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Diese
Webseite ist dem Philosophen Max Stirner und seiner Ehefrau Marie
Dähnhardt gewidmet.
Wir
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die besten unter der Rubrik "Neues".
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Gästebuch "Marie und Max" können Sie mit anderen
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einen Hinweis auf Ihre Homepage. Wir werden Sie dann so bald wie
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Ich
erwarte auch Ihren Textbeitrag und würde mich sehr über Ihren Eintrag
im Gästebuch freuen! Viel Spaß!
Sabine Scholz
*********************************************
Sensationelle Entdeckung!
Kurt
W. Fleming hat kürzlich im Nachlass von Albert
Dulk (1819-1884) einen echten Brief aus Marie Dähnhardts Feder
gefunden. Dulk verfasste Theaterstücke und lebte damals mit drei
Frauen zusammen:
"Dieser Brief zeigt uns, dass Marie nicht das Dummerchen war,
als das sie von Mackay und Ruest dargestellt wurde." (Kurt W.
Fleming)
Marie
Dähnhardt: Brief an Albert Dulk
Wer den Orla zu Ende gelesen hat, der findet ihn gewiß wunderschön und hinreißend, denn nur wer ihn versteht, liest ihn zu Ende, und was man versteht findet man allemal schön.
Aber eigentlich sollte man vom Orla gar nicht sagen er ist schön, sondern er ist kraftvoll, da wie's scheint der Verfasser die Kraft am höchsten,
und höher setzt als die Schönheit. Nach den Schlußworten ist das auch begreiflich; diese Schlußworte muß man lesen wenn man recht scharfsinnig gestimmt ist, sonst versteht man sie nicht. Ich hab daraus heraus verstanden, daß die Schönheit ein bischen vom Thron der Poesie abgesetzt, und die Kraft hinaufgesetzt werden soll, oder worden ist. Das muß man aber auch wissen [?], um die patriotische Tendenz im Orla, und überhaupt alle patriotischen Tendenzen der Gegenwart würdigen und verstehen zu können.
Ist in der Kraft die größte Poesie, ja dann war vielleicht Orla der erhabenste Dichter indem er nach diesem göttlich freien, himmlischen, lebensvollen Leben, sich selbst, sein Dasein diese Probe [?] die er nur einmal auf Niewiederbekommen verlieren könnte, hinwarf an eine Idee, im fruchtlosen Opfertode für die Wiedergeburt seines Vaterlandes! Meine Seele begleitet ihn mit Begeisterung ja beinah mit Anbetung durch alle seine Erlebnisse, Gefahren, Abentheuer und Reflexionen, sie ruft "Ja!Ja!" beinah zu Allem, aber dies Vonsichwerfen des Lebens, wo er doch selbst wußte, daß es fruchtlos sein würde (wie tief wie wahr ist Alles was er von der Unreifheit des Volks zur Freiheit sagt) so schön und erhaben es auch geschildert ist, davor steht sie doch ganz verwirrt still. Freilich wie er war [?], er mußte, das Schicksal das er beherrschen wollte, die Umstände, zwangen ihn, und er mußte in den Tod, das Schicksal lockte ihn hinein wie in eine hinterlistige Falle, gerade weil er so edel u. groß war. Das ist doch eine bittere Ironie [?] - sonst wär aber das Ganze wieder kein Trauerspiel - stürbe Orla siegend, im Glanze des Triumphes, könnte es etwas Freudigeres geben? - So aber treibt er wie eine schöne Pflanze alle seine Kräfte der Blüthe zu und diese Blüthe bricht das Schicksal oder den Dichter oben am Stiel ab, das muß dem Dichter weh gethan haben, zumal da er im Orla sich selbst giebt - mir wärs zu traurig gewesen mich selbst so enden zu lassen. - Das begreif ich wohl im Egmont [?], weil über dem die Hand des Fatums schwebt, nicht ein Mensch - aber ich begreifs nicht beim Orla - diesem Gott - voll Klarheit und Bewußtsein - den mußte das Schicksal nicht bezwingen.
Ja und er ist wirklich so herrlich so liebenswürdig, eine seltene Gestalt, an der man Freude haben muß, deren Geist so frisch macht, so gesundmachend wie ein Wind der übers Weltmeer herüberstreicht! Aber eine Welt voll Orla's wird es niemals geben, er ist, wie so Manches, ein Lieblingswerk, ein Wunder der Natur, der man dankbar ist es gebildet u. erzogen zu haben. Das Gefühl aber ist die Natur, alle Kraft u. Schönheit Orlas entspringt doch gewiß aus einem edlen männlichen Gefühl, und ist darum Natur - wie der ganze Berthold die widernatürlichste Berechnung, der abscheulichste Zwang - ein wahres [?] Unding ist, und man ihn ordentlich bedauern muß wie er sich krampfhaft in seinen Sophismen und Reflexionen herumwindet.
Einmal aber kann ich den Orla doch nicht lieb haben, oder vielmehr den Dichter nicht, das ist in dem zweiten Motto zum zweiten Akt. Das wird mir ewig fremd, und nicht zu dieser idealen Natur gehörig, erscheinen. Der Orla sprichts auch nicht aus, wie es da steht, schroff, trocken und unpoetisch - wie müßte das in seinem Munde geklungen haben! Wenn dem unverfälschten Gefühle auch mit den schönsten, dichterischsten Worten eine Binde vor die Augen gelegt worden wäre, es würde doch diese grausame Aufstellung [?] kalt wie ein chirurgisches Messer haben durchblitzen sehen. Nein - Orla sagt es nicht direkt selbst, aber um so verächtlicher-feiger erscheint mir dies Motto: Ja, feig! - Das macht sich wohl überall mit vollster Ueberzeugung geltend, daß die wahre Lebenskraft, die Essenz [?] des Lebens nur im freien rückhaltlosen Dahingeben an den Augenblick - an die Gegenwart liegt.
Schmerz und Lust muß begeistert genossen werden nicht verdünnt durch
Vergangenheits- und Zukunftsgedanken, sondern wie es brausend aufschäumt im Becher des Lebens. Vergessen muß die Zukunft werden - aber nicht weggeläugnet - das ist muthlos, müde, u. träge, und kein Gefühl redet [?] der Verläugnung des Lebens? Das Wort die thatkräftige Jugend sagt "Aufhören?! ich fühle eine ewige Kraft in mir, ruhen mag ich nicht, ich will ewig wabern [?], ewig wirken, mag genießen!" Das müde Alter sagt. "Schlafen möchte ich - jeden Abend geh ich zur Ruh, noch kein Tag hat aber über mein Bett geschienen, den nichts gelüstet hätte zu verschlafen - aufgewacht, aufgestanden bin ich noch immer."
Und die Schönheit verneint es ewig u. entschieden, dies Versinken in die Nacht des Unbewußtseins. In jedem Schönen liegt die Sehnsucht nach Vollendung, dies Sehnen aber ist seine Schönheit und sein Leben, das endet erst mit der Vollendung, denn die ist Tod. Der Körper kann vollendet schön sein, darum wird er zerstört, zertheilt - wer aber hat einen Maaßstab für die Vollendung der Seele, des Bewußtseins?
Der wird nie gefunden werden. Ach ich vergäße [?] sie gerne die unbekannte Welt nach dem Tode, aber mir [wie?] scheint's doch gewagt [?] es einem Kinde das an Heimweh stirbt abstreuten [?] zu wollen, es habe eine Heimath. Wie viele aber, die das Leben grausam zwingt [?] ja zwingt [?],sterben an
diesem Heimweh! Haben sie aber eine Heimath, da ist mir ums Hineinkommen nicht bange.
Könnte wohl einer der im Orla gezeichneten Frauencharaktere diese unverschämte Verneinung des Glaubens an Unsterblichkeit unterschreiben? Doch gewiß nicht! Die Wahrheit aber ist für alle und [1 Wort unles.] nirgends einen Mißklang. - Und wie Louise, Anna u. Emilie, so giebt es wohl viele Frauengemüther, aber kaum daß sie nur sich selbst an die Seligkeit der Freiheit zu glauben wagen, viel weniger von der Welt. Da müssen die Frauen dem Dichter wohl dankbar sein, daß er ihren geheimen halb unbewußten Regungen, die Form so schöner Dichtung verlieh.
[in fremder Handschrift:] [unles. Kürzel] Marie Dähnhardt Frau des
Einzigen Max Stirner Schmidt
Transkription:
Paul Jordens
***
Um Max Stirners 200.
Geburtstag am 25.
Oktober 2006
angemessen zu feiern, ist die Realisierung eines Filmprojektes
geplant.
Sponsoren sind jederzeit willkommen!
MAX STIRNER UND DIE WILDEN JAHRE DER PHILOSOPHIE
DOKUMENTARFILM ZU MAX STIRNERS 200. GEBURTSTAG
von
Sabine Scholz
Wissenschaftliche Mitarbeit:
Paul Jordens
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Poster © Brigitte Scholz
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***********************
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"Streichquartett" von Beate Rosner
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vermittelt die pure Lust am Musikgenuss"
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Replik
auf die Verrisse des Romans „Die Sonne hat keinen Eigentümer“
von Jochen Knoblauch und Raimund Samson
Wo steht geschrieben, dass ein biographischer
ROMAN unbedingt in allen Teilen historisch korrekt sein muss?
Abgesehen von der Political Correctness natürlich. Er soll
ja in erster Linie den Leser unterhalten. Wenn der historische
Fakten erfahren will, dann sollte er zu einem Geschichtsbuch oder
einer historischen Abhandlung greifen. Da findet er, was er sucht.
Der Leser eines Romans möchte Einfühlung in die geschilderten
Personen, keine langweiligen Abschriften aus irgendwelchen Biographien,
die er eventuell ja schon kennt. Ich bin der Meinung, dass die
von Knoblauch und Samson bemängelten Schwächen meines
Romans eigentlich Stärken sind.
Wie der Leser sehr leicht feststellen kann, gehöre ich nicht
zu den Anhängern des Stirner-Heiligen-Kults, obwohl ich mich
seit vielen Jahren für diesen vergessenen Denker einsetze.
Ich glaube, dass Stirner in seinem Werk einige sehr interessante
Thesen vertreten hat, die den Menschen aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit führen können. Das ist ja die eigentliche
Aufgabe der Philosophie. Natürlich hat Stirner auch viel
Unsinn behauptet, den ich auf gar keinen Fall unterschreiben würde.
Dennoch bin ich Stirner freundlich gesinnt, obwohl mir das Gegenteil
unterstellt wird. Philosophie ist für mich ein Prozess, kein
Vertreten eines Standpunktes. Zum Erkennen der Dinge, die ich
noch nicht weiß, führt der Weg des Infragestellens.
Es ist ja nicht meine Schuld, dass Stirner in seinem Privatleben
so ein Langweiler war. Ein Romanautor kann aus einer Schnarchnase
eben keinen Tausendsassa machen. Wenn Stirners Privatleben spektakulär
gewesen wäre – neben der skandalösen Verheiratung
mit Marie Dähnhardt – dann gäbe es darüber
sicher Überlieferungen. Er ist ja beim Philosophieren nicht
einmal in einen Brunnen gefallen. Da muss man als Autor einfach
was dazu erfinden. Und wenn Marie am Ende ihres Lebens behauptet,
dass sie Stirner je weder geliebt noch geachtet habe, dann muss
er ihr schon was Schlimmes angetan haben. Jedenfalls bin ich dieser
Ansicht und habe mir in meinem Roman entsprechende Gedanken darüber
gemacht. Der historische Teil des Romans ist bewusst romantisch,
ja kitschig geschrieben, wie meine Kritiker richtig festgestellt
haben. Auch das Etikett „Trivialroman“ lasse ich mir
gefallen, das Leben ist ja meistens trivial und jeder Atemzug
wehrt den beständig eindringenden Tod ab. Dass ich mich als
Frau mehr zu Marie Dähnhardt hingezogen fühle, sollte
man mir nicht übel nehmen. Als eingefleischte Feministin
habe ich diese Figur nur ein wenig aufgeblasen, wie man eine Seifenblase
so lange aufbläst mit der festen Gewissheit, dass sie platzen
wird. Vielleicht schreibt ja demnächst mal ein Mann „den“
Stirner-Roman, der diesem herausragenden Philosophen gerecht wird.
Ich würde ihn gerne lesen. Was das vorangestellte Zitat betrifft,
so musste ich mich rechtlich absichern, da nicht alle Figuren,
die im Buch vorkommen, damit einverstanden sind zu Literatur verarbeitet
worden zu sein. Philosophen scheitern immer im normalen Leben,
das ist für mich eine Art Kompliment, denn wenn Menschen
von seltenen Geistesgaben dazu genötigt werden zu einem bloß
nützlichen Geschäft wie dem Geldverdienen, dann gleicht
das einer schönen Vase, die als Kochtopf verbraucht wird.
Im Grunde sind wir doch alle nur Schachfiguren, die durch tausend
Fäden des Wollens hin und hergerissen werden. Ich hoffe,
dass ich meine geneigten Leser nicht allzu sehr aufgeregt habe
mit meiner individualistischen Stirnerinterpretation und wünsche
ihnen, dass sie jeden Tag und jede Stunde sie selbst sein können!
Sabine Scholz
Die neuesten Rezensionen von "Die
Sonne hat keinen Eigentümer"
Schnipsel-Literaturmagazin
Buchvorstellung.de
„Titanische“
Persönlichkeiten und der gnadenlose Selbstgenuss
Sabine Scholz hat einen Roman vorgelegt, der von Max Stirner inspiriert
ist
Von Elisa Leonzio
Philosophische
Überlegungen, schwierige Liebesgeschichten und historisch-soziale
Betrachtungen: das sind die Grundthemen von Sabine Scholz´
Roman Die Sonne hat keinen Eigentümer. Die Handlung des Romans
entwickelt sich auf zwei parallelen erzählerischen Ebenen,
die chronologisch ( Deutschland in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts und das heutige Deutschland) und stilistisch
(Briefroman und Erzählung in der dritten Person) deutlich
unterschieden sind, aber dennoch durch eine gemeinsame ideologische
Grundlage verbunden sind.
Es gibt zwei Hauptfiguren: Marie Dähnhardt, die Tochter eines
Apothekers aus Gadebusch, die 1838, noch sehr jung, ihr Zuhause
verlässt, um sich nach Berlin zu begeben, wo sie den Philosophen
Max Stirner heiraten wird, und Ambra Brückner, die Tochter
eines Kleinindustriellen aus dem Westen, der nach dem Fall der
Mauer im Osten sein Glück gesucht hat, indem er sich ausgerechnet
in Gadebusch, Marie Dähnhardts Geburtsstadt, niedergelassen
hat.
Ambra findet zufällig eine Reihe von Briefen, die Marie nach
ihrer Flucht nach Berlin an ihre Cousine Fanny geschickt hatte;
Marie wird für sie zum Vorbild, so dass Ambra sich auf den
Spuren Maries nach Berlin begibt, wo sie sich mit Robert Weigert,
einem arbeitslosen Philosophen, Stirnerforscher und Gründer
eines Stirner-Archivs (eine Figur, mit der die Autorin vielleicht
auf ihren Verleger und Freund Kurt Fleming anspielt) befreundet
und sich schließlich in ihn verliebt.
Maries Briefe, die an mehreren Punkten in den Text integriert
sind, um Ambras Geschichte zu unterbrechen, erweisen sich als
Spiegel, in dem Ambra ihr eigenes Leben reflektiert sieht und
sich der Unterdrückung bewusst wird, deren Opfer sie ist.
Eine Situation, die sie vor ihrer „Begegnung“ mit
Marie nie erkannt hatte, höchstens als Vorahnung und unbestimmten
Wunsch, dass in ihrem Leben eine Veränderung geschieht (aber
welche? Eine neue Liebesbeziehung, eine neue Stadt?), als Streben
nach Flucht, das sich in Ambras Liebe zur Schriftstellerei und
dem nicht geäußerten Wunsch, Schriftstellerin zu werden,
konkretisiert.
In der Rebellion von Marie, die eine von ihrer Mutter geplante
Ehe verweigert und flieht, wobei sie allen Regeln des Bürgertums,
dem sie angehört, trotzt, findet Ambra den richtigen Anstoß,
ihrerseits ihrer Welt zu trotzen, eine Welt, die, scheint uns
Sabine Scholz zu sagen, von derselben Moral regiert wird, die
Maries und Max Stirners Zeit beherrschte: eine erstickende und
provinzielle Moral, die den Menschen in jedem seiner Versuche
nach Emanzipation lähmt. Heute wie damals sind es vor allem
die Frauen, die unterdrückt werden. Marie ist das Opfer der
heuchlerischen Anständigkeit ihres Onkels so wie Ambra das
Opfer des Frauenhasses eines neonazistischen Lehrers ist, der
die Frauen für unfähig hält, kritische Gedanken
zu hegen, und letztlich glaubt, dass sie ungeeignet für jegliche
Art von rationaler Tätigkeit sind.
Die Autorin liefert auf diese Weise dem Leser ein erbarmungsloses
Bild des heutigen Deutschlands, das ohne Unterlass die Fehler
der Vergangenheit zu wiederholen scheint; ein Land, in dem wer
anders ist, notwendigerweise (viele Figuren dieses Romans leiden
an einem starken Gefühl der Lebensunfähigkeit und manchmal
sogar an richtigen Depressionen) oder aus eigener Entscheidung
heraus (die Rebellen aus Berufung: Marie, Ambra oder Max Stirner)
dazu bestimmt ist, unglücklich zu sein oder sich selbst zu
zerstören im Namen einer bürgerlichen Vernunft, die,
indem sie das innere Leiden der Menschen mit Hilfe eines (scheinbaren)
äußerlichen Wohlstands verdeckt, glaubt das Leiden
selbst überwunden zu haben, wo es in Wahrheit durch die Unmöglichkeit
freien Ausdruck zu finden, verschärft worden ist.
Noch einige Überlegungen: Der Roman möchte an Max Stirner
erinnern, dessen 200. Geburtstag im Jahr 2006 begangen wird. Der
anarchistische und nihilistische Philosoph Stirner wird von der
gegenwärtigen deutschen Essayistik größtenteils
vernachlässigt, während sein Werk im Ausland paradoxerweise
mehr Erfolg auszuweisen hat. Deutschland ist beim Versuch, sowohl
den ökonomischen als auch vor allem den kulturellen Bruch
zwischen seinen beiden Teilen wieder zu kitten, auf der Suche
nach neuen Werten, die es ermöglichen, eine einheitliche
Identität zu konstruieren, und bei solch einer Suche hat
es Mühe, die spekulative Bedeutung eines Autors anzuerkennen,
der, wie Max Stirner, jeden abstrakten und universellen Wert eliminieren
wollte, um ihn durch die Zentralität des einzelnen Individuums
zu ersetzen. Vielleicht fühlt das heutige Deutschland das
Bedürfnis nach einer Uniformität der Werte und Ziele
und flieht deshalb vor starken und rebellischen Individuen, für
die Stirner als Modell dienen kann. Sabine Scholz schlägt
mit ihrem Werk vor, eine solche Tendenz umzukehren; dennoch scheint
im Roman selbst, als Maries Briefe dank Ambra veröffentlicht
werden, aber nicht in Deutschland, sondern in Frankreich, das
Eingeständnis vorzuherrschen, dass „titanische“
Persönlichkeiten, als die sich auf ihre Weise Marie Dähnhardt
und Max Stirner entpuppen, für Deutschland viel zu früh
aufgetreten sind, ebenso wie der „tolle Mensch“ der
Fröhlichen Wissenschaft Nietzsches, da sie als unerwünschte
Gäste angesehen werden in einem Land, das sie nicht aufnehmen
kann oder will.
In diesem Sinne ist es zumindest problematisch bei Ambra fast
von einem Happy-End zu sprechen, wie es dagegen Bernd Zachow in
den „Nürnberger Nachrichten“ vom 9. August 2005
getan hat: Es ist zwar wahr, dass Ambra am Ende des Romans ihre
eigene finanzielle und intellektuelle Unabhängigkeit zu finden
scheint, aber es muss genauso anerkannt werden, dass ihr Sieg
bitter ist, gezeichnet durch das Unverständnis in ihrer Heimat
und durch die Trauer wegen des Selbstmords eines lieben Freundes,
der zum Opfer desselben Unverständnisses wurde.
Die
Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005
ISBN 3-933287-58-8
250 S., 12.90 Euro
Rezensionsexemplare
& Bestellung: [email protected]
Der
Roman(tische) Stirner
von Jochen Knoblauch
Das
Rennen ist eröffnet: 2006 soll zum großen Stirner-Jahr
werden. Die AnhängerInnen des deutschen Philosoph Max Stirner,
mit dem so viele nichts anfangen können, begehen im nächsten
Jahr am 26.10. dessen 200. Geburtstag und bereits am 25.6. seinen
150. Todestag.
Zum diesem „Großereignis“ eröffnet nun
Sabine Scholz den Reigen der zu befürchtenden Publikationen
mit ihren Roman „Die Sonne hat keinen Eigentümer –
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag“(erschienen im
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005 / 249 S. / 12,90 Euro)
Die
Phantasien der Sabine Scholz erinnert mich ein wenig an den Filmtitel
des spanischen Dramatikers und Poeten Fernando Arrabal „Ich
möchte laufen wie ein verrücktes Pferd“ (1972).
Trotz der Krimi-Phrase auf S. 3 „Ähnlichkeit mit lebenden
oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und
nicht beabsichtigt“, soll wohl Stirner Stirner sein, und
dessen zweite Ehefrau Marie Dähnhardt (1818-1902), die mit
den fiktiven Briefen einen wichtigen Teil des Romans ausmacht
ist eben jene Marie Dähnhardt, die besagten Philosophen heiratete.
Was war also nicht beabsichtigt?
Eigentlich müsste sowieso der Untertitel dieses Buches „ein
Marie Dähnhardt-Roman“ heißen. Denn sie ist die
Auserwählte, die Heroine der Autorin, welche übertriebener
Maßen zur Freiheitskämpferin, zur Frauenrechtlerin
hochsterilisiert wird, was nun wirklich herzlich wenig mit der
Realität zu tun hat. Marie Dähnhardt, die als junge,
und recht begüterte Frau nach Berlin kam, und im Kreis der
politischen Opposition der Vormärz-Zeit, bei den „Freien“
verkehrte und sich hier ein wenig gegen die herrschenden Konventionen
der damaligen Zeit austobte, um nach zwei (unglücklichen?)
Ehe-Jahre mit Stirner für die restlichen 57 Jahre ihres Leben
sich in religiöser Ereiferung zu betätigen. Das „Rebellische“
war wirklich sehr kurz, und es reicht nicht, wie behauptet, dass
dieses Leben der Marie Dähnhardt „sie zu einer der
emanzipiertesten Frauen in Deutschland machte“ (S.70). Hier
gab es auch noch ganz andere Frauen im Kreis der „Freien“,
die wesentlich radikaler – und vielleicht auch eher emanzipiert
– waren, als Marie D., aber die bildeten eben nicht den
Knotenpunkt zur Aufgabe des Romans, nämlich ein Stirner-Roman
zu sein. Emanzipation besteht jedenfalls nicht aus ein paar Liebschaften,
die auch noch voller Romantik und falscher Eifersüchteleien
daher kommen.
Was Stirner betrifft, der eigentlich nur am Rande vorkommt („Ich
habe Stirner dosiert eingesetzt“, heißt es da im Nachwort,
S. 246, und erscheint sowieso erst ab S. 114) und dann noch in
einer Art und Weise, die eher am verquasten Gedankengebäude
eines H.G. Helms** erinnert, stellt das Buch gänzlich Krude
Thesen in den Raum, die mit einer „blühenden Phantasie“
irgendwie nicht mehr erklärbar ist: so wird Marie D. einerseits
arbeit sie am Manuskript zum „Einzigen“ mit (S.157:
„Oft sind seine Sätze so schwierig und zerstückelt,
dass ich Stunden brauche, bis ich seine Gedanken in ein einigermaßen
verständliches Deutsch bringe.“), auf der anderen Seite
entsteht Stirners „Einziger“ – als hätten
wir es alle nicht schon längst geahnt – im Alkohol-Delirium.
Stirner, „der in immer kürzeren Abständen einen
kräftigen Schluck zu nehmen pflegt [...] trinkt pro Tag ein
bis zwei Flaschen [Korn] leer.
Aber in ihren fiktiven Briefen findet dann das Großereignis,
das Erscheinen des „Einzigen“, mit keinem Wort mehr
statt.
Der Hauptplott dieses Romans ist jedoch die Geschichte dreier
junger Leute (Die Hauptaktrice Ambra, samt zweier Freunde), die
am Abendgymnasium um ihr Abitur kämpfen, wobei ein Nazi-Geschichtslehrer
mit gezielten Fragen aus Hitlers „Mein Kampf“, die
Schüler quält, und ihnen die Zensuren vermasselt.
Die junge Frau meint sich zu „emanzipiert“ in dem
sie mit drei (dahergelaufenen, bzw. gerade erreichbaren) Männer
Sex hat. Der Einzige stabile in der Gruppe bringt sich letztlich
selbst um, und der labile labilt so weiter vor sich hin wie bisher.
Und, der sich „emanzipierenden“ jungen Frau ist mit
den drei Schlusssätzen eine herrlich-schimmernde Zukunft
mit offenem Happy End ins Stammbuch geschrieben, welches schon
wieder derart abrupt daherkommt, dass die Glaubwürdigkeit
keinerlei Chance erhält: Mit der Veröffentlichung jener
„Briefe der Marie Dähnhardt“ in Frankreich gelingt
ihr der Sprung in die Bestsellerlisten, einen Teil der Einnahmen
spendet sie dem Stirner-Archiv (selbstredend), und mit dem Rest
macht sie sich ein glückliches Leben als Schriftstellerin
in Berlin. Klasse! ...und wenn sie nicht gestorben sind, dann
Leben sie noch heute.
Ich bezweifle langsam, dass ich irgendeine Ahnung von Literatur
habe, dass unter „Emanzipation“ ich eine derart andere
Vorstellung habe wie die Autorin, dass bei soviel romantischer
Verklärung menschlicher Beziehungen, das Buch einen wohl
eher „rührt“ anstatt zu „schütteln“.
Nun, zum Glück hat das Jahr 2006 noch nicht angefangen, und
die Chance doch noch einen – wie immer gearteten –
lohnenswerten Beitrag zum Stirner-Jahr zu lesen ist ja noch irgendwie
drin. Hoffentlich.
*
Hans G. Helms; Die Ideologie der anonymen Gesellschaft. Köln
1966. Hier prangt programmatisch bereits auf der Umschlagseite
die Richtung in der der Marxist Helms Stirner zu interpretieren
versucht: „Stirner proklamierte den ‚Einzigen und
sein Eigentum’ genau hundert Jahre, bevor Goebbels die Einzigartigen
befragt: „Wollt Ihr den totalen Krieg?““
Helms, der ein sehr gestörtes Verhältnis zu Stirner
hat, reagiert sehr ambivalent: auf der einen Seite denunziert
er ihn als Kleinbürger, der dem Faschismus den Weg ebnet,
und auf der anderen Seite liefert er in seinem Buch eine knapp
hundertseitige (!) Bibliographie, die derartig pedantisch ist,
wie sie wohl kaum von einem Stirnerianer zustande gebracht worden
wäre. Letztlich aber hat Helms mit seinem unsäglichen
Buch dazu beigetragen, dass Stirner wieder aufgelegt und gelesen
worden ist. Danke.
Raimund
Samson
„Die Sonne hat keinen Eigentümer“ von Sabine
Scholz
In:
espero, 12. Jahrgang, Nr. 45, Oktober 2005
Im „Max-Stirner-Archiv Leipzig“ erschien ein knapp
250 Seiten umfassender „Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag“
(Untertitel). Stirner, * 25.10.1806, „Links-Hegelianer“
und u. a. von Ludwig Feuerbach stark beeinflusst, veröffentlichte
1845 sein legendäres, bis heute umstrit-tenes Hauptwerk „Der
Einzige und sein Eigentum“. Er gilt mit dem Buch, das konsequent
und auf höchstem gedanklichen Niveau einen radikalen Individualismus
vertritt, als Begründer des „Individual-Anarchismus“.
Von Stirner (Pseudonym für Kaspar Schmidt), der 1856 in Berlin
starb, gibt es kein Foto und nur eine flüchtige Zeichnung,
über sein Leben ist wenig bekannt. Ein Buch zu schreiben,
das dem Mann gerecht wird, ist also mit einigen Schwierigkeiten
verbunden. Leider thematisiert die Autorin dieses Problem nicht,
sondern kolportiert äußerst polemisch auf dem Niveau
eines frei fabulierenden Feminismus. Sie behauptet im Nachwort
„Das einzig Interessante an Stirners Leben war seine gescheiterte
Ehe mit Marie Dähnhardt“. Woher weiß Sabine Scholz
dies? Kommt sie zu dem Schluß, weil es keine Tagebuchaufzeichnungen
oder andere private Notizen Stirners gibt?
Eine der Hauptfiguren des Romans ist Ambra, eine junge Frau, die
„nach Berlin kam, um Schriftstellerin zu werden“ (S.
5). Bei einem Freund findet sie ein Bündel vergilbter Briefe,
die von Marie Dähnhardt stammen. Diese Frau lebte tatsächlich,
war ein paar Jahre mit Stirner verheiratet – ihr widmete
der Philosoph einst sein berühmtes Buch. Nur: Über diese
Frau ist noch weniger bekannt als über Stirner. Die Briefe
sind die Erfindung der Autorin und sie benutzt sie, um die Frau,
angeblich eine „der ersten emanzipierten Frauen in Deutschland“
(S. 236) in einem denkbar sympathischen Licht zu zeigen; nach
meinem Geschmack äußerst sentimental und kitschig.
So etwas passiert, wenn eine ins Schwärmen kommt. Es mangelt
Frau Scholz nicht an Phantasie, und so nutzt sie die von ihr erfundenen
Briefe, um ein bekanntes Klischee zu bedienen: Die Frau als Opfer
des schriftstellernden Mannes. Die Autorin verbreitet nicht nur
das Gerücht, Stirner sei als Mann ein Langeweiler und Versager
gewesen, sondern behauptet auch, seine Ehefrau habe ihr gesamtes
Vermögen aufgebraucht, um eine Milchwirtschaft aufzubauen.
Die Sache ging fürchterlich schief, aber angeblich war die
Dähnhardt clever genug, um ihren Mann mit einem jungen Kerl
zu betrügen. Wie schlimm manche Schriftsteller sind, versucht
sie auch am Beispiel Max Frisch und Ingeborg Bachmann aufzuzeigen.
„Max Frisch, ihr Lebenspartner, hatte ihre Kreativität
durch seine Egozentrik zerstört. Seine Romane waren ihm wichtiger
als ihre. Die Bachmann starb verschiedene Todesarten, d.h. die
Männer vernichteten ihr Ich… (S. 58). 28 Seiten später
–zuvor wurde mit ein paar Sätzen die Geschichte der
Sylvia Plath abgehandelt: „Ihr Mann hat sie systematisch
zerstört …“ (S. 77)- setzt sie den Invektiven
gegen Frisch noch eins drauf: „Dieser Schriftsteller hatte
ein Verhältnis mit seiner Tochter gehabt“. Leider findet
sich kein Beweis, nicht mal eine Quellenangabe für diese
Behauptung. Spätestens hier wird das Niveau von Deutschlands
bekanntester Tageszeitung erreicht.
„Die Sonne hat keinen Eigentümer“ ist ein Trivial-Roman,
in dem auf abenteuerlichste Weise Dichtung und Wahrheit, Erfindung
und Denunziation, Schwarz-Weiß-Muster und romantisierende
Zustandsbeschreibungen durcheinanderwirbeln. Und das ausgerechnet
anlässlich eines Mannes, der einst ein wichtiges erkenntnistheoretisches
Werk schrieben. Seltsam berührt mich die dem Buch vorangestellte
Floskel „Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen
Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt“,
denn im Nachwort lese ich von derselben Autorin: „Diese
überaus fruchtbare Freundschaft mit Kurt W. Fleming (dem
Inhaber des Verlages, in dem das Buch erschien – Erg. des
Rezensenten) und viele andere Hinweise auf real existierende Personen
haben Eingang gefunden in den Roman…“ Was denn nun?
Hier widerspricht Frau Scholz m.E. diametral ihrer eigenen an
den Anfang gestellten These. Auch folgende Behauptung kann ich
nicht nachvollziehen: „Inspiriert vom Leben Max Stirners
erzählt dieser Roman auf heitere Weise von gescheiterten
Philosophen…“ (S. 245). Ich finde den Roman nicht
heiter erzählt, sondern frei zusammenfabuliert und durchsetzt
von teilweise bösartigen Unterstellungen. Ich sehe in Stirner
auch nicht einen „gescheiterten Philosophen“ –
und ob andere Philosophen, die in dem Werk vorkommen (z.B. Herr
Fleming, unter anderem Namen), als „gescheitert“ zu
betrachten sind, mag ich nicht beurteilen. Nach welchen Kriterien
wäre dies überhaupt möglich? Auch der Selbsteinschätzung
der Autorin, mit dem Roman „ein sensibles Porträt von
Max Stirner und seiner Ehefrau…“ zu liefern, mag ich
nicht zustimmen.
Fazit: Hätte die Autorin nicht bloß „14 Jahre
an dem Roman geschrieben“ (S. 245), sondern noch ein paar
Wochen oder Monate drangehängt, wären ihr vielleicht
einige krasse Wider-sprüche bzw. Fehleinschätzungen
aufgefallen, aber auch das „X“ zuviel in „Papst
Pius XXII“ (S.78), der „nichts gegen Hitler unternommen
hatte“. Oder ein stilistischer Fauxpas wie „die Musik
brodelte wie Metall.“ (S. 46)
Verlag Max-Stirner-Archiv, Kurt W. Fleming,
Nonnenstr.
32, 04229 Leipzig isbn 3-933287-58-8 12 € 90
Sabine
Scholz auf Lesereise in Leipzig und Gadebusch
mehr
Informationen
Marie Dähnhardt und Gadebusch
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