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Die
Gadebuscherin Marie Dähnhardt wird zur Romanheldin
Ein gadebuscher Gymnasiast auf ihren Spuren
Max
Stirner, erbarmungsloser Religionskritiker und Nihilist, wird von
den meisten Philosophiegeschichten des 19. Jahrhunderts unter den
Tisch gekehrt. Warum eigentlich? Schließlich hat es auch der
Philosoph Friedrich Nietzsche als Nihilist auf den Olymp der unangefochtenen
Klassiker geschafft...
Mit "Die Sonne hat keinen Eigentümer" versucht Sabine
Scholz, Max Stirner aus der unverdienten Versenkung zu holen. Auf
heitere Weise erzählt sie von gescheiterten Philosophen und
eigenwilligen Liebesgeschichten zwischen 1838 und heute. Eine besondere
Rolle kommt dabei Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt zu: nahm
sich doch die Apothekerstocher aus Gadebusch, in der Nahe von Schwerin,
damals schon die Freiheit, ein den Männern ebenbürtiges
Leben zu führen. Scholz verwebt in ihrem Roman historische
Quellen mit einem modernen Handlungsstrang zu einem zeitgemäßen
Porträt Max Stirners und seiner Frau.
Zum Inhalt
Der Max-Stirner-Forscher Robert Weigert lebt als arbeitsloser Philosoph
in Berlin. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Filmvorführer
in einem drittklassigen Kreuzberger Programmkino. Ambra Brückner
aus Gadebusch stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter
Briefe aus der Feder von Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt.
Fasziniert von deren rebellischer Persönlichkeit, versucht
sie mehr über ihr Leben herauszufinden und trifft dabei natürlich
auf Robert, in den sie sich verliebt...
Sabine Scholz bekam Hilfe von Seiten eines gadebuscher Gymnasiasten:
Robin Becker recherchierte über Marie Dähnhardts Familie.
Robin Becker vor der Ratsapotheke in Gadebusch
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Mühlenstraße in Gadebusch
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mögliche Dähnhardtsche Apotheke in
Gadebusch
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Kirche in Gadebusch
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Robin
Becker über seine Recherche
Die größte Schwierigkeit bzw. das größte Problem
war die alte Schrift. Ich konnte mich nur an den Namen orientieren
und wusste nicht was ich gefunden hatte in den Archiven. Auch die
Zeit spielte eine große Rolle. Ich konnte erst in den Archiven
weitersuchen, nachdem ich die Transskriptionen von Herrn Piegsa
erhalten hatte und dadurch neue Hinweise.
Mein erster Anlaufpunkt war das örtliche Standesamt, denn ich
hatte keine Ahnung, in welcher Zeit Marie gelebt hatte. Da das Personenstandsregister
aber erst seit 1876 geführt worden ist und keine Dähnhardts
mehr zu finden waren, konnte sie nur früher gelebt haben. Gleichzeitig
hatte ich aber auch schon Termine mit der Landesbibliothek und dem
Landeshauptarchiv in Schwerin vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt (Ende
Dezember) hatte ich wirklich noch geglaubt, wenn man sich bemüht
und ordentlich sucht, dass die Arbeit gar nicht so schwer sein kann.
Von meiner Lehrerin erhielt ich noch den Hinweis, das Maries Vater
Apotheker war. So stieß ich auf den Allmanach und auf die
Veröffentlichung von Dr. Behnsen (Eigentümer der Ratsapotheke).
So erfuhr ich das es 2 Apotheken gab und den Namen von Maries Großvater.
Er übergab mir auch seine handschriftlichen Notizen. So hatte
ich schon mal einen Anhaltspunkt für das Landeshauptarchiv.
Im Landeshauptarchiv gestaltete sich die Suche sehr schwierig. Es
gab so gut wie keine Akten zu Maries Lebzeiten. Auch musste man
genau angeben welche Akten man haben will. Die Akten über die
Apotheker waren ein Glück für mich und dass es eine Volkszählung
1819 gab. Hausakten von Gadebusch waren so gut wie nicht vorhanden
und in den Akten über Vermessungen fehlten die Pläne,
an denen ich mich hätte orientieren können. Ich habe bestimmt
so 50 bis 60 Akten durchgesehen und konnte nur nach dem Namen suchen,
da ich die Schrift nicht lesen konnte. Unterstützung in Sachen
Schrift gab es dort nicht, nur den Hinweis, man sollte sich einen
Kulturhistoriker nehmen. Aber sie gaben mir den Tipp mit dem Landeskirchenarchiv.
Ich war auch im Pfarramt von Gadebusch, aber Pastorin Beier konnte
mir auch nicht weiterhelfen, aus dieser Zeit waren keine Unterlagen
mehr im Pfarramt.
Sehr große Unterstützung erhielt ich von Frau Neuhaus-Kühne
aus dem Gadebuscher Stadtarchiv. Dort befanden sich auch die 2 Nachlassakten
von Maries Mutter und Großvater.
Obwohl aus dieser Zeit auch nicht viele Akten vorhanden waren, ist
sie jedem Hinweis nachgegangen. Wir haben die Akten der Schützenzunft,
Handwerkszahlen, Auswanderungslisten, Protokolle der Stadt usw.
durchgesehen. Auch sind wir die alten Bauakten von der Mühlenstraße
durchgegangen um so einen Hinweis auf den Standort der Dähnhardtschen
Apotheke zu finden. Da diese Akten aber auch erst ab ca. 1840 vorhanden
waren, konnten wir nur anhand der gefundenen Namen vermuten, dass
die Apotheke das alte Fachwerkhaus sein könnte. Meine Mutter
hatte auch noch einen Bekannten von der Denkmalpflege gebeten etwas
herauszufinden, aber dort kam man mehr oder weniger zu dem gleichem
Ergebnis, da sich die Akten von dort mit denen aus dem Stadtarchiv
deckten.
Im Gadebuscher Stadtarchiv befanden sich auch die in meiner Hausarbeit
angegebenen Zeitungsartikel, aus denen ich viel über Gadebusch
erfuhr.
Als Grundlage für meine Suche im Kirchenarchiv in Schwerin
konnte ich die Namen aus den Apothekerakten und den Nachlassakten
verwenden. Die Mitarbeiter waren dort sehr nett. Sie gaben mir Hinweise
wie ich zu suchen habe und halfen mir auch bei den Übersetzungen.
Die Geburts-, Tauf-, Konfirmations- und Sterberegister waren auf
Film festgehalten.
Ich habe auch ein Buch (Pascholl) über Gadebusch aus der Zeit
um 1812 gelesen, aber dort tauchten die Dähnhardts leider nicht
auf. In diesen 3 Monaten habe ich viel gelesen. War bestimmt 2 Mal
die Woche in den Archiven und in der Landesbibliothek, auch wenn
sich oft herausgestellt hat, dass ich wieder nichts gefunden hatte.
Ich hatte gehofft noch etwas über die Mecklenburgisch - Schwerinschen
Anzeigen in der Landesbibliothek über die Apotheke zu finden,
aber dort habe ich nur die Todesanzeige von Maries Mutter gefunden.
Das Grundbuchamt in Grevesmühlen und das Katasteramt konnten
mir leider auch nicht weiter helfen. Unterlagen gab es dort erst
ab ca. 1900.
Die Zeit war einfach zu knapp, obwohl meine Mutter schon immer den
Fahrer gespielt hat, wenn ich nachmittags aus der Schule gekommen
bin, da die Archive in Schwerin nur bis 17.00 Uhr geöffnet
hatten (außer Landesbibliothek).
Über
die Apothekerdynastie Dähnhardt aus Gadebusch
Die Geschichte der Familie Dähnhardt beginnt Mitte des 18.
Jahrhunderts in Gadebusch mit Johann Wilhelm Dähnhardt. 1753
begründet er durch die Verleihung des Apothekerrechts an ihn
die Apothekerdynastie der Dähnhardts in Gadebusch. Seine Söhne
Johann Carl und Helmuth Ludwig setzen die medizinische Tradition
fort und werden ebenfalls Apotheker. Wo sich die Dähnhardtsche
Apotheke befunden hat, lässt sich heute leider nicht mehr ermitteln.
Es handelt sich jedoch höchstwahrscheinlich nicht um die heutige
Ratsapotheke. Das geht aus Dokumenten hervor, die Robin Becker,
ein Gadebuscher Gymnasiast, im Stadtarchiv Gadebusch, dem Landeshauptarchiv
und dem Kirchenarchiv des Landes Mecklenburg-Vorpommern entdeckt
hat. Als Maries Großvater, Johann Wilhelm Dähnhardt,
stirbt, hinterlässt er nicht viel: 704 Thaler und 46 Schilling,
die unter der Witwe und den Söhnen aufgeteilt werden. Im Nachlass
des verstorbenen Apothekers Johann Wilhelm Dähnhardt, errichtet
in dessen Hause zu Gadebusch den 18ten August 1777 heißt es:
“Das eben in der Mühlenstraße nach dem Marckt zu
belegene Wohnhaus zwischen dem Stellmacher Barchert und dem Bürger
Johann Schneider, hatte 2 Stockwercke, in dem untersten waren eine
Stube nebst Küche, geräumiger Diele und ein Keller unter
Hause; in der obersten Etage war nach der Gasse zu ein Stübchen
wie auch eine Kammer; das Übrige alles war Bodenraum, und fehlete
es dem Hause ganz an einer tüchtigen Feuerstelle und einem
gehörigen Schornstein. Das Haus sowol, als der darhinter befindliche
Stall waren alt und abgängig obgleich alles im guten hauswirtlichen
Stande befindlich war. Hinterm Hause war ein kleiner Garten der
bis an der Burgstraße reichete, und eine Pforte da hinaus
hatte. Dies alles wurde von denen dazu Adhibirten Handwerckern zu
250 [Thaler] taxiret.“
Der Titel des Romans „Die Sonne hat keinen Eigentümer"
beruht auf einem Zitat aus den Zeitungsartikeln von Marie Dähnhardt,
die im Feuilleton der Berliner Zeitungs-Halle, März bis November
1847, erschienen sind: „Dichter und Phantasten haben davon
fabuliert, welchen großen Genuss das schöne Wetter den
Armen bereiten würde. Das ist nicht wahr, denn auch dieses
Erdengut ist nur für die Besitzenden da, die sich darin vergnügen
können. Die Armen müssen in ihm hungern, arbeiten und
schwitzen. Da bleibt nur die Sonne: Nicht wahr, die Sonne hat keinen
Eigentümer? Und doch erlaubt man nur dem, der seine Arbeit
hinter sich gebracht hat, sich in der Sonne zu rekeln. Und wer es
tut, ohne etwas geleistet zu haben, der vergreift sich am ´Sonneneigentumsrecht`.
Ist das nicht traurig?"
Diese Zeitungsartikel befinden sich jetzt im Stirner-Archiv Leipzig,
ebenso die Fotokopien der Originaldokumente über die Familie
Dähnhardt, recherchiert von Robin Becker aus Gadebusch, transkribiert
von Paul Jordens.
Max
und Marie - Die Apothekerstochter und der Philosoph
Maries Vater, der Apotheker Helmuth Ludwig Dähnhardt, bringt
es im Gegensatz zu seinem Vater zu einem beträchtlichen Vermögen,
so dass seine Tochter Marie nach seinem Tod 10 000 Taler erbt. Daraufhin
zieht sie zwanzigjährig nach Berlin, um ihr Leben nicht in
einer Apotheke zu verbringen. Dort lernt sie im Kreise der „Freien“,
einem Debattierzirkel bedeutender liberaler und sozialistischer
Geisteswissenschaftler, einen faszinierenden jungen Philosophen
kennen - Max Stirner. 1843 wird sie, die durch Cicero erkennt, dass
die wahre Medizin des Geistes die Philosophie sei, seine Frau. Doch
Stirner, kompromissloser Annullierer jeder Art von „fixen
Ideen“, ist kein seliges Ende beschieden. Im Alter von nur
50 Jahren segnet er an einer Blutvergiftung das Zeitliche, offenbar
Folge der unsachgemäßen Behandlung eines Karbunkels,
verursacht vermutlich durch einen Insektenstich. Die beste Medizin
wäre für ihn sicher ein philosophischer Bestseller gewesen,
doch dazu verhalf ihm sein Hauptwerk „Der Einzige und sein
Eigentum“ (1844) leider nicht. Total verarmt gerät er
gar mehrmals in Schuldhaft, denn bekanntlich betritt das Volk den
Buchladen wie eine Apotheke: nur im äußersten Notfall.
Die Apothekerstochter Marie Dähnhardt (1818-1902) aus Gadebusch
ist nun zur Protagonistin von „Die Sonne hat keinen Eigentümer“
geworden. Inspiriert vom Leben Max Stirners erzählt Sabine
Scholz auf heitere Weise von Marie Dähnhardts Versuch, alle
Misslichkeiten des Lebens mit Philosophie zu bewältigen. Und
davon, wie uns das Leben selbst hilft, auch die Philosophie zu bewältigen.
Gadebusch
in der Literatur
Die
Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005
ISBN 3-933287-58-8
250 S.,12.90 Euro
Lesung
Beate Rosner liest aus "Die Sonne hat keinen Eigentümer"
von Sabine Scholz
21.10.2005, 19.30 Uhr, Autorenverband Franken, Kellergewölbe
der Pfalz, Forchheim
Rezensionsexemplare
& Bestellung: [email protected]
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Copyright © 2005 Sabine Scholz
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