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Maries Briefe 

Der 2. Brief aus London

Deutsche Bekanntschaften. – Freigebigkeit des Herzogs von Braunschweig. – Uebersetzer aus dem Deutschen. – Was von Bruno Bauer, Strauß und Schelling gehalten wird. 
Von der Zurüstung des Balls schreibe ich Dir vielleicht ein andermal. Für jetzt nur einiges Wenige über dort gemachte Bekanntschaften. Zunächst stellte mir die Wirthin des Hauses die Frau des Hrn. F., und diese mir wieder ihren Mann vor. Nenne ich ihn auch nicht, so will ich doch, da ihr ihn in Deutschland sehr wohl kennt, sagen, wie ich ihn gefunden habe. Ich kannte, wie Du weißt, nur sein Bild, wie man es vor seinem Werke findet. Ich hatte erwartet[,] einen Jüngling zu finden, es stand aber ein Mann vor mir, der, nach seinem bleichen Gesichte zu schließen, die Spuren der Weltschmerzen noch nicht ganz verloren hat. Die braunen Augen haben etwas Schwärmerisches und passen insofern nicht ganz zu dem vollen Gesichte und nicht zu dem kleinen Munde: die Aetherischen haben einen etwas materiellen Wohnsitz. So ist das Aeußere nicht gerade schön, aber höchst angenehm, und dieses Angenehme zeigt sich auch in seinem ganzen Wesen: er ist bescheiden, vielleicht etwas zu zurückhaltend, ja ich möchte fast sagen blöde. Von der ihm zum Vorwurf gemachten Eitelkeit merkt man keine Spur. Unsere Introduction zu einem langen Gespräche warst Du; dann kamen andere, ihm und mir bekannte Personen an die Reihe, und ich hörte manches interessante Urtheil. Von H.*, den ich übrigens nicht kenne und mit dem ich auch wohl nie bekannt werden, von dem aber eure Zeitungen so viel zu sprechen wußten, sagte er mir, daß er mit dem Herzoge von Braunschweig wegen der Londoner Deutschen Zeitung in Unterhandlung stehe. Der Herzog soll übrigens seine Mitarbeiter nicht londonmäßig bezahlen, unter anderem einem seiner bedeutendsten Mitarbeiter nur wöchentlich 1 Pfd. St. gegeben haben, was für London wahrlich ein jämmerlicher Preis ist. – Zum ersten Male unterhielt ich mich auf diesem Balle mit einem wirklich recht gebildeten und gesprächigen Engländer, Mr. G. Er ist Scholar. Du denkst doch nicht, daß das ein Scholar oder Schüler ist? Ein Scholar ist ein Gelehrter. Wir sprachen unter anderem über die Austen; sie und Carlyle, sagte er, seien als die besten Uebersetzer aus dem Deutschen bekannt. Auch ihre Tochter, Lady Duff-Gordon, habe mehreres übersetzt; besonders habe die von ihr übersetzte „Bernsteinhexe“ Beifall gefunden. Auch von Bruno Bauer wußte er wenigstens, meinte aber, daß dessen Richtung in England nicht ansprechen könne. „Unser englischer Glaube ruht auf einer so festen historischen Grundlage, daß nichts, was ihm geradehin entgegen ist, Eingang finden kann. Wir lieben die Illusion. Strauß, der vor wenigen Jahren hier übersetzt wurde, ist kaum angesehen worden; denn er war nicht nach englischem Geschmacke. Uebrigens soll Bauer ein großer Mann sein, habe ich mir sagen lassen, wenngleich wir seine Sachen nicht mögen.“ Später erfuhr ich noch, daß eben derselbe Herr G. etwas von Schelling – oder, wie es die Engländer au[s]sprechen, von Schilling – übersetzt habe. Schelling gilt hier für einen bedeutenden Mann. * Wir vermuthen, daß dieses H. Herrn Heinzen bedeutet.(Die Red.)

Quelle: Feuilleton Nr. 15. [Beilage zu Nr. 74.] Berliner Zeitungs-Halle, Nr. 74. Montag, den 29. März. 1847, pp. 71/72.



 

 

 

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