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Roman
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Die
Sonne hat keinen Eigentümer
Ein Roman zu
Max Stirners 200. Geburtstag
von Sabine
Scholz
"ein
neues Bild des großen Nihilisten und Anarchisten"
(Kreuzer. Das Leipziger Stadtmagazin)
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Foto: Roberto Tarallo
Die
Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005
ISBN 3-933287-58-8
250 S., 12.90 Euro
Rezensionsexemplare & Bestellung: [email protected]
Pressereaktionen
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Gescheiterte
Philosophen und andere Familienkatastrophen
Roman zum 200. Geburtstag des Philosophen Max Stirner
Max Stirner, erbarmungsloser Religionskritiker und Nihilist, wird
von den meisten Philosophiegeschichten des 19. Jahrhunderts unter
den Tisch gekehrt. Warum eigentlich? Schließlich hat es auch der
Philosoph Friedrich Nietzsche als Nihilist auf den Olymp der
unangefochtenen Klassiker geschafft...
Mit „Die Sonne hat keinen Eigentümer“ versucht Sabine Scholz,
Max Stirner aus der unverdienten Versenkung zu holen. Auf heitere
Weise erzählt sie von gescheiterten Philosophen und eigenwilligen
Liebesgeschichten zwischen 1838 und heute. Eine besondere Rolle
kommt dabei Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt zu: nahm sich doch
die Apothekerstocher aus Gadebusch damals schon die Freiheit, ein
den Männern ebenbürtiges Leben zu führen. Scholz verwebt in
ihrem Roman historische Quellen mit einem modernen Handlungsstrang
zu einem zeitgemäßen Porträt Max Stirners und seiner Frau.
Zum Inhalt
Der Max Stirner-Forscher Robert Weigert lebt als arbeitsloser
Philosoph in Berlin. Seinen Lebensunterhalt verdient er als
Filmvorführer in einem drittklassigen Kreuzberger Programmkino.
Ambra Brückner aus Gadebusch stößt eines Tages auf ein Bündel
verstaubter Briefe aus der Feder von Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt.
Fasziniert von deren rebellischer Persönlichkeit, versucht sie
mehr über ihr Leben herauszufinden und trifft dabei natürlich
auf Robert, in den sie sich verliebt...
Zur Autorin
Sabine Scholz (Jahrg. 1962), lebt als Lektorin für Deutsch in
Turin, Italien. Seit 1982 schriftstellerisch tätig: Tagebücher,
Kurzgeschichten, Erzählungen und Essays; zuletzt
"Studienzeit mit Pannen. Geschichten" (Leipzig 2001:
Verlag Max-Stirner-Archiv).
Rezensionen
Kreuzer.
Das Leipziger Stadtmagazin, August 2005
”Zum 200.
Geburtstag Max Stirners hat Sabine Scholz einen Roman geschrieben
und holt damit den Philosophen aus unverdienter Versenkung. In
"Die Sonne hat keinen Eigentümer" trifft der
Stirner-Forscher Robert Weigert auf Ambra Brückner, die Briefe
von Stirners Ehefrau wieder entdeckt hat. Scholz verwebt die
Liebesgeschichte in der Gegenwart mit historischen Quellen zu
einem neuen Bild des großen Nihilisten und Anarchisten.
Wunderbare Idee!”
Nürnberger
Nachrichten, 9. 8. 2005
Gedankenvoller Sonderling. Sabine Scholz hat einen Roman
über Max Stirner verfasst
Von Bernd Zachow
“ objektiv
betrachtet verlief das Leben des tatenarmen und gedankenvollen
Sonderlings fast ohne äußere Höhepunkte. Die in jeder Hinsicht
aufregendste Zeit hatte er wohl während seiner Ehe mit Marie Dähnhardt,
einer eigenwilligen, selbstbewussten Bürgertochter aus einer
mecklenburger Kleinstadt bei Schwerin. Ein Bündel verstaubter
Briefe, in denen Marie einer Kusine das Fiasko ihrer Verbindung
mit Stirner in allen grotesken und deprimierenden Einzelheiten
schildert, bildet denn auch den Ausgangspunkt der von Sabine
Scholz erfundenen Geschichte. Um diesen sorgfältig recherchierten
historischen Kern herum arrangiert die Autorin eine
Rahmenhandlung, die belegt, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse
im heutigen Deutschland denen im 19. Jahrhundert nach wie vor sehr
ähnlich sind. Was wiederum folgerichtig erscheinen lässt, wenn
gerade hier zu Lande manche jungen Leute auch heute noch ganz und
gar dem Typ des Stirnerschen „Empörers“ entsprechen.”
Leipziger
Volkszeitung, 2.8.2005
Flapsige Lesarten
Von
Janna Kagerer
“Die
in Italien lebende Philologin, Lehrerin und Autorin Sabine Scholz
stellte ihren Roman über das Leben und Wirken des Philosophen Max
Stirner vor. In ihrer Schulzeit schrieb ihr die Deutschlehrerin
den Spruch "Ich will, was ich soll" ins Poesiealbum. Vor
16 Jahren entdeckte sie Stirner und seine Lehre vom positiven
Egoismus und erkannte mit ihm, dass das Gegenteil des Spruches
mehr ihrer Wahrheit entspricht.
Sie wurde, als einzige Frau, Mitglied der
Max-Stirner-Gesellschaft. Für sie ist Stirner "eine Art
Psychotherapeut" und ein viel zu wenig beachteter Denker.
Doch auch dessen Frau Marie Dähnhardt interessiert sie. Scholz'
Beschreibung der skandalösen "Hochzeit", wie sie
stattgefunden haben könnte, zeugt von einem klaren Stil mit
Unterhaltungswert. Die sogenannte Eheschließung verläuft wenig
feierlich und gar nicht romantisch und endet mit Stirners
Bemerkung: "Jetzt bist du eine Philosophenfrau und alles, was
ich dir geben kann, sind klare Beweisführungen."
Hintergrundinformationen
über den Stirner-Roman „Die Sonne hat keinen Eigentümer“
Der
Philosoph Max Stirner (Pseudonym für Johann Caspar Schmidt,
* 25. Oktober 1806 in Bayreuth; † 25. Juni 1856 in Berlin) ist
vergessen worden. In den meisten Philosophiegeschichten des
19. Jahrhunderts wird sein Name nicht einmal erwähnt. Warum
hat man beschlossen, diesen wichtigen Denker zu ignorieren,
dessen Geburtstag sich am 25. Oktober 2006 zum 200. Mal jährt?
Eine Antwort ist vielleicht, dass er für viele unbequem
ist, ein erbarmungsloser Religionskritiker, ein Nihilist, ja
sogar ein Anarchist. Davor fürchtet man sich.
Doch ist sein Werk deswegen wertlos? Ist z.B. nicht auch Nietzsche
ein Nihilist und wird er nicht trotzdem als einer der wichtigsten
Denker angesehen?
Warum hat gerade Stirner so viel Unwillen erregt, dass man seinen
Namen aus der Philosophiegeschichte getilgt hat, wãhrend
Nietzsche unangefochten als Klassiker gilt? Stirners Lehre kann
man folgendermaßen zusammenfassen: Er weist den Idealismus
zurück und kritisiert die Idealisierung der Menschheit,
der ewigen, unsterblichen Menschheit, zu deren Ehre sich der
Einzelne opfern soll. In der Stirnerschen Ontologie (Lehre vom
Sein) gibt es keine Allgemeinbegriffe, sondern nur individuelle
Substanzen und individuelle Akzidenzien (Eigenschaften). Außerdem
setzt Stirner Eigenschaft und Eigentum gleich, d.h. jede Eigenschaft
ist Eigentum des Trägers. Dabei ist zu beachten, dass nicht
Dinge mein Eigentum sind, sondern meine Gewalt über die
Dinge bewirkt, dass ich ihr Eigentümer bin. Warum setzt
Stirner zwei Begriffe gleich, die im Deutschen sonst unterschieden
werden? Mit dem Begriff „Eigentum“ will Stirner ausdrücken,
dass es bei uns liegt, welche Eigenschaften wir besitzen. Wir
sind unser eigener Herr und niemandem sonst unterworfen. Für
Schopenhauer z.B. ist ein Ding nur dann mein Eigentum, wenn
ich es bearbeitet habe. Er denkt dabei an den Landerwerb. Stirner
liegt dieser Gedanke fern. Eigentum ist das, worüber ich
Gewalt habe. Im Englischen und Lateinischen ist property bzw.
proprietas doppeldeutig: es bedeutet sowohl Eigentum als auch
Eigenschaft! Bei Stirner wird eine „äußere“ Kategorie,
wie sie Eigentum üblicherweise darstellt, „verinnerlicht“
zur Eigenschaft des Ich. Die Welt ist nicht Erscheinung wie
bei Kant, sondern Eigentum des Ich. Real ist nur das, was eine
Beziehung zum allmächtigen Ich hat.
Stirner grenzt sich gegen die Religion und den Liberalismus
ab nach der Maxime: Man ist niemandem etwas schuldig! Für
die Christen und die Liberalen ist der Mensch reiner Geist,
was Stirner als „Gespensterglauben“ abtut. Er übt Kritik
am absoluten Ich. Für Stirner zählt nur das endliche
Ich, das an einen sterblichen Körper gebunden ist, der
sich ständig verändert. Es gibt nichts „Festes“ und
wenn, dann ist es Fiktion, um alles Lebendige zu unterdrücken,
zu fixieren.
Oberstes egoistisches Prinzip ist der Genuss, die Lust des Egoisten.
Dabei bilden die Leidenschaften eine Hierarchie: Die stärkere
besiegt die schwächeren, d.h. die stärkere Leidenschaft
bestimmt, was der Genuss des Egoisten ist. Nach Stirner wäre
es denkbar, dass das Ausleben der Hassgefühle als Lust
des Ichs aufgefasst wird, wenn es die anderen Gefühle wie
z.B. Mitleid übertönt, was ja auch lustvoll sein könnte
für einen bestimmten Menschen, der über starke Mitleidsgefühle
verfügt. Für Stirner scheint die Zeit keine wesentliche
Kategorie zu sein. Der Egoist lebt im Jetzt.
Zentral ist die Moralkritik in Stirners Philosophie. Liebe ist
z.B. kein Gebot, sondern Eigentum des Ichs. Konsequenterweise
gibt Stirner zu, dass man die Liebe „kaufen“ kann. Liebe hat
einen Tauschwert. Er differenziert zwischen aufgezwungenen Gefühlen
und Gefühlen, die aus uns selbst kommen, und nimmt Partei
für die spontanen Gefühle. Bei der oktroyierten Ehrfurcht
z.B. wird uns die Möglichkeit genommen, das Gefürchtete
abzuwenden.
Stirners Hauptwerk „Der Einzige und sein Eigentum“ (1844) kann
auf verschiedenene Weise interpretiert werden. Einmal als ein
Text, der die politisch-soziale Debatte um 1850 historisch kommentiert,
da der Autor selbst der linken politischen Opposition angehörte.
Dann als philosophisches Traktat, in dem Stirner als einzige
Realität nur die Einzeldinge anerkennt. Begriffe und Ideen
besitzen keine Wirklichkeit; die Freiheit, die Menschheit, die
Wahrheit sind nur „Gespenster“. Eine dritte, modernere Interpretation
ist diejenige, Stirners „Einzigen“ als einen therapeutischen
Text zu lesen. Ein Buch, das uns hilft, uns selbst zu finden
und ehrlichere Beziehungen aufzubauen, jeden Moment des Lebens
intensiv auszukosten, unsere eigene Persönlichkeit in Kreativität
zu entwickeln.
Durch meinen Roman „Die Sonne hat keinen Eigentümer“ habe
ich versucht Max Stirner aus der unverdienten Versenkung zu
holen.
Inspiriert vom Leben Max Stirners erzählt dieser Roman
auf heitere Weise von gescheiterten Philosophen, eigenwilligen
Liebesgeschichten, von Freiheit und Familienkatastrophen zwischen
1838 und heute.
Der Stirner-Forscher Robert Weigert lebt als arbeitsloser Philosoph
in Berlin und verdient seinen Lebensunterhalt als Filmvorführer
in einem drittklassigen Kreuzberger Programmkino. Ambra Brückner
möchte das Abitur an einem Gadebuscher Abendgymnasium nachholen
und stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter
Briefe aus der Feder von Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt,
woraufhin sich Ambras und Roberts Lebenswege kreuzen.
In diesem Roman entsteht aus dem Neben- und Ineinander von Biographie
und philosophischen Erörterungen ein sensibles Porträt
von Max Stirner und seiner Ehefrau Marie Dähnhardt.
Ich habe 14 Jahre an dem Roman geschrieben, ihn immer wieder
umgearbeitet und neue Teile integriert. Es ist eine Liebeserklärung
an einen Mann, den ich vor 16 Jahren kennen lernte und der ein
begeisterter Stirner-Anhänger war. Durch ihn habe ich Stirner
schätzen gelernt und angefangen, Material über ihn
zu sammeln, was schließlich in meiner Webseite Stirner-Forum
Ausdruck gefunden hat. Leider haben wir uns vor einigen Jahren
getrennt, aber Stirner ist mir zum Glück geblieben, weshalb
sich vielleicht meine amour fou für diesen philosophischen
Querdenker erklärt. Doch durch Stirner habe ich auch neue,
interessante Kontakte knüpfen können, z.B. mit dem
berühmt-berüchtigten Leiter des Max-Stirner-Archivs
in Leipzig, Kurt W. Fleming, für dessen Stirner-Archiv
ich seit Jahren ehrenamtlich arbeite. Zusammen haben wir die
Zeitungsartikel, die Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt verfasst
hat, ausfindig machen können. Sie sind unter dem Titel
„Vertrauliche Briefe aus England“ im Feuilleton der Berliner
Zeitungs-Halle, März bis November 1847, erschienen und
jetzt auf meiner Homepage „Stirner-Forum“ nachzulesen. Diese
überaus fruchtbare Freundschaft mit Kurt W. Fleming und
viele andere Hinweise auf real existierende Personen haben Eingang
gefunden in den Roman, weswegen man ihn auch als Schlüsselroman
lesen kann.
Ein Gadebuscher Schüler hat versucht Licht zu bringen in
die Gadebuscher Zeit von Marie Dähnhardt und darüber
eine Facharbeit geschrieben. Das Resultat seiner Forschungen
ist in den Roman integriert worden.
Ich habe Stirner dosiert eingesetzt. Der Leser soll ihn selbst
für sich entdecken, ich möchte nichts vorwegnehmen.
Das einzig Interessante an Stirners Leben war seine gescheiterte
Ehe mit Marie Dähnhardt. Stirners Ehefrau eignet sich wesentlich
besser zur literarischen Figur als Stirner selbst: cherchez
la femme! Wenn man begreift, wer Marie war, dann begreift man
auch, wer Stirner war.
Man könnte Marie Dähnhardt als eine der ersten deutschen
Frauenrechtlerinnen bezeichnen, auch wenn die organisierte Form
der Frauenbewegung erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstand
durch die Gründung des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins"
(ADF). Marie lebte all das, wofür sich die Frauenbewegung
später eingesetzt hat: Sie war eine mündige und selbständige
Frau, was sich daran zeigte, dass sie schon 20jähig vom
Emanzipationsdrang jener Tage ergriffen wurde und, gegen den
Willen ihrer Familie, Gadebusch verließ, um in Berlin
ein unabhäniges Leben zu führen. Sie verkehrte im
Kreis der „Freien“, einem Debattierzirkel bedeutender liberaler
und sozialistischer Geisteswissenschaftler, Schriftsteller und
Journalisten. Auf diese Weise verwirklichte sie ihr Recht auf
Bildung, von dem die Frauen offiziell noch ausgeschlossen waren.
Übrigens trug sie gerne Männerkleidung wie die französische
Schriftstellerin George Sand, rauchte Zigarren und trieb sich
mit den Männern in Bordellen herum. Ein Universitätsstudium
konnte sie leider noch nicht in Angriff nehmen, weil Frauen
davon noch bis 1900 ausgeschlossen waren. Um sich ihr Recht
zu verschaffen, schreckte sie auch vor spektakulären Aktionsformen
nicht zurück. Maries skandalumwitterte Verheiratung mit
dem Philsosophen Max Stirner zog damals sogar eine Denunziation
beim König nach sich und würde heute sicherlich sämtliche
Titelseiten der Regenbogenpresse zieren. Die Stirners ließen
nämlich eine Heimtrauung vornehmen, wozu sie den Pastor
und die Freunde aus Hippels Weinstube zu sich nach Hause gebeten
hatten. Doch hatten sie nicht im Traum an die Trauringe gedacht,
an dieses Requisit einer bürgerlichen Ehe. Da wusste ein
Freund Rat. Er zog zwei Messingringe von der Gardine und der
Pastor weihte nun diesen Ersatz, was von bösen Zungen schon
als Hinweis auf die häufigen Gardinenpredigten gedeutet
wurde, die Marie in Zukunft von ihrem Gatten zu hören bekam,
da sie es mit ihrer ehelichen Treue nicht allzu ernst nahm.
Das Recht auf Erwerbsarbeit erkämpfte sich Marie durch
die Eröffnung eines Milchhandels in Berlin, der leider
viel zu früh im Bankrott endete, da sie keinerlei geschäftliche
Erfahrungen hatte. Doch das entmutigte Marie nicht. Sie verließ
ihren Ehemann, und ging nach England, wo sie ihren Lebensunterhalt
als Lehrerin verdiente und für die Julius'sche "Zeitungshalle"
in Berlin eine Reihe von Zeitungsartikeln schrieb, die von März
bis November 1847 veröffentlicht wurden. Später emigrierte
sie nach Australien, schlug sich als Waschfrau durch und heiratete
einen gewöhnlichen Arbeiter. Im Alter kehrte sie nach London
zurück, wo sie Stirners Biograph, John Henry Mackay, vergeblich
darum bat, ihm ein Interview zu geben. Wie sie dazu käme,
fragte sie durch ihren Vermittler, “zur Zeugin für das
Leben eines Mannes aufgerufen zu werden, den sie je weder geliebt
noch geachtet habe?” Aber ganz ernst meinte sie das wohl nicht,
denn sonst bliebe unerklärlich, wieso sie noch lange nach
der Trennung von Stirner, der übrigens mit bürgerlichem
Namen Johann Caspar Schmidt hieß, mit dessen nicht vorhandenem
Doktortitel kokettierte. Marie wurde jedenfalls von ihrer Schwester
Anna im Testament (verfasst anno 1844) nur als die "Frau
Doktorin Schmidt" bezeichnet, hatte also selbst im Familienkreis
die Mär vom "Doktor Schmidt" recht erfolgreich
in Umlauf gebracht. Und noch wenige Jahre vor ihrem Tode war
sie in Gadebusch als "Frau Doktorin Schmidt" amtsbekannt.
An Stirner war das Sympathischste, dass er diese Frau geheiratet
hat. Deswegen ist ein großer Teil des Romans ihren Erinnerungen
gewidmet, die in Briefform dargestellt sind. Um diesen historischen
Teil herum ist eine Geschichte gesponnen, die heute spielt und
natürlich mit Stirner zu tun hat. Es sind die Erlebnisse
von drei Gadebuscher Abendschülern – Ambra, Django und
Rainer – die Freunde werden, gemeinsam haarsträubende Erlebnisse
haben, der großen Liebe begegnen und deswegen, blind für
Djangos Tragödie, leider zu spät erkennen, dass die
Freundschaft der einzig wahre Wert im Leben ist. Django stellt
dabei die Verbindung zu Marie Dähnhardt her, da diese ebenfalls
aus Gadebusch stammte und es sich bei der Adressatin ihrer Briefe
um seine Ururgroßmutter handelte.
Ambra stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter
Briefe, die aus der Feder Marie Dähnhardts stammen, und
versucht, fasziniert von der rebellischen Persönlichkeit
der Autorin, mehr über ihr Leben herauszufinden. Dabei
lernt sie den Stirnerforscher Robert Weigert kennen und verliebt
sich in ihn…
Turin,
im Mai 2005
Sabine Scholz
Marie
Dähnhardt und Gadebusch
Ein
gadebuscher Gymnasiast recherchiert über die Romanheldin
Veröffentlichungen
Sabine
Scholz (Hrsg.), Internetprojekt Stirner-Forum: Resümee eines
Jahres; Begegnungen zwischen Literatur & Philosophie, Verlag
Max-Stirner-Archiv Leipzig, 2001
Sabine
Scholz, Studienzeit mit Pannen. Geschichten, Verlag Max-Stirner-Archiv
Leipzig, 2001
Sabine
Scholz, Eine Signorina für den Professore, in: Literatur in
Bayern, Ausgabe Nr. 68, Juni 2002, Hrsg. Prof. Dr. Dietz-Rüdiger
Moser, Institut für Bayerische Kulturgeschichte der LMU, S.
15-16
Sabine
Scholz, I got a bad desire, in: Fühl mich! Erotische Fantasien
im Rhythmus der Nacht, Hrsg. von Nora Dechant, Droemer/Knaur, 2004
Über
die Autorin
SONIC
SITES: Sabine Scholz gelingt es in ihren Geschichten mit
dialektischem Blickwinkel Alltägliches deutlich bis in den
letzten Winkel auszuleuchten. "Studienzeit mit Pannen"
zeigt, dass das Leben keine Wissenschaft ist, und dass dort, wo
verschiedene Wege aufeinander stoßen, sich sehr wohl "Kopf
und Bauch" ins Gehege kommen können. Auf diese Weise gewinnt
sie der impertinenten Seite des Lebens ihren ganz eigenen Humor
ab.
Karl-Heinz
Schreiber über "Studienzeit mit Pannen" KULT (16/02)
AMÜSANT LIBIDINÖS PHILOSOPHISCH
Das
eigentlich Spannende ist womöglich, wie sich die Lektüre
der Protagonistin von Kants ´Kritik der reinen Vernunft´
an der banalen Realität reibt & spiegelt. Die Libido galoppiert
ein wenig, es werden kritische Anmerkungen zu diversen Konventionen
getätigt. Zwischen den großen philosophischen Problemstellungen
& der nervstrapazierenden Alltäglichkeit stellt sich dann
die Frage: - Wie sollte ich die großen Probleme lösen,
wenn ich nicht einmal ein kleines privates Glück besaß,
wo alles nach meinen Wünschen lief, wo ich Ruhe und Kraft für
die großen Aufgaben finden konnte? Es geht also um das Studium
des Lebens & der Philosophie & der Beziehungsvarianten.
Ein durchaus amüsant geschriebenes Buch für Leute, die
mit ihrer Emotion & mit ihrem Intellekt gleichermaßen
selbstironisch umgehen können.
Werner
Friebel (SCHNIPSEL) über "Studienzeit mit Pannen"
Februar 2002
Den
Verfall und Neubeginn von Beziehungen schildert Sabine Scholz aber
in durchaus ambivalenter Selbstreflexion, die den emanzipatorischen
Erzählduktus angenehm einfärbt. Detailreich und witzig
plaudert sie auch über Alltagsumstände von Studium, Wohnung,
Gelderwerb und Psychoanalyse, wodurch die kleinen Geschichten an
Struktur und glaubwürdigem Handlungsrahmen gewinnen. Wieviel
autobiographisch und wieviel fiction ist, steht dabei nicht zur
Debatte. Das Lesevergnügen reizt Hirn, Herz und Lachmuskeln
- ein mehr als gelungenes Debut der jungen, in Turin lebenden Autorin.
Leseprobe
Ambra
Brückner hatte zwar Fotos von Robert Weigert gesehen, war sich aber
nicht sicher, ob sie ihn sofort erkennen würde. Doch sie identifizierte
ihn sofort, wie er da am Bahnsteig auf sie wartete. Sie wussten
nicht, wie sie sich begrüßen sollten: die Hand schütteln, wäre doch
zu förmlich, aber sich gleich umarmen, kannten sie sich dafür eigentlich
nicht zu wenig? Nein, sie kannten sich genug für eine herzliche,
kurze Umarmung. Weigert wollte ihre Tasche tragen, Ambra ging neben
ihm her und konnte nichts mit ihren Händen anfangen. Weigert sah
aus wie Weigert, d.h. wie sie ihn sich im Laufe der Zeit vorgestellt
hatte.
Vom
Bahnhof fuhren sie zuerst auf den Alexanderplatz, um ein paar Schritte
zu Fuß zu gehen und etwas zu essen. Der Alex war um diese Zeit fast
leer. Die Leute schienen alle noch zu arbeiten,
hin und wieder kam ein Touristengrüppchen vorbei. Es war
windig und die Sonne war hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden.
Ein Mann in kurzer Hose und im Unterhemd rannte wie ein Geistesgestörter
herum und schrie: „Ich kann sie nicht mehr sehen! Sie kommen hier
her und fressen...!“ Ambra sah schuldbewusst auf ihre Currywurst,
doch dann musste sie lachen und hakte sich bei Weigert unter. In
Ostberlin fühlte sie sich wie in die 50er Jahre zurückversetzt.
Dann kam ein Platzregen und sie flüchteten unter einen Mauervorsprung.
Als es aufgehört hatte zu regnen, begaben sie sich zu Weigerts Wohnung.
Vier endlose Treppen musste man hoch steigen. Oben schnappte Ambra
nach Luft, und Weigert lächelte sie an. Ob seine Wohnung eine richtige
„Philosophen-Wohnung“ war, wusste sie nicht. Dafür kannte sie zu
wenig Philosophen. Aber dass es eine gemütliche, einladende Wohnung
war, sah sie sofort. Während ihr Weigert sein Stirner-Archiv vorführte,
versuchte sie sich vorzustellen, wie es wäre, ihn zu küssen. Wie
küssen eigentlich Philosophen? Doch dann begriff sie allmählich,
dass Philosophen nie von sich aus die Initiative ergriffen. Sie
warteten erst mal ab.
„Wie
bist du eigentlich zu Max Stirner gekommen?“ fragte Ambra und nahm
ein leeres Blatt Papier und einen Stift, um Notizen zu machen, falls
Robert einige unsterbliche Worte aussprechen würde. Weigert schien
darüber überhaupt nicht erstaunt zu sein.
„Ich
hatte einen Dozenten, der an seiner Habilschrift ´Marx und die Folgen`
schrieb. Er wollte
uns immer von seiner hohen wissenschaftlichen Qualifikation überzeugen,
indem er betonte, dass er an der Forschungsfront tätig wäre, während
seine Kollegen immer noch in der Antike herumkrebsten. Er hätte
schnell begriffen, dass die Philosophie gerade in politisch so brisanten
Zeiten wie heute zuschlagen müsste mit ihren Thesen und beweisen
müsste, dass sie wieder zeitgemäß wäre. Hinter seiner platten Stirn
hegte er einen Gedanken und der war: Marx wäre bisher immer missverstanden
worden – die Welt bräuchte einen Hermeneutiker wie ihn, um endlich
in ein Paradies für alle verwandelt zu werden. Klar, dass dieser
Angeber sofort meine ganzen kontroversen Energien mobilisiert hatte.
Ich wollte in meinem Referat allen seinen Thesen widersprechen und
suchte zu diesem Zweck nach einem Marx-Kritiker, der in die politische
Epoche fiel, über die wir arbeiteten.
So stieß ich auf Max Stirner. Ich verschlang sein Hauptwerk
„Der Einzige und sein Eigentum“ und fühlte mich ihm nahe.“ sagte
Weigert.
„Aber er lebte doch in einer ganz anderen Zeit als du.“ sagte Ambra.
Obwohl
der Tag sehr anstrengend gewesen war, fühlte sie sich überhaupt
nicht müde. Magie lag in der Luft in Robert Weigerts chaotischer,
kleiner Wohnung im vierten Stock.
„Ich
wollte damals frei sein von Ideen, Idealen, Moralvorstellungen und
der falschen Hoffnung auf ein sinnerfülltes Leben.“
„Was ist denn falsch an der Vorstellung von einem sinnerfüllten
Leben?“
„Stirner warnte berechtigterweise vor den Halbheiten, mit denen
wir uns im Namen der Selbstverwirklichung zufrieden geben, da wir
das Ganze nicht einmal im Traume zu fordern wagen. Ich war wie Stirner:
Ich wollte alles und zwar sofort!“
„Und hast du es bekommen?“ fragte Ambra.
„Nein. Ich wollte mich nicht so offensichtlich anbiedern bei den
Professoren wie meine Kommilitonen, um gute Zensuren zu bekommen.
Jetzt sitzen sie in ihrem Eigenheim und sind stolz auf das, was
sie erreicht haben in ihrem Leben. Dafür haben sie gern einen hohen
Preis gezahlt. Ich habe mich nicht angebiedert und mein Examen dementsprechend
schlecht abgeschlossen. Eine Karriere als Professor kann ich mir
abschminken. Meine Macht steckt nicht im Geldbeutel. Das ist mir
zuwider. Unheimliches ist immer auch Uneigenes. Ihr Verhalten war
mir mehr als unheimlich.“ sagte Weigert und goss beiden das fünfte
Glas Metaxa ein, was Ambra so angenehm den Kopf benebelte, dass
sie ihm hätte ewig zuhören können. Mit Robert war es so entspannend
die Zeit vergehen zu spüren. Stunde um Stunde. Es war, als würde
er ihr zum ersten Mal die Welt eröffnen und vor ihr ausbreiten und
sie müsste sich nur bedienen und zugreifen. Sie konnte plötzlich
die Philosophie atmen und fühlen.
„Das klingt, als hätte Stirner dich zur Resignation gebracht.“ meinte
Ambra und hatte den Eindruck Weigert schon eine Ewigkeit zu kennen,
einen Mann, den ihr das Schicksal auferlegt zu haben schien.
Es war für sie keine überflüssige Begegnung mehr.
„Nein, das bestimmt nicht. Stirners Charakteristik derjenigen, die
vom Gespensterglauben des Geistes befallen sind, traf bis zu diesem
Zeitpunkt leider auch auf mich zu. Ich hatte bis dahin irrsinnigen
Respekt vor der Logik, dem vermeintlichen Wissen. Ich selbst mit
meinen Mängeln kam gar nicht mehr vor. Meine Gefühle, meine Wünsche,
meine Sehnsüchte waren schon lange nicht mehr mein Eigentum. Ich
war fremdbestimmt durch das, was meine Eltern, die Professoren und
meine Freunde von mir erwarteten. Stirner prangerte die Despotie
und Gewaltsamkeit des hegelschen Denkens an und ich hatte sie von
Seiten meiner Peiniger am eigenen Leib zu spüren bekommen. Damit
sollte Schluss sein. Es lebe die Anarchie!“ rief Weigert. Dann fuhr
er fort:
„Jahrelang kämpfte ich um ein Bewusstsein, das sozial anerkannt
war, das konform funktionierte. Und auf einmal traf es mich wie
ein Blitz: Ich brauchte mein Denken nicht irgendwelchen von anderen
aufgestellten Regeln zu unterwerfen. Ich konnte denken, was ich
wollte.“ sagte Weigert und holte aus seiner Hosentasche ein verknittertes
Photo hervor. Es zeigte ihn, wesentlich jünger und ohne Bart, vor
einer Gedenktafel, die Max Stirner gewidmet war.
„Aber riskierst du damit nicht, dass dich keiner mehr versteht?“
„Das kann schon sein, aber es ist bedeutungslos. Immer wieder ertappe
ich mich bei unschlüssigen Argumentationen, glaube, dass meine Emotionen
sich nicht in der richtigen Art und Weise auf ihre Objekte beziehen.
Dann halte ich meine Furcht für eingebildet, weil das entsprechende
furchteinflößende Objekt in Wahrheit
nur ein Zurechtmachen einer an sich harmlosen Angelegenheit
ist. Spuken nicht in meinem Bewusstsein alle möglichen philosophischen
Theorien herum, die mich stutzig werden lassen und mich ermahnen:
Halt! Bist du dir auch sicher, dass deine Gedanken logisch sind?
Beziehen sich deine Emotionen auf wirkliche Zustände oder nur auf
eingebildete? Gibt es nicht für jedes Seiende in der Welt irgendeine
Theorie, die es für null und nichtig erklärt?“
„Aber muss ich mich nicht unweigerlich für eine dieser Theorien
entscheiden, um überhaupt leben zu können?“ fragte Ambra.
„Nein, das muss man nicht. Ich bin angesichts dieser Vielfalt von
Theorien zum Skeptiker geworden, dem nur noch eines gewiss ist,
nämlich dass er selbst es ist, der zweifelt.“ sagte Weigert und
lächelte wie ein Erleuchteter.
„Ist es befriedigend als Ich zu existieren, das weltlos geworden
ist, da es außer ihm selbst keine weitere Gewissheit mehr gibt?“
fragte Ambra.
„Manchmal haben Fremde allerdings einen besseren Durchblick als
ich..., aber wahrscheinlich ist es so wie du sagst.“ log Ambra,
um Weigert nicht vor den Kopf zu stoßen. Ihr tat der Rücken weh
und sie machte es sich auf dem staubigen Teppich bequem. Ihr Gesicht
strahlte wie das einer reifen Frau, was für ihr Alter etwas unangemessen
war. Robert gefiel ihr immer mehr, und sie hatte den Eindruck, dass
auch sie ihm nicht missfiel, denn sonst würde er ihr kaum diese
Dinge erzählen.
„Dieser Gedanke, dass ich mir die Welt unterwerfen soll, gefällt
mir überhaupt nicht.“ sagte sie.
„Eigentlich
will Stirner sagen, dass das Individuum, das nach Selbstbestimmung
verlangt, anfangen muss sich zu empören. Ein solches Sich-zur-wehr-Setzen
ist nicht etwa der Kampf für eine bessere Welt wie es die Marxisten
z.B. versuchen, denn
das wäre auch wieder der alte Gespensterglaube an einen Idealzustand,
der erst noch zu verwirklichen wäre. Der Einzige lebt im Hier und
Jetzt. Er will jetzt frei sein und wartet nicht auf einen günstigeren
Zeitpunkt. Stirners Maxime lautet infolgedessen: ´carpe diem!`,
Nütze den Augenblick!, denn morgen könnte es für dich persönlich
schon zu spät sein.“ Weigert schien das Gewicht der Welt allein
auf seinen schwachen Schultern zu tragen. Ambra kam sich verloren
vor. Würde er sie retten können? Wann würde er sie endlich in die
Arme nehmen? Wie lange würden sie noch weiter philosophieren müssen,
ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie wollte von ihm geliebt werden,
von einem, der Schopenhauer gelesen hatte, dem ´transzendentale
Deduktion´ kein Fremdwort war, der sich auf den verschlungenen Wegen
der Metaphysik schlafwandlerisch zu bewegen wusste. Indem sie mit
ihm eins wurde, würden seine Erkenntnisse in sie überfließen wie
bei kommunizierenden Gefäßen. Sie beschloss ab jetzt keine Worte
mehr zu gebrauchen, sondern Blicke und verliebte sich in Weigerts
Seele.
„Das wäre aber ein traurige Welt ohne Idealisten!“ stellte Ambra
fest und dann fügte sie noch hinzu:
„Wenn Stirner eine Frau wirklich
geliebt hätte, hätte sich sein Hass auf die Autoritäten und die
Logik in Nichts aufgelöst.“ hauchte Ambra. Um ein Uhr nachts traf
sie eine gewichtige Entscheidung. Sie würde Robert verführen.
Die
Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig
Juli 2005
ISBN 3-933287-58-8
Rezensionsexemplare
& Bestellung: [email protected]
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Copyright © 2006 Sabine Scholz
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