadt "Krung-Thep (Stadt der Engel)" - den Westlern besser bekannt unter ihrem chinesichen Namen "Bangkok (Dorf der Pflaumen)" -, die er von ganzem Herzen hassen lernt, dann wieder nach Laos und als General-Gouverneur in Pension. Alle Franzosen freuen sich - besonders die Kaufleute - und hoffen auf eine Gewinn bringende Zusammenarbeit mit den Indochinesen, deren Häfen (und Herzen) er ihnen geöffnet hat. Im Prinzip wird sie das auch; Indochina wird schnell Frankreichs reichste Kolonie, und die paar kleineren Aufstände einiger Undankbarer, die alle Jahre wieder statt finden, werden leicht nieder geschlagen. Zum Beispiel von Pavies Nachfolger als General-Gouverneur von Indochina, Paul Doumer, der anschließend ein Buch schreibt mit dem schönen Titel "Das französische Indochina".

[Orden Indochina] [Medaille coloniale]

Ja, liebe Leser, Dikigoros weiß wohl, daß das in Euren Geschichtsbüchern alles ganz anders steht. (Wenn es denn überhaupt drin steht - wer kennt schon noch August Pavie?) Da könnt Ihr lesen, daß "Vietnam" schon im 18. Jahrhundert französisches Schutzgebiet geworden sei, spätestens seit dem Vertrag von Tourane aus dem Jahre 1787 (also noch vor der Französischen Revolution!), daß es schon anno 1802 einen "Kaiser von Vietnam" gegeben habe, und daß Frankreich das heutige Vietnam bei der ersten Ankunft von Pavie schon seit zwei Jahren, nämlich anno 1867, vollständig "annektiert" habe. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen schreiben Historiker zwar gerne viel, aber sie lesen nicht gerne viel, wenn es sich denn vermeiden läßt; deshalb halten sie ein paar kurze Urkunden und Verträge allemal für die "bessere" Quelle als etwa den umfangreichen Reisebericht eines Verrückten, der jahrelang im Dschungel von Indochina herum gelaufen ist und Palaver mit den Eingeborenen gemacht hat, ohne irgend etwas "Handfestes" mit gebracht zu haben, z.B. einen schönen schriftlichen Vertrag und eine sauber gezeichnete Landkarte. (Viele Schreibtisch-Historiker haben praktisch kein geografisches Vorstellungsvermögen - und Historikerinnen erst recht nicht; Dikigoros muß es wissen, denn er ist mit einer verheiratet, die sicher nicht zu den schlechtesten ihrer Zunft zählt. Barbara Tuchman hat zwar eine umfangreiche Stilwell-Biografie verfaßt, düfte aber schwerlich in der Lage gewesen sein, die vielen chinesischen Orte, die sie darin erwähnt hat, mit dem Finger auf der Landkarte zu zeigen.) Zum anderen nehmen Historiker aus Unkenntnis Dinge ernst, über die ihre Urheber oft nur schmunzeln können, z.B. die Juristen, die wissen, wie geduldig im allgemeinen Papier ist, und wie noch viel geduldiger im besonderen Papier ist, das mit staats- und völkerrechtlichen Verträgen geschwärzt ist. Deshalb fallen Historiker fast immer auf die erste (nicht beste, sondern schlechteste!) Quelle herein, ohne sich zu fragen, weshalb gewisse Verträge alle paar Jahre "erneuert" werden, incl. aller Schwüre für die Ewigkeit - könnte es nicht daran liegen, daß sich bis zur "Erneuerung" niemand daran gehalten hat, und daß nicht die erste, sondern vielmehr die letzte Ausfertigung eines Vertrages maßgeblich ist? Wollen wir denn wissen, wie es in der papierenen Theorie hätte sein sollen, oder nicht eher, wie es in der Praxis tatsächlich war? [Die nachfolgenden Wappen von Vietnam, Laos, Kambodja (und Syām - so schreibt es sich richtig, nicht "Siam"; und es spricht sich "ßjaam", also einsilbig, nicht, wie die meisten Deutschen sagen, "sí-amm" mit weichem "s" wie in "summsummsumm" :-) stammen jeweils aus dem Jahre 1883, als von einer französischen Kolonial-Herrschaft noch nicht die Rede sein konnte. Mehr zu diesem Thema schreibt Dikigoros an anderer Stellte.]

[Wappen Vietnam] [Wappen Laos] [Wappen Syam]

Dikigoros muß hier eine Kleinigkeit einschieben, die eigentlich nicht im Pazifik spielt, aber dennoch Auswirkungen auf diesen hat. Erhebliche Auswirkungen sogar. Nein, keine Sorge, dort ist alles friedlich - wie könnte es denn auch anders sein? Die Spanier haben ihre Kolonien, noch aus der Zeit Magellans, und die Briten auch, noch aus der Zeit Kochs. Immer, wenn bei den Spaniern mal wieder Ebbe in der Kasse ist (und das kommt in letzter Zeit ziemlich häufig vor) verscherbeln sie etwas vom Tafelsilber, und als das alle ist, ein paar Inselchen im Pazifik, meist an die Deutschen (die ham's ja). Ja, die feigen Deutschen haben sich - anders als andere Kolonialvöker, die tapferer waren als sie, z.B. die Spanier, Portugiesen, Engländer oder Franzosen - ihr Kolonialreich nicht erobert, sondern zusammen gekauft. Das gefällt den Amerikanern gar nicht - wie unsportlich! Und bevor die Spanier noch mehr von ihren Kolonien an die Deutschen verkaufen, schlagen sie einfach mal zu: In Kuba (auf das die Amerikaner schon lange scharf sind, ebenso auf Puerto Rico - Gott weiß warum, Dikigoros kann es sich nicht erklären) explodiert ein amerikanisches Kriegsschiff, und das nehmen die USA zum Anlaß, einen kleinen Krieg gegen die Spanier anzufangen. An dessen Ende annektieren sie die spanischen Pazifik-Inseln, vor allem die Filipinen, und Hawaii, das auf halbem Wege dorthin liegt. Das hat zwar eigentlich gar nichts mit Spanien zu tun, aber das darf man nicht so eng sehen. (Einzelheiten erspart sich Dikigoros; wer es unbedingt genauer wissen will, kann es hier nachlesen.) Und danach kehrt im Pazifik auch schon wieder der Friede ein, der zwar anno 1914 noch mal kurz gestört wird, aber nur ganz kurz. Nicht der Rede wert.

* * * * *

Im Jahre 1925 segnet August Pavie das Zeitliche, von allen Franzosen und (fast) allen Annamesen und Laoten verehrt und betrauert. (Nur die Thais hassen ihn bis heute; aber das beruhte auf Gegenseitigkeit; damit konnte er leben und sterben.) Das ist durchaus nicht selbstverständlich: Als sein Nachfolger Paul Doumer, der auf seine alten Tage noch zum Präsidenten der Französischen Republik gewählt worden ist (man sieht: General-Gouverneur von Indochina gewesen zu sein, ist inzwischen zum Sprungbrett für eine politische Karriere in Frankreich geworden), sieben Jahre später dem Attentat eines russischen Asylanten zum Opfer fällt, kräht kein Hahn nach ihm - nicht einmal der gallische, geschweige denn ein asiatischer. Inzwischen haben Reisen über den Pazifik auch in umgekehrter Richtung statt gefunden: Annamesen sind nach Frankreich gefahren (zum Beispiel ein gewisser Nguyên Ai Quoc, der sich später "Hô Chí Minh" nennt, zum Mitgründer der Kommunistischen Partei Frankreichs zu werden) und Japaner in die USA. Nicht als Einwanderer, denn als solche läßt man sie (und andere Asiaten) nicht mehr ins Land der manchmal doch recht begrenzten Möglichkeiten. (Nach dem Bürgerkrieg, der ein paar Jahre nach Perry's beiden Reisen über den Pazifik zwischen den Nord- und den Südstaaten der USA ausgebrochen ist, haben zwar die Neger die Bürgerrechte erhalten - jedenfalls auf dem Papier, das sie meist nicht lesen konnten und deshalb in den meisten Bundesstaaten nicht wählen durften -, nicht aber die Indianer und die asiatischen Immigranten.)

Auch in Japan ist einiges passiert in den letzten 72 Jahren, mehr als in den letzten drei Jahrhunderten davor, die das "Land des Sonnenaufgangs" (Ni=Sonne, Hon=Ursprung; gesprochen wird das damals noch allgemein "Nip-hon"; heute sagen das nur noch böse Nationalisten und Revanchisten - wie z.B. Dikigoros' Japanisch-Lehrer; brave Demokraten sagen dagegen "Ni-hon"; das verhält sich zu "Nippon" in etwa wie "Bundesrepublik Deutschland" zu "Deutsches Reich") mehr oder weniger in Abgeschlossenheit von der Außenwelt zugebracht hatte: Ein Erdbeben hat vor zwei Jahren alle großen Städte der Hauptinsel Honshū zerstört; aber die bienenfleißigen Japaner haben sie prompt wieder aufgebaut - diesmal aus Beton statt aus Holz. Ihre Hauptstadt nennen sie jetzt nicht mehr "Edo (Tor zur Bucht)", sondern "Tōkyō (Hauptstadt des Ostens)" - man wird halt anspruchsvoller. (Nein, liebe Leser, nicht "Tokio" oder so ähnlich: nur zwei Silben - das japanische "y" entspricht dem deutschen "j" -, deutlich getrennt, mit jeweils einem "ou", das als langes, geschlossenes "o" ausgesprochen wird!) Das dürfen die Japaner auch mit Fug und Recht sein, denn sie haben viel gelernt in der Zwischenzeit, vor allem Kriege zu führen: Gegen ihre alten Lehrmeister, die Chinesen, gegen die Russen und schließlich gegen ihre neuen Lehrmeister, die Deutschen. Die Japaner haben sie alle gewonnen und ihr Herrschaftsgebiet beträchtlich erweitert, vor allem um Taiwan (so wird Formosa jetzt auf Chinesisch genannt - "große Insel", nicht mehr "schöne Insel"), um Korea und um das ehemals deutsche Kolonial-Gebiet im Pazifik, d.h. die Inseln im Osten der Filipinen und im Norden Neu-Guineas, von ihren Vorbesitzern, den Spaniern, nach Kaiser Karl V. (der gerade regierte, als sie im 16. Jahrhundert entdeckt wurden) "Carolinas", von den Deutschen einfallslos "Ozeanien" genannt. Genau genommen haben die Japaner nur den unattraktiveren Teil abbekommen, nämlich die winzigen Inselchen von "Mikronesien" - zum Beispiel das "Bikini"-Atoll - und die von dunkelhäutigen Menschenfressern bewohnten Inseln von "Melanesien"; die Samoa-Inseln von "Polynesien" (die mit den schönen Frauen) haben sich dagegen die Amerikaner unter den Nagel gerissen. Wie dem auch sei, jedenfalls kratzt die Japaner das Immigrations-Verbot der USA nicht sonderlich.

Ganz anders die Chinesen, in deren Land Bürgerkrieg und Hungersnot herrschen. Als die USA ihre Grenzen für sie schließen, wandern etwa anderthalb Millionen, die sich nicht mehr anders zu helfen wissen - Chinesen sind eigentlich sehr bodenständig und verlassen ihre Heimat nur in höchster Not -, statt nach Kalifornien in den östlichen Teil der französischen Kolonie Indochina aus, den sie "Nam-Viet" oder "Viet-Nam" ("südliches Nachbarland" oder "benachbartes Südland") nennen, denn das machen sie, wenn Not am Mann ist ist, schon seit Jahrhunderten so, und die Franzosen sind großzügiger bei der Aufnahme von Immigranten als die Amerikaner. Dort werden wir sie weiter unten wieder treffen, aber bis dahin ist es noch ein halbes Jahrhundert; wir wollen nicht vorgreifen. Zunächst einmal müssen wir unsere Aufmerksamkeit einem der japanischen Reisenden in die USA zuwenden: Baron Isoroku (Sixtus) Yamamoto (von Berg - das wird übrigens auf der zweiten Silbe betont, d.h. auf der Endsilbe des ersten Bestandteils, wie fast alle zusammen gesetzten Wörter im Japanischen) hat im Herbst 1925 gerade seinen Dienst an der japanischen Botschaft in Washington als Marine-Attaché angetreten. Er stammt aus Satsuma. Das ist da, wo die gleichnamigen Orangen nicht herkommen - die kommen aus China, während in Satsuma die Mandarinen gezüchtet wurden, die wiederum nichts mit den chinesischen Bonzen gleichen Namens zu tun haben. (So verrückt ist die Welt :-) Aber Sixtus (und andere japanische Offiziere) überlegen schon, ob man das nicht ändern könnte: Warum sollte Japan seine nächsten Expansionsschritte nicht nach Westen lenken, in das Land, wo die Orangen blühen? Oder vielleicht doch besser nach Süden? Oder gar nach Osten, über den Pazifik?

Über den reist gerade in Gegenrichtung, von Ost nach West, ein anderer Militär-Attaché, um seinen Dienst anzutreten, allerdings nicht nach Japan, sondern nach China. (Warum sollten die USA das auf Dauer den Limeys überlassen, deren Macht nach dem Ersten Weltkrieg doch spürbar nachgelassen hat? Oder gar den Deutschen, die zur Zeit die chinesische Armee neu aufbauen für einen künftigen Krieg gegen Japan, das ihnen 1914 in den Rücken gefallen war?) Joe heißt der amerikanische Attaché, und "Essig-Joe" wird er allgemein genannt, weil sein häßliches Gesicht immer so aussieht, als hätte er gerade eine Portion Essig geschluckt. Vergessen wir ihn fürs erste und wenden uns wieder seinem japanischen Kollegen zu. Auf Sixtus' Schreibtisch liegt jeden morgen die Washington Post. Als literarisch gebildeter und interessierter Mensch (nein, er ist kein sturer Kommißkopf, wie so viele seiner amerikanischen Kollegen) liest er auch regelmäßig;ig die Buchbesprechungen. Ein Werk, das dort besonders lobend erwähnt wird, kauft er sich sogar: "Der große Pazifik-Krieg", geschrieben von einem britischen Journalisten namens Hektor Nebenwasser, pardon, Hector Bywater. Sehr interessant, was der da in Form eines Science-Fiction-Romans beschreibt: den Angriff einer japanischen Flotte auf den amerikanischen Marine-Stützpunkt Perlenhafen bei Hawaii, unter gleichzeitiger Invasion der Filipinen. Sixtus nimmt das Buch mit nach Hause, bespricht es mit seinen Vorgesetzten, und 16 Jahre später, als er selber Admiral und Oberbefehlshaber der japanischen Kriegsflotte geworden ist, macht er daraus einen Schlachtplan und führt ihn aus.

[Kriegsflagge]

Halt. So weit ist es noch nicht. Dikigoros muß diesen Handlungsfaden aus chronologischen Gründen kurz unterbrechen und noch einmal ins Jahr 1925 zurück kehren, als nicht nur Hektor Nebenwasser ein ebenso beachtliches wie unbeachtetes Buch geschrieben hat. Am anderen Ende der Welt - im fernen Europa - erscheint eine etwas schräge Mischung aus Autobiografie und geopolitischen Weltbetrachtungen. (Oder soll man so etwas wirklich "Filosofie" nennen?) Der Autor, ein gewisser Adolf H., Kunstmaler und Offizier im besonderen Einsatz (nein, liebe Ossis, nicht der Stasi, sondern der Reichswehr - der O.i.b.E. ist keine Erfindung der DDR!) a.D., hat es aus langer Weile im Knast geschrieben. Es enthält einige unschöne Dinge (der offizielle Grund, weshalb es in seiner Heimat bis heute verboten ist - freilich nur dort, alle anderen haben also keine Ausrede, wenn sie es nicht gelesen haben, es ist in alle Sprachen der Welt übersetzt worden), aber auch einige unbequeme Wahrheiten (und böse Zungen behaupten, daß dies der wahre Grund für das Verbot sei) über Politik und Politiker im allgemeinen sowie über die Politik der Deutschen, Engländer und Franzosen von damals im besonderen. Eine dieser unbequemen Wahrheiten ist, daß man sich als Kolonialmacht eine Menge Ärger bereiten kann, wenn man Angehörige der Kolonial-Völker an den eigenen Universitäten ausbildet, wo sie allzu leicht mit Themen wie "Unabhängigkeit", "Gleichberechtigung" und "National-Staat" in Berührung kommen können. Aber wie gesagt - das Buch liest eh niemand; und so lassen denn die Engländer Leute wie Gandhi, Nehru und Jinnah, die Holländer Leute wie Soekarno und Soeharto, und die Franzosen Leute wie Nguyên Ai Quoc und seinen Vetter Nguyên Hu Tho im "Mutterland" studieren (zu allem Überfluß auch noch Jura). Noch haben die Europäer die Quittung dafür nicht bekommen - aber keine Angst, liebe Leser, es wird bald so weit sein.

Wir schreiben das Jahr 1938. Heinz-Peter Klostermann, ein 17-jähriger Brasilianer, der in Frankreich die Oberschule besucht, macht eine Reise über den Atlantik. (Nanu, was soll denn das hier? Abwarten...) Da er aus einer wohlhabenden Familie stammt (sein Vater - der als Elsässer nach dem französischen Einmarsch 1919 genauso mit den Wölfen geheult hat wie seine lothringische Mutter - ist Botschafter der "Grande Nation" in Rio de Janeiro, er selber ist in Brasilien geboren und hat dessen Staatsangehörigkeit), kann er sich die Überfahrt in einem teuren Luxus-Dampfer leisten, der "Cap Arcona". Daß die den Nazi-Deutschen gehört stört ihn überhaupt nicht; daß er Jude ist stört wiederum die Nazis überhaupt nicht - Geld stinkt nicht. Die Reise verläuft ohne Zwischenfälle.

Zwei Jahre später. Martin Rumbold, ein 17-jähriger Londoner, und Pierre Henri Clostermann (kommt Euch der Name irgendwie bekannt vor, liebe Leser? Ja, so schreibt er sich jetzt!) stehen an Bord ihres Truppen-Transporters und blicken mißmutig auf die Küste vor ihnen, wo sie bald an Land gehen sollen. Sie haben eine lange Reise, eine idiotisch lange Reise hinter sich: Von Europa, genauer gesagt von Groß-Britannien (noch ist es groß!) nach Fernost, von dort über den Pazifik, durch den Panama-Kanal und über den Golf von Mexiko bis nach Florida. Da sind sie nun, und wozu? Sie sollen fliegen lernen, eine Ausbildung als Kampf-Piloten machen. Hier in Florida. Allerdings befinden sich die USA offiziell noch nicht im Krieg gegen Nazi-Deutschland, sondern halten den Anschein der "Neutralität" aufrecht; deshalb mußten sie diesen Eiertanz einmal um die ganze Welt aufführen. Martin war Azubi (damals nannte man das noch anders) bei einer Versicherung gewesen, das stank ihm so, daß er sich eines Tages freiwillig meldete, zur R.A.F. (Nein, liebe Leser, das stand damals noch nicht für die Terroristen der "Rote Armee Fraktion", sondern für die der Königlichen Luftwaffe, die "Royal Air Force" der Limeys.) Und Heinz-Peter, pardon, Pierre Henri, war, nachdem Frankreich (wo er Flugzeugtechnik studierte) seine Kriegserklärung an Deutschland mit einer blamablen Niederlage bezahlt hatte, nach London geflohen, zusammen mit Charles DeGaulle, einem persönlichen Freund der Familie Klostermann, pardon Clostermann. Aber während der bloß in London herum sitzt und Maulaffen feil hält, will der junge Mann aktiv etwas zur Befreiung Europas von den Nazis beitragen und meldet sich ebenfalls zur Piloten-Ausbildung. Die beiden jungen Leute lernen schnell; ihre Ausbilder - Oberstleutnant Paul Tibbets und Hauptmann Karl Sweeney - sind zufrieden. Bald können sie an der Front eingesetzt werden. Martin Rumbold wird einer der erfolgreichsten Kampf-Piloten der R.A.F., bald mit dem Distinguished Flying Cross (dem britischen Gegenstück zum Eisernen Kreuz) ausgezeichnet und mit 21 Jahren deren jüngster Staffel-Kapitän. Clostermann (der sich den Kampfnamen "Le Grand Charles [Der große Karl]" zugelegt hat - ob nach seinem Freund DeGaulle oder nach dem legendären Frankenkaiser weiß Dikigoros nicht) wird der erfolgreichste "französische" Kampf-Pilot des Zweiten Weltkriegs, der sich in seinen Memoiren ("Die große Circus-Arena") stolz mit seinem deutschen Vorbild, dem Luftwaffen-Oberst Hans-Ulrich Rudel, vergleichen wird. (Schön und gut, aber warum erwähnt Dikigoros das alles? Fällt ihm nichts mehr zur Sache ein, daß er derart am Thema vorbei schreiben muß? Geduld, liebe Leser, Geduld!)

* * * * *

8. Dezember 1941. Sixtus steht an Bord seines Schiffes und blickt mißmutig aufs Meer hinaus. In Tōkyō feiern sie, die Narren, feiern ihn und seinen großen Sieg. Als solchen haben sie den gestrigen Angriff auf Perlenhafen jedenfalls dem unwissenden Volk verkauft und dem ebenso unwissenden Tenno, diesem Kindskopf, der seit 1926 auf dem Thron herum sitzt und sich, statt zu regieren, lieber mit Meeresbiologie beschäftigt und seine Generäle machen läßt. Leider auch seine Admiräle, und Sixtus weiß, daß er und seine Leute die Sache verbockt haben. In jeder Hinsicht. Hatten die Generäle des Heeres nicht immer wieder davor gewarnt, sich mit den USA anzulegen? Wollten sie nicht erst einmal den Krieg in China zu Ende führen und die Sowjet-Union besiegen? Aber ihren Putsch hat man glücklich nieder geschlagen und statt dessen die Politik der Admiräle durchgesetzt: Neutralitäts-Vertrag mit der Sowjet-Union, Eroberung der an Rohstoffen reichen Kolonien der Engländer, Franzosen und Holländer. Und da die USA, als die Japaner kampflos Vietnam und Thailand besetzten, kräftig mit dem Säbel rasselten und ein Wirtschaftsembargo verhängten, hat man halt beschlossen, die auch gleich mit anzugreifen. Politisch gesehen ein schwerer Fehler; denn das amerikanische Volk wollte keinen Krieg - gegen die Japaner ebenso wenig wie gegen die Deutschen - und wäre seinem Präsidenten, dem verfluchten Kriegstreiber Roosevelt, und dessen Verbrecher-Kabinett schwerlich in einen solchen gefolgt, wenn Japan die US-Flotte in Perlenhafen nicht angegriffen hätte - Südostasien und seine Schlitzaugen wären ihm keinen Waffengang wert gewesen. [Damit wir uns nicht mißverstehen, liebe Leser: Ebenso wie Roosevelt bereits lange vor dem Dezember 1941 einen unerklärten Krieg gegen die Deutschen führen ließ, hatte er auch längst mit Kriegshandlungen gegen die Japaner begonnen: Im Juli hatte er alle japanischen Vermögenswerte in den USA enteignet (da die in den USA - fast ausschließlich auf Hawaii und in Kalifornien - lebenden Japaner keine US-Bürger werden konnten, waren sie allesamt "feindliche Ausländer"); seit August hatte er die Pläne für die Einweisung dieser Japaner in Konzentrationslager in der Schublade; im November wurden japanische Geschäftsleute verhaftet und die Akten der Handelskammern beschlagnahmt; und bald nach dem Angriff auf Perlenhafen erließ Roosevelt die Executive Order 9066 zur "Beseitigung" dieser Japaner. (Diese Order deckt sich vom Zeitpunkt und Inhalt her frappierend mit dem so genannten Protokoll der "Wannsee-Konferenz" - dies ist einer der Gründe, aus denen Dikigoros letzteres für eine Nachkriegs-Fälschung ad usum Norimbergae hält.) Doch dies war nicht der Ausschlag gebende Beweggrund für den japanischen Angriff auf Perlenhafen, auch wenn es aus "moralischer" Sicht einer hätte sein können - solche Überlegungen waren den Japanern fremd; ihr Angriff war vielmehr eine Antwort auf das Öl- und Schrott-Embargo, das Roosevelt gegen das Mutterland verhängt hatte.]

Aber noch viel schwerer wiegt der militärische Mißerfolg: Zwar haben die Japaner sieben große US-Schlachtschiffe versenkt, aber das waren nutzlose alte Pötte, mit denen man schon längst keinen Seekrieg mehr gewinnen konnte - das Herz der amerikanischen Pazifik-Flotte dagegen, die Flugzeug-Träger, sind allesamt entwischt, mitsamt den Piloten (ins Gras gebissen haben nur ein paar tausend blöde Matrosen). Neue, moderne Flugzeug-Träger sind das, größer und schneller als die japanischen, und gut ausgebildete, erfahrene Piloten, die etwas mehr drauf haben als sich ein Tuch mit klugen Sprüchen um den Kopf zu binden und dann mitsamt dem Flugzeug aufs Ziel zu stürzen. Yamamoto weiß, daß sie den Krieg für die USA gewinnen werden, wie Kriege fast nie durch erlittene Niederlagen entschieden werden, sondern durch verlorene Siege, wie den von Dünkirchen vor anderthalb Jahren und nun den von Perlenhafen. Sixtus zermartert sich das Gehirn, wie das geschehen konnte: Hatte man nicht die Kriegserklärung zeitlich so fein abgestimmt überreicht, daß zwar einerseits niemand sagen konnte, Japan hätte ohne sie los geschlagen (außer Roosevelt und seinen notorischen Lügnern natürlich - aber wer würde dem schon glauben?), daß aber andererseits die Zeit für die Amerikaner nicht ausreichen würde, um die Schiffe rechtzeitig aus der Falle Perlenhafen heraus zu holen? Konnten die hell sehen oder war es einfach nur ein Zufall, Glück für die USA und Pech für Japan? Sixtus quält sich mit dieser Frage immer noch, als er im April 1943 mit seinem Flugzeug bei Bougainville in einen Hinterhalt der Amerikaner gerät und abgeschossen wird; er nimmt sie unbeantwortet mit ins nasse Grab. Auf die nächst liegende Antwort ist bis zuletzt niemand gekommen: Die Amerikaner hatten schon zwei Jahre zuvor den Funk-Code der Japaner geknackt - Monate vor dem "Überraschungs"-Angriff auf Perlenhafen, welcher der US-Regierung also lange vorher in allen Einzelheiten bekannt war. Deshalb wußten sie, wann sie die Flugzeug-Träger in Sicherheit bringen und wann und wo sie ihm auflauern mußten. (Sixtus ist auf diese - doch eigentlich recht simple - Erklärung nicht gekommen, weil es einfach nicht in seinen altmodischen Samurai-Schädel hinein wollte, daß ein US-Präsident so viele seiner eigenen Leute opfern würde, indem er sie ungewarnt einem japanischen Angriff aussetzte, nur um die Kriegsstimmung in der Bevölkerung anzuheizen. Weil diese Tatsache aber bis heute vertuscht werden soll, werdet Ihr, liebe deutsche Leser, in Euren Lexika und Geschichts-Büchern statt dessen das Märchen lesen, Sixtus sei während der Schlacht um die Salomonen im Luftkampf gefallen. Wer das glauben will, bitte...) Etwa zur gleichen Zeit wird im fernen Japan den Eheleuten Sasaki eine Tochter geboren, der sie den Namen "Sadako (Kind der Bestimmung)" geben. Welche Bestimmung das ist ahnen sie noch nicht.

In jenen Jahren passieren noch viele andere unschöne Dinge auf der Welt; aber Dikigoros will sich hier auf den Pazifik konzentrieren. Dort liegen auch die Filipinen, und die sollten ja nach dem Roman von Hektor Nebenwasser zeitgleich mit Perlenhafen angegriffen werden. So ist es auch geschehen. Die Amerikaner haben ihre Kolonie bis zum letzten Filipino verteidigt, d.h. bis der letzte Filipino davon- oder übergelaufen war. (Dikigoros darf doch diese feine Unterscheidung machen zwischen "desertieren" und "desertieren", nicht wahr? Ersteres ist nur Feigheit, letzteres ist Verrat.) Die Reste der amerikanischen Truppen (und ein paar filipinische Elite-Einheiten) haben den Japanern auf der Halbinsel Bataan, welche die Einfahrt zur Bucht von Manila schützt, Wochen lang einen ebenso heroïschen wie sinnlosen Widerstand geleistet, auf Befehl ihres Oberbefehlshabers MacArthur (der sich längst nach Australien abgesetzt hatte). Als sie dann doch kapitulieren, sind sie bereits halb verhungert, und die Japaner wundern sich sehr, daß sie - anders als ihre eigenen Soldaten, überwiegend alte Opas und andere Reservisten aus Taiwan - von den schönen, klebrigen Pappreis-Bällchen, die sie brüderlich mit ihnen teilen, nicht satt werden wollen und offenbar auch nicht mehr die Kraft haben, zu Fuß in die Gefangenenlager am anderen Ende der Insel zu marschieren. Irgendein Schwein im Generalsrang gibt die Order aus: "Dann stellt sie an die Wand." (Ja, liebe Leser, diese Sorte gab es nicht nur bei den Nazis, den Sowjets und den Alliierten, sondern eben auch bei den Japanern.) Doch die untergeordneten Offiziere verweigern den Befehl - wohl wissend, daß sie das den Kopf kosten kann -, lassen die Gefangenen, die wollen, einfach laufen und melden nach oben, daß die leider entflohen seien. (Das, liebe Leser, macht den Unterschied aus!) Einfach? Laufen? Die meisten Amerikaner können ja kaum noch kriechen! Und wohin? So beliebt sind sie bei den Einheimischen nun auch wieder nicht, daß die ihnen jederzeit und überall Unterschlupf gewähren würden. Also wollen viele gar nicht mehr davon laufen, sondern schleppen sich lieber mit bis zum Umfallen. Die meisten Filipinos (für die zwei Reisbällchen pro Tag und Nase noch immer eine erhebliche Verbesserung sind gegenüber den zwei Büchsen Öl-Sardinen pro Tag und Kompanie, die sie zuletzt von den Amerikanern zugeteilt bekommen hatten) überleben, darunter ein junger Leutnant namens Tony Aquino. Aber 2.230 Amerikaner kommen auf dem "Todesmarsch von Bataan" ums Leben - der geneigte Leser möge diese Zahl kurz im Hinterkopf behalten.

[Wappen Filipinen]

2. Mai 1945, Neustadt in Holstein. (Das ist ein kleines Fischerdorf, das die Bezeichnung "Stadt" kaum verdient, an der Lübecker Bucht - deren westliches Ende von seinen Einwohnern auch "Neustädter Bucht" genannt wird.) Noch sechs Tage sind es hin bis zur Kapitulation des Großdeutschen Reichs, aber davon weiß Dikigoros' Großvater natürlich noch nichts. Er weiß auch nicht viel von diesem Kaff, außer daß es der Geburtsort seiner Frau ist, deren Vorfahren, solange die Familie zurück denken kann (aber das ist nicht allzu lange) Fischer waren, armselige Fischer, nicht solche, die mit einem Kutter auf hohe See fuhren, sondern solche, die mit selber genähten Netzen in kleinen Holzbooten hinaus in die Bucht ruderten und dort Heringe fingen - das reichte gerade so, um nicht zu verhungern. Er selber war erst 1919 aus Posen nach Hamburg eingewandert, das nun vollkommen ausgebombt ist, auch seine Arbeitsstätte und seine Wohnung, so daß er froh sein muß, hier bei Verwandten seiner Frau untergekommen zu sein. Dieser verfluchte Krieg! Er wußte von Anfang an, daß es schief gehen würde - und wozu das alles? Um dieses Scheiß-Posen und dieses Scheiß-Westpreußen mit Danzig (das sein Sohn so liebt, obwohl er es nur einmal kurz auf der Durchreise kennen gelernt hat, als er aus dem Kessel Kurland zurück kam), zurück zu erobern? Was haben sich diese Narren da oben in Berlin bloß dabei gedacht? Er muß es doch besser wissen, oder? Er war ja damals nicht nur von dort weg gegangen, weil die Polen kamen (er hatte keine Probleme mit denen; er sprach Polnisch ebenso gut wie seine Muttersprache Deutsch), sondern weil es dort einfach kein Auskommen mehr gab für den soundsovielten Sohn eines Kleinbauern. All diese Gebiete hätten sich die Polen getrost in sauer kochen können, wenn es nach ihm gegangen wäre. Hatten die vier Jahre Krieg 1914-18 nicht gereicht? Hatte Herr Hitler - der es im Ersten Weltkrieg auch nicht weiter gebracht hatte als er selber, nämlich bis zum Gefreiten, und der sich gerade umgebracht hat - vergessen, wie es im Schützengraben war, daß er so leichtsinnig war, den Feinden der Deutschen einen Vorwand zu geben, noch einmal über sie her zu fallen? Nein, ihn haben sie nicht mehr eingezogen, nicht mal zum Volkssturm, denn er ist schwer lungenkrank; aber seinen einzigen Sohn, den haben sie schon als 17-jährigen in die Ukraine geschickt, dann nach Italien und dann nach Kurland. Was zum Teufel wollten sie dort?

[Flagge Schleswig-Holstein]

Dikigoros' Großvater steht auf dem Kopfsteinpflaster der Krabbenstraße und blickt mißmutig hinüber, zum anderen Ufer der Hafeneinfahrt. Dort lagen früher die Segelschiffe des "Yacht-Clubs", die den reichen Pfeffersäcken aus Hamburg und Lübeck gehörten, bis die Nazis dort eine U-Boot-Schule einrichteten. Fast alle sind sie drauf gegangen, die dort ausgebildet wurden, und sein Sohn kann von Glück sagen, daß er mit seinen 1,92 m zu groß war, um in ein U-Boot zu passen. Aber das wird ihm jetzt wohl auch nichts mehr nützen, denn vor zwei Tagen haben sie ihn zum Leutnant befördert und mit einer "Kompanie" RAD-Pimpfe zur so genannten "Armee Wenck" in Marsch gesetzt, die das von (weiß-)russischen (und ukrainischen) Truppen eingeschlossene Berlin wieder frei kämpfen soll. Aber dieser traurige Haufen steht praktisch nur auf dem Papier, und wenn sich die Russen darüber nicht gerade tot lachen, wird es wohl ihr erster und letzter Einsatz sein. Der Bengel hat zwar bisher geradezu unverschämtes Glück gehabt und in drei Jahren an vorderster Front nur eine mittelschwere und eine leichtere Verwundung abbekommen - während die meisten seiner Kameraden in Stalingrad, Monte Cassino oder Libau geblieben sind -; aber wie lange wird sich das Glück noch zwingen lassen? Dikigoros' Großvater weiß noch nicht, daß der Kampf um Berlin just an diesem Tage mit der Kapitulation der deutschen (und französischen) Verteidiger zuende gegangen ist und daß die Reste der "Armee Wenck" sich aufgelöst haben, noch bevor sein Sohn sie erreicht hat. Er hat all diese bitteren Gedanken nur seinem Tagebuch anvertraut (das sein Enkel erst nach dem Tod seines eigenen Vaters zu sehen bekommen wird) und ansonsten schön den Mund gehalten, denn er wollte ja nicht dort landen, wo "Miesmacher", "Defätisten" und "Wehrkraftzersetzer", die sich erwischen ließen, zwangsläufig landeten, nämlich im Konzentrationslager Neuengamme. Das lag auch bei Hamburg und war auch ausgebombt worden; deshalb hat man die 7.500 überlebenden Insassen jetzt verlegt, auf ein paar zu Lazarett-Schiffen umfunktionierte Passagier-Dampfer. Da draußen in der Neustädter Bucht, vor dem kleinen Nachbardorf Pelzerhaken, liegen sie vor Anker, mit ihren weithin sichtbaren weißen Fahnen und Roten Kreuzen: die "Cap Arcona", die "Deutschland", die "Thielbek" und die "Athen".

[Rotes Kreuz]

3. Mai 1945, Ahlhorn. Martin Rumbold und "Charles" Clostermann trinken gemeinsam ihren morning tea und ärgern sich. Über Churchill, diesen Spielverderber. Vor zwei Wochen hat er den Krieg Groß-Britanniens gegen Groß-Deutschland für gewonnen erklärt, die Einstellung der Bombenangriffe auf deutsche Städte verfügt und Air Marshall Arthur Harris, den Helden von Dresden, gezwungen, die restlichen Bomben auf Helgoland abzuwerfen. (Nein, liebe Leser, entgegen bis heute weit verbreiteter Meinung war jener Harris nur ein simpler Befehlsempfänger; sowohl der Befehl zur Aufnahme der verbrecherischen, pardon "strategischen" Terror-Bombardements als auch der zu ihrer Einstellung kamen in letzter Instanz von Churchill.) Das war bereits evakuiert. (Diese Lüge wurde jedenfalls 57 Jahre lang hartnäckig aufrecht erhalten. Erst im Februar 2002, zum 50. Jahrestag der Räumung durch die aliierten Besatzer, durfte die Wahrheit wieder frei verbreitet werden: Tatsächlich war Helgoland damals nur vom deutschen Militär geräumt worden. Die Zivilbevölkerung - durchweg Frauen und Kinder - war dagegen noch dort. Und der Abwurf der restlichen britischen Bomben sollte auch nicht der Vernichtung überflüssigen Kriegs-Materials dienen, sondern der Auslöschung Helgolands. Seine Bombardierung im Mai 1945 war der schwerste britische Luftangriff des ganzen Zweiten Weltkriegs; auf einen Schlag wurden mehr Bomben abgeworfen als in drei 1.000-Bomber-Angriffen auf Berlin, Hamburg und Köln zusammen - auf einen Quadrat-Kilometer Felsen mit ein paar hundert Einwohnern - die fast alle umkamen. Die Briten versuchten noch sieben Jahre lang vergeblich, die Insel zu sprengen; schließlich gaben sie es auf und den völlig verwüsteten Felsklotz großzügig an Deutschland zurück.) Nun, genau genommen nur den Bomben-Krieg gegen die Häuser - so versteht es jedenfalls das "Bomber Command" -, der Angriff mit Bordwaffen auf einzelne Zivilisten, "auf alles, was sich bewegt", wie das im Tagesbefehl heißt, ist von diesem Verbot doch ausgenommen, ist er nicht? Und es gibt ja nicht nur Städte: In der Ostsee dümpeln noch jede Menge deutsche Schiffe mit Flüchtlingen an Bord herum; auch die sind lohnende Angriffsziele. (Na ja, nicht immer: Am 9. März 1945 hatten sie das im Hamburger Hafen liegende Lazarett-Schiff "Robert Ley" - benannt nach dem bösen KdF-Führer - in Brand geschossen; aber leider war kein einziger Verwundeter mehr an Bord gewesen. Was soll's, nächstes Mal werden sie mehr Glück haben.) Der schwedische Prinz Bernadotte (noch so ein Spielverderber!) hat zwar über das Internationale Rote Kreuz ausdrücklich darum bitten lassen, diese unbewaffneten Pötte nicht anzugreifen, insbesondere dann nicht, wenn sie mit Rot-Kreuz-Flaggen gekennzeichnet sind; aber darüber können die R.A.F.-Piloten nur herzlich lachen: Die wollen ihnen die Ziele noch besonders gut markieren? Very funny. Aber bitteschön, sollen sie nur. Die beiden Flieger-Asse trommeln ihre Männer zusammen und starten zu ihrem nächsten Einsatz in die Lübecker Bucht. Sie schießen zuerst die "Cap Arcona" in Brand, dann mähen sie mit ihren Maschinengewehren im Tiefflug die paar Überlebenden nieder, die es noch geschafft haben, von Bord zu springen und jetzt wehrlos in der Ostsee treiben; tags darauf kehren sie noch einmal zurück und machen es mit den drei übrigen Schiffen genauso; 7.000 KZ-Häftlinge sterben; der Rest kann sich wie durch ein Wunder retten. (Fast wären die Einwohner von Neustadt und Pelzerhaken für das Verbrechen, lästige Zeugen dieser edlen Tat geworden zu sein, ein paar Tage später von den britischen "Befreiern" hingerichtet worden, wenn nicht ein kommunistischer Gewerkschafts-Funktionär, mit dem der Nachbar von Dikigoros' Großvater befreundet war, der zufällig einen britisch klingenden Namen trug - tatsächlich war es ein echt pladdütscher Name -, seine schützende Hand über sie gehalten hätte. Immerhin wird das Städtchen zur Strafe gründlich ausgeplündert, bis aufs letzte Haus.)

[Wappen UK]
"Gott und ich sind immer im Recht"
(Wahlspruch des englischen Königs)

August 1945. In Europa schweigen inzwischen die Waffen. (Der Friede ist freilich noch längst nicht ausgebrochen; überhaupt wird ein Friedens-Vertrag nie geschlossen werden; die Alliierten werden 1955 lediglich den Kriegszustand für beendet erklären - bis dahin werden die Sieger die Verlierer als rechtloses Freiwild behandeln.) Und in Fernost kann es auch nicht mehr lange dauern. In den letzten fünf Monaten haben alliierte Terror-Bomber - die seit der Eroberung von Iwojima (das berühmte Foto, das zum Vorbild für ein nicht minder berühmtes Denkmal wurde, wurde allerdings erst nachträglich gestellt) nicht mehr umständlich von Flugzeug-Trägern aus dem Pazifik gestartet werden müssen - nacheinander die unverteidigten Millionen-Städte Nagoya, Kobe, Tōkyō und Ōsaka mit Fosfor-Brandbomben dem Erdboden gleich gemacht; in jeder einzelnen dieser überwiegend aus Holz und Pappe erbauten Städte sind mehr Zivilisten umgekommen als in Dresden. Ein paar kleinere Städte stehen noch: Hiroshima, Kyōto ("Hauptstadt der Hauptstädte") und Nagasaki; die haben sich die Amerikaner für ein besonders eindrucksvolles Finale aufgespart - in dieser Reihenfolge, die beiden ersteren als Hauptziele, die letzte als Ersatzziel, denn leider haben die hochkarätigen deutsch-jüdischen Wissenschaftler um Robert Oppenheimer (der nur zufällig mit Nachnamen so heißt wie der berühmt-berüchtigte "Jud Süß") im neu-mexikanischen Alamogordo (das nur zufällig so heißt wie das Gebäude in San Antonio/Texas, das für die erste große Kriegsschuldlüge der USA steht) bisher nur zwei Atombomben fertig bekommen. Am 6. August zündet die "Sonderkampfgruppe 509" unter Oberst Paul Tibbets die erste davon bei schönem Wetter über der "breiten Insel", Hiroshima - als Zielmarkierung dient ihnen das Gebäude der pazifischen Industrie-Ausstellung von 1915 (aber das ist eine andere Geschichte). Es ist 08.15 Uhr japanischer Zeit - und seitdem hat "08/15" für Japaner eine andere Bedeutung als etwa für Deutsche. Am 9. August 1945 zündet eine andere Einheit unter Major Karl Sweeny die zweite, da rund um Kyōto schlechtes Wetter ist (nicht, wie einige Naïvlinge in Japan noch immer glauben, weil die US-Regierung die alte Kaiser-Stadt etwa hätte schonen wollen), statt dessen über dem "langen Kap", Nagasaki. Als Zielmarkierung dient ihnen die Urakami-Kathedrale, das größte christliche Gotteshaus in Asien; mit ihm stirbt auch die letzte christliche Gemeinde in Japan - diese Religion hat dem Land einfach kein Glück gebracht. Und nach einem "Kap" würde Dikigoros persönlich keine Stadt und kein Schiff mehr benennen; aber vielleicht ist er einfach nur zu abergläubisch. [Selbst die Führer der "DDR" - die ja als gute Sozialisten eigentlich nicht abergläubisch sein dürften - verkniffen sich das "Kap", als sie 40 Jahre später die "Astor" - westdeutschen Fernseh-Zuschauern als "Traumschiff" aus der gleichnamigen TV-Serie bekannt - kauften und schlicht in "Arkona" umbenannten.]

[Der Tag danach. Nagasaki] [Hiroshima. Urakami-Kathedrale]

Exkurs. Dikigoros hat so viele E-mails bekommen, warum er nicht einmal ganz ohne Ironie, Cynismus, Sarkasmus oder was man ihm sonst so vorwirft, schreibt, was er persönlich von den Atombomben-Abwürfen auf Japan und ihren Folgen hält. War das ein Kriegsverbrechen, und wenn ja - wer war[en] der [die] Täter? Oppenheimer? Roosevelt? Truman? Oder gar die Piloten? Dikigoros betrachtet seine persönliche Meinung zu dieser Frage zwar als völlig unerheblich; aber er will einmal versuchen, sich in die Köpfe einiger maßgeblich Beteiligter hinein zu versetzen: Truman dachte vor allem an eines: Die Eroberung von Iwojima und Okinawa hatte rund 60.000 tote US-Soldaten gekostet, und das Volk war kriegsmüde; wenn er durch den Einsatz zweier Bomben auch nur einen einzigen G.I. "einsparen" konnte, dann war er bereit, dafür ein paar Millionen japanischer Zivilisten zu töten. (Das war eine durchaus legitime Überlegung, und die Tötung feindlicher Zivilisten galt ohnehin nicht mehr als Kriegsverbrechen, sondern als gewollt, schlimmstenfalls als notwendiges Übel - alle kriegführenden Staaten bzw. ihre Politiker und Militärs dachten so, mit Ausnahme der deutschen, die den Krieg ja nicht umsonst verloren; jedenfalls war dies keine Besonderheit der Atombombenabwürfe.) Diejenigen, die ihren Bau und ihren Einsatz erst lautstark befürwortet hatten - die Clique um Einstein und seine Mitjuden - und nun plötzlich ebenso lautstark "halt, nicht einsetzen!" schrien, taten dies nicht etwa, weil sie überzeugte Pazifisten waren, wie man es einer tumpen Weltöffentlichkeit nachher weis zu machen suchte, sondern weil sie nur aus Haß gegen Deutschland gehandelt hatten: Atombomben auf Berlin und Hamburg wären eine feine Sache gewesen - die hätten sie am liebsten auch noch nach der Kapitulation der Wehrmacht abwerfen lassen -, aber doch nicht auf das ohnehin schon völlig zerstörte und kapitulationsbereite Japan! Aber Japan war nicht kapitulationsbereit - jedenfalls nicht so, wie es sich die USA ursprünglich vorgestellt hatten, nämlich bedingungslos. Sie bestanden darauf, daß Japan ein Kaiserreich und der Tenno an der Macht bliebe, statt als "Kriegsverbrecher" ausgeliefert zu werden. Was ist davon zu halten? Diejenigen, die weiter kämpfen wollten, hatten zwar Recht, wenn sie vermuteten, daß die USA, wenn sie mehr als zwei Atombomben gehabt hätten, diese allesamt über Japan abgeworfen hätten, folglich ihr Pulver vorerst verschossen hatten - der Bau weiterer Bomben hätte noch Monate gedauert -, das war also kein Grund zur Kapitulation. Was aber wäre passiert, wenn die Amerikaner auf den japanischen Hauptinseln gelandet wären und die Bevölkerung tatsächlich bis zum letzten Blutstropfen gekämpft hätte? Die Amerikaner hätten die Japaner - die in ihren Augen ausweislich ihrer Propaganda nur Ungeziefer waren - unweigerlich ausgerottet, mit Mann und Maus, Kind und Kegel, auch ohne weitere Atombomben; die militärischen Mittel dazu hatten sie, und die erforderliche Skrupellosigkeit auch. Wer aber bewahrte das japanische Volk vor der Ausrottung? Der gute Onkel Joe Stalin, der Japan unter Bruch des Nichtangriffspakts von 1941 in den Rücken fiel. Nun begriffen auch die letzten Japaner - und vor allem der erste, nämlich der Tenno höchstpersönlich -, daß der Krieg verloren war, auch wenn die USA keine weiteren Atombomben mehr in der Hinterhand hatten. Und Stalins Lohn? Er hatte auf die reiche und von den Japanern hervorragend ausgestattete Mandschurei gehofft - am Ende blieb ihm nur ein schäbiges Inselchen namens Sachalin (von dem noch niemand ahnte, daß man im nächsten Jahrtausend vor dessen Küsten immense Erdöl- und Erdgas-Vorkommen entdecken sollte; die Japaner hingen damals nur aus Sentimentalität - und vielleicht noch wegen des Fischfangs - daran; für die Sowjets hatte es allenfalls einen kleinen strategischen Wert). Der Haupt-Verbrecher in dieser Geschichte war also Stalin, und sein Verbrechen wurde nicht belohnt - aber es rettete 80 Millionen Menschenleben. Ihr meint, Dikigoros sei schon wieder cynisch geworden? Nein, das ist die Ironie der Geschichte und ihrer Fakten - dafür kann er nichts. Exkurs Ende.

Darf Dikigoros noch ein paar Zeilen darauf verwenden, zu berichten, was aus den Haupt-Tätern der vorigen Absätze nach Kriegsende geworden ist? Paul Tibbets und Karl Sweeney, die Helden von Hiroshima und Nagasaki, werden mit dem Distinguished Service Cross (dem amerikanischen Gegenstück zum Eisernen Kreuz) ausgezeichnet und verbringen den Rest ihres Lebens als ehrenwerte Männer (beide werden noch zu Generälen befördert) und angesehene Bürger unbehelligt in den USA. [Nachtrag: Aber Tibbets - der nie müde wurde, die nächsten 62 Jahre lang trotzig zu betonen, daß er sich nicht als Kriegsverbrecher fühle und "es" jeder Zeit wieder tun würde und stolz darauf sei - wurde in Wahrheit von schweren Gewissensbissen geplagt. Als er anno 2007 endlich starb, hinterließ er ein Testament, in dem er verfügte, seine Leiche zu verbrennen und die Asche in alle vier Winde zu zerstreuen, denn er wolle nicht, daß sein Grab zu einem Mahnmal gegen Kriegsverbrechen und Pilgerzentrum für Atombombengegner aus aller Welt würde.] Die Inhaber der Zigaretten-Marke "Lucky Strike (Glücks-Treffer)", die von ihrem Erfinder Patterson nach einem glücklichen Goldfund im 19. Jahrhundert benannt worden war und deshalb ursprünglich einen roten Kreis auf goldenem Grund im Wappen trug, ändern dies nun in einen roten Kreis auf weißem Grund - die Flagge Japans - und beziehen den "Glücks-Treffer" fortan auf die glückliche Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis. Ferner ersetzen sie den alten Schriftzug "R.A.Patterson" durch den Satz "it's toasted (es ist geröstet)". Dazu muß man wissen, daß der deutsche Ausdruck "in der Hölle schmoren" im Amerikanischen "to toast in hell (in der Hölle rösten") lautet; wer eine "Lucky Strike" raucht, kann sich also über den glücklichen Treffer der Atombomben freuen und darüber, daß die getöteten Japaner zur Strafe für ihr Verbrechen, diesem Angriff zum Opfer gefallen zu sein, in der Hölle schmoren. Jeder Amerikaner versteht das damals so, und fast jeder findet es gut - was den Umsatz der Zigarettenmarke sehr beflügelt. (Man hat diese Glorifizierung eines Kriegsverbrechens (Ihr entschuldigt doch hoffentlich, liebe Leser, daß Dikigoros in Sachen "Tötung feindlicher Zivilisten" noch der altmodischen Definition anhängt) und die - bis heute andauernde - Verhöhnung seiner Opfer Jahrzehnte lang standhaft geleugnet und kritischen Fragern das Märchen aufgetischt, "it's toasted" bedeute ein besonderes Herstellungs-Verfahren - welches? das war geheim! -, und alles andere sei purer Zufall. Erst im nächsten Jahrtausend sollte ein Film in die Kinos kommen, in dem mehr oder weniger unumwunden - und nach wie vor gänzlich ungeniert - eingerämt wurde, daß die Piloten ihren Treffer tatsächlich als "Lucky Strike" bezeichnet und so die Zigartettenfirma zu ihren Änderungen inspiriert hatte.) Soweit die USA. Der Engländer Martin Rumbold wird zu seiner unangenehmen Überraschung nicht etwa zum Helden von Pelzerhaken erklärt, sondern sang- und klanglos aus der R.A.F. entlassen (wie undankbar!), macht eine Kneipe auf und bald darauf Pleite. "Charles" Clostermann dagegen, der andere Held von Pelzerhaken, wird Abgeordneter der französischen National-Versammlung, Ritter der Ehrenlegion, Vizepräsident der Cessna Aircraft Company und General-Direktor der Firma Reims Aviation, die sein Freund Charles de Gaulle eigens zu diesem Zwecke verstaatlicht. (Was ist eigentlich daraus geworden, liebe Leser? Nun, inzwischen hat die letztere Firma die erstere geschluckt; aber ihr wichtigstes Produkt ist nach wie vor die kleine, wendige "Cessna", vielen Deutschen und noch mehr Russen ein Begriff seit jenem denkwürdigen Flug des jungen Matthias Rust nach Moskau - der dafür freilich keinen Orden bekommen hat; aber es war ja auch kein Flug über den Pazifik, deshalb erwähnt Dikigoros das hier nur am Rande.)

[Distinguished Service Cross für die Helden von Hiroshima und Nagasaki] [Pleitegeier für Rumbold] [Légion d'Honneur für Klostermann, den Helden von Pelzerhaken]

Zurück ins Jahr 1945. Was geschah mit den nur indirekt Beteiligten der Gegenseite, den Besiegten? Der ehemals populäre Balltreter Tull Harder (nein, liebe junge Leser, Ihr werdet ihn nicht kennen - obwohl er einst als Torjäger so bekannt und beliebt war wie nach ihm allenfalls Helmut Rahn, Uwe Seeler, Gerd Müller oder Rudi Völler - und Ihr werdet auch gleich erfahren warum nicht), war ein kleiner Fach-Leutnant der Waffen-SS und als solcher Aufseher in Neuengamme. Ihm und anderen werden die Toten von Pelzerhaken nach dem Krieg in die Schuhe geschoben - schließlich muß irgend jemand die Zeche bezahlen, die die Briten gemacht haben; und "bezahlen" bedeutet in diesem Fall: über die Klinge springen, damit die Wahrheit nie ans Tageslicht kommt. Harder wird zwar "nur" zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt (zwei seiner Untergebenen, die nicht das Glück hatten, berühmte Fußballer gewesen zu sein, kommen gleich aufs Schafott), aber zu deren Verbüßung wird er in das alliierte Konzentrationslager Iserbrook eingeliefert, und an den ihm dort zugefügten Mißhandlungen stirbt er - zuvor "großzügig" entlassen, um keinen Martyrer zu schaffen - 1956. Sein Name wird aus den Annalen der Sportgeschichte so gründlich getilgt, wie Orwell es in "1984" beschrieben hat: Der Hamburger Sportverein ("Ha-äss-vau"), für den Harder fast zwei Jahrzehnte lang gegen den Ball getreten hat, streicht ihn von der Mitglieder-Liste. (Die vielen Tore, die er geschossen hat, hat der große Anonymus erzielt - vielleicht derselbe Anonymus, der in der Zeit des "Dritten Reiches" das Lied von der Loreley ["Ich weiß nicht, was soll es bedeuten..."] und andere Gedichte politisch unliebsamer Autoren geschrieben hatte?) Und als 1974, bei der Balltreter-, pardon Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland (West), auch ein Spiel in Hamburg statt finden soll und irgend ein Unglücksrabe in der aus diesem Anlaß gedruckten Broschüre den Namen "Tull Harder" erwähnt, muß die gesamte Auflage von 100.000 Exemplaren eingestampft werden. (Merke: Das Verbrechen eines Deutschen, von den alliierten Besatzern, pardon Befreiern ermordet zu werden, verjährt nicht!) Sixtus' Kameraden werden, so sie nicht zu den 200.000 zählen, die bei Kriegsende "Harakiri" - pardon, der geneigte Leser weiß ja inzwischen, daß das richtig "Seppuku" heißt - begangen haben, von den Alliierten für den "Überfall" auf ihre friedliche, pardon, pazifische Kriegsflotte in Perlenhafen, als "Kriegsverbrecher" zum Tode verurteilt. Kurz vor ihrer Hinrichtung stirbt Essig-Joe, der es noch bis zum General gebracht hat - übrigens eines natürlichen Todes. (Was will Dikigoros bloß schon wieder mit diesem völlig unbedeutenden Typen, der heute in keinem deutschen Lexikon mehr zu finden ist? Geduld, liebe Leser, Geduld!)

[Fußball]

Nun weiß Dikigoros sehr wohl, daß sich das alles nur schwer vergleichen läßt, denn die Angriffe der alliierten Befreier galten ja nur der verbrecherischen Zivilbevölkerung des Gegners, während der Angriff der bösen Japaner sich peinlichst auf die militärischen Einrichtungen von Perlenhafen beschränkte: nicht einmal die riesigen, völlig offen liegenden Öltanks, in denen die Jahresvorräte für die gesamte Pazifik-Flotte lagerten, hatten sie bombardiert - sonst wäre ganz Hawaii auf Jahre hinaus ebenso unbewohnbar geworden wie Hiroshima und Nagasaki -, geschweige denn die Unterkünfte des Zivilpersonals. Fast 3.000 tote und vermißte Matrosen und Marinesoldaten hat die Versenkung ihrer Pazifik-Flotte die USA gekostet - zweifellos ein todeswürdiges Verbrechen, denn die japanische Kriegserklärung an die USA ist nur knapp 24 Stunden vor dem Luftangriff auf Perlenhafen erfolgt (während z.B. die Briten mit ihrem ersten Luftangriff auf Wilhelmshaven im September 1939 fast eine geschlagene Stunde nach der Kriegserklärung an das Deutsche Reich zugewartet haben), fast ebenso viele der "Todesmarsch von Bataan", also zusammen knapp 6.000. Dagegen haben die beiden Atombomben-Abwürfe auf Japan nur 600.000 blöde Zivilunken - dazu noch Schlitzaugen - das Leben gekostet, und der Luftangriff auf Dresden auch nur 600.000 blöde Zivilunken - dazu noch Nazi-Deutsche. Das ist halb so wild, wenn man es durch zwei teilt, und wenn man gar noch eine Null an den Quotienten hängt... Moment, ein Griff zum Rechenschieber: 600.000 dividiert durch zwanzig... Jawohl, heute steht in unseren Geschichtsbüchern (nein, nicht in den japanischen - was die Alliierten, einschließlich der Chinesen, mächtig ärgert), daß in Dresden "ca. 30.000" gestorben sind, ebenso wenige (oder noch weniger - in Dikigoros' Brockhaus-Lexikon steht "ca. 25.000") in Hiroshima und Nagasaki, was schon eine interessante Rechnung ist, wenn man bedenkt, daß in Hiroshima vor dem Angriff 400.000 Menschen lebten (einschließlich vieler aus anderen Städten evakuierter Schulkinder) und in Nagasaki 360.000 (einschließlich zahlreicher chinesischer und koreanischer Zwangsarbeiter und einiger alliierter Kriegsgefangener), und daß von denen insgesamt nur 160.000 - darunter Sadako Sasaki - überlebten (was vielleicht etwas zu eufemistisch ausgedrückt ist; denn eigentlich war ihr "Leben" kaum noch mehr als ein Vegetieren und ein langsames Sterben an den Spätfolgen der Atombomben-Abwürfe). Noch interessanter, wenn man bedenkt, daß allein im "Hiroshima Peace Park" die Urnen von 180.000 namentlich bekannten und weiteren 70.000 namentlich nicht bekannten Opfern des ersten Atombomben-Abwurfs stehen; aber vielleicht haben die Brockhaus-Autoren (und neuerdings auch ihre Nachfolger im Geiste, die Verfasser der halbstaatlich zensierten kontrollierten betreuten Internet-Plattform Wikipedia, die sich nicht entblöden, die Gesamtsumme der japanischen Zivilopfer im Zweiten Weltkrieg auf "360.000" zu beziffern) einfach nur eine Null vergessen. Wie war das gleich: "Nichts ist unmöglich, Nagasaki."

[Nachtrag. Ihr meint, die Deutschen nähmen es halt nicht so genau mit ein paar Nullen mehr oder weniger, Dikigoros bräuche sich also hier und im Folgenden gar nicht so zu echauffieren? Dann erlaubt er sich, auf die ADAC-Affäre anno 2014 hinzuweisen. Jener Verein hatte bei einem Test diverser Automodelle kackfrech überall eine Null drangehängt, um eine zehnmal so breite Basis für seine Erhebungen vorzutäuschen. Gewiß, das war nicht korrekt; aber der Sturm im Wasserglas, der daraufhin von den Medien entfacht wurde, kann jemanden, der um ihr Schweigen in Sachen der vorgenannten Nullsummenspiele weiß, nur verblüffen: Der ADAC hatte sich ja nur ein bißchen wichtig tun wollen, aber das Testergebnis letztlich nicht verfälscht, denn er hängte die Null überall dran. (Das wäre so, als wenn man aus den 300.000 Opfern der deutschen Konzentrationslager, die das neutrale Schweizer Rote Kreuz nach dem Krieg ermittelte, 3 Millionen und zugleich aus den jeweils 600.000 Opfern der alliierten Terrorbombardements auf Dresden und Hiroshima/Nagasaki 6 Millionen manchen würde; das wäre zwar albern, würde aber die Relationen nicht verschieben.) Kann es vielleicht sein, daß die Journaille, die in den anderen Sachen unter Zensurknebelung und Psychoterror durch die politisch-korrekten Gutmenschen litt und die wahre Geschichte nicht schreiben durfte, das kompensierte, indem sie sich an diesem eigentlich läppischen Histörchen austobte? Nachtrag Ende.]

Und womit gleichen wir das wieder aus? Nun, man kann zwar schlecht behaupten, daß es in Perlenhafen zwanzig Mal so viele Opfer gegeben hätte wie tatsächlich umgekommen waren - das wären 60.000, und so viele waren dort nie stationiert, das würde früher oder später auffallen. Aber hat nicht das Rote Kreuz der neutralen Schweiz nach Kriegsende festgestellt, daß in den deutschen Konzentrations-Lagern ca. 300.000 Menschen umgekommen sind, darunter viele Juden? (Wobei das "in" nicht so wörtlich zu nehmen ist - die 7.000 Opfer von Pelzerhaken sind natürlich unter "Neuengamme" mit gezählt worden! Und auch die anderen Lager waren ja schon zuvor beliebte Ziele der alliierten Luftangriffe gewesen.) Mal zwanzig... na bitte! Und die Deutschen fressen es gehorsam und kauen und würgen noch lange daran, denn sie wissen nicht - dürfen nicht wissen, dieses Wissen zu verbreiten wird zur Straftat erklärt -, wie viele Menschen zwischen 1933 und 1945 bei Pogromen in den USA, in Polen und in der Sowjetunion ermordet wurden. (Erst im nächsten Jahrtausend werden sich ein paar mutige Stimmen erheben, um zu sagen wie es tatsächlich war in Jedwabne und anderswo in Polen, erst in den USA - es ist die Stimme eines polnischen "Nestbeschmutzers" -, dann in der Schweiz und schließlich, ganz zaghaft und leise, auch in Deutschland - sogar in einer Sendung des staatlichen Rotfunks und einem über jeden Verdacht eines Verstoßes gegen den Holocaust-Paragrafen erhabenen Nachrichtenmagazin. Oder in Lemberg und anderswo im Sowjet-Reich: Auf ihrem Rückzug 1941 ermordete erst die Rote Armee die Juden und andere Deutschsprechende, deren sie habhaft wurde, dann rächte sich die einheimische Bevölkerung an den Kommunisten - und erwischte dabei wieder viele Juden, ein Treppenwitz der Geschichte -, und am Ende schoben alle alles auf die bösen Nazi-Deutschen. 60 Jahre später wird es heraus kommen. Aber bis dahin werden noch viele seriöse Historiker für ihre wissenschaftliche Wahrhaftigkeit ins Gefängnis gehen, während willfährige "Geschichts-Professoren" und andere Lügen-Barone an staatlichen Lügen-Fabriken, pardon Universitäten ungestraft ihre Märchen verbreiten dürfen und dafür üppig mit Steuergeldern besoldet werden - Söldner der Lüge.) Oder wie viele auf den britischen Todesschiffen vor Cypern verreckt sind, wohin die Überlebenden der deutschen Konzentrations-Lager nach dem Krieg verfrachtet wurden. Und erst recht nicht, wie viele "Nicht-Arier" mit Sondergenehmigung des "Reichsheinis" auf deutscher Seite mit gekämpft hatten und gefallen waren oder als Angehörige der Waffen-SS, die sie meist waren, nach dem Krieg von den Alliierten zu Tode gefoltert wurden. (Wer außer Dikigoros' Vater, der zufällig mit einem der Betroffenen zur Schule gegangen ist, weiß schon noch, daß es so etwas überhaupt gab? Oder daß Feldmarschall Milch, der Schöpfer der deutschen Luftwaffe - nein, liebe Leser, das war nicht der dicke Hermann, der hat sich bloß mit Milchs Lorbeeren geschmückt -, jüdischer Abstammung war? Oder daß einer der größten deutschen Heerführer im Zweiten Weltkrieg, Feldmarschall "v. Manstein", richtig "Lewinski" hieß? Forget it.)

Wenn es 1945 sechs Millionen weniger waren als 1933 (was heute niemand mehr mit letzter Sicherheit feststellen kann, Dikigoros schon gar nicht; und wenn er es könnte, würde er sich hüten, darüber etwas zu äußern; erstens interessiert es ihn nicht, weil ihm schon 300.000 Tote für eine Meinungsbildung in dieser Sache voll und ganz ausreichen würden - ebenso wie ihm schon 25.000 Tote in Hiroshima und Nagasaki für eine Meinungsbildung in jener Sache ausreichen würden -, und zweitens gilt das Nachprüfen, ja schon das bloße Hinterfragen der Zahl "sechs Millionen" in Deutschland als schweres Verbrechen, das mit hohen Gefängnis-Strafen bedroht ist), dann müssen die wohl alle auf die Narrenkappe gehen, die sich die Deutschen haben aufsetzen lassen - wobei sie brav verdrängen, daß die Zahl ihrer eigenen, tatsächlichen Opfer unter der alliierten Besatzung und Terror-Herrschaft nach dem Krieg etwa doppelt so hoch war wie die der angeblich durch sie selber verursachten Verluste unter ihren Feinden im Krieg. Auch sechs Millionen Opfer "der" Deutschen würden den Alliierten also nicht annähernd ausreichen, um damit ihre eigenen Kriegs- und Nachkriegs-Verbrechen an den Deutschen aufzurechnen - deshalb haben sie das "Aufrechnen" auch wohlweislich verboten. [Nachtrag 6. August 2005. Pünktlich zum 60. Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima entschließt sich ein gewisser Ernst Piper in einer bekannten Frankfurter Tageszeitung unter der Überschrift "60 Millionen Grad" doch zur Aufrechnung: Da man die wahre Zahl der Opfer kaum noch vertuschen kann, ohne sich lächerlich zu machen - bei den Gedenkfeiern ist sie japanischerseits noch einmal leicht nach oben revidiert worden - geht es jetzt ans Relativieren: Es müsse daran erinnert werden, "daß die Zahl der Opfer der japanischen Aggression mehr als 20 Millionen betrug." Wie der gute Mann sich diese Fantasiezahl aus den Fingern gesogen hat, ist ein Rätsel. Darf Dikigoros versuchen, es zu lösen? Sollte man da - so wie Stalin bei den angeblichen Kriegsverlusten die Opfer seiner eigenen "Säuberungen aus den 1920er und 1930er Jahren mitzählte - die Opfer des chinesischen Bürgerkriegs aus den 1920er, 1930er und 1940er Jahren mitgezählt haben? Nein, viel einfacher: Die tatsächliche Zahl der Todesopfer auf Seiten von Japans Kriegsgegnern dürfte bei ca. 1 Million gelegen haben; und Ihr wißt doch, mit welchem Faktor man die multiplizieren muß!] Halt. Dikigoros will hier keinen falschen Eindruck erwecken, und er will vor allem nichts Falsches schreiben. Es gab nicht "die" Terror-Herrschaft "der" alliierten Besatzer im Nachkriegs-Deutschland. Er muß ausgerechnet die Limeys von diesem Vorwurf ausnehmen (auch wenn er sie persönlich nicht sonderlich mag). Die mögen zwar bis zum letzten Kriegstag mit Flüchtlingen vollgestopfte und unverteidigte Städte, wehrlose Flüchtling-Trecks, Rotkreuz-Transporte und Lazarett-Schiffe bombardiert und Zivilisten erschossen haben; aber als der Krieg vorbei war, war er für sie vorbei. Ihre tapferen Verbündeten dagegen hatten sich zwar bis kurz vor Ende der Kampfhandlungen aus Angst vor Vergeltungs-Maßnahmen der bösen Nazis etwas zurück gehalten (was freilich die U.S.-Amerikaner nicht gehindert hatte, Mitte März 1945 in Swinemünde eine ähnliche Sauerei zu veranstalten wie die Limeys ein paar Wochen später in Pelzerhaken - dabei waren sogar dreimal so viele Menschen umgekommen); dafür begannen sie nach der bedingungslosen Kapitulation des Reiches erst recht mit dem Morden an deutschen Kriegsgefangenen und Zivilisten - aber das ist eine andere Geschichte.)

Die größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts waren nicht die, welche die Weltöffentlichkeit heute dafür hält (oder die Dikigoros früher dafür hielt): Churchill hatte die Syfilis längst das Gehirn angefressen - er war schon aus diesem Grunde nicht voll zurechnungsfähig; da er zudem seine Schmerzen praktisch rund um die Uhr mit Alkohol betäubte (selbst beim Ablesen seiner berüchtigten "Blut-, Schweiß- und Tränen"-Rede war er sturzbesoffen und lallte eigentlich nur mit schwerer Zunge herum) hatte er nur ganz selten lichte Momente, so, als er am Ende des Krieges einmal kurzzeitig aus seinem Rausch erwachte und ihm dämmerte, daß er "das falsche Schwein geschlachtet" hatte. (Der Ausdruck geht übrigens auf eine ungenaue Übersetzung der indischen Redewendung "der falschen Sau die Ohren lang ziehen" zurück.) Hitler war zwar Abstinenzler, aber auch er hing rund um die Uhr an der Nadel irgendwelcher Quacksalber, pardon Mode-Ärzte, so daß auch er am Ende nicht mehr voll zurechnungsfähig gewesen sein dürfte. Beide konnten nach dem Krieg keine Verbrechen mehr begehen, der eine, weil er abgewählt worden, der andere weil er tot war. Letzteres gilt auch für Roosevelt; auch der konnte seine Verbrechen also "nur" im Krieg begehen (und vor dem Krieg, wenn man denn den - in Nürnberg rückwirkend neu geschaffenen - Straftatbestand der "Vorbereitung eines Angriffskrieg" mit zählt); aber auch er war ein alter, körperlich und geistig kranker Mann, der im juristischen Sinne nicht voll "schuldfähig" war - und er war jüdischer Abstammung. Das rechtfertigt nichts und entschuldigt nicht alles, aber es erklärt vieles, zum Beispiel seinen Haß auf "Nazi-Deutschland". Sein Nachfolger auf dem US-Thron, pardon, Präsidenten-Sessel, Truman, war zwar einigermaßen gesund, aber nur ein dummer Jurist; und er handelte vielleicht tatsächlich in dem Tatbestands-Irrtum, daß er mit dem Abwurf der Atombomben auf Japan den im "friedlichen" Ozean noch mit unverminderter Härte andauernden Krieg verkürzen und so Menschenleben "retten" könnte. Er wußte wohl nicht, daß die Japaner allein deshalb kapitulierten, weil Stalin ihnen nach seinem Sieg über Deutschland (den ihm nicht zuletzt der von Japan peinlichst eingehaltene Neutralitätsvertrag von 1941 ermöglicht hatte) in den Rücken fiel, während sie in völliger Verkennung der Tatsachen bis zuletzt gehofft hatten, die Sowjets würden auf ihrer Seite in den Krieg gegen die USA eintreten oder ihnen wenigstens durch Vermittlung eines annehmbaren Friedens die vollständige Niederlage ersparen. Doch auch Stalin war Alkoholiker und litt schon an Senilität.

Aber Truman's Nachfolger in spe, Eisenhower, genannt "Ike", der 1945 mit den Worten "Wir sind nicht gekommen, um die Deutschen zu befreien, sondern um sie zu bestrafen!" Proconsul von Trizonesien, pardon, Militär-Gouverneur von Mitteleuropa wurde und den merkwürdiger Weise selbst die so genannte "revisionistische" Geschichtsschreibung noch nicht "entdeckt" hat, war damals ein Mann im besten Alter und voll zurechnungsfähig im strafrechtlichen Sinne. Für seine nach Beendigung der Kampfhandlungen begangenen ungeheuren Verbrechen, die selbst Churchill (dem man sicher nicht vorwerfen kann, übertrieben deutschfreundlich gewesen zu sein) die Schamröte ins Gesicht trieben, findet Dikigoros beim besten Willen keine Erklärung. A propos Gesicht: Schaut sie Euch gut an, liebe Leser, diese unsoldatische, verweichlichte und verlebte Visage mit den widerwärtigen Schweinsäuglein, diese Fratze des sadistischen Schreibtisch-Täters und Unter-Menschen, dessen liebste private Freizeit-Vergnügungen das Betrügen und Verprügeln seiner Frau und das Totschlagen von Eichhörnchen in seinem Garten mit einem Golfschläger waren, und der auch sonst all das Schlechte in seiner eigenen Person verkörperte, was er seinen deutschen Ex-Landsleuten anzuhängen suchte. A propos suchen: Dikigoros hat lange nach diesen Fotos suchen müssen, denn dieser Massenmörder ließ sich wohlweislich nicht gerne ablichten, so daß man für gewöhnlich statt solcher Steckbriefe nur idealisierende Pinseleien in Öl von ihm findet. Nein, liebe Antisemiten, Eisenhower war nicht jüdischer Abstammung, auch wenn er richtig nicht Dwight D., sondern David D. hieß, und sein Vater David Jacob Eisenhauer - es war halt damals Mode unter bibelfesten Christen in den USA, seinen Kindern alttestamentarische Namen zu geben; auch Lincoln trug bekanntlich den Vornamen Abraham, ohne deshalb Jude zu sein. Eisenhower war von der Abstammung her lupenreiner Deutscher - auch wenn er rein äußerlich eher seinem Zeitgenossen und Kollegen, dem Sowjet-Menschen Chruschtschow ähnelte -, und von der religiösen Erziehung her war er Zeuge Jehovas, also Angehöriger einer Sekte, die eigentlich als besonders friedfertig gilt und zumindest offiziell die Tötung jeglichen Lebens, insbesondere aus Rache - Hitler hatte auch die Zeugen Jehovas in Konzentrationslager gesteckt - strikt ablehnte. Nein, Dikigoros findet auch nach diesem Exkurs noch keine Erklärung für das Fänomen "Ike"; es sei denn, man wollte annehmen, daß er an der auch heute noch weit verbreiteten schlimmsten Krankheit der Deutschen litt: dem Haß auf sich selber und auf das eigene Volk.

Nun, an dieser Krankheit haben die Limeys zum Glück nie gelitten - im Gegenteil. Dikigoros' Vater und seine Kameraden sind jedenfalls in britischer Gefangenschaft (fast) immer korrekt behandelt worden, und die paar Freisprüche in Nürnberg und die wenigen "Nur"-Haftstrafen (zu "lebenslänglich" Verurteilte können nach ein paar Jahren begnadigt werden - wie Milch und Lewinski alias "v. Manstein" -, Hingerichtete nicht mehr) gehen größtenteils auf das Konto der Limeys. (Deshalb vertritt Dikigoros heute auch britische Mandanten - selbst gegen deutsche Prozeßgegner. Er mag sie nicht, aber er empfindet keinen Haß, im Unterschied zu den Gefühlen, die viele ehemalige Kriegsgegner und ihre Nachkommen "den" Deutschen - auch den nach 1945 geborenen - noch heute entgegen bringen.) Und das, obwohl das britische Empire durch den Zweiten Weltkrieg an Land und Leuten letztlich noch mehr verloren hat als das Deutsche Reich, dem es 1939 zum Entsetzen seines Freundes und Bewunderers Hitler den Krieg erklärt hatte. Allein gegenüber Rudolf Hess, diesem Spielverderber, der ihnen mitten im Krieg den Spaß verderben wollte mit seiner blödsinnigen Friedens-Mission, und gegenüber den Juden, die zurück wollten in ihre biblische Heimat, die britische Kolonie Palästina, haben sich die Limeys unnachsichtig, ja sogar ziemlich schäbig verhalten. (Dabei glauben manche tumpe Germanen noch heute das Märchen, die Briten hätten Europa in den Zweiten Weltkrieg gestürzt, um ausgerechnet die zu "befreien".) Die Juden sind für sie ewige "trouble-shooter", und Hess ein "war criminal", that's it. (Und dann waren da noch die "Lienzer Kosaken", diese todeswürdigen "doppelten Verräter" - aber das ist eine andere Geschichte.)

Nachtrag. In den letzten fünf Absätzen ist Dikigoros etwas vom Wege abgekommen. Nein, nicht thematisch - deshalb läßt er diese Absätze auch stehen -, aber geografisch. Denn eigentlich hätte er auch ein Beispiel am Pazifik finden können, wenngleich ein nicht ganz so krasses Beispiel und auch nicht ganz am Pazifik, aber... Die meisten Nicht-Chinesen kennen in erster Linie drei chinesische Städte (zumindest dem Namen nach): Peking im Norden, Hongkong im Süden und Schanghai in der Mitte. Aber wenn wir von dort den Yangtse-Fluß ein paar Stunden hinauf fahren, kommen wir nach Nanking (oder, wie man heute meist schreibt, "Nánjīng"; gesprochen wurde und wird es "Nann-tsching"), das in den 1930er Jahren die Hauptstadt Chinas war. Und die Geschehnisse dortselbst während des chinesisch-japanischen Krieges nehmen inzwischen einen Spitzenplatz ein, wenn es um die Frage geht, woraus man noch ein dem "Holocaust" von 1942-44 und den "Armenier-Greueln" von 1915-17 vergleichbares Shoa-business machen kann, spätestens seit 1997 die US-Chinesin Iris Chang das Buch "The Rape of Nanking [Die Vergewaltigung von Nanking]" veröffentlichte und die New York Times es zum Bestseller hoch jubelte.

[Iris Chang, The Rape of Nanking]

Folgendes stand drin: Im Dezember 1937 eroberten japanische Truppen die Stadt, ermordeten mindestens 200.000 männliche Zivilisten und Kriegsgefangene und vergewaltigten jede zweite Frau. (Das mag Euch viel erscheinen bei einer Vier-Millionen-Stadt und nur 200.000 japanischen Soldaten, liebe Leser; aber wenn Ihr Euch mal erinnert, was die "Rote Armee" der Sowjets 1945 in deutschen Städten anstellte, kann man das nicht von vornherein ausschließen.) Schlimm, wenn es so gewesen wäre. Aber da das Hinterfragen dieser Behauptungen - anders als das der "Holocaust"-Doktrin - noch nicht unter Strafe stand, wagten einige mißtrauische Historiker (nicht nur, aber vor allem Japaner), der Sache mal etwas genauer auf den Grund zu gehen, z.B. Miss Chang nach ihren Quellen zu fragen. Antwort: Es war bloßes Hearsay (Hörensagen), ihre Eltern oder Großeltern hatten ihr das so erzählt, und woher die das hatten ließ sich nicht mehr feststellen. Dann wurden die Märchen nach und nach zerpflückt; und um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Noch bevor man Miss Chang den Friedensnobelpreis verleihen konnte (wie Rigoberta Menchú für ihre Märchen über die Ausrottung der Indianer durch die Regierung Guatemalas - die freilich erst nach der Preisverleihung als solche entlarvt wurden) wurde sie in fast allen Punkten widerlegt, und sie war so beschämt, ihr Gesicht verloren zu haben, daß sie Selbstmord beging (so viel Anstand hatte sie jedenfalls noch :-), weil sie es nicht ertragen konnte, als Lügnerin da zu stehen vor aller Welt - außer in Rotchina und dort, wo man Peking nach dem Mund redet, z.B. in der BRDDR, wo diese Widerlegungen völlig tot geschwiegen wurden; deshalb trägt Dikigoros sie Euch hier ja nach. Also - wie war es in Wahrheit? Im Dezember 1937 wurde Nanking von japanischen Truppen eingeschlossen. Deren Führung warf Flugblätter ab, die zur kampflosen Übergabe der Stadt aufforderten. Aber die chinesischen Truppen dachten gar nicht daran, aufzugeben, denn das hätte ja Kriegsgefangenschaft bedeutet, und wer will die schon erleiden, wenn es sich vermeiden läßt? Aber kämpfen wollten sie auch nicht - obwohl sie den Japanern zahlenmäßig weit überlegen waren. Also besannen sie sich auf einen Spruch, den auch Soldaten in anderen Armeen der Welt kennen und der da lautet: "Täuschen, tarnen, verpissen". Sie rissen einfach der Zivilbevölkerung die Kleider vom Leib; und wer sich wehrte (was verständlich war, denn viele arme Menschen in China besaßen - und besitzen - nur den einen Satz Kleider, die sie auf dem Leib trugen), den brachten sie um. Dann versuchten sie, als "zivile Flüchtlinge" getarnt, die Stadt zu verlassen - zusammen mit vielen anderen, "echten" zivilen Flüchtlingen. Doch die Japaner ließen sich nicht täuschen; sie betrachteten jene falschen Zivilunken, die ihnen da durch die Lappen gehen wollten, mit Recht als Soldaten, die kämpfen bzw. bekämpft werden mußten - denn wenn sie die hätten laufen lassen, hätten die sich in der nächsten Stadt erneut bewaffnen und den Kampf wieder aufnehmen können -, und hielten drauf. Daß sie dabei auch "echte" Zivilisten töteten, nahmen sie billigend in Kauf - aber wie hätten sie die unterscheiden sollen? Statt sich nun doch noch zu ergeben und damit dem Sterben ein Ende zu machen, versuchten die getarnten Verpisser, pardon, die armen chinesischen Zivil-Opfer, sich über den Jangtse zu retten. Aber die meisten jener Flüchtenden waren Nichtschwimmer, und die paar Boote und Fähren, die zur Verfügung standen, waren bald hoffnungslos überfüllt und versanken in den eisigen Fluten. (Ja, im Dezember ist es auch in China kalt!) Kurzum, am Ende lagen oder schwammen 40.000 chinesische Leichen herum, von denen vielleicht die Hälfte direkt auf das Konto der Japaner ging (bei einem "regulären" Kampf um die Stadt wären sicher mehr gefallen); der Rest war auf die Übergriffe der chinesischen Truppen auf die eigene Zivilbevölkerung und die Panik auf dem Wasser zurück zu führen. Wollt Ihr das im Ernst mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki vergleichen? Ach so, ja, die Atombomben vergewaltigten keine Frauen, sie töteten sie bloß; und die Japaner sollen nach neueren, halbwegs seriösen Schätzungen (wobei Dikigoros sich immer fragt, wie man das nach so langer Zeit noch nachprüfen will) in Nanking rund 20.000 Frauen vergewaltigt haben, also rund 1% der weiblichen Bevölkerung. (Über eine solche Quote wären die deutschen Frauen in Berlin und anderswo - nicht nur in der sowjetischen Besatzungszone, sondern auch im Westen, vor allem im Südwesten, wo die Franzosen ihre Kolonialtruppen auf sie los ließen - wahrscheinlich froh gewesen.) Nein, der Faktor 20 wird hier nicht erreicht; aber immerhin der Faktor 10: Aus vielleicht 20.000 von den Japanern getöteten chinesischen Soldaten in Zivil (die sich nicht ergeben wollten, also keine Kriegsgefangene waren, im Gegensatz zu den Millionen deutschen Soldaten, die ab 1945 in US-amerikanischen Gefangenenlagern verreckten) hat man 200.000 gemacht - und die Rotchinesen haben das inzwischen sogar schon auf 300.000 erhöht; es fehlen also nur noch weitere 100.000, dann ist es so weit!

Ihr meint, liebe rechte Leser, die Ereignisse von Nanking seien doch längst nicht so schamlos zur Vertuschung der US-amerikanischen Kriegsverbrechen mißbraucht worden wie etwa der "Holocaust"? Ihr irrt. Am 65. Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Nagasaki wurde im deutschen Staatssender arte nicht etwa ein Bericht darüber gebracht, sondern eine Sendung mit dem Titel "Nanking 1937 - eine Stadt wird vergewaltigt"; und ein derart dummes - entlarvendes - Machwerk (übrigens eine deutsch-französische Co-Produktion :-) hat Dikigoros selbst in staatlichen Medien der BRDDR nur selten gesehen. (Er hat bis zum Ende durchgehalten, obwohl er am liebsten schon ausgeschaltet hätte, als er hörte, wie der salbungsvolle Kommentator die Stadt aussprach, nämlich wie den englischen König des indischen Weizenfladenbrots :-) Womit soll er anfangen? Vielleicht damit, daß die Japaner nach Eroberung der Stadt weiter nach chinesischen Soldaten in Zivil fahndeten und sie als Partisanen an die Wand stellten? (Die Druckstellen ihrer Helme am Kopf verrieten sie, so wie die Blutgruppen-Tätowierungen unter der Achsel die Angehörigen der Waffen-SS verrieten.) Aber das war geltendes Kriegsrecht und wurde von allen Parteien so gehandhabt. (Die Alliierten ermordeten sogar unbewaffnete deutsche Kinder auf den bloßen, vagen Verdacht hin, sie könnten "Werwölfe" sein - nachzulesen z.B. bei Ernest Hemingway, der noch mächtig stolz darauf war!) Oder vielleicht damit, daß die Vergewaltigung chinesischer Frauen von der japanischen Militärführung streng verboten worden war? (Was sie von der 'zigmillionenfachen Vergewaltigung deutscher Frauen 1945 unterschied, die von den Westalliierten ausdrücklich erlaubt, von den Sowjets sogar befohlen worden war - übrigens etwas, das auf staatlichen Fernseh-Sendern der BRDDR noch nie thematisiert wurde, ganz im Gegenteil: Als es ein deutscher Verlag in den 1980er Jahren wagte, die 1956 vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte heraus gegebene mehrbändige "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa", in der dies alles minutiös festgehalten war, neu aufzulegen, wurde ihr dies von der amtierenden Bundesregierung Kohl verboten, mit der Begründung, es könnte der irreführende Eindruck entstehen, daß diese, jetzige Bundesregierung jenes peinliche Werk verfaßt habe - und das, obwohl es das BMVFK schon längst nicht mehr gab.) Es waren also die Taten Einzelner, die sehr wohl wußten, daß sie etwas Verbotenes taten und sich nicht erwischen lassen durften - vielleicht blieb die Quote deshalb relativ gering. Als es heraus kam, wurden die kommandierenden Offiziere - immerhin verdiente, d.h. siegreiche Generäle - von der japanischen Regierung abberufen und strafversetzt, nicht etwa, weil sie sich persönlich irgendetwas hätten zuschulden kommen lassen, sondern weil sie die Ausschreitungen nicht verhindert hatten. Dennoch wurden ihnen nach dem Krieg von den alliierten Besatzern Schauprozesse wegen "Verbrechen in Nanking" gemacht, die den "Kriegsverbrecher-Prozessen" in Nürnberg um nichts nachstanden. Selbst die eigenen Belastungs-"Zeugen" (Briten und Amerikaner, die behaupteten, dabei gewesen zu sein und zugeschaut zu haben) waren offensichtlich nicht in der Lage, sich ihre Lügenmärchen frei auszudenken, sondern mußten sie Wort für Wort ablesen - wahrscheinlich hatte die Anklagevertretung sie ihnen zuvor aufgeschrieben. (Und arte entblödete sich nicht, diese Aufnahmen zu zeigen!) Natürlich wurden sie zum Tode durch den Strang verurteilt - die Angeklagten, nicht etwa die "Zeugen" wegen Falschaussage. Da die Japaner wußten, was von dieser Farce zu halten war, wurden die dem Justizmord zum Opfer gefallenen Soldaten (im Westen, vor allem in der BRDDR, noch immer penetrant als "Kriegsverbrecher" verunglimpft) ein paar Jahre später posthum zu Helden erklärt; und nachdem die Lügenmärchen der Iris Chang selbst in den USA als solche entlarvt waren, wurde die Sache mit Nanking, die bis dahin auf Betreiben der USA auch in japanischen Schulbüchern als "Massaker" und "Kriegsverbrechen" bezeichnet worden war, zwar nicht richtig gestellt, aber es wurde die salomonische Entscheidung getroffen, das Thema dort ganz zu streichen - bereits das rief indes einen Aufschrei von Wut und Empörung bei den Rotchinesen und ihren Freunden hervor, so auch bei den Machern jenes Fernsehfilmchens. [Die übrigens ihre "Zeitzeugen" ebenso offensichtlich an den Haaren herbei gezogen hatten wie das Tribunal der Kriegsverbrecher 1945: eine Handvoll 90-100-jähriger Greise - angebliche "Veteranen" der Schlacht um Nanking von 1937 -, die kaum noch verstanden, was man ihnen da wörtlich vorformuliert in den Mund legte, es aber brav bestätigten.] Was würde wohl erst geschehen, wenn man in japanischen Schulbüchern die Wahrheit schriebe? Aber wen fragt Dikigoros das, liebe deutsche Leser? Faßt Euch an die eigenen Nasen bzw. an die Eurer Regierenden, insbesondere Eurer Kultus-Minister - Ihr wißt schon, welche Themen in deutschen Schulbüchern er meint. [Wenn nicht, dann könnt Ihr hier, hier, hier und/oder hier (letzte Fußnote) wenigstens mal die Spitzen des Eisbergs studieren.] Und packt ruhig kräftig zu, etwa so wie die beiden Koalitions-PartnerSchauspieler in Blackadders "Sense and Senility"! Nachtrag Ende.

[Wappen Frankreich]

Zurück in den August 1945. Zwei Wochen nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki ruft Nguyên Ai Quoc alias Hô Chí Minh in Vietnam die Republik aus. Wieso auch nicht? Die Franzosen hatten den Krieg doch schon verloren, und die Japaner haben ihn jetzt auch verloren; also ist es an der Zeit, sich unabhängig zu machen. Wohl wahr - wenn man es sich denn leisten kann. Kann man? Nun, man kann es zumindest mal versuchen. Hô's Vetter Nguyen Giap stampft eine "Volksbefreiungs"-Armee aus dem Boden und macht sich daran, alle Fremden zu vertreiben: Franzosen, Japaner, Chinesen... Im Norden, in Tonking, scheint das auch recht gut zu gelingen. Aber die Götter und die Franzosen sind dagegen. Erstere schicken Unwetter und Überschwemmungen - die Reisernte fällt ins Wasser, und eine Million Nord-Vietnamesen verhungern. So jedenfalls die offizielle Version. Nun erlaubt sich Dikigoros den Hinweis, daß es Unwetter dort jedes Jahr gibt, und daß Überschwemmungen für eine gute Reisernte nicht hinderlich, sondern vielmehr notwendig sind; ferner, daß im Süden - wo die Franzosen wieder das Ruder ergriffen hatten - zwar auch Unwetter und Überschwemmungen waren, aber keine Miß-, sondern im Gegenteil eine Rekord-Ernte. Die Franzosen würden den überschüssigen Reis auch gerne nach Norden liefern; der Ärger ist bloß: Die Kommunisten haben die Bahnlinie zerstört, und ordentliche Straßen gibt es in Vietnam bis heute nicht. Die eine Million Hungertote gehen also nicht auf das Konto der Götter, sondern auf das der Kommunisten. Schlechte Karten also für Hô und seine Bande, und scheinbar ein umso besseres Blatt für die Franzosen. Aber die haben keinen Auguste Pavie mehr und bringen es fertig, es zu verspielen, aus Gründen, die mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit oder irgendwelchen Ismen rein gar nichts zu tun haben. Vielmehr macht man sich in Paris Gedanken, wie man die vom Krieg zerrüttere Wirtschaft und Währung sanieren könnte.

Die Franzosen hatten in ihren Kolonien einst den "Piastre de Commerce [Handels-Piaster]" als Währung eingeführt, große, schwere Silber-Unzen. Im Krieg sind sie gehortet worden, wie in allen Kriegen, und das Papiergeld, das statt dessen im Umlauf gebracht worden ist, ist die Pappe nicht wert, auf der es gedruckt wurde. Man muß also die Leute dazu bringen, ihre Silbertaler unter dem Kopfkissen hervor zu holen und wieder in Umlauf zu bringen. Also erklärt man das Papiergeld kurzer Hand für ungültig! Nein, man entwertet es nicht schleichend durch inflationären Einsatz der Druckpresse, man wertet es nicht 10:1 oder 100:1 ab, und man veranstaltet auch keinen Zwangsumtausch gegen eine minderwertige Währung wie den Teuro, sondern man erklärt es Knall auf Fall für wertlos! Mit diesem Furz haben die Franzosen ein für alle Mal ausgeschissen bei den Vietnamesen - und mehr als ein Furz ist es im Ergebnis nicht: Niemand liefert auch nur einen einzigen Silber-Piaster bei der französischen Indochina-Bank ab; vielmehr stürmen die Vietnamesen die Hauptfiliale, lynchen den Direktor - einen Monsieur Baylin - und zerteilen die Leiche in kleine Stückchen. Nein, liebe Leser, das ist nicht nett; aber irgendwie kann Dikigoros ihnen das nachfühlen. Im Ernst: Wie wollt Ihr ein Volk von den Vorzügen des Kapitalismus überzeugen, wenn Ihr ihm sein Kapital weg nehmt? Dann doch lieber gleich Kommunismus! Nun half nur noch Eines, wenn Frankreich die Kolonie Indochina denn mit Gewalt halten wollte (es wollte!): Die Deutschen an die Front!

Moment mal, gibt es denn überhaupt noch deutsche Soldaten? Aber klar doch, liebe Leser, wie schreiben das Jahr 1945, und die Gefangenenlager sind voll von ihnen. Die Franzosen machen ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können: Entweder man läßt sie allesamt in den Todes-Lagern verrecken, oder sie reisen mit der Fremdenlegion nach Vietnam. Und das betrifft nicht nur die Deutschen, sondern auch die Elsässer. Die Franzosen hatten sie 1939, als sie Deutschland den Krieg erklärten, ins Baskenland deportiert; die Deutschen hatten sie 1940, nach dem Westfeldzug, wieder nach Hause zurück kehren lassen. Damit gelten sie nach der "Befreiung" von 1944/45 als "Kollaborateure" - auch sie werden vor die gleiche Wahl gestellt wie die deutschen Kriegsgefangenen: Langsam und qualvoll in den Todeslagern verrecken, oder ab nach Saigon. (In den Listen der Légion wurden sie als "Deutsche" geführt, da Franzosen dort offiziell keinen Dienst tun dürfen; Dikigoros schreibt darüber an anderer Stelle mehr.) Die meisten wählen die letztere Alternative - wenn man das denn eine "Wahl" nennen kann. (Aber kann man denn das, was einem heutzutage alle paar Jahre in den Wahl-Lokalen an Politiker-Listen vorgesetzt wird, ernsthaft als "Wahl" bezeichnen?) Machen wir es kurz, liebe Leser: Am 8. Mai 1954, auf den Tag neun Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg, werden die letzten von ihnen in Dien Bien Phu kapitulieren. Keiner wird lebend zurück kehren - rechtzeitig evakuiert werden nur etwa 10% des Indochina-Korps der Fremdenlegion, überwiegend Nordafrikaner und natürlich ihr tapferer Kommandant, ein gewisser Christian-Marie de la Croix de Castries, den man kurz vor der Kapitulation noch zum Brigade-General befördert hat. (Der Name sagt Euch nichts, liebe Leser? Sollte er aber: Das war der Kommandant der französischen Kolonialtruppen, die im April 1945 den Schwarzwald "befreit" hatten, indem sie drei Tage lang alle Städte und Dörfer dort ausgeplündert und anschließend nieder gebrannt, die Männer ermordet und die Frauen vergewaltigt hatten; wer sich für die Einzelheiten interessiert und nicht daran stört, daß die dort genannten Bücher heutzutage nur noch bei "rechtsradikalen" Verlagen erscheinen können, kann das hier nachlesen.) Französische Verluste: offiziell null, denn eine Gesetzesvorlage, die auch den Einsatz wehrpflichtiger französischer Soldaten erlaubt hätte, ist im Parlament gescheitert. Wirklich null? Sind die Elsässer also doch keine Franzosen gewesen? Die Frage ist müßig; ihr Stamm ist ausgelöscht, ein ungeheuerlicher Völkermord im Herzen Europas, der bis heute tot geschwiegen wird. Aber da er zwar das Herz Europas (be)trifft, aber ganz weit weg statt findet und man in Europa nach dem Krieg noch viel Schlimmeres erlebt hat - nämlich die Vertreibung und Ermordung von rund zehn Millionen Deutschen in und aus Osteuropa - würde das dort ohnehin kein allzu lebhaftes Interesse finden.

Jahrezehnte lang haben sich mehr oder minder kluge Historiker die Köpfe zerbrochen über der Frage, was Frankreich überhaupt bezweckte mit dem Indochina-Krieg, da es doch angeblich bereit war, den Ländern Indochinas Autonomie zu gewähren und jene angeblich nicht mehr verlangten. Einer ihrer klügsten - Raymond Cartier - hat ausgerechnet, daß der Indochina-Krieg in drei Monaten mehr Geld verschlang als alle französischen Besitzungen in Indochina zusammen wert waren, und in sechs Monaten so viel, wie der ganze amerikanische Marshall-Plan Frankreich gebracht hatte (also gut zwanzig Mal so viel wie Westdeutschland bekam, das von diesem Zwanzigstel seine Wirtschaft wieder aufbaute). Das kann also nicht der Grund gewesen sein. Abscheu vor Ho Chi Minh? Gewiß, das war ein krummer Hund; aber Frankreich hat sich damals mit viel krümmeren Hunden arrangiert - und tut es bis heute, wenn es die Staatsraison gebietet. Cartier meint, eigentlich seien gar nicht die Franzosen oder die Vietnamesen schuld am Indochina-Krieg gewesen, sondern allein die bösen Rot-Chinesen, deren Volks-"Befreiungs"-Armee in Tonking eingedrungen waren. Nun ist zwar auch Dikigoros ausweislich des übernächsten Absatzes kein Freund der Rot-Chinesen; aber das scheint ihm doch etwas zu weit her geholt. Gewiß, es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt; aber wenn sich Franzosen und Vietnamesen wirklich hätten arrangieren wollen - was hätte da näher gelegen als sich gegen den gemeinsamen Feind zusammen zu schließen?! Nein, das war es auch nicht. Was also war in diesem Fall die Staatsraison? Es gibt nur eine Antwort, die Sinn - Raison - macht und deshalb wahr sein muß, auch wenn diese Wahrheit bitter klingen mag: Die Franzosen haben den Indochina-Krieg schlicht und ergreifend geführt, um sich der Elsässer zu entledigen. Ihr glaubt das nicht, liebe Leser? Wart Ihr mal im Elsaß? Nein? Dann fahrt mal hin. Die heutigen Bewohner der Départements Ober- und Unterrhein, die dort nach dem Krieg angesiedelt wurden, und ihre Nachfahren sind keine Elsässer; sie haben Deutsch höchstens ein paar Jahre als Fremdsprache auf der Schule gebüffelt, zum Zwecke des Fremdenverkehrs - aber vielleicht ist es ja gut genug angelernt, um einige von Euch zu täuschen.

[Wappen Korea]

Dikigoros hat schon wieder vorgegriffen; wir müssen in der Chronologie noch einmal fünf Jahre zurück gehen. 29. Juni 1949, Pusan (Hafenstadt in Süd-Korea). Die US-Flotte fährt mal wieder über den friedlichen Ozean - und zum ersten Mal könnte man meinen, daß er seinem Namen Ehre macht: Die hochherzigen Amerikaner haben - im Bündnis mit den ebenso hochherzigen Sowjet-Russen - Korea von den bösen Japanern befreit, die es seit 1895 besetzt und seit 1910 annektiert hatten. Das war eine schlimme Zeit gewesen! Bevor die Japaner gekommen waren, da hatten es die Koreaner echt gut gehabt: Sie - d.h. ihre Frauen - brauchten bloß ein bißchen Reis anzubauen für ihre chinesischen Kolonial-Herren, wenn er für sie selber nicht ausreichte, wurde eben gehungert - oder auch mal verhungert -, und wer dagegen aufmuckte, der wurde von den Chinesen mitsamt seiner Familie einen Kopf kürzer gemacht; dadurch sank die Bevölkerungzahl, und es war wieder genug Reis für alle da, jedenfalls für (fast) alle Chinesen. So weit so gut. Unter japanischer Herrschaft dagegen mußten die armen Koreaner so richtig hart ran klotzen, sie wurden zu schändlicher, erniedrigender Arbeit in den Fabriken gezwungen, zu Handarbeit, bei der man sich die Finger schmutzig machte! (Ja, sogar ihre schönen, 10 cm langen, gebogenen Fingernägel, die Status-Symbole ihrer Faulheit, pardon, ihrer wohl verdienten Muße, mußten sich die koreanischen Männer zu diesem Zweck abschneiden - das grenzte schon an Verstümmelung!) Die brutalen Japaner investierten in die koreanische Schwer-Industrie mehr als in die eigene (ähnlich wie es die bösen Nazis seit 1939 in Böhmen und Mähren getan hatten, sehr zum Ärger der Tschechen, die sich nun mit diesem lästigen Erbe herum plagen müssen, nachdem alle Deutschen ermordet oder aus ihrer Jahrhunderte langen Heimat vertrieben worden sind). Korea war das Land mit den höchsten Wachstumsraten in ganz Asien (wie ungesund!), und es gab auch keine Hungersnöte mehr. Aber nun sind sie endlich frei, die Koreaner, denn die japanischen Kolonisten sind aus ihrem Land ebenso vertrieben worden wie aus der Mandschurei, aus Taiwan und aus all den anderen Gegenden, die sie mit viel Mühe Jahrzehnte lang aufgebaut und hoch gebracht haben. (Rund zehn Millionen Vertriebene zählt Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, nicht ganz so viele wie Deutschland oder Indien, aber immerhin.) Und nun wird es wohl auch bald zur Wiedervereinigung Koreas kommen, denn die Russen sind aus dem Norden des Landes abgezogen, und die letzten Amerikaner sind soeben aus dem Süden abgedampft. Dort gibt es - Dank der Japaner - immer noch genug zu essen, ebenso wie es im Norden - ebenfalls Dank der Japaner - noch genug zu produzieren gibt; Korea sieht offenbar einer glänzenden Zukunft in Frieden und Freiheit entgegen.

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