Stirner Forum
Ueber Stirner Ueber Marie Theaterstueck Drehbuch Fotos Links Home
Neues Textforum Gaestebuch
   
Maries Biographie
Maries Briefe
Brief 1
Brief 2
Brief 3
Brief 4
Brief 5
Brief 6
Brief 7
Marie und der Einzige
Maries Dulk-Rezension

 

Über Marie > Maries Dulk-Rezension

Sensationelle Entdeckung!
Kurt W. Fleming hat kürzlich im Nachlass von Albert Dulk (1819-1884) einen echten Brief aus Marie Dähnhardts Feder gefunden. Dulk verfasste Theaterstücke und lebte damals mit drei Frauen zusammen:
"Dieser Brief zeigt uns, dass Marie nicht das Dummerchen war, als das sie von Mackay und Ruest dargestellt wurde." (Kurt W. Fleming)

Marie Dähnhardt: Brief an Albert Dulk
Wer den Orla zu Ende gelesen hat, der findet ihn gewiß wunderschön und hinreißend, denn nur wer ihn versteht, liest ihn zu Ende, und was man versteht findet man allemal schön.
Aber eigentlich sollte man vom Orla gar nicht sagen er ist schön, sondern er ist kraftvoll, da wie's scheint der Verfasser die Kraft am höchsten, und höher setzt als die Schönheit. Nach den Schlußworten ist das auch begreiflich; diese Schlußworte muß man lesen wenn man recht scharfsinnig gestimmt ist, sonst versteht man sie nicht. Ich hab daraus heraus verstanden, daß die Schönheit ein bischen vom Thron der Poesie abgesetzt, und die Kraft hinaufgesetzt werden soll, oder worden ist. Das muß man aber auch wissen [?], um die patriotische Tendenz im Orla, und überhaupt alle patriotischen Tendenzen der Gegenwart würdigen und verstehen zu können.
Ist in der Kraft die größte Poesie, ja dann war vielleicht Orla der erhabenste Dichter indem er nach diesem göttlich freien, himmlischen, lebensvollen Leben, sich selbst, sein Dasein diese Probe [?] die er nur einmal auf Niewiederbekommen verlieren könnte, hinwarf an eine Idee, im fruchtlosen Opfertode für die Wiedergeburt seines Vaterlandes! Meine Seele begleitet ihn mit Begeisterung ja beinah mit Anbetung durch alle seine Erlebnisse, Gefahren, Abentheuer und Reflexionen, sie ruft "Ja!Ja!" beinah zu Allem, aber dies Vonsichwerfen des Lebens, wo er doch selbst wußte, daß es fruchtlos sein würde (wie tief wie wahr ist Alles was er von der Unreifheit des Volks zur Freiheit sagt) so schön und erhaben es auch geschildert ist, davor steht sie doch ganz verwirrt still. Freilich wie er war [?], er mußte, das Schicksal das er beherrschen wollte, die Umstände, zwangen ihn, und er mußte in den Tod, das Schicksal lockte ihn hinein wie in eine hinterlistige Falle, gerade weil er so edel u. groß war. Das ist doch eine bittere Ironie [?] - sonst wär aber das Ganze wieder kein Trauerspiel - stürbe Orla siegend, im Glanze des Triumphes, könnte es etwas Freudigeres geben? - So aber treibt er wie eine schöne Pflanze alle seine Kräfte der Blüthe zu und diese Blüthe bricht das Schicksal oder den Dichter oben am Stiel ab, das muß dem Dichter weh gethan haben, zumal da er im Orla sich selbst giebt - mir wärs zu traurig gewesen mich selbst so enden zu lassen. - Das begreif ich wohl im Egmont [?], weil über dem die Hand des Fatums schwebt, nicht ein Mensch - aber ich begreifs nicht beim Orla - diesem Gott - voll Klarheit und Bewußtsein - den mußte das Schicksal nicht bezwingen. 
Ja und er ist wirklich so herrlich so liebenswürdig, eine seltene Gestalt, an der man Freude haben muß, deren Geist so frisch macht, so gesundmachend wie ein Wind der übers Weltmeer herüberstreicht! Aber eine Welt voll Orla's wird es niemals geben, er ist, wie so Manches, ein Lieblingswerk, ein Wunder der Natur, der man dankbar ist es gebildet u. erzogen zu haben. Das Gefühl aber ist die Natur, alle Kraft u. Schönheit Orlas entspringt doch gewiß aus einem edlen männlichen Gefühl, und ist darum Natur - wie der ganze Berthold die widernatürlichste Berechnung, der abscheulichste Zwang - ein wahres [?] Unding ist, und man ihn ordentlich bedauern muß wie er sich krampfhaft in seinen Sophismen und Reflexionen herumwindet.
Einmal aber kann ich den Orla doch nicht lieb haben, oder vielmehr den Dichter nicht, das ist in dem zweiten Motto zum zweiten Akt. Das wird mir ewig fremd, und nicht zu dieser idealen Natur gehörig, erscheinen. Der Orla sprichts auch nicht aus, wie es da steht, schroff, trocken und unpoetisch - wie müßte das in seinem Munde geklungen haben! Wenn dem unverfälschten Gefühle auch mit den schönsten, dichterischsten Worten eine Binde vor die Augen gelegt worden wäre, es würde doch diese grausame Aufstellung [?] kalt wie ein chirurgisches Messer haben durchblitzen sehen. Nein - Orla sagt es nicht direkt selbst, aber um so verächtlicher-feiger erscheint mir dies Motto: Ja, feig! - Das macht sich wohl überall mit vollster Ueberzeugung geltend, daß die wahre Lebenskraft, die Essenz [?] des Lebens nur im freien rückhaltlosen Dahingeben an den Augenblick - an die Gegenwart liegt. 
Schmerz und Lust muß begeistert genossen werden nicht verdünnt durch Vergangenheits- und Zukunftsgedanken, sondern wie es brausend aufschäumt im Becher des Lebens. Vergessen muß die Zukunft werden - aber nicht weggeläugnet - das ist muthlos, müde, u. träge, und kein Gefühl redet [?] der Verläugnung des Lebens? Das Wort die thatkräftige Jugend sagt "Aufhören?! ich fühle eine ewige Kraft in mir, ruhen mag ich nicht, ich will ewig wabern [?], ewig wirken, mag genießen!" Das müde Alter sagt. "Schlafen möchte ich - jeden Abend geh ich zur Ruh, noch kein Tag hat aber über mein Bett geschienen, den nichts gelüstet hätte zu verschlafen - aufgewacht, aufgestanden bin ich noch immer."
Und die Schönheit verneint es ewig u. entschieden, dies Versinken in die Nacht des Unbewußtseins. In jedem Schönen liegt die Sehnsucht nach Vollendung, dies Sehnen aber ist seine Schönheit und sein Leben, das endet erst mit der Vollendung, denn die ist Tod. Der Körper kann vollendet schön sein, darum wird er zerstört, zertheilt - wer aber hat einen Maaßstab für die Vollendung der Seele, des Bewußtseins?
Der wird nie gefunden werden. Ach ich vergäße [?] sie gerne die unbekannte Welt nach dem Tode, aber mir [wie?] scheint's doch gewagt [?] es einem Kinde das an Heimweh stirbt abstreuten [?] zu wollen, es habe eine Heimath. Wie viele aber, die das Leben grausam zwingt [?] ja zwingt [?],sterben an
diesem Heimweh! Haben sie aber eine Heimath, da ist mir ums Hineinkommen nicht bange.
Könnte wohl einer der im Orla gezeichneten Frauencharaktere diese unverschämte Verneinung des Glaubens an Unsterblichkeit unterschreiben? Doch gewiß nicht! Die Wahrheit aber ist für alle und [1 Wort unles.] nirgends einen Mißklang. - Und wie Louise, Anna u. Emilie, so giebt es wohl viele Frauengemüther, aber kaum daß sie nur sich selbst an die Seligkeit der Freiheit zu glauben wagen, viel weniger von der Welt. Da müssen die Frauen dem Dichter wohl dankbar sein, daß er ihren geheimen halb unbewußten Regungen, die Form so schöner Dichtung verlieh.

[in fremder Handschrift:] [unles. Kürzel] Marie Dähnhardt Frau des Einzigen Max Stirner Schmidt

Transkription: Paul Jordens

 

 

 

 

Hosted by www.Geocities.ws

1