Kult um einen Kriegsverbrecher:

Triberg feiert Ernest Hemingway

von Herbert Rauter (23. Juli 2002)

Das schmucke Schwarzwaldstädtchen hat seinen Gästen viel zu bieten: Deutschlands höchstgelegene Wasserfälle, die originellsten Kuckucksuhren, die köstlichsten Kirschtorten, die dicksten Forellen. Der heilklimatische Kurort könnte zufrieden sein mit dem, was ihm Natur und Bürgerfleiß bescheren. Doch das ist den Tourismus-Strategen nicht "international" genug ...

Vor drei Jahren erinnerte man sich eines berühmten Gastes, der 1922 ein paar Tage lang in Triberg logierte: Ernest Hemingway. Am 21. Juli 1999 wäre der amerikanische Schriftsteller und Publizist 100 Jahre alt geworden. Der "Lions Club" enthüllte eine Gedenktafel, Stadt, Volkshochschule, Hoteliers und andere Sponsoren veranstalteten eine "Hemingway Woche", aus der in den Folgejahren "Hemingway Days" geworden sind. Den Prospekt der Schwarzwald-Gratulanten ziert das Plakatmotiv des gleichzeitig in Key West/Florida stattfindenden "Hemingway Festivals". Darunter prangt in Großbuchstaben: "Hemingway Company". Welche Gesellschaft gemeint ist, erfahren wir nicht. Dafür versprechen uns die Triberger Reklamefritzen Hemingway-Filme im örtlichen Kino, eine Matinee über Hemingway, ein amerikanisches Mitternachtsbuffet mit "Papadobles", dem Lieblings-Drink des Jubilars.

Das feine Parkhotel Wehrle lockt mit der Verheißung: "Forellen angeln, wohnen und essen wie Hemingway". Wer sich den Spaß nicht leisten kann, bekommt beim Straßenfest "Hot Dogs" und "Hamburger". Bei einem Schreibwettbewerb unter dem Motto "Amerikaner in Deutschland" werden Hemingway-Preise verliehen.

Das alles wäre kaum der Rede wert - wie so mancher posthume Rummel, den imagefördernde Fremdenverkehrs-Manager mit ihren prominenten Gästen treiben - wenn es da nicht Hemingways Zeitungsberichte und Briefe gäbe. Das "Badische Tagblatt" wunderte sich schon anläßlich der ersten "Hemingway-Woche" : "Trotz seiner wenig schmeichelhaften Äußerungen feiert Triberg den großen amerikanischen Schriftsteller mit einer Festwoche."

Unter der Schlagzeile: "Hemingway und die kamelgesichtige Wirtin" berichtet das "Badische Tagblatt": "1922 weilte er für kurze Zeit in der Stadt und erinnerte sich daran nur mit Spott und Hohn."

Das Badische Tagblatt am 22.7.1999:
"Im August des Jahres 1922 war der Autor des Romans "Der alte Mann und das Meer" für einige Tage zum Forellenangeln in die Schwarzwaldstadt gekommen. Er lebte damals als Korrespondent einer amerikanischen Zeitung in Paris. "We wollen to gefischen goen", hatte er im Rathaus vorgesprochen und über die Bürokratie in einem Bericht für den "Toronto Star" geschrieben:

"Wenn man im Schwarzwald angeln gehen will, sollte man vier Stunden früher aufstehen, ehe der erste Schwarzwaldhahn sich zum Krähen entschließt. Soviel Zeit braucht man nämlich mindestens, um vor Einbruch der Dunkelheit das Labyrinth der gesetzlichen Vorschriften zu durchdringen und an den Bach zu kommen." (...) Was ihm bei einer Rast in einem Oberprechtaler Gasthaus auffiel, schilderte der trinkfeste Schriftsteller in einem weiteren Bericht so:

"Es gab hier eine ordentliche Mahlzeit, vom Wirt selbst aufgetragen, der unerschütterlich wie ein Ochse aussah. Seine Frau hatte ein Kamelgesicht und genau die unverwechselbare Kopfbewegung und den Ausdruck äußerster Stupidität, die man nur bei Trampeltieren und süddeutschen Bauersfrauen beobachten kann."

In den "Selected Letters" (Ausgewählte Briefe von 1917 bis 1961 / Rowohlt) schildert er seinem Freund Charles Scribner, wie er beim Einmarsch in Paris "einen SS-Kraut" gekillt habe. Der entwaffnete Soldat versuchte dem Tode zu entkommen, indem er auf die Genfer Konvention hinwies.

"Du irrst Dich Bruder, sagte ich zu ihm und schoß ihm dreimal schnell in den Bauch, und dann, als er in die Knie ging, schoß ich ihm in den Schädel, so daß ihm das Gehirn aus dem Mund kam, oder aus der Nase, glaube ich".

"Der nächste SS-Mann, den ich verhörte, redete wie ein Wasserfall. Klar und mit intelligenter militärischer Darstellung der Lage. Er nannte mich Herr Hauptmann, entschied dann, das wäre wohl nicht genug, und nannte mich Herr Oberst (ich trug keine Abzeichen). Ich hätte ihn noch bis zum General hochtreiben können. Aber wir hatten keine Zeit. Von da an konnten wir sie regelrecht jagen, weil wir genau wußten, was ihre hingemalten Kreidezeichen bedeuteten (...). Werde jetzt versuchen, wieder ein Christ zu sein.
In Christus, Dein Ernest".

In einem anderen Brief schildert er, wie er einem einzelnen deutschen Soldaten, "ein Junge etwa so alt wie mein Sohn Patrick zu der Zeit", der auf einem Fahrrad flüchtete, "durch das Rückgrat geschossen habe".

Die "Süddeutsche Zeitung" veröffentlichte am 4.2.2000 einen Brief des Starnberger Friedensforschers Dr. Alfred Mechtersheimer zu einer Hemingway-Ausstellung in Pöcking. Darin verwies er auf Hemingways "Ausgewählte Briefe" und zog das traurige Fazit:

"Auf der Seite der Verlierer des Zweiten Weltkriegs hätte er für diese Geständnisse vor einem Kriegsgericht mit der Todesstrafe rechnen müssen. Aber Verbrechen des Siegers sind nun mal Heldentaten. Darin unterscheiden sich Demokratien nicht von Diktaturen."

Jeder müsse selbst entscheiden, ob er diese "schmerzenden Fakten negiert, um sich sein Bild vom großen Dichter und Nobelpreisträger nicht trüben zu lassen. Wäre Hemingway ein deutscher Dichter, gäbe es keine Wanderausstellung und die Pöckinger Bücherei würde keinen Mörder würdigen."

Naiv und würdelos: Die Deutschen ehren jene, die sie verachten und sonnen sich im Glanz der Sieger.

11 Freunde der überparteilichen "Deutschland-Bewegung" versammelten sich deshalb am 13. Juli in Triberg und verteilten Flugblätter mit dem Titel: "Triberg feiert einen Mörder!" In ihrer Protestschrift fragten sie u.a. : "Hemingways Werke sind Pflichtlektüre an deutschen Schulen. Wann kommen auch seine "Ausgewählten Briefe" auf den Stundenplan? Wann wird man endlich über die Verbrechen der 'Befreier' reden? Wann ist Schluß mit dem selektiven Erinnern und der doppelten Geschichtsmoral?"


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