ICH UND DER KÖNIG . . .
VON BRITISCH-INDIEN NACH SIAM
"Siamese lady no like work; love play, love sleep
[Thai-Frau nicht mögen Arbeit; lieben Spiel, lieben Schlaf]"
WALTER LANG: THE KING AND I (1956)
[Erinnerungen 1870] [Roman 1944] [Verfilmung 1946] [Musical 1954]
[Verfilmung 1956] [Zeichentrickfilm 1999] [Verfilmung 1999] [Roman 2000]

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite
"AVEZ-VOUS BOURBON . . . ?"
Reisefilme des 20. Jahrhunderts

Warum hat Dikigoros ausgerechnet diese Verfilmung des bekannten Stoffes ausgewählt? Wo dessen Geschichte doch so kompliziert ist, daß man sie wie aus einer siebenhäutigen Zwiebel heraus schälen muß: 1862 reiste die britische Offiziers-Witwe Anna Leonowens nach Syām (so schreibt es sich richtig, und so wird es auch ausgesprochen: mit einem scharfen "ßj" am Anfang und einem schönen langen "aa" - nicht, wie es die meisten Deutschen tun, als zweisilbiges "Sie-amm" mit weichem "S", Betonung auf dem gar nicht vorhandenen "ie" und kurzem "a") und verbrachte dort sechs Jahre als Prinzen-Erzieherin am Königshof. 1870 veröffentlichte sie den ersten Teil ihrer Erinnerungen ("The English Governess and the Siamese Court [Die englische Gouvernante und der siamesische Hof]"), zwei Jahre später den zweiten Teil ("The Romance of the Harem [Die Romantik des Harems]"), und zwar in den USA, wo sie inzwischen lebte. Doch kaum jemand wollte das damals lesen - die Amerikaner hatten kurz nach dem Ende des Sezessions-Krieges, mitten in der "Re-construction", ganz andere Interessen und Sorgen. Bis fast 70 Jahre später Margaret Landon die beiden Bücher in die Finger bekam und sie umschrieb zu einem tragikomischen Roman ("Anna and the King of Siam") - übrigens nach eingehenden, Jahre langen Feldforschungen vor Ort, sie war keine der modernen "Märchen-Tanten". Doch auch sie hatte Pech mit dem Zeitpunkt des Erscheinens (1944, mitten im Zweiten Weltkrieg), ebenso die erste Verfilmung mit Rex Harrison und Irene Dunn (1946, also kurz nach dessen Beendigung). Erst 1951 hatte eine größere Zahl von Amerikanern Lust, sich den Stoff zu Gemüte zu führen, und zwar in Form eines Musicals ("The King and I"), zunächst mit Yul Brynner und Gertrude Lawrence, ab 1954 mit Yul Brynner und Deborah Kerr in den Hauptrollen, das ein großer Erfolg am New Yorker Broadway wurde - dessen Schlüssel freilich weniger der (auf lustig getrimmte) Inhalt als die gelungene Musik von Rodgers und Hammerstein gewesen sein dürfte. Die letzteren beiden Schauspieler nahm Walter Lang zwei Jahre später auch für seine Verfilmung, die ebenfalls ein großer Erfolg wurde.

Exkurs. "The King and I" steht ziemlich am Ende der "Goldenen Ära des Filmmusicals". Von Mitte der 1940er bis Mitte der 1950er Jahre waren Verfilmungen von "Revue-Musicals" in den USA groß im Schwange; angefangen bei "Blue Skies [Blau ist der Himmel]" (mit dem Steptänzer Fred Astaire, dem Komiker Bing Crosby und Musik von Israel Baline alias Irving Berlin) über "On the Town [Heut' geh'n wir bummeln]", "Annie Get Your Gun [Duell in der Manege]", wieder mit Musik von Irving Berlin, u.a. dem Evergreen "There's No Business Like Show Business" (woraus boshafte Kritiker der Holocaust-Industrie später "There's No Business Like Shoa Business" machen sollten), "An American in Paris [Ein Amerikaner in Paris]" mit der berühmten Musik von Jacob Gershowitz alias George Gershwin, "Show Boat [Mississippi-Melodie]" (mit der rassigen Ava Gardner), "Singin' in the Rain [Du sollst mein Glücksstern sein]", "April in Paris" (mit der langweiligen, pardon braven Doris Day), "The Band Wagon [Vorhang auf]" (wieder mit Fred Astaire), "Kiss me, Kate [Küß mich, Kätchen]", Call me Madam" (ebenfalls mit Musik von Irving Berlin), "So this is Paris [Drei Matrosen in Paris]", "Anything Goes [Broadway-Zauber]" (wieder mit Bing Crosby), "Oklahoma" (der merkwürdigerweise von allen hier genannten Musical-Filmen der kommerziell erfolgreichste war), "Bundle of Joy" und "Carousel [Karussel]" bis "High Society [Die oberen Zehntausend]" mit Grace Kelly - aber über die schreibt Dikigoros in einem anderen Kapitel dieser "Reise durch die Vergangenheit" mehr. Keines dieser Film-Musicals (geschweige denn einer der beiden Nachzügler aus den frühen 1060er Jahren, "West Side Story" und "My Fair Lady") erfüllt indes die Kriterien, die Dikigoros an einen "Reisefilm" stellt - auch nicht "Ein Amerikaner in Paris": Wo kommt es denn da zum viel zitierten "Kultur-Schock"? Was ist dem Amerikaner denn wirklich fremd in der Hauptstadt der Franzosen? Nein, für diese Kombination hat Dikigoros wie gesagt einen anderen Film ausgewählt, nämlich "To Catch a Thief [Über den Dächern von Nizza]" - es ist der letzte Link, liebe Leser, falls Ihr den nicht schon angeklickt haben solltet. Exkurs Ende.

Es folgten 35 Jahre Sendepause: Der Vietnam-Krieg, genauer gesagt die amerikanische Beteiligung daran, begann; US-Soldaten auf Urlaub lernten Thailand persönlich kennen, d.h. sie brauchten keine Musicals und Filme mehr, sondern sammelten eigene Erfahrungen - zumeist solche der ganz speziellen, horizontalen Art. Ebenso die Urlauber der nach dem Vietnam-Krieg ausbrechenden Reisewelle. Dann kam AIDS, und schlagartig war Schluß mit lustig. Die Bars machten Pleite, die Bardamen wurden arbeitslos, und plötzlich entstand wieder Interesse für andere Aspekte Thailands. 1991 wurde die Geschichte erneut verfilmt (in einer leider ziemlich schnell vergessenen Fassung mit Hayley Mills [der jüngeren Schwester von Juliet Mills, der Hauptdarstellerin von Billy Wilders unsterblichem, aber ebenso verkannten Meisterwerk "Avanti"]). Und 1999 gleich zweimal: Als Zeichentrick-Version (die an den Kinokassen ein völliger Flop wurde) und als großes Pseudo-Epos für 75 Millionen US-$ unter dem Titel "Anna and The King [Anna und der König]", mit der Skandal-Actrice Jodie Foster und Chow Yun-Fat (die beide viel zu jung für ihre Rolle waren, oder jedenfalls viel zu jugendlich wirkten; merkwürdiger Weise fiel er bei der Kritik nicht deshalb durch, sondern weil sie ihn im Gegenteil für "zu altmodisch" hielt - da verstehe noch einer die [Film-]Welt... :-). Gedreht wurde er übrigens an einem Ort, der zwar historisch "falsch" war, aber dennoch eines solchen Schauplatzes würdig: Kuala Kangsor, die Hauptstadt des Sultanats Perak, wo Colin Ross "Heute in Indien" schrieb, und eine Generation später Anthony Burgess "Der Tiger von Malaya" (den meisten Lesern wird er freilich besser als Autor von "Clockwork Orange" bekannt sein). Wie dem auch sei; aus dem Drehbuch von "Anna und der König" hat Elizabeth Hand dann nochmal einen neuen Roman gemacht, und der hat sich nicht einmal schlecht verkauft.

Zurück zur Eingangsfrage: Warum geht Dikigoros nicht konsequent entweder nach der ersten Fassung oder nach der letzten? Nun, Leonowens' Erinnerungen sind nie verfilmt worden und werden es nach menschlichem Ermessen auch nie werden, denn sie rechnen mit Thailand in einer so schonungslosen, vernichtenden Art und Weise ab, wie es nur jemand nachvollziehen kann, der Thailand besser kennt als die, die noch nie dort waren oder die nur die Bars in Bangkok und Pattaya unsicher gemacht haben. (Und auch besser als die Narren, die als "Expats" ihren Lebensabend dort verbringen, zumeist blind, stumm und taub, angewiesen auf die Dienstleistungen syamesischer oder - im "Isaan" - laotischer Land-Eier, die sie aus dem Puff abgeschleppt und geheiratet haben - denn anständige Thai-Frauen würden sich nie im Leben mit "Farangs" einlassen, geschweige denn mit solchen Hurenböcken, die sie zutiefst verachten.) Also jemand, der das Land mit offenen Augen (und Ohren!) bereist hat, wie Dikigoros - oder Anna Leonowens: "Menschliches Vieh, das Betel wiederkäut" nennt sie die Thais, "tobsüchtig, hinterhältig, unverschämt, kriecherisch und heuchlerisch", "faul, sorglos, gierig, ungezügelt, grausam, eitel, belästigend, abergläubisch und feige." Alle Thai-Beamten sind korrupt, denn jeder (sie betont das!) darf zu seinem Gehalt noch einen Anteil dessen behalten, was an Steuern, Geldbußen, Erpressungs- und Bestechungs-Geldern, Geschenken und Gebühren eingeht.

[Exkurs. A propos Geschenke, werte Liebeskasper, die Ihr Euch eine Thai-Frau habt andrehen, pardon verkaufen lassen: Wie Ihr bei Leonowens nachlesen könnt, habt Ihr Euch herein legen lassen, denn die Mitgift ist in Thailand tatsächlich eine solche, und kein Brautgeld; in der Regel wird sie den Eltern der Braut lediglich treuhänderisch übergeben, weil man mit Recht davon ausgeht, daß junge Mädchen - die in Thailand traditionell mit 14-16 Jahren heiraten, auch wenn das heute offiziell nicht mehr erlaubt ist - noch nicht so gut mit Geld umgehen können. Sobald eine Frau ein Kind geboren und damit ihre Eltern zu potentiell versorgten Großeltern gemacht hat (es muß kein Sohn sein; eine Tochter reicht aus, denn die kann man ja, sobald sie geschlechtsreif ist, an eine Bar oder an einen blöden Farang verkaufen), müssen sie es ihr von Rechts wegen zurück geben. Ihr Liebeskasper laßt dagegen zu, daß die faulen Verwandten Eurer Thai-Frau - insbesondere die männlichen - die Mitgift für Motorräder, Fernsehgeräte, Handies und anderen Schnickschnack verbraten und spuckt immer noch mehr aus, womöglich gar monatliche "Unterhalts-Zahlungen". Damit macht Ihr Euch und Eure Landsleute zum Gespött aller Thais! Einen echten Brautkauf gibt es nur bei Völkern, deren Frauen einen Preis haben, da sie einen Wert verkörpern, z.B. als fleißige Arbeitskräfte auf dem Feld oder wenigstens im Haushalt; da aber bekanntlich Thaifrauen - zumal die Muster ohne Wert aus dem Rotlicht-Milieu mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum - zu nichts anderem nutze sind als Geld zu verzocken oder es sonstwie zu verplempern, würde kein gescheiter Mann auch nur einen Pfifferling für sie bezahlen. Dies ist übrigens die Einschätzung eines Thais aus dem Bekanntenkreis der Mrs. Leonowens, dessen diesbezügliche Aussage Dikigoros in der dritten Zeile der Überschrift zitiert hat; und bis heute ist es so, daß ein Thai bei der Eheschließung mit einer Prostituierten kein Brautgeld zu zahlen braucht - man geht davon aus, daß sie es selber "erwirtschaftet" hat und dankbar ist, wenn sie überhaupt noch einen Ehemann findet. Exkurs Ende.]

Die Gutmenschen von heute würden es nicht wagen, so etwas auf die Leinwand zu bringen, und auch ihre Vorgänger waren nicht viel mutiger, schielten immer mit einem Auge darauf, was der Dummipol, pardon Bhumipol ["Herr der Erde" - so nanntt er sich bis zuletzt; der Name "Rama" - nach der Inkarnation des Gottes Krishna - war ihm dagegen weniger lieb, aus Gründen, über die Dikigoros hier etwas mehr schreibt (in der Fußnote)] auf dem Thai-Thron und seine Hofschranzen wohl dazu sagen würden, ob sie sich ertappt, beleidigt oder sonstwie auf den Schlips getreten fühlten, und ob sie ihre allerhöchsten Fürze dazu gnädig oder ungnädig losließen. Aber obwohl die Filmemacher dem syamesischen Hof von Mal zu Mal tiefer in den Hintern gekrochen sind, ist es noch keinem gelungen, sein Machwerk vor dem Aufführungsverbot in Thailand zu bewahren, denn die Thais - eines der miesesten Völker der nicht-islamischen Welt, wenn nicht das mieseste - können die Wahrheit über sich selber nicht ertragen. (Merke: Nur die Wahrheit bedarf der Zensur. Lügen können dagegen ungestraft verbreitet werden, denn die muß ja niemand ernst nehmen. Leider begreifen das viele, zumal deutsche Zuschauer - die es doch eigentlich am besten wissen müßten, da sie von morgens bis abends mit Lügen über ihre eigene Geschichte berieselt werden - nicht, sondern halten diese Lügen im Gegenteil für besonders glaubhaft, zumal sie ja auch von Staats wegen sanktioniert werden. Das ist, als wollte man in Thailand Edelsteine oder Antiquitäten kaufen, weil ein Zettel drauf klebt "mit staatlicher Garantie" - dabei bedeutet das nur, daß sie garantiert nicht echt sind.) In Langs Verfilmung ist die Selbstzensur noch am wenigsten weit fort geschritten, da man 1956 auf ein kleines Dritte-Welt-Land noch keine großen diplomatischen Rücksichten zu nehmen brauchte. Deshalb nimmt Dikigoros sie als Aufhänger - aber keine Sorge, liebe Leser, er wird von Zeit zu Zeit auch auf die anderen Bearbeitungen eingehen.

Exkurs für Leser, die sich ein wenig für die Geschichte der Thais interessieren und die Frage, warum Dikigoros mal von Thais und mal von Syamesen spricht (die übrigen mögen diesen Absatz getrost überspringen, er trägt nichts zum Gang der Filmhandlung bei). Daß die Syamesen sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs "Thais" nennen ist eigentlich ziemlich dreist. Die Thais stammten wahrscheinlich aus dem heutigen Yünnan. Als die Chinesen sie im 9. Jahrhundert von dort vertrieben, zogen sie gen Süden, entlang den großen Flüssen Südostasiens. Die "Thai Yai [Großthai]" ließen sich im Tal des Salwen nieder (seitdem nennt man sie "Shan"), wo sie später unter die Herrschaft der Barmesen gerieten (die sie bis heute grausam unterdrücken - mit Recht, denn es sind die schlimmsten und skrupellosesten Drogendealer der Welt, die im so genannten "Goldenen Drei[länder]eck" zwischen Barmá, Thailand und Laos ihr Unwesen treiben). Die "Thai Noi [Kleinthai]" teilten sich: Die einen zogen den Mekong hinunter - aus ihnen wurden die Laoten -, die anderen den Menam, wo sie auf die Mon trafen. (Man spricht auch von "Mon-Khmer", aber das ist so ungenau, als wollte man in Mitteleuropa von "West-Ost-Deutschen" sprechen: Die Wessis, pardon die Mon waren ein hoch stehendes Kultur-Volk; was von ihren Brüdern, den roten Ossis, pardon Khmer zu halten ist, wissen wir spätestens seit Pol Pots kommunistischer Machtergreifung in Kambuja [aus "Kambu-jat", von König Kambu geboren - das "j" englisch ausgesprochen, also als weiches "dsch"].) Die primitiven, aber robusteren Thais eroberten nacheinander die Mon-Staaten Ayutthya, Lavo und Dwár[a]wátí und vermischten sich nach und nach mit der einheimischen Bevölkerung. Diese Mischung nannte man bis 1945 Siamesen. (Die "Laoten" sind also eigentlich echtere "Thais" als die, die sich heute so nennen; und streng genommen sprechen nicht die Laoten einen Thai-Dialekt, sondern die Siamesen einen laotischen; ihre Sprache ist nämlich stärker mit Mon- (und Malay-)Elementen durchsetzt. Von den Mon übernahmen die Thais auch die (ursprünglich indische) Silben-Schrift, die bei ihnen allerdings eher wie eine Karikatur der Dew[a]nagrí aussieht (vermutlich war sie bereits in einer stark degenerierten Form aus Urísá zu den Mon gekommen) und überdies zur Darstellung des mit dem Chinesischen verwandten Siamesischen denkbar schlecht geeignet ist (die Darstellung der Tonlagen erfordert zusätzliche diakritische Zeichen). Warum sich die alten Thais mit den Barmesen nicht arrangiert und vermischt haben? Dikigoros weiß es nicht. Versuche hat es immer wieder gegeben, aber sie endeten alle im Knatsch - so auch die Heirat des Königs mit einer Prinzessin aus Pegu (dem vormaligen süd-barmesischen Teilreich im Irawaddi-Delta), die Leonowens gerade noch vor dem Kerker-Tod infolge eines ungerechten königlichen Urteils retten konnte. Exkurs Ende.

Und damit kommen wir zu Mrs. Leonowens' Urteil über Thailand und die Thais im allgemeinen sowie ihren König im besonderen. Seien wir nicht ungerecht, liebe Leser. Auch und gerade harte Urteile müssen gerecht sein, sonst sind sie wertlos und vermitteln keinen Lerneffekt, sondern allenfalls Rancune. Mrs. Leonowens war eine britische Offiziers-Tochter und -Witwe, und die pflegten (nicht nur) im 19. Jahrhundert so ihre Macken und Empfindlichkeiten zu haben. Shocking, wenn ein Minister oder sonstige Würdenträger bei Hofe oben ohne gehen, nicht wahr? (Nicht nur, daß sie die Brust frei ließen, sondern sie trugen auch nie eine Kopfbedeckung!) Aber was sollten sie denn vernünftigerweise tun bei der Hitze, die dort nun mal zu herrschen pflegt? Sich in eine dicke, enge Uniform zwängen wie die Herren Offiziere auf den naß-kalten britischen Inseln? Womöglich noch mit einer turmhohen Bärenfell-Mütze auf dem Kopf? (Dieser Vorwurf erinnert Dikigoros irgendwie an die Armleuchter, die sich darüber mokierten, daß der ehemalige Reichspräsident Friedrich Ebert es wagte, "oben ohne" ins Freibad zu gehen, statt - wie es damals auch für Männer üblich war - in einem hoch geschlossenen Badeanzug. Pfui, wie unmoralisch! Dabei waren die meisten dieser Farisäer doch nur neidisch, weil sie selber Nichtschwimmer waren.) Mrs. Leonowens jammert wiederholt, wie heiß und stickig es im Palast war, wenn sich kein Lüftchen regte - ihre Schüler und Schülerinnen gingen denn auch "oben ohne"; aber das konnte sie als gute Christin natürlich nicht nachmachen. Sie trug vielmehr immer Hut, Schleier, Mantel und Handschuhe! Und die Speichel leckende Unterwürfigkeit der "heidnischen Sklaven" gegenüber ihren Herrschenden? Hm... man merkt, daß Mrs. Leonowens in England nie bei Hofe war, denn dort waren die Standesunterschiede damals mindestens ebenso groß wie in Syám - vom [Gott-]König selber vielleicht einmal abgesehen. Auch was Hygiene, Nahrungsmittel und vieles andere anbelangt, hätte sie sich als Engländerin eigentlich nicht groß aufregen dürfen. (Wofür Dikigoros freilich vollstes Verständnis hat ist, daß es sie störte, wenn die Kellner sie mit rauchenden Glimmstengeln im Mund bedienten - denen hätte er so lange die Nikotinisten-Fresse poliert, bis sie auf andere Gedanken gekommen wären.)

Aber um all das ging es Mrs. Leonowens ja gar nicht in erster Linie. Vielmehr fand sie es unerhört, daß so ein größenwahnsinniger Duodezfürst wie der Dummi von Syám nicht etwa Groß-Britannien für das größte und schönste Land der Welt hielt, sondern sein eigenes, mickeriges Ländchen. Nun, für wie groß Dikigoros "Groß"-Britannien hinter den Kulissen hält, schreibt er an anderer Stelle; und ansonsten: Welcher europäische Herrscher des Mittelalters hätte nicht sein eigenes Ländle für das größte und schönste der Welt gehalten? Hätte er andere überhaupt gekannt? Na ja, dem Hörensagen nach vielleicht Jerusalem, wo Jesus Christus gewirkt hatte, oder Rom, wo der Heilige Vater Papst saß (wenn er nicht gerade auf der Flucht war - Jopo II. ist nicht der erste "eilige Vater"!), oder Byzanz alias Konstantinopel, die alte Kaiserstadt (die auch noch eine Legende blieb, als dort längst der türkische Sultan saß). Aber ob er davon mehr als nur nebulöse Vorstellungen hatte, wenn er nicht gerade persönlich an einem Kreuzzug teilgenommen und das Glück gehabt hatte, heil zurück zu kehren? Und von außereuropäischen Ländern gar? In Äthiopien sollte es den sagenhaften Priesterkönig Johannes geben, und im fernen Indien die Gewürzinseln ("wo der Pfeffer wächst"), und dann noch Shangrila und Zipango (wo genau die liegen sollten, wußte freilich niemand zu sagen). Das war's aber auch schon - und da sollte der König von Siam ein geografisches Genie sein, zu einer Zeit, als knapp die Hälfte der Erde noch immer nicht entdeckt, geschweige denn erforscht und kartografiert war? [Ignazio Silone schrieb noch knapp 100 Jahre später über sich und seine italienischen Landsleute: "In unseren Redensarten und in unseren Sprichwörtern ist Lissabon noch heute der am weitesten entfernte Ort auf der Welt." Aber die Ehrlichkeit, etwas Ähnliches von sich und seinen Landsleuten zu sagen, brächte bis heute kein Brite (und erst recht keine Britin) auf, obwohl es sicher genügend Engländer gibt, für die die Welt am englischen Kanal aufhört - aber das ist eine andere Geschichte.]

Im übrigen kann Dikigoros nicht so recht glauben, daß "Maha Mongkut [Große Krone]" (Kurzform für "Phra Pramindr Maha Mongkut [Königlicher Träger der Großen Krone]") tatsächlich die Dumpfbacke war, als die er gemeinhin dargestellt wird - im Gegenteil: Wahrscheinlich war er einer der fähigsten Herrscher, die Siam in seiner Geschichte hatte. (Alles ist relativ, und von der Sorte hatte Thailand ohnehin nicht allzu viele; auch der heutige zählt wohl dazu, wie man fairerweise anerkennen muß - aber das ist eine andere Geschichte.) Welcher andere asiatische Herrscher seiner Zeit wäre wohl auf die Idee gekommen, freiwillig eine englische Gouvernante für seine Kinder (und jungen Konkubinen) an den Hof zu holen und sich von ihr nicht nur das Lesen und Schreiben, sondern auch das Singen und Tanzen beibringen zu lassen? Welches Eurer Staatsoberhäupter, liebe deutsche Leser, konnte schon Englisch lesen und schreiben, singen und tanzen? Willi der letzte konnte zwar Englisch (Kunststück: seine Mutter Vicky war Engländerin, die einzige Battenberg im 19. Jahrhundert, die fließend Englisch beherrschte - doch das ist eine andere Geschichte), aber weder singen noch tanzen, denn seine Stimme war zu dünn und sein linker Arm zu kurz. Tünnes konnte zwar singen und tanzen; aber wenn er auch gut Englisch gekonnt hätte, hätte man ihn nie zum Außenminister gemacht (Außenminister mit brauchbaren Fremdsprachen-Kenntnissen sind in Deutschland tabu, denn sie würden ja Arbeitsplätze kosten - die der Dolmetscher, die wiederum die Medien mit Indiskretionen versorgen müssen, die sonst nichts zu schreiben hätten), geschweige denn zum Bundes-Präsidenten, sondern allenfalls zum Karnevals-Prinzen.

Maha Mongkut war kein vernagelter Berufserbe. Er hatte vielmehr 27 Jahre auf den Thron warten müssen, bis sein [Halb-]Bruder starb; während dieser Zeit war er - Mönch. Und wer will Dikigoros erzählen, daß ein buddhistischer Mönch, der fast drei Jahrzehnte lang die heiligen Schriften studiert hatte (er konnte also lesen und schreiben - könnt Ihr das auch, liebe Leser? In Sanskrit und Pali? Die meisten von Euch können doch nicht mal modernes Thai lesen und schreiben, auch wenn sie schon viele Jahre im Lande leben!), nicht wußte, daß es außer Siam noch andere Länder auf der Welt gab, daß er nicht zumindest diejenigen gekannt hätte, in denen der Buddhismus eine Rolle spielte? Kam der Buddh nicht aus Indien? Mußte er nicht von Sanchi, Sarnath und Bodhgaya zumindest schon mal gehört haben, so wie die Herrscher des christlichen Abendlandes von Rom, Byzanz und Jerusalem? (Glaubt Ihr übrigens, liebe deutsche Leser, Euer jetziger Bundespräsident wüßte, wo Ayutthya liegt? Eben! Obwohl er schon da war; aber da war er dem Vernehmen nach so damit beschäftigt, den guten "Mekong" zu genießen - nein, Dikigoros meint nicht die Aussicht auf den gleichnamigen Fluß, sondern eine andere Flüssigkeit -, daß er hinterher gar nicht mehr wußte, wo er gewesen war...) Und von China, dem großen, mächtigen Nachbarn, von dem aus der Buddhismus nach Siam gekommen war? Vielleicht nicht so viel von Japan, denn das hatten die Amerikaner gerade erst aus seinem Dornröschen-Schlaf gerissen (aber das ist eine andere Geschichte). Mrs. Leonowens erwähnt selber, daß er Haremsdamen auf den Sklavenmärkten von Peking und Bengalen kaufen ließ - und sie selber hatte er in Singapur engagiert. An anderer Stelle erwähnt sie, daß Siam mit Malakka, Penang, Ceylon, Batavia [Jakarta], Saigon, Macao und Hong-kong Handel treibt. Mag sein, daß der König diese Orte nur dem Namen nach kannte (ebenso wie "Europa" oder "Amerika") oder sich jedenfalls nicht allzu viel darunter vorstellen konnte - aber Hand auf's Herz, liebe Leser: Wieviel mehr und wieviel genaueres wißt Ihr darüber, wenn Ihr nicht gerade Geografen oder Geschäftsleute seid? Kurzum, Maha Mongkut kann kein völliger Ignorant gewesen sein.

Aber Mrs. Leonowens' Ansprüche waren hoch. Sie war eine für ihre Zeit ungewöhnlich gebildete (und emanzipierte) Frau: Sie hatte sich mit Kultur, Religion, Wirtschaft und Geschichte Siams (und seiner Nachbarländer "Birma" [Barmá], Laos [wozu damals auch noch die Provinz Chieng Mai zählte], Kambuja [damals zwischen Siam und Frankreich umstritten], Cochinchina [Süd-Vietnam] und Malaya) vertraut gemacht und begann sogleich nach ihrer Ankunft, auch die Sprache zu erlernen - wie sie es schon immer gehalten hatte: Ihr indischer Bediensteter war zugleich ihr "Persisch"-Lehrer (gemeint ist nicht Farsi, sondern die Sprache, die man heute in Pakistan "Urdu" und in Bharat "Hindi" nennt), und da ihr Mann in Malakka stationiert gewesen war, hatte sie auch Malaiisch gelernt, was ihr Ansehen beim weiblichen Teil des Hofstaats ganz außerordentlich steigerte, denn die Oberaufseherin des königlichen Harems war eine alte Malaiin (die einst von Thai-Piraten entführt und als Konkubine an den Hof verschleppt worden war) - mit solchen Kenntnissen konnten die z.T. erst 14-jährigen Harems-Gänschen natürlich nicht dienen. Auf der anderen Seite muß man verstehen [das bedeutet nicht notwendigerweise, auch Verständnis dafür zu haben!], daß sich Mrs. Leonowens Sorgen machte, die wir heutigen nicht mehr so recht nachvollziehen können, und zwar nicht nur um sich selber, sondern auch um ihren kleinen Sohn (der im Film "Louis" heißt - sie selber schreibt immer nur "Boy" -; sie war erst 28, als sie nach Siam ging, und es erregte dort ein gewisses Befremden, daß sie nicht wieder heiratete), um ihre große Hündin Bessy (eine immer hungrige "Afganin") und um ihr indisches Diener-Ehepaar, Beebe und Moonshee (der im Zeichentrickfilm zu einem Affen degradiert wird - auf dem oben abgebildeten Plakat hängt er über Annas Kopf), die sich als Muslime gar nicht wohl fühlten im buddhistischen Siam, das in ihren Augen ein Land der Ungläubigen ("Kafirs") war - wie in denen eines jeden guten Christen-Menschen auch. Als man Anna fragt, ob sie nicht einen siamesischen Fürsten heiraten wolle, antwortet sie entrüstet (und ebenso taktlos wie arrogant): "Euer Fürst und der König sind Heiden. Eine englische, d.h. christliche Frau, würde sich eher foltern und lebenslang in Ketten einkerkern lassen oder den langsamsten und schmerzhaftesten Tod erleiden, den ihr Siamesen euch ausdenken könnt, als die Frau von so einem zu werden."

Erscheint Euch das lächerlich, liebe Leser/innen? Dikigoros auch; denn er lebt in einer konfessions-verschiedenen Ehe - wie schon seine Eltern, Schwiegereltern und sogar Großeltern, zu deren Zeit das noch alles andere als üblich war. Aber im 19. Jahrhundert wurde eine gute Christin eben so erzogen; und umgekehrt hätte auch eine gute Buddhistin keinen Andersgläubigen geheiratet. Dabei hatte sich Mrs. Leonowens auch mit der Lehre des Buddhismus vertraut gemacht (welch eine schöne Lehre, wenn sie nicht heidnisch wäre!) und wußte seinen Tempeln und "Götzenbildern" architektonisch und künstlerisch durchaus etwas abzugewinnen - aber weiter vermochte sie nicht über ihren christlichen Schatten zu springen. Welch ein Gegensatz dazu Maha Mongkut! Sie kritisiert an ihm, daß er sich mit allen Weltreligionen - und außerdem der Geschichte vieler Länder - beschäftigt habe und dadurch zu der zynischen (sie schreibt wörtlich: "morally mad [moralisch geisteskranken]") Überzeugung gelangt sei, daß man auf gar keine Religion vertrauen dürfe, daß vielmehr Geld die Welt regiere. (Mit anderen Worten: Er hatte sich für die hinduïstische Glaubensrichtung entschieden, die "Arth [Reichtum]" anbetet. Ist Euch mal aufgefallen, liebe Leser, wie weite Teile der Welt diese Spielart des Hinduïsmus inzwischen erobert hat? Aber das konnte Mrs. Leonowens nicht wissen, denn das ist eine andere Geschichte.) Aber er war so tolerant, daß er sogar seine Kinder anwies, die Petrus-Statue zu grüßen - schließlich sei das ja auch eine Art Gottheit. Und mal im Ernst, liebe Katholiken: Sind Eure Heiligen wirklich so viel weniger "Götzen" als die kleineren Gottheiten der Hindus und Buddhisten? Zumal wir doch längst wissen, daß sie in den meisten (oder fast allen) Fällen aus vor-christlichen, "heidnischen" Gottheiten entstanden sind?! Und die "Dreifaltigkeit"? Und die Jungfrau Maria? Und der Teufel? Und die [Erz-]Engel?

Und hier kommen wir auf einen Umstand zu sprechen, der alle Verfilmungen dieser Geschichte ad absurdum führt - schon deshalb mußte Dikigoros diese lange Einleitung schreiben: In den Filmen wird stets so getan, als wäre Anna Leonowens eine Frau mit besonders viel Zivilcourage vor Herrscherthronen gewesen. Aber das war es nicht, was sie veranlaßte, so forsch aufzutreten; vielmehr war es ein weniger sympathischer Charakterzug ihrerseits: Sie betrachtete den König von Siam nämlich nicht als gesellschaftlich über ihr stehend, sondern als ihr in zweierlei Hinsicht unterlegen, ja minderwertig: Erstens war er nur ein Heide, während sie eine Christin war; und zweitens war er nur ein Siamese, während sie eine Britin war. Als ihr Diener Moonshee - zwar ein Inder, aber wie gesagt kein "heidnischer" Hinduïst, sondern ein braver, da monotheïstischer Muslim, wie sie ja damals in Britisch-Indien ganz offiziell bevorzugt wurden - in den königlichen Harem eindrang (angeblich "versehentlich") und darob zu einigen Peitschenhieben verurteilt wurde (nein liebe Leser, das war keine besonders grausame Strafe - in England war sie damals Gang und Gäbe!), drohte Mrs. Leonowens im Falle einer Vollstreckung mit dem britischen Konsul, und das Urteil wurde prompt kassiert. [Beim zweiten Mal bekam er seine Tracht Prügel direkt verabreicht, ohne Urteil, das hätte kassiert werden können, und reiste beleidigt zurück nach Singapur.] Da erforderte es gewiß keinen allzu großen Mut, um dem König von Siam nicht unterwürfig, sondern beinahe wie eine Vorgesetzte gegenüber zu treten - und hinterher noch beleidigt zu sein, wenn er sich nicht alles gefallen ließ. (Eigentlich ist es doch verwunderlich, daß die Thais noch nicht auf die Idee gekommen sind, die Geschichte ihrerseits unter diesem Aspekt neu zu verfilmen!) Und drittens mokiert sie sich über sein fehlerhaftes Englisch (er hatte während seiner Zeit als Mönch auch die Sonntagsschule der amerikanischen Missionare besucht). Aber wenn Dikigoros sich die Beispiele so anschaut, die Leonowens anführt, kann er nur sagen: Das sind eigentlich ganz "logische" Fehler; die Schuld liegt nicht so sehr bei Maha Mongkut als vielmehr bei der englischen Sprache, die nun mal nicht logisch ist. (Das haben Sprachen so an sich, wenn es nicht Kunstsprachen sind, wie Esperanto oder Newspeak.)

* * * * *

Kommen wir nun endlich zur Verfilmung von 1956 und nehmen wir vorweg, daß diese durchaus nicht den boshaften britischen Humor aufweist, der fast immer an Sarkasmus grenzt, sondern eher den amerikanischen, der zwar immer etwas von oben herab kommt, aber nie wirklich böse gemeint ist. Warum dann die boshafte Umstellung im Titel, die Dikigoros vorgenommen hat? Nun, weil die Geschichte immer noch aus der Sicht der Engländerin erzählt wird, die keinen Zweifel daran läßt, daß sie zwar "Der König und ich" schreibt, aber "Ich und der König" meint. (Das haben die Neu-Verfilmer von 1999 ganz richtig gesehen, auch wenn sie "ich" durch "Anna" ersetzt haben :-)

(...)

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Warum haben sich die Thais aber dermaßen aufgeregt über alle Verfilmungen? Nun, es ist ihnen peinlich, daß darin ihre gesellschaftliche "Rückständigkeit" gezeigt wird, denn alles, was die ausmachte, ist völlig "out" - jedenfalls nach außen hin. Hinter den Kulissen sieht es ganz anders aus, und Dikigoros ist überzeugt, daß dies der eigentliche Grund für die Empfindlichkeiten der Regierung in Bangkok ist. Nicht wahr, wenn das alles eindeutig Vergangenheit wäre, würde sich niemand groß darüber aufregen: Keinen Deutschen stört es, wenn jemand zutreffend darauf hinweist, daß die alten Germanen auf dem Bärenfell lagen, Met tranken und auch sonst ziemlich ungehobelte Gesellen waren, weil jedermann weiß, daß sich die modernen Germanen gründlich gebessert haben: Sie liegen auf der Federkernmatratze, trinken Bier und befleißigen sich der feinsten gutmenschlichen Umgangsformen. Die Thais dagegen leben außerhalb der vom Westen beeinflußten Städte noch immer in einer atavistischen Gesellschaft. Das ist eine höfliche Umschreibung dafür, daß ihre sozialen Strukturen noch immer diejenigen sind, die sie aus der Steinzeit übernommen haben, als sie noch Sammler und Jäger waren. Es ist dies ein Fänomen, das schon mancher westliche Reisende, besonders wenn er in Sachen Sex und "Liebe" in Fernost unterwegs ist, am eigenen Leibe erfahren hat und worauf er für gewöhnlich mit Unverständnis, Enttäuschung, ja Wut reagiert: Da kommt er also voll guten Willens an, erhebt in seiner unendlichen Gnade ein armes Mädchen aus einem Dorf im Isaan (j.w.d. im Osten Thailands) zu seiner Ehefrau - und wie wird ihm das gedankt? Er wird gerupft und ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, von der ganzen Familie der Frau, vom ganzen Dorf. Sobald er, der Goldesel, auftaucht, stellen die sofort alle die Arbeit ein, machen ein Faß auf (oder auch mehrere :-) und feiern fröhliche Feste. "Sanuk" nennen sie das, ein Ausdruck, für den das Hochdeutsche keine rechte Übersetzung hat, am ehesten trifft es vielleicht das bayrische Wort "Gaudi". Stellt Euch am besten ein permanentes Oktoberfest vor, mit Essen und Trinken bis zum Abwinken. Niemand denkt an die Kosten, wie die Thais überhaupt ein ganz anderes Verständnis von Geld haben als die Westler: Es ist da, um ausgegeben zu werden, nicht um darauf zu glucken. Wenn heute welches da ist, wird es auf den Kopf gehauen, und morgen sieht man dann weiter. Wenn wieder welches reinkommt, feiert man weiter, wenn nicht - mai pen lai. [Am ehesten können das vielleicht die älteren Ossis nachvollziehen: Die Aluchips konnte man nicht essen, und sonst waren sie praktisch auch zu nichts gut. Wenn also irgendwo irgendwelche Ware auftauchte, die man brauchen oder eintauschen konnte bei jemandem, der sie vielleicht brauchen konnte, dann gab man die ACs sofort wieder aus. Was hätten sie auf dem Sparbuch genutzt? Es konnte doch niemand ahnen, daß die blöden Wessis sie mal 1:1 gegen D-Mark eintauschen und letztere dadurch vollkommen ruinieren würden!] Das geht so weiter, bis unser Falang (so nennen die Thais westliche Ausländer) mit dem Geld und mit den Nerven am Ende ist, bis er ausgepreßt ist wie eine alte Zitrone, ausgeblutet bis zur Pleite, und dann läßt man ihn auch noch gnadenlos fallen und jagt ihn zum Teufel - sogar aus dem Haus, das er doch voll aus eigener Tasche finanziert hat! Ist das nicht zutiefst undankbar, ja kriminell?

Nun bemüht doch mal ein wenig Eure Fantasie, liebe Leser, zumal wenn Ihr zu den Betroffenen zählen solltet, und dreht die Uhr ein paar Jahrhunderte zurück, in die Steinzeit. Die Großfamilien lebten in kleinen Lagern, wenn Ihr so wollt Dörfern, zusammen und teilten die guten und schlechten Seiten des Lebens. Die letzteren überwogen, wie das nun mal ist in der harten Natur, deshalb versuchte man, die ersteren umso mehr auszukosten, so gut es ging. Wenn jemand aus der Sippe einen Bären erlegte, brachte er ihn ins Dorf, es wurde ein großes Festmahl veranstaltet, und jeder aß und trank bis zum abwinken - oder halt bis der Bär alle war. Kein glücklicher Jäger wäre auf die Idee gekommen zu sagen: "Nein, liebe Mitdörfler, ich teile nicht, oder gebe Euch jedenfalls nur eine halbe Tatze ab, den Rest esse ich selber, bis ich satt bin, und wenn dann noch etwas übrig bleibt, lege ich das Fleisch in die Vorratskammer oder verkaufe es an den Nachbarstamm und lege das Geld aufs Sparbuch, damit ich auch im Alter etwas davon habe." So einen Typen hätte man tot geschlagen, noch bevor er auch nur eine Hütte gebaut hätte; die Gene der Eigenschaft, die Ihr "Sparsamkeit" und die Thais "Geiz" nennen, wurden schlicht ausgemendelt! Und nun nehmt weiter an, daß eines Tages ein Fremder in der Nähe eines solchen Dorfes vorbei kommt, auch er mit einem frisch erlegten Bären. Da trifft er auf ein Mädchen aus dem Dorf, die sich mal etwas weiter rausgetraut hat zum Beerensammeln, weil Saure-Gurken-Zeit ist und das Dorf hungert. Eigentlich verlassen anständige Mädchen ihre Familie nicht, schon gar nicht ihr Dorf, geschweige denn, daß sie sich so einem Fremden sexuell hingeben würden; aber wenn Not am Mann ist... Sie sieht den fremden Typen, d.h. eigentlich sieht sie nur den schönen fetten Bären, den er stolz zur Schau stellt. (Bei sich zuhause würde er damit nur ein müdes Lächeln ernten, denn dort züchtet man längst Rinder; so ein Hungerleider, der noch mit seiner Hände Arbeit auf Bärenjagd geht, zählt dort zur untersten Unterschicht; dort bekäme er nicht mal eine Frau... Das Mädchen aus dem Dorf aber sieht das ganz anders. Sie verführt ihn - was ihm nur recht ist - und schleppt ihn ab in ihr Dorf. Den Bären bringt er natürlich mit, sehr zur Freude des ganzen Dorfes. Dort wird sogleich "Hochzeit" gefeiert, insbesondere der Hochzeitsschmaus, und anschließend darf der Fremdling dem Mädchen eine Hütte bauen und mit ihr dort leben. Solange er weiter auf die Jagd geht und so schönen Erfolg hat, darf er bleiben und das Dorf mit Bären versorgen. Wenn ihn aber eines Tages sein Jagdglück verläßt und er keine Bären mehr mit nach Hause bringt? Vielleicht weil er doch schon ziemlich alt, grauhaarig und fettbäuchig ist - was dem Mädchen im ersten Augenblick nicht so aufgefallen (oder auch egal) war? Sollte sie da nicht lieber auf einen jüngeren Mann aus dem Dorf setzen? In Sachen Sex tut sie das ja schon lange - aber das merkt der alte Trottel zum Glück nicht, oder er verdrängt es - ein Glück, von dessen alten, minderwertigen Spermien hätte sie kein Kind haben wollen, zumal das dann ja ein Bastard würde! Eigentlich sollte sie ihm ja den Laufpaß geben - aber vielleicht hat er, wenn er schon vor Ort nichts mehr spendieren kann, noch bei sich zuhause, wo er her kommt, irgendwelche Vorräte? Die soll er gefälligst abrufen und herbei schaffen! Was, er will nicht, obwohl er doch von so einem reichen Stamm, dem Stamme der Falangs kommt? Behauptet, das Dorf könne nicht mit Vorräten umgehen? Ja, ist denn der Kerl noch zu retten? Er wird, wenn er Glück hat und noch einigermaßen laufen kann, zum Teufel gejagt, und wenn er Pech hat, tot geschlagen. Wer von Euch, liebe Leser, will da den moralischen Zeigefinger erheben?

Damit will Dikigoros wohlgemerkt nicht die Frage beantworten, ob es umgekehrt richtig ist und wie lange es gut gehen mag, jedem, der ganz ohne Bär aufkreuzt, nur mit der Behauptung, er werde von einem Bären verfolgt (womöglich politisch!), mit offenen Armen und Geldbörsen aufzunehmen, ihm eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung zu stellen, mit einer Matratze statt des Bärenfells, mit einem Fernseher gegen die Langeweile, einem Kasten Bier und einem so großzügig bemessenen Taschengeld, daß er jeden Tag "Sanuk" feiern kann, auch ohne jemals auf die Jagd zu gehen oder sonst irgendetwas Brauchbares zum Gemeinschaftsleben beizutragen. Diese Frage mögen sich die geneigten Leser - jeder für sich - selber beantworten. Aber soviel Dikigoros weiß, gibt es das ohnehin nur in einem Land der Welt... Aber mal im Ernst, liebe Liebeskasper und Jammerlappen, was glaubt Ihr denn, warum ein junges hübsches Mädchen aus Thailand das Martyrium auf sich nimmt, mit einem alten, fetten, versoffenen, stinkenden (da könnt Ihr Euch waschen, so oft Ihr wollt - jede Rasse riecht anders, und insbesondere die Asiatinnen haben dafür ein feines Näschen; nur Nigger riechen in ihren Augen, pardon Nasen, noch schlechter als Weiße!) Falang das Lager zu teilen? Aus "Liebe"? Ihr seid doch wohl nicht ganz bei Trost - dieses Wort gibt es in keiner einzigen asiatischen Sprache [das japanische "rabu" ist eine Verballhornung des englischen "love"], woraus Ihr getrost schließen dürft, daß jenes romantische Konzept aus dem europäischen Mittelalter dort überhaupt nicht existiert. Nein, sie tut es aus dem Geist buddhistischer Pflichterfüllung heraus, um ihre Verwandten materiell zu unterstützen. Dafür geht sie in den Puff, um sich zu vermieten (wenn die Verwandten nicht ganz so arm sind, kann sie in einem anständigen Puff, d.h. einem nur für Thai-Männer, anschaffen gehen - da verliert sie nicht so viel Gesicht -, wenn sie arm oder womöglich hoch verschuldet sind, muß sie sich wohl über übel mit Devisen bringenden Falangs einlassen) oder - das größte Opfer das ein anständiges Thai-Mädchen im Leben überhaupt bringen kann: sie verkauft sich an so einen verhaßten Falang. (Den sie darob natürlich nur noch mehr haßt.) Dann muß freilich auch der Preis stimmen, selbst bei Ratenzahlung. Einen ehrlosen Schuft und Geizhals, der nicht bereit ist, sein ganzes Geld mit der Familie der Frau zu teilen, oder gar ein Charakterschwein, das die Zahlungen irgendwann völlig einstellt, weil entweder sein Geld alle ist oder weil sein Gehirn zu beschränkt ist um zu begreifen, was seine Frau und ihre Verwandten sich von der Eheschließung mit ihm versprochen haben und weiterhin versprechen (man hat es ihm nicht eigens gesagt, weil man es für selbstverständlich hält, daß jeder, der ein halbwegs funktionierendes Gehirn zwischen den Ohren hat, von selber darauf kommt), verläßt sie, denn er ist ja zu nichts mehr nutze. (Eine anständige Thai denkt nie egoistisch - etwa: je weniger Geld er meinen Verwandten gibt, desto mehr bleibt für mich selber -, sondern immer familien-orientiert, wobei unter "Familie" nur die Thai-Familie zu verstehen ist.) Das kann ihr zwar Schimpf und Schande eintragen - nicht wegen der gescheiterten Ehe (die Ehe mit einem Falang gilt nach thailändischem Verständnis ohnehin nicht; sie ist vielmehr wegen Rassenschande nichtig, auch wenn das nirgends so explizit geschrieben steht - in Thailand gilt noch weitgehend überliefertes Gewohnheitsrecht, gerade im Familien- und Erbrecht), sondern wegen des finanziellen Mißerfolgs -; aber auch diese Möglichkeit wird von Anfang an einkalkuliert. Überhaupt, vielleicht gelingt es ihr ja, das Martyrium vorzeitig zu beenden und den Kerl ohne Gesichtsverlust, d.h. ohne finanzielles Scheitern, los zu werden, indem sie selber zu genügend Geld kommt? Vielleicht honorieren die Götter ja ihr großes Opfer, indem sie ihr Glück im Spiel schenken? Sie probiert es Tag und Nacht, zockt solange noch Einsatz vorhanden ist oder solange sie noch Kredit hat. Und wenn das nicht klappt: mai pen lai - ist ja meist eh das Geld des widerlichen Falangs-Ehemannes...

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Was Dikigoros hier schreibt, gilt natürlich nur für die traditionelle Form der Eheschließung in Thailand, d.h. der Mann heiratet in das Dorf der Frau ein und übernimmt dort ein Stück Land zur Bearbeitung. Von den Erträgen seiner Arbeit muß er dann nicht nur Frau und Kinder, sondern auch andere Verwandte, die zur Familie gehören, versorgen, insbesondere die Schwiegereltern - aber bitte, das war in Mitteleuropa bei Einheirat in Bauernhöfe nicht anders (noch vor einer Generation, bevor die Rentenversicherung für Landwirte eingeführt wurde); "Altenteil" nannte sich das! Wenn also der fette alte Falang-Rentner oder Pensionär zu einem jungen Mädchen in den Isaan zieht, dann soll er dort gefälligst auch seine fette Rente verbrauchen, bis zum letzten Satäng; und wenn alles notwendige gekauft ist, dann ist es ja wohl Ehrensache, den nicht verbrauchten Rest für Sanuk auf den Kopf zu hauen und das ganze Dorf dazu einzuladen - oder sauft Ihr lieber im stillen Kämmerlein, liebe Leser? Aber umgekehrt, wenn unser Steinzeitjäger nicht im Dorf bleibt, sondern das Mädchen mit zu sich nach Hause nimmt, dann bleibt es dabei, daß er dem Dorf den Bären spendiert für einen schönen Hochzeitsschmaus und den Eltern vielleicht ein paar Speerspitzen gibt als Brautpreis, aber damit hat es sich denn auch. Und auch der Brautpreis ist selbstverständlich nur fällig (deshalb schreibt Dikigoros "vielleicht"), wenn das Mädchen noch ungebraucht ist - auch das ist gar nicht so verschieden von dem, was auch bei uns früher mal üblich war - im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 gibt es noch ein so genanntes "Kranzgeld", das für die Defloration einer Jungfrau zu entrichten ist, die man später nicht heiratet! Das kann es natürlich nur einmal geben, deshalb wird für eine Verwitwete, Geschiedene oder sonstwie gebrauchte Braut kein Geld fällig - schon gar nicht für eine Prostituierte, liebe Liebeskasper! Wenn Ihr Euch also eine Nutte aus der Thai-Bar nach Deutschland holt, für die einen Brautpreis zahlt und dann auch noch regelmäßig Geld für ihre Eltern, ihre unehelichen Kinder und Geschwister nach Thailand überweist, dann macht Ihr Euch nicht nur persönlich zum Gespött der Thais, sondern Ihr werft auch noch ein schlechtes Licht auf Eure Landsleute, die jeder vernünftige Thai für total bekloppt halten muß - als nächstes werden sie erwarten, daß Ihr die ganze Thai-Familie nach Mitteleuropa holt und sie allesamt mit anderen Liebeskaspern versorgt...

Warum schreibt Dikigoros das hier alles so lang und breit? Weil er Euch fragen will, liebe Leser, welche Einstellung wohl verwerflicher ist: Die der verarmten englischen Witwe, die ohne Rücksicht auf das materielle Wohlergehen ihrer Familie den Heiratsantrag des Königs von Siam zurück weist, weil sie ihn aus rassischen und religiösen Gründen nie als vollwertigen Ehemann anerkennen könnte und dürfte, oder das des Mädchens aus dem Isaan, die über ihren Schatten springt und dem vermeintlichen König von Falangistan (oder zumindest Graf Rotz von der Backe, den er ihr vorspielt) in sein kaltes, unfreundliches Land folgt, wo sie von jedermann (und vor allem von jederfrau :-) als Hure verachtet wird (selbst von den weißen Huren, die in ihr eine lästige Konkurrentin sehen) - wenn sie ein anständiges Mädchen ist freilich insgeheim unter dem Vorbehalt, daß sie ihn aus rassischen und religiösen Gründen nie als vollwertigen Ehemann anerkennen kann und darf. Egal, wie Ihr diese Frage beantwortet: Ihr werdet einräumen müssen, daß die Engländerin immerhin konsequenter war - was glaubt Ihr, wie viele westliche Frauen das heute noch wären?

(Fortsetzung folgt)

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