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Roman

Die Sonne hat keinen Eigentümer

Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag

von Sabine Scholz

"ein neues Bild des großen Nihilisten und Anarchisten" (Kreuzer. Das Leipziger Stadtmagazin)


Foto: Roberto Tarallo

 

Die Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005
ISBN 3-933287-58-8
250 S., 12.90 Euro


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Pressereaktionen

   Cover Brigitte Scholz

Gescheiterte Philosophen und andere Familienkatastrophen
Roman zum 200. Geburtstag des Philosophen Max Stirner


Max Stirner, erbarmungsloser Religionskritiker und Nihilist, wird von den meisten Philosophiegeschichten des 19. Jahrhunderts unter den Tisch gekehrt. Warum eigentlich? Schließlich hat es auch der Philosoph Friedrich Nietzsche als Nihilist auf den Olymp der unangefochtenen Klassiker geschafft...

Mit „Die Sonne hat keinen Eigentümer“ versucht Sabine Scholz, Max Stirner aus der unverdienten Versenkung zu holen. Auf heitere Weise erzählt sie von gescheiterten Philosophen und eigenwilligen Liebesgeschichten zwischen 1838 und heute. Eine besondere Rolle kommt dabei Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt zu: nahm sich doch die Apothekerstocher aus Gadebusch damals schon die Freiheit, ein den Männern ebenbürtiges Leben zu führen. Scholz verwebt in ihrem Roman historische Quellen mit einem modernen Handlungsstrang zu einem zeitgemäßen Porträt Max Stirners und seiner Frau.

Zum Inhalt
Der Max Stirner-Forscher Robert Weigert lebt als arbeitsloser Philosoph in Berlin. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Filmvorführer in einem drittklassigen Kreuzberger Programmkino. Ambra Brückner aus Gadebusch stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter Briefe aus der Feder von Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt. Fasziniert von deren rebellischer Persönlichkeit, versucht sie mehr über ihr Leben herauszufinden und trifft dabei natürlich auf Robert, in den sie sich verliebt...

Zur Autorin
Sabine Scholz (Jahrg. 1962), lebt als Lektorin für Deutsch in Turin, Italien. Seit 1982 schriftstellerisch tätig: Tagebücher, Kurzgeschichten, Erzählungen und Essays; zuletzt "Studienzeit mit Pannen. Geschichten" (Leipzig 2001: Verlag Max-Stirner-Archiv). 

Rezensionen

Kreuzer. Das Leipziger Stadtmagazin, August 2005
Zum 200. Geburtstag Max Stirners hat Sabine Scholz einen Roman geschrieben und holt damit den Philosophen aus unverdienter Versenkung. In "Die Sonne hat keinen Eigentümer" trifft der Stirner-Forscher Robert Weigert auf Ambra Brückner, die Briefe von Stirners Ehefrau wieder entdeckt hat. Scholz verwebt die Liebesgeschichte in der Gegenwart mit historischen Quellen zu einem neuen Bild des großen Nihilisten und Anarchisten. Wunderbare Idee!”

Nürnberger Nachrichten, 9. 8. 2005
Gedankenvoller Sonderling. Sabine Scholz hat einen Roman über Max Stirner verfasst
Von Bernd Zachow

 “ objektiv betrachtet verlief das Leben des tatenarmen und gedankenvollen Sonderlings fast ohne äußere Höhepunkte. Die in jeder Hinsicht aufregendste Zeit hatte er wohl während seiner Ehe mit Marie Dähnhardt, einer eigenwilligen, selbstbewussten Bürgertochter aus einer mecklenburger Kleinstadt bei Schwerin. Ein Bündel verstaubter Briefe, in denen Marie einer Kusine das Fiasko ihrer Verbindung mit Stirner in allen grotesken und deprimierenden Einzelheiten schildert, bildet denn auch den Ausgangspunkt der von Sabine Scholz erfundenen Geschichte. Um diesen sorgfältig recherchierten historischen Kern herum arrangiert die Autorin eine Rahmenhandlung, die belegt, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse im heutigen Deutschland denen im 19. Jahrhundert nach wie vor sehr ähnlich sind. Was wiederum folgerichtig erscheinen lässt, wenn gerade hier zu Lande manche jungen Leute auch heute noch ganz und gar dem Typ des Stirnerschen „Empörers“ entsprechen.”

Leipziger Volkszeitung, 2.8.2005
Flapsige Lesarten

Von Janna Kagerer
“Die in Italien lebende Philologin, Lehrerin und Autorin Sabine Scholz stellte ihren Roman über das Leben und Wirken des Philosophen Max Stirner vor. In ihrer Schulzeit schrieb ihr die Deutschlehrerin den Spruch "Ich will, was ich soll" ins Poesiealbum. Vor 16 Jahren entdeckte sie Stirner und seine Lehre vom positiven Egoismus und erkannte mit ihm, dass das Gegenteil des Spruches mehr ihrer Wahrheit entspricht.
Sie wurde, als einzige Frau, Mitglied der Max-Stirner-Gesellschaft. Für sie ist Stirner "eine Art Psychotherapeut" und ein viel zu wenig beachteter Denker. Doch auch dessen Frau Marie Dähnhardt interessiert sie. Scholz' Beschreibung der skandalösen "Hochzeit", wie sie stattgefunden haben könnte, zeugt von einem klaren Stil mit Unterhaltungswert. Die sogenannte Eheschließung verläuft wenig feierlich und gar nicht romantisch und endet mit Stirners Bemerkung: "Jetzt bist du eine Philosophenfrau und alles, was ich dir geben kann, sind klare Beweisführungen."

 

Hintergrundinformationen über den Stirner-Roman „Die Sonne hat keinen Eigentümer“

Der Philosoph Max Stirner (Pseudonym für Johann Caspar Schmidt, * 25. Oktober 1806 in Bayreuth; † 25. Juni 1856 in Berlin) ist vergessen worden. In den meisten Philosophiegeschichten des 19. Jahrhunderts wird sein Name nicht einmal erwähnt. Warum hat man beschlossen, diesen wichtigen Denker zu ignorieren, dessen Geburtstag sich am 25. Oktober 2006 zum 200. Mal jährt?
Eine Antwort ist vielleicht, dass er für viele unbequem ist, ein erbarmungsloser Religionskritiker, ein Nihilist, ja sogar ein Anarchist. Davor fürchtet man sich.
Doch ist sein Werk deswegen wertlos? Ist z.B. nicht auch Nietzsche ein Nihilist und wird er nicht trotzdem als einer der wichtigsten Denker angesehen?
Warum hat gerade Stirner so viel Unwillen erregt, dass man seinen Namen aus der Philosophiegeschichte getilgt hat, wãhrend Nietzsche unangefochten als Klassiker gilt? Stirners Lehre kann man folgendermaßen zusammenfassen: Er weist den Idealismus zurück und kritisiert die Idealisierung der Menschheit, der ewigen, unsterblichen Menschheit, zu deren Ehre sich der Einzelne opfern soll. In der Stirnerschen Ontologie (Lehre vom Sein) gibt es keine Allgemeinbegriffe, sondern nur individuelle Substanzen und individuelle Akzidenzien (Eigenschaften). Außerdem setzt Stirner Eigenschaft und Eigentum gleich, d.h. jede Eigenschaft ist Eigentum des Trägers. Dabei ist zu beachten, dass nicht Dinge mein Eigentum sind, sondern meine Gewalt über die Dinge bewirkt, dass ich ihr Eigentümer bin. Warum setzt Stirner zwei Begriffe gleich, die im Deutschen sonst unterschieden werden? Mit dem Begriff „Eigentum“ will Stirner ausdrücken, dass es bei uns liegt, welche Eigenschaften wir besitzen. Wir sind unser eigener Herr und niemandem sonst unterworfen. Für Schopenhauer z.B. ist ein Ding nur dann mein Eigentum, wenn ich es bearbeitet habe. Er denkt dabei an den Landerwerb. Stirner liegt dieser Gedanke fern. Eigentum ist das, worüber ich Gewalt habe. Im Englischen und Lateinischen ist property bzw. proprietas doppeldeutig: es bedeutet sowohl Eigentum als auch Eigenschaft! Bei Stirner wird eine „äußere“ Kategorie, wie sie Eigentum üblicherweise darstellt, „verinnerlicht“ zur Eigenschaft des Ich. Die Welt ist nicht Erscheinung wie bei Kant, sondern Eigentum des Ich. Real ist nur das, was eine Beziehung zum allmächtigen Ich hat.
Stirner grenzt sich gegen die Religion und den Liberalismus ab nach der Maxime: Man ist niemandem etwas schuldig! Für die Christen und die Liberalen ist der Mensch reiner Geist, was Stirner als „Gespensterglauben“ abtut. Er übt Kritik am absoluten Ich. Für Stirner zählt nur das endliche Ich, das an einen sterblichen Körper gebunden ist, der sich ständig verändert. Es gibt nichts „Festes“ und wenn, dann ist es Fiktion, um alles Lebendige zu unterdrücken, zu fixieren.
Oberstes egoistisches Prinzip ist der Genuss, die Lust des Egoisten. Dabei bilden die Leidenschaften eine Hierarchie: Die stärkere besiegt die schwächeren, d.h. die stärkere Leidenschaft bestimmt, was der Genuss des Egoisten ist. Nach Stirner wäre es denkbar, dass das Ausleben der Hassgefühle als Lust des Ichs aufgefasst wird, wenn es die anderen Gefühle wie z.B. Mitleid übertönt, was ja auch lustvoll sein könnte für einen bestimmten Menschen, der über starke Mitleidsgefühle verfügt. Für Stirner scheint die Zeit keine wesentliche Kategorie zu sein. Der Egoist lebt im Jetzt.
Zentral ist die Moralkritik in Stirners Philosophie. Liebe ist z.B. kein Gebot, sondern Eigentum des Ichs. Konsequenterweise gibt Stirner zu, dass man die Liebe „kaufen“ kann. Liebe hat einen Tauschwert. Er differenziert zwischen aufgezwungenen Gefühlen und Gefühlen, die aus uns selbst kommen, und nimmt Partei für die spontanen Gefühle. Bei der oktroyierten Ehrfurcht z.B. wird uns die Möglichkeit genommen, das Gefürchtete abzuwenden.
Stirners Hauptwerk „Der Einzige und sein Eigentum“ (1844) kann auf verschiedenene Weise interpretiert werden. Einmal als ein Text, der die politisch-soziale Debatte um 1850 historisch kommentiert, da der Autor selbst der linken politischen Opposition angehörte. Dann als philosophisches Traktat, in dem Stirner als einzige Realität nur die Einzeldinge anerkennt. Begriffe und Ideen besitzen keine Wirklichkeit; die Freiheit, die Menschheit, die Wahrheit sind nur „Gespenster“. Eine dritte, modernere Interpretation ist diejenige, Stirners „Einzigen“ als einen therapeutischen Text zu lesen. Ein Buch, das uns hilft, uns selbst zu finden und ehrlichere Beziehungen aufzubauen, jeden Moment des Lebens intensiv auszukosten, unsere eigene Persönlichkeit in Kreativität zu entwickeln.
Durch meinen Roman „Die Sonne hat keinen Eigentümer“ habe ich versucht Max Stirner aus der unverdienten Versenkung zu holen.
Inspiriert vom Leben Max Stirners erzählt dieser Roman auf heitere Weise von gescheiterten Philosophen, eigenwilligen Liebesgeschichten, von Freiheit und Familienkatastrophen zwischen 1838 und heute.
Der Stirner-Forscher Robert Weigert lebt als arbeitsloser Philosoph in Berlin und verdient seinen Lebensunterhalt als Filmvorführer in einem drittklassigen Kreuzberger Programmkino. Ambra Brückner möchte das Abitur an einem Gadebuscher Abendgymnasium nachholen und stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter Briefe aus der Feder von Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt, woraufhin sich Ambras und Roberts Lebenswege kreuzen.
In diesem Roman entsteht aus dem Neben- und Ineinander von Biographie und philosophischen Erörterungen ein sensibles Porträt von Max Stirner und seiner Ehefrau Marie Dähnhardt.
Ich habe 14 Jahre an dem Roman geschrieben, ihn immer wieder umgearbeitet und neue Teile integriert. Es ist eine Liebeserklärung an einen Mann, den ich vor 16 Jahren kennen lernte und der ein begeisterter Stirner-Anhänger war. Durch ihn habe ich Stirner schätzen gelernt und angefangen, Material über ihn zu sammeln, was schließlich in meiner Webseite Stirner-Forum Ausdruck gefunden hat. Leider haben wir uns vor einigen Jahren getrennt, aber Stirner ist mir zum Glück geblieben, weshalb sich vielleicht meine amour fou für diesen philosophischen Querdenker erklärt. Doch durch Stirner habe ich auch neue, interessante Kontakte knüpfen können, z.B. mit dem berühmt-berüchtigten Leiter des Max-Stirner-Archivs in Leipzig, Kurt W. Fleming, für dessen Stirner-Archiv ich seit Jahren ehrenamtlich arbeite. Zusammen haben wir die Zeitungsartikel, die Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt verfasst hat, ausfindig machen können. Sie sind unter dem Titel „Vertrauliche Briefe aus England“ im Feuilleton der Berliner Zeitungs-Halle, März bis November 1847, erschienen und jetzt auf meiner Homepage „Stirner-Forum“ nachzulesen. Diese überaus fruchtbare Freundschaft mit Kurt W. Fleming und viele andere Hinweise auf real existierende Personen haben Eingang gefunden in den Roman, weswegen man ihn auch als Schlüsselroman lesen kann.
Ein Gadebuscher Schüler hat versucht Licht zu bringen in die Gadebuscher Zeit von Marie Dähnhardt und darüber eine Facharbeit geschrieben. Das Resultat seiner Forschungen ist in den Roman integriert worden.
Ich habe Stirner dosiert eingesetzt. Der Leser soll ihn selbst für sich entdecken, ich möchte nichts vorwegnehmen.
Das einzig Interessante an Stirners Leben war seine gescheiterte Ehe mit Marie Dähnhardt. Stirners Ehefrau eignet sich wesentlich besser zur literarischen Figur als Stirner selbst: cherchez la femme! Wenn man begreift, wer Marie war, dann begreift man auch, wer Stirner war.
Man könnte Marie Dähnhardt als eine der ersten deutschen Frauenrechtlerinnen bezeichnen, auch wenn die organisierte Form der Frauenbewegung erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstand durch die Gründung des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" (ADF). Marie lebte all das, wofür sich die Frauenbewegung später eingesetzt hat: Sie war eine mündige und selbständige Frau, was sich daran zeigte, dass sie schon 20jähig vom Emanzipationsdrang jener Tage ergriffen wurde und, gegen den Willen ihrer Familie, Gadebusch verließ, um in Berlin ein unabhäniges Leben zu führen. Sie verkehrte im Kreis der „Freien“, einem Debattierzirkel bedeutender liberaler und sozialistischer Geisteswissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten. Auf diese Weise verwirklichte sie ihr Recht auf Bildung, von dem die Frauen offiziell noch ausgeschlossen waren. Übrigens trug sie gerne Männerkleidung wie die französische Schriftstellerin George Sand, rauchte Zigarren und trieb sich mit den Männern in Bordellen herum. Ein Universitätsstudium konnte sie leider noch nicht in Angriff nehmen, weil Frauen davon noch bis 1900 ausgeschlossen waren. Um sich ihr Recht zu verschaffen, schreckte sie auch vor spektakulären Aktionsformen nicht zurück. Maries skandalumwitterte Verheiratung mit dem Philsosophen Max Stirner zog damals sogar eine Denunziation beim König nach sich und würde heute sicherlich sämtliche Titelseiten der Regenbogenpresse zieren. Die Stirners ließen nämlich eine Heimtrauung vornehmen, wozu sie den Pastor und die Freunde aus Hippels Weinstube zu sich nach Hause gebeten hatten. Doch hatten sie nicht im Traum an die Trauringe gedacht, an dieses Requisit einer bürgerlichen Ehe. Da wusste ein Freund Rat. Er zog zwei Messingringe von der Gardine und der Pastor weihte nun diesen Ersatz, was von bösen Zungen schon als Hinweis auf die häufigen Gardinenpredigten gedeutet wurde, die Marie in Zukunft von ihrem Gatten zu hören bekam, da sie es mit ihrer ehelichen Treue nicht allzu ernst nahm.
Das Recht auf Erwerbsarbeit erkämpfte sich Marie durch die Eröffnung eines Milchhandels in Berlin, der leider viel zu früh im Bankrott endete, da sie keinerlei geschäftliche Erfahrungen hatte. Doch das entmutigte Marie nicht. Sie verließ ihren Ehemann, und ging nach England, wo sie ihren Lebensunterhalt als Lehrerin verdiente und für die Julius'sche "Zeitungshalle" in Berlin eine Reihe von Zeitungsartikeln schrieb, die von März bis November 1847 veröffentlicht wurden. Später emigrierte sie nach Australien, schlug sich als Waschfrau durch und heiratete einen gewöhnlichen Arbeiter. Im Alter kehrte sie nach London zurück, wo sie Stirners Biograph, John Henry Mackay, vergeblich darum bat, ihm ein Interview zu geben. Wie sie dazu käme, fragte sie durch ihren Vermittler, “zur Zeugin für das Leben eines Mannes aufgerufen zu werden, den sie je weder geliebt noch geachtet habe?” Aber ganz ernst meinte sie das wohl nicht, denn sonst bliebe unerklärlich, wieso sie noch lange nach der Trennung von Stirner, der übrigens mit bürgerlichem Namen Johann Caspar Schmidt hieß, mit dessen nicht vorhandenem Doktortitel kokettierte. Marie wurde jedenfalls von ihrer Schwester Anna im Testament (verfasst anno 1844) nur als die "Frau Doktorin Schmidt" bezeichnet, hatte also selbst im Familienkreis die Mär vom "Doktor Schmidt" recht erfolgreich in Umlauf gebracht. Und noch wenige Jahre vor ihrem Tode war sie in Gadebusch als "Frau Doktorin Schmidt" amtsbekannt.
An Stirner war das Sympathischste, dass er diese Frau geheiratet hat. Deswegen ist ein großer Teil des Romans ihren Erinnerungen gewidmet, die in Briefform dargestellt sind. Um diesen historischen Teil herum ist eine Geschichte gesponnen, die heute spielt und natürlich mit Stirner zu tun hat. Es sind die Erlebnisse von drei Gadebuscher Abendschülern – Ambra, Django und Rainer – die Freunde werden, gemeinsam haarsträubende Erlebnisse haben, der großen Liebe begegnen und deswegen, blind für Djangos Tragödie, leider zu spät erkennen, dass die Freundschaft der einzig wahre Wert im Leben ist. Django stellt dabei die Verbindung zu Marie Dähnhardt her, da diese ebenfalls aus Gadebusch stammte und es sich bei der Adressatin ihrer Briefe um seine Ururgroßmutter handelte.
Ambra stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter Briefe, die aus der Feder Marie Dähnhardts stammen, und versucht, fasziniert von der rebellischen Persönlichkeit der Autorin, mehr über ihr Leben herauszufinden. Dabei lernt sie den Stirnerforscher Robert Weigert kennen und verliebt sich in ihn…

Turin, im Mai 2005
Sabine Scholz

Marie Dähnhardt und Gadebusch
Ein gadebuscher Gymnasiast recherchiert über die Romanheldin

Veröffentlichungen

Sabine Scholz (Hrsg.), Internetprojekt Stirner-Forum: Resümee eines Jahres; Begegnungen zwischen Literatur & Philosophie, Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig, 2001

Sabine Scholz, Studienzeit mit Pannen. Geschichten, Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig, 2001

Sabine Scholz, Eine Signorina für den Professore, in: Literatur in Bayern, Ausgabe Nr. 68, Juni 2002, Hrsg. Prof. Dr. Dietz-Rüdiger Moser, Institut für Bayerische Kulturgeschichte der LMU, S. 15-16

Sabine Scholz, I got a bad desire, in: Fühl mich! Erotische Fantasien im Rhythmus der Nacht, Hrsg. von Nora Dechant, Droemer/Knaur, 2004

Über die Autorin

SONIC SITES: Sabine Scholz gelingt es in ihren Geschichten mit dialektischem Blickwinkel Alltägliches deutlich bis in den letzten Winkel auszuleuchten. "Studienzeit mit Pannen" zeigt, dass das Leben keine Wissenschaft ist, und dass dort, wo verschiedene Wege aufeinander stoßen, sich sehr wohl "Kopf und Bauch" ins Gehege kommen können. Auf diese Weise gewinnt sie der impertinenten Seite des Lebens ihren ganz eigenen Humor ab.

Karl-Heinz Schreiber über "Studienzeit mit Pannen" KULT (16/02)
AMÜSANT LIBIDINÖS PHILOSOPHISCH

Das eigentlich Spannende ist womöglich, wie sich die Lektüre der Protagonistin von Kants ´Kritik der reinen Vernunft´ an der banalen Realität reibt & spiegelt. Die Libido galoppiert ein wenig, es werden kritische Anmerkungen zu diversen Konventionen getätigt. Zwischen den großen philosophischen Problemstellungen & der nervstrapazierenden Alltäglichkeit stellt sich dann die Frage: - Wie sollte ich die großen Probleme lösen, wenn ich nicht einmal ein kleines privates Glück besaß, wo alles nach meinen Wünschen lief, wo ich Ruhe und Kraft für die großen Aufgaben finden konnte? Es geht also um das Studium des Lebens & der Philosophie & der Beziehungsvarianten. Ein durchaus amüsant geschriebenes Buch für Leute, die mit ihrer Emotion & mit ihrem Intellekt gleichermaßen selbstironisch umgehen können.

Werner Friebel (SCHNIPSEL) über "Studienzeit mit Pannen" Februar 2002

Den Verfall und Neubeginn von Beziehungen schildert Sabine Scholz aber in durchaus ambivalenter Selbstreflexion, die den emanzipatorischen Erzählduktus angenehm einfärbt. Detailreich und witzig plaudert sie auch über Alltagsumstände von Studium, Wohnung, Gelderwerb und Psychoanalyse, wodurch die kleinen Geschichten an Struktur und glaubwürdigem Handlungsrahmen gewinnen. Wieviel autobiographisch und wieviel fiction ist, steht dabei nicht zur Debatte. Das Lesevergnügen reizt Hirn, Herz und Lachmuskeln - ein mehr als gelungenes Debut der jungen, in Turin lebenden Autorin.

Leseprobe

Ambra Brückner hatte zwar Fotos von Robert Weigert gesehen, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn sofort erkennen würde. Doch sie identifizierte ihn sofort, wie er da am Bahnsteig auf sie wartete. Sie wussten nicht, wie sie sich begrüßen sollten: die Hand schütteln, wäre doch zu förmlich, aber sich gleich umarmen, kannten sie sich dafür eigentlich nicht zu wenig? Nein, sie kannten sich genug für eine herzliche, kurze Umarmung. Weigert wollte ihre Tasche tragen, Ambra ging neben ihm her und konnte nichts mit ihren Händen anfangen. Weigert sah aus wie Weigert, d.h. wie sie ihn sich im Laufe der Zeit vorgestellt hatte.

Vom Bahnhof fuhren sie zuerst auf den Alexanderplatz, um ein paar Schritte zu Fuß zu gehen und etwas zu essen. Der Alex war um diese Zeit fast leer. Die Leute schienen alle noch zu arbeiten,  hin und wieder kam ein Touristengrüppchen vorbei. Es war windig und die Sonne war hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden. Ein Mann in kurzer Hose und im Unterhemd rannte wie ein Geistesgestörter herum und schrie: „Ich kann sie nicht mehr sehen! Sie kommen hier her und fressen...!“ Ambra sah schuldbewusst auf ihre Currywurst, doch dann musste sie lachen und hakte sich bei Weigert unter. In Ostberlin fühlte sie sich wie in die 50er Jahre zurückversetzt. Dann kam ein Platzregen und sie flüchteten unter einen Mauervorsprung. Als es aufgehört hatte zu regnen, begaben sie sich zu Weigerts Wohnung. Vier endlose Treppen musste man hoch steigen. Oben schnappte Ambra nach Luft, und Weigert lächelte sie an. Ob seine Wohnung eine richtige „Philosophen-Wohnung“ war, wusste sie nicht. Dafür kannte sie zu wenig Philosophen. Aber dass es eine gemütliche, einladende Wohnung war, sah sie sofort. Während ihr Weigert sein Stirner-Archiv vorführte, versuchte sie sich vorzustellen, wie es wäre, ihn zu küssen. Wie küssen eigentlich Philosophen? Doch dann begriff sie allmählich, dass Philosophen nie von sich aus die Initiative ergriffen. Sie warteten erst mal ab.

„Wie bist du eigentlich zu Max Stirner gekommen?“ fragte Ambra und nahm ein leeres Blatt Papier und einen Stift, um Notizen zu machen, falls Robert einige unsterbliche Worte aussprechen würde. Weigert schien darüber überhaupt nicht erstaunt zu sein.
„Ich hatte einen Dozenten, der an seiner Habilschrift ´Marx und die Folgen` schrieb.  Er wollte uns immer von seiner hohen wissenschaftlichen Qualifikation überzeugen, indem er betonte, dass er an der Forschungsfront tätig wäre, während seine Kollegen immer noch in der Antike herumkrebsten. Er hätte schnell begriffen, dass die Philosophie gerade in politisch so brisanten Zeiten wie heute zuschlagen müsste mit ihren Thesen und beweisen müsste, dass sie wieder zeitgemäß wäre. Hinter seiner platten Stirn hegte er einen Gedanken und der war: Marx wäre bisher immer missverstanden worden – die Welt bräuchte einen Hermeneutiker wie ihn, um endlich in ein Paradies für alle verwandelt zu werden. Klar, dass dieser Angeber sofort meine ganzen kontroversen Energien mobilisiert hatte. Ich wollte in meinem Referat allen seinen Thesen widersprechen und suchte zu diesem Zweck nach einem Marx-Kritiker, der in die politische Epoche fiel, über die wir arbeiteten.  So stieß ich auf Max Stirner. Ich verschlang sein Hauptwerk „Der Einzige und sein Eigentum“ und fühlte mich ihm nahe.“ sagte Weigert.
„Aber er lebte doch in einer ganz anderen Zeit als du.“ sagte Ambra.
Obwohl der Tag sehr anstrengend gewesen war, fühlte sie sich überhaupt nicht müde. Magie lag in der Luft in Robert Weigerts chaotischer, kleiner Wohnung im vierten Stock.
„Ich wollte damals frei sein von Ideen, Idealen, Moralvorstellungen und der falschen Hoffnung auf ein sinnerfülltes Leben.“
„Was ist denn falsch an der Vorstellung von einem sinnerfüllten Leben?“
„Stirner warnte berechtigterweise vor den Halbheiten, mit denen wir uns im Namen der Selbstverwirklichung zufrieden geben, da wir das Ganze nicht einmal im Traume zu fordern wagen. Ich war wie Stirner: Ich wollte alles und zwar sofort!“
„Und hast du es bekommen?“ fragte Ambra.
„Nein. Ich wollte mich nicht so offensichtlich anbiedern bei den Professoren wie meine Kommilitonen, um gute Zensuren zu bekommen. Jetzt sitzen sie in ihrem Eigenheim und sind stolz auf das, was sie erreicht haben in ihrem Leben. Dafür haben sie gern einen hohen Preis gezahlt. Ich habe mich nicht angebiedert und mein Examen dementsprechend schlecht abgeschlossen. Eine Karriere als Professor kann ich mir abschminken. Meine Macht steckt nicht im Geldbeutel. Das ist mir zuwider. Unheimliches ist immer auch Uneigenes. Ihr Verhalten war mir mehr als unheimlich.“ sagte Weigert und goss beiden das fünfte Glas Metaxa ein, was Ambra so angenehm den Kopf benebelte, dass sie ihm hätte ewig zuhören können. Mit Robert war es so entspannend die Zeit vergehen zu spüren. Stunde um Stunde. Es war, als würde er ihr zum ersten Mal die Welt eröffnen und vor ihr ausbreiten und sie müsste sich nur bedienen und zugreifen. Sie konnte plötzlich die Philosophie atmen und fühlen.
„Das klingt, als hätte Stirner dich zur Resignation gebracht.“ meinte Ambra und hatte den Eindruck Weigert schon eine Ewigkeit zu kennen,  einen Mann, den ihr das Schicksal auferlegt zu haben schien. Es war für sie keine überflüssige Begegnung mehr.
„Nein, das bestimmt nicht. Stirners Charakteristik derjenigen, die vom Gespensterglauben des Geistes befallen sind, traf bis zu diesem Zeitpunkt leider auch auf mich zu. Ich hatte bis dahin irrsinnigen Respekt vor der Logik, dem vermeintlichen Wissen. Ich selbst mit meinen Mängeln kam gar nicht mehr vor. Meine Gefühle, meine Wünsche, meine Sehnsüchte waren schon lange nicht mehr mein Eigentum. Ich war fremdbestimmt durch das, was meine Eltern, die Professoren und meine Freunde von mir erwarteten. Stirner prangerte die Despotie und Gewaltsamkeit des hegelschen Denkens an und ich hatte sie von Seiten meiner Peiniger am eigenen Leib zu spüren bekommen. Damit sollte Schluss sein. Es lebe die Anarchie!“ rief Weigert. Dann fuhr er fort:
„Jahrelang kämpfte ich um ein Bewusstsein, das sozial anerkannt war, das konform funktionierte. Und auf einmal traf es mich wie ein Blitz: Ich brauchte mein Denken nicht irgendwelchen von anderen aufgestellten Regeln zu unterwerfen. Ich konnte denken, was ich wollte.“ sagte Weigert und holte aus seiner Hosentasche ein verknittertes Photo hervor. Es zeigte ihn, wesentlich jünger und ohne Bart, vor einer Gedenktafel, die Max Stirner gewidmet war.
„Aber riskierst du damit nicht, dass dich keiner mehr versteht?“
„Das kann schon sein, aber es ist bedeutungslos. Immer wieder ertappe ich mich bei unschlüssigen Argumentationen, glaube, dass meine Emotionen sich nicht in der richtigen Art und Weise auf ihre Objekte beziehen. Dann halte ich meine Furcht für eingebildet, weil das entsprechende furchteinflößende Objekt in Wahrheit  nur ein Zurechtmachen einer an sich harmlosen Angelegenheit ist. Spuken nicht in meinem Bewusstsein alle möglichen philosophischen Theorien herum, die mich stutzig werden lassen und mich ermahnen: Halt! Bist du dir auch sicher, dass deine Gedanken logisch sind? Beziehen sich deine Emotionen auf wirkliche Zustände oder nur auf eingebildete? Gibt es nicht für jedes Seiende in der Welt irgendeine Theorie, die es für null und nichtig erklärt?“
„Aber muss ich mich nicht unweigerlich für eine dieser Theorien entscheiden, um überhaupt leben zu können?“ fragte Ambra.
„Nein, das muss man nicht. Ich bin angesichts dieser Vielfalt von Theorien zum Skeptiker geworden, dem nur noch eines gewiss ist, nämlich dass er selbst es ist, der zweifelt.“ sagte Weigert und lächelte wie ein Erleuchteter.
„Ist es befriedigend als Ich zu existieren, das weltlos geworden ist, da es außer ihm selbst keine weitere Gewissheit mehr gibt?“ fragte Ambra.
„Manchmal haben Fremde allerdings einen besseren Durchblick als ich..., aber wahrscheinlich ist es so wie du sagst.“ log Ambra, um Weigert nicht vor den Kopf zu stoßen. Ihr tat der Rücken weh und sie machte es sich auf dem staubigen Teppich bequem. Ihr Gesicht strahlte wie das einer reifen Frau, was für ihr Alter etwas unangemessen war. Robert gefiel ihr immer mehr, und sie hatte den Eindruck, dass auch sie ihm nicht missfiel, denn sonst würde er ihr kaum diese Dinge erzählen.
„Dieser Gedanke, dass ich mir die Welt unterwerfen soll, gefällt mir überhaupt nicht.“ sagte sie.
„Eigentlich will Stirner sagen, dass das Individuum, das nach Selbstbestimmung verlangt, anfangen muss sich zu empören. Ein solches Sich-zur-wehr-Setzen ist nicht etwa der Kampf für eine bessere Welt wie es die Marxisten z.B. versuchen,  denn das wäre auch wieder der alte Gespensterglaube an einen Idealzustand, der erst noch zu verwirklichen wäre. Der Einzige lebt im Hier und Jetzt. Er will jetzt frei sein und wartet nicht auf einen günstigeren Zeitpunkt. Stirners Maxime lautet infolgedessen: ´carpe diem!`, Nütze den Augenblick!, denn morgen könnte es für dich persönlich schon zu spät sein.“ Weigert schien das Gewicht der Welt allein auf seinen schwachen Schultern zu tragen. Ambra kam sich verloren vor. Würde er sie retten können? Wann würde er sie endlich in die Arme nehmen? Wie lange würden sie noch weiter philosophieren müssen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie wollte von ihm geliebt werden, von einem, der Schopenhauer gelesen hatte, dem ´transzendentale Deduktion´ kein Fremdwort war, der sich auf den verschlungenen Wegen der Metaphysik schlafwandlerisch zu bewegen wusste. Indem sie mit ihm eins wurde, würden seine Erkenntnisse in sie überfließen wie bei kommunizierenden Gefäßen. Sie beschloss ab jetzt keine Worte mehr zu gebrauchen, sondern Blicke und verliebte sich in Weigerts Seele.
„Das wäre aber ein traurige Welt ohne Idealisten!“ stellte Ambra fest und dann fügte sie noch hinzu:
„Wenn Stirner eine Frau wirklich geliebt hätte, hätte sich sein Hass auf die Autoritäten und die Logik in Nichts aufgelöst.“ hauchte Ambra. Um ein Uhr nachts traf sie eine gewichtige Entscheidung. Sie würde Robert verführen.

Die Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig
Juli 2005
ISBN 3-933287-58-8

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