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Die Sonne hat keinen Eigentümer
von Sabine Scholz
Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005
ISBN 3-933287-58-8
250 S., 12.90 Euro
Rezensionsexemplare & Bestellung: [email protected]

 

Sabine Scholz, Die Sonne hat keinen Eigentümer
Von Ulrich Wille
gekürzt
in: Eigentümlich frei, Nr. 64 Juli/August 2006 
Am 25. Oktober 2006 jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag Max Stirners, des Verfassers des 1844 erschienenen Buches „Der Einzige und sein Eigentum“. „Die Öffentlichkeit“ ignoriert diesen Gedenktag natürlich ebenso wie den 150. Todestag am 25. Juni. Bereits im vergangenen Jahr ist allerdings ein „Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag“ erschienen, verfasst von Sabine Scholz, die auch das „Stirner-Forum“ unter www.geocities.com/marieundmax betreibt. Allerdings steht im Mittelpunkt dieses Romans weniger Stirner selber als seine zeitweilige Ehefrau Marie Dähnhardt (1818 – 1902).
Ambra Brückner ist eine Abendgymnasiastin aus Gadebusch bei Schwerin, dem Geburtsort Marie Dähnhardts, Robert Weigert ein arbeitsloser Philosoph in Berlin, der ein Max-Stirner-Archiv betreibt. Ihre Wege kreuzen sich, als Ambra einen Packen alter Briefe findet, die Marie Dähnhardt an ihre Cousine und Jugendfreundin geschrieben hat. Fasziniert von der Persönlichkeit dieser emanzipierten Frau des 19. Jahrhunderts, beginnt Ambra, weitere Nachforschungen anzustellen ...
Tatsächlich scheint die Autorin des „Stirnerjahrbuches“ sich wie ihre Heldin Ambra und im Gegensatz zu Robert Weigert weitaus mehr für Marie zu interessieren als für Max. Dies bestätigt sie auch in ihrem Nachwort: „Das einzig Interessante an Stirners Leben war seine gescheiterte Ehe mit Marie Dähnhardt.“ (S. 246) und: „An Stirner war das Sympathischste, dass er diese Frau geheiratet hat.“ (Frau Scholz muß Herrn Stirner ja sehr gut gekannt haben!)
Nun ist der Grundgedanke, aus der Beschäftigung von heutigen Menschen mit historischen Personen einen Roman zu stricken, ja durchaus interessant, die Ausführung ist es allerdings nur teilweise. Neben gelungenen Charakteren und Szenen finden sich auch Figuren von geradezu Ayn Randscher Eindimensionalität. So zum Beispiel der böse ausbeuterische Unternehmer Bohlius oder der Nazi-Lehrer Hildebrand, der sich im Geschichtsunterricht offen zu Hitler bekennt – geradezu lächerliche antikapitalistische und „antifaschistische“ Abziehbildchen. Anscheinend hat die Autorin die Charaktere gut zu zeichnen gewusst, für die sie reale Entsprechungen fand – so diente zum Beispiel Kurt W. Fleming, der Leiter des Max-Stirner-Archivs in Leipzig, als Vorbild für Robert Weigert – während sie dort, wo sie Charaktere selber kreieren musste, nur Karikaturen zu produzieren imstande war. Auch die Sprache der Figuren wirkt oft zu gestelzt.
Was die Briefzitate Marie Dähnhardts betrifft, so bleibt unklar, inwiefern sie tatsächlich aus Dähnhardts Briefen stammen und inwiefern sie Fiktion sind. Einige Stellen, so der Titel des Buches, sind tatsächlich original, andere machen sprachlich nicht den Eindruck, aus dem 19. Jahrhundert zu stammen.
Die Autorin hat sich offenbar zu viel vorgenommen und eine gute Idee nicht überzeugend umsetzen können. Schade.

Die Sonne hat keinen Eigentümer 
von Raimund Samson (HerzGalopp) 
Sabine Scholz schrieb „Die Sonne hat keinen Eigentümer“, lt. Untertitel „Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag“. Leider ist der 248 Seiten umfassende Roman (incl. Nachwort) eher ein Anti-Stirner-Pamphlet geworden. Der links-hegelianische Philosoph, der heute als Begründer eines radikalen Privat-Anarchismus gilt, wird als ausbeuterischer Schriftsteller vorgeführt, der sich auf Kosten seiner Ehefrau entwickelte. „Das einzig Interessante an Stirners Leben war seine gescheiterte Ehe mit Marie Dähnhardt“, behauptet die Autorin, ohne diese polemische These überzeugend zu belegen oder gar zu beweisen. Wie auch! Über Stirners Privatleben ist kaum etwas bekannt (Tagebuchaufz.). Noch weniger überlieferte Fakten gibt es vom Leben seiner zeitweise Angetrauten, Marie Dähnhardt. Sabine Scholz erfindet einen ausführlichen Briefwechsel der Dähnhardt mit einer Freundin, in dem sie nichts weiter tut als ihre Projektionen und Wunschphantasien zu literarisieren. Ich hatte eine sehr ausführliche Kritik zu dem Buch an den Verleger geschickt, der diese an die Autorin weiterleitete. Frau Scholz bedankte sich dafür bei mir, was ich ihr sehr hoch anrechne. Ich erlebte schon, dass sich AutorInnen, die ich sehr vorsichtig „kritisierte“, total beleidigt von mir (und herzGalopp) abwandten. So zähle ich Frau Scholz, auch wenn sie m.E. Stirner Unrecht tut mit ihrer pauschalen Kritik der Ausbeutung (die Ähnliches in dem Roman Max Frisch vorwirft, der angeblich Ingeborg Bachmann ausnutzte), doch zu den Epigonen Stirners, der einst zum „Kreis der Freien“ gehörte. Zum „Freisein“ gehört nun einmal die unbeschränkt freie Äußerung der eigenen Meinung. So gibt es glücklicherweise keine Feindschaft zwischen der Autorin und mir. Und ich wünsche Frau Scholz, auch wenn ich ihre These nicht teile, weiterhin ein gutes Arbeiten und Resonanz auf ihre Publikationen.

Sonne ohne Eigentümer
Ein Geburtstagsroman für Max Stirner
von Willi Hengstler 
In: Schreibkraft, Mitte,  Ausgabe 13, Graz 2006
Sabine Scholz, Mitarbeiterin des Max-Stirner-Archivs in Leipzig, hat mit Die Sonne hat keinen Eigentümer einen biographischen Roman über den Querdenker und Philosophen vorgelegt. Max Stirner, geboren als Sohn eines Flötenmachers in Bayreuth, wirkt auf mindestens drei einander überlagernden Feldern: einmal im Schutt halb vergessener Philosophiegeschichte als einer der Junghegelianer, die Hegels Staatsphilosophie – heute würde man sagen – „dekonstruierten“. Dann als Begründer eines extremen, nicht vereinnehmbaren Individualanarchismus – durchaus als Reflex auf sein eher kümmerliches Leben als schlecht bezahlten Lehrer einer Berliner Mädchenschule. Und schließlich wurde der radikale Philosoph zum Modell für Autoren, die sich ihre widerständige Randlage nicht weg instrumentieren ließen. Ein bedeutender unter ihnen ist Oswald Wiener, der Stirner in seiner Verbesserung von Mitteleuropa einigen Platz einräumt.

Neben sachlich-wissenschaftlichen Biografien kommen Bücher über bedeutende Köpfe häufig auch romanhaft daher. Trickreichere Erzähler wie Thomas Mann arbeiten dagegen große Männer und deren Theorien verschlüsselt in ihre Bücher ein. Im Zauberberg wird Gerhart Hauptmann zum Mynheer Pepperkorn, und sein Dr. Faustus wird unheilvoll von Schönbergs Zwölftontheorie beschallt.

Sabine Scholz treibt solch konventionelle, erzählerische Raffinesse durch das Ineinanderweben von Fiktion und Realität, durch das virtuose Verschränken von Kolportageelementen und Paratexten noch ein gutes Stück weiter. Sie bedient sich eines tollkühnen erzähltechnischen Aufwandes und einer postmodernen Formensprache, um „aus dem Neben- und Ineinander von Biografie und philosophischen Erörterungen ein sensibles Porträt von Stirners aus Gadebusch stammenden, vermögenden Ehefrau Marie Dähnhart“ und ihrem „Max“ zu entwerfen. Sabine Scholl kreuzt in ihrem Buch 19. und 21. Jahrhundert, Gegenwart und Vergangenheit. Einmal bekommt der Leser fiktive Briefe Marie Dähnharts an ihre Freundin vorgesetzt, dann darf er wieder in der Gegenwart verfolgen, was Ambra, die junge Besucherin einer Abendschule mit diesen zufällig gefundenen Briefen so anstellt.

Dabei zielt die Autorin Scholz mit ihrer Gliederung des Haupttextes in fünf Kapitel Über die Verführung, Über die Untreue, Über die Leidenschaft, Über die Ehe und Über die Sehnsucht, wohl auf etwas wie eine Phänomenologie der Liebe aus feministischer Sicht. Außerdem stellt sie ihrem zu einem konkreten Anlass (Geburtstag) und einer konkreten Person (Stirner) verfassten Roman noch ein trickreiches „Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt“ voran und droht anschließend mit einem George Sand-Zitat: „Wir können nicht eine Seite aus dem Buch unseres Lebens reißen, aber wir können das ganze Buch ins Feuer werfen.“ Als rahmende Paratexte schiebt Sabine Scholz zusätzlich einen Abschnitt Über die Autorin (also sich) ein, legt ihre Quellen offen und schließt schließlich mit einem alles erklärenden Nachwort. Allenfalls einem Nabokov, der seine Lolita mit Pale Fire kombinierte, hätte man eine solche Überfülle an selbstreflexiven Querverweisen und Anspielungen zugetraut.

Glücklicherweise zeigt Frau Scholz im Fortlauf der Handlung Einsehen und setzt vor allem auf zweifellos ironisch gemeinte Kolportageelemente: Das alter Ego der Marie Dähnhardt, die ebenfalls aus Gadebusch stammende Ambra Brücker, schläft mit ihrem Mitschüler Django aus dem Abendgymnasium, bei dem sie auch die besagten Briefe findet, dann mit ihrem Deutschlehrer und schließlich mit einem Stirner-Forscher Robert Weigert, der in Berlin ein der Stirner’schen Existenz vergleichbar bescheidenes Leben als Filmvorführer fristet. Ambra und Marie Dähnhart, Geschlechtsgenossinnen über die Jahrhunderte hinweg, spiegeln einander trefflich in ihren Emanzipationsbestrebungen, die sie, immer auf der Suche nach Selbstverwirklichung, von einem Mann zum anderen führen. Die historische Marie Dähnhart lebte nur 4 Jahre mit Stirner, später gelangte sie über London nach Australien, heiratete einen gänzlich unphilosophischen Arbeiter. Sie bleibt bis ins hohe Alter ihrer Verwandlung von einer Femme fatale der Berliner Boheme in eine eher bigotte Christin treu – nicht gerade eine freidenkerische Erfolgsgeschichte. Erfolgreicher agiert die fiktive Ambra. Sie wird mit der Herausgabe der Dähnhardt-Briefe genug verdienen, um ihre eigene Karriere als Schriftstellerin verfolgen zu können.

Der Autorin Sabine Scholz gelingt es auf 248 Seiten abwechselnd ein Panorama vom Berlin vor 1848 und der gegenwärtigen BRD zu entwerfen, das wahrhaft schonungslos die verschiedensten, lebendig beschriebenen Typen umfasst: Arrogante Unternehmer, magersüchtige Boutiquenführerrinnen, faschistische Geschichtslehrer, Selbstmord verübende Automechaniker, trinkende Väter… Leser was willst du mehr.

Bedauerlich ist dabei, dass sich die jugendlich Heldin Ambra während der einzigen kursorischen Erörterung des Stirner´scher Systems denkt „Mein Gott, muss das immer so detailliert sein...“. Der Rezensent fühlt sich also der Vollständigkeit halber verpflichtet, ebenfalls über den Philosophen zu dilettieren. Am Schluss seiner Geschichte der Philosophie fordert Hegel, den Geist der Zeit zu ergreifen und dessen Verschlossenheit an den Tag zu ziehen. Auch Stirner argumentiert ähnlich, nur stellt er die Hegel`schen Kategorien auf den Kopf, indem er ihnen populäre und sehr konkrete Namen gibt. Christliche Erlösung als Ende der Tage, menschliche als „Ziel der Geschichte“ werden abgelöst von dem als „Ich“ entzauberten Menschen, der schon für sich selbst die Weltgeschichte ist. Stirner entlarvt die göttliche Restwahrheit vom Humanitären als Phrase, die er mit seiner eigenen, absoluten Phrase vom Ende aller Phrasen überholt. Der Einzige ist unbesorgt um die ganze übrige Welt, die sein verbrauchbares Eigentum ist. „Stell ich auf Mich, den Einzigen, meine Sache, dann steht sie auf dem vergänglichen, dem sterblichen Schöpfer seiner, der sich selbst verzehrt, und Ich darf sagen: Ich hab´ mein Sach auf Nichts gestellt.“ Immerhin hat Der Einzige und sein Eigentum Karl Marx zu einer 500-seitigen Entgegnung Sankt Max veranlasst, die er aber, um Stirner nicht zu viel Ehre anzutun, doch nicht veröffentlichte. Nach ihm ist Stirner der radikalste Ideologe einer zerfallenen Gesellschaft von „vereinzelten Einzelnen“.

Noch Ende der Fünfziger- , Anfang der Sechzigerjahre galt Der Einzige und sein Eigentum in der vergriffenen Reclamausgabe von 1912 als hochgiftige Rarität, deren Spur sich bis hinein in die radikalsten und bedeutendsten Arbeiten, wie Oswald Wieners Verbesserung von Mitteleuropa verfolgen lässt. Mittlerweile ist der Text leicht erhältlich und das Buch von Sabine Scholz wird vielleicht dazu beitragen, ihn weiter zu entschärfen.

 

Der Roman(tische) Stirner
von Jochen Knoblauch
In: Graswurzelrevolution, 305, Januar 2006
Das Rennen ist eröffnet: 2006 soll zum großen Stirner-Jahr werden. Die AnhängerInnen des deutschen Philosoph Max Stirner, mit dem so viele nichts anfangen können, begehen im nächsten Jahr am 26.10. dessen 200. Geburtstag und bereits am 25.6. seinen 150. Todestag.
Zum diesem „Großereignis“ eröffnet nun Sabine Scholz den Reigen der zu befürchtenden Publikationen mit ihren Roman „Die Sonne hat keinen Eigentümer – Ein Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag“(erschienen im Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2005 / 249 S. / 12,90 Euro)

Die Phantasien der Sabine Scholz erinnert mich ein wenig an den Filmtitel des spanischen Dramatikers und Poeten Fernando Arrabal „Ich möchte laufen wie ein verrücktes Pferd“ (1972). Trotz der Krimi-Phrase auf S. 3 „Ähnlichkeit mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt“, soll wohl Stirner Stirner sein, und dessen zweite Ehefrau Marie Dähnhardt (1818-1902), die mit den fiktiven Briefen einen wichtigen Teil des Romans ausmacht ist eben jene Marie Dähnhardt, die besagten Philosophen heiratete. Was war also nicht beabsichtigt?
Eigentlich müsste sowieso der Untertitel dieses Buches „ein Marie Dähnhardt-Roman“ heißen. Denn sie ist die Auserwählte, die Heroine der Autorin, welche übertriebener Maßen zur Freiheitskämpferin, zur Frauenrechtlerin hochsterilisiert wird, was nun wirklich herzlich wenig mit der Realität zu tun hat. Marie Dähnhardt, die als junge, und recht begüterte Frau nach Berlin kam, und im Kreis der politischen Opposition der Vormärz-Zeit, bei den „Freien“ verkehrte und sich hier ein wenig gegen die herrschenden Konventionen der damaligen Zeit austobte, um nach zwei (unglücklichen?) Ehe-Jahre mit Stirner für die restlichen 57 Jahre ihres Leben sich in religiöser Ereiferung zu betätigen. Das „Rebellische“ war wirklich sehr kurz, und es reicht nicht, wie behauptet, dass dieses Leben der Marie Dähnhardt „sie zu einer der emanzipiertesten Frauen in Deutschland machte“ (S.70). Hier gab es auch noch ganz andere Frauen im Kreis der „Freien“, die wesentlich radikaler – und vielleicht auch eher emanzipiert – waren, als Marie D., aber die bildeten eben nicht den Knotenpunkt zur Aufgabe des Romans, nämlich ein Stirner-Roman zu sein. Emanzipation besteht jedenfalls nicht aus ein paar Liebschaften, die auch noch voller Romantik und falscher Eifersüchteleien daher kommen.
Was Stirner betrifft, der eigentlich nur am Rande vorkommt („Ich habe Stirner dosiert eingesetzt“, heißt es da im Nachwort, S. 246, und erscheint sowieso erst ab S. 114) und dann noch in einer Art und Weise, die eher am verquasten Gedankengebäude eines H.G. Helms** erinnert, stellt das Buch gänzlich Krude Thesen in den Raum, die mit einer „blühenden Phantasie“ irgendwie nicht mehr erklärbar ist: so wird Marie D. einerseits arbeit sie am Manuskript zum „Einzigen“ mit (S.157: „Oft sind seine Sätze so schwierig und zerstückelt, dass ich Stunden brauche, bis ich seine Gedanken in ein einigermaßen verständliches Deutsch bringe.“), auf der anderen Seite entsteht Stirners „Einziger“ – als hätten wir es alle nicht schon längst geahnt – im Alkohol-Delirium. Stirner, „der in immer kürzeren Abständen einen kräftigen Schluck zu nehmen pflegt [...] trinkt pro Tag ein bis zwei Flaschen [Korn] leer.
Aber in ihren fiktiven Briefen findet dann das Großereignis, das Erscheinen des „Einzigen“, mit keinem Wort mehr statt.
Der Hauptplott dieses Romans ist jedoch die Geschichte dreier junger Leute (Die Hauptaktrice Ambra, samt zweier Freunde), die am Abendgymnasium um ihr Abitur kämpfen, wobei ein Nazi-Geschichtslehrer mit gezielten Fragen aus Hitlers „Mein Kampf“, die Schüler quält, und ihnen die Zensuren vermasselt.
Die junge Frau meint sich zu „emanzipiert“ in dem sie mit drei (dahergelaufenen, bzw. gerade erreichbaren) Männer Sex hat. Der Einzige stabile in der Gruppe bringt sich letztlich selbst um, und der labile labilt so weiter vor sich hin wie bisher. Und, der sich „emanzipierenden“ jungen Frau ist mit den drei Schlusssätzen eine herrlich-schimmernde Zukunft mit offenem Happy End ins Stammbuch geschrieben, welches schon wieder derart abrupt daherkommt, dass die Glaubwürdigkeit keinerlei Chance erhält: Mit der Veröffentlichung jener „Briefe der Marie Dähnhardt“ in Frankreich gelingt ihr der Sprung in die Bestsellerlisten, einen Teil der Einnahmen spendet sie dem Stirner-Archiv (selbstredend), und mit dem Rest macht sie sich ein glückliches Leben als Schriftstellerin in Berlin. Klasse! ...und wenn sie nicht gestorben sind, dann Leben sie noch heute.
Ich bezweifle langsam, dass ich irgendeine Ahnung von Literatur habe, dass unter „Emanzipation“ ich eine derart andere Vorstellung habe wie die Autorin, dass bei soviel romantischer Verklärung menschlicher Beziehungen, das Buch einen wohl eher „rührt“ anstatt zu „schütteln“.
Nun, zum Glück hat das Jahr 2006 noch nicht angefangen, und die Chance doch noch einen – wie immer gearteten – lohnenswerten Beitrag zum Stirner-Jahr zu lesen ist ja noch irgendwie drin. Hoffentlich.

* Hans G. Helms; Die Ideologie der anonymen Gesellschaft. Köln 1966. Hier prangt programmatisch bereits auf der Umschlagseite die Richtung in der der Marxist Helms Stirner zu interpretieren versucht: „Stirner proklamierte den ‚Einzigen und sein Eigentum’ genau hundert Jahre, bevor Goebbels die Einzigartigen befragt: „Wollt Ihr den totalen Krieg?““
Helms, der ein sehr gestörtes Verhältnis zu Stirner hat, reagiert sehr ambivalent: auf der einen Seite denunziert er ihn als Kleinbürger, der dem Faschismus den Weg ebnet, und auf der anderen Seite liefert er in seinem Buch eine knapp hundertseitige (!) Bibliographie, die derartig pedantisch ist, wie sie wohl kaum von einem Stirnerianer zustande gebracht worden wäre. Letztlich aber hat Helms mit seinem unsäglichen Buch dazu beigetragen, dass Stirner wieder aufgelegt und gelesen worden ist. Danke.

Karl-Heinz Schreiber
In: KULT (22/05) –YSSN 0944-2162 – 11. Jahrgang
EINE STIRNER-HOMMAGE

Die Autorin (Jg. 1962) ist passionierte Stirner­Forscherin & legt diesen Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag vor. Scholz charakterisiert in ihrem Nachwort kurz Stirners Persönlichkeit & bedauert, daß dieser konse­quente Religionskritiker, Nihilist & Anarchist aus der Philo­sophiegeschichte so gut wie gestrichen wurde. Stirner wendet sich konsequent gegen den Idealismus & stellt den einzelnen in seiner endlichen Existenz in den Mittelpunkt. Das Hauptwerk ‘Der Einzige und sein Eigentum‘ (1844) hat eine politische & philosophische Aussage für den “Egoisten“, der jeglichen “Gespensterglauben“ ablehnt.
Zum vorliegenden Buch heißt es: “In diesem Roman entsteht aus dem Neben- und Ineinander von Biographie und philosophischen Erörterungen ein sensibles Porträt von Max Stirner und seiner Ehefrau Marie Dähnhardt.“ Letztere ist für Scholz die eigentlich interessantere Figur, weil sie wohl eine der ersten bewußt ihre Emanzipation betreibende Frau im 19. Jahrhundert war. Um den historischen Teil ihrer Erinnerungen bzw. Briefe ist “eine Geschichte gesponnen, die heute spielt und natürlich mit Stirner zu tun hat“ (vgl. Nachwort).
Rein äußerlich geht es um Folgendes: “Der Stirner­Forscher Robert Weigert lebt als arbeitsloser Philosoph in Berlin und verdient seinen Lebensunterhalt als Filmvorfüh­rer in einem drittklassigen Kreuzberger Programmkino. Ambra Brückner möchte das Abitur am Gadebuscher Abendgymnasium nachholen und stößt eines Tages auf ein Bündel verstaubter Briefe aus der Feder von Stirners Ehefrau Marie Dähnhardt, woraufhin sich Ambras und Ro­berts Lebenswege kreuzen“ (vgl. Nachwort).
Die Briefe der Dähnhardt wirken eigentlich recht mädchenhaft-sentimental - um nicht zu sagen eher schon kitschig & dem Niveau Stirners überhaupt nicht entsprechend. So könnte man fragen, wie die beiden -Max & Marie - überhaupt zusammenkommen konnten. Oh, das Leben spielt absurde Kapriolen! Gemäß seinem philosophischen Idol erfahren wir von Weigert:
“Ich wollte damals frei sein von Ideen, Idealen, Moralvorstellungen und der falschen Hoffnung auf ein sinnerfülltes Leben.“ Ambra hält ihm entgegen: “Ist es be­friedigend, als Ich zu existieren, das weltlos geworden ist, da es außer ihm selbst keine weitere Gewißheit mehr gibt?“ In diesem Schlüsseldialog (5. 113- 122) im Kapitel ‘Über die Leidenschaft‘ wird Stirners Vorstellung auf den Punkt gebracht: “Der Einzige ... ist durch feste Kategorien nicht zu erfassen. Er schafft sich ständig neu. Sein Leben ist Kunst, Kreativität. Nie bleibt er so, wie er war.“ 
Interessant ist auch Ambras These, daß die (berühmte mit Gardinenringen besiegelte) Ehe Stirners mit Maria Dähnhardt nicht an seinen Ideen gescheitert sei, sondern am mangelnden Sex: “Sex ist das Hauptmotiv aller Kreativität. Hätten sie mehr miteinander geschlafen, hätte er sicher noch weitere wichtige Werke geschrieben.“ Die Parallelität des Scheiterns einer konstanten Beziehung zwischen männlichen Intellektuellen & weiblichen Lustemanzen wird auf beiden Zeitebenen recht anschaulich vorgeführt. Es ist Sabine Scholz hiermit ein Buch gelungen, das auf mehreren Ebenen funktioniert & sowohl zum Grübeln als auch zum Ausleben der Lust anregt. Und auf jeden Fall sehr neugierig auf Max Stirner sowie das Max-Stirner-Archiv macht. 

Nordbayerische Nachrichten, 26.10.2005
Ambitionierte Schriftsteller zu Gast
Der Autorenverband Franken stellte neue Literaten aus der Region in der Pfalz vor
Auch Sabine Scholz, "aus Turin, ziemlich weit südlich in Franken", die als Lektorin für Deutsch arbeitet, blieb der Veranstaltung auf Grund wichtiger Verpflichtungen fern.
Die gebürtige Nürnbergerin, die sich besonders des fränkischen Philosophen Max Stirner (1806-1856) angenommen hat, veröffentlichte vor kurzem den Roman "Die Sonne hat keinen Eigentümer". Darin setzt Scholz dem vergessenen Rebellen der Geistesgeschichte und Kirchenkritiker ein Denkmal. Ihren Text las Beate Rosner vor. In der Hochzeitsszene zwischen Max Stirner und Marie Dähnhardt wird offenbar, dass beide nicht aus Liebe heiraten, sondern um gemeinsam das denkerische Werk des Mannes voranzutreiben - im Sinne einer Symbiose, also zu gegenseitigem Nutzen. Die Gefühlskälte des Philosophen wird ebenso vor Augen geführt wie die zerstörten Illusionen der Braut, die den Versuch, Max Stirner zu verändern, aufgegeben hat. Der anspruchsvolle Roman überzeugt durch sensible Dialoge und ein tiefes Verständnis für einen Menschen, der nur für sein Werk lebte.

Der neue Wiesentbote: 05. November 2005
Debütanten und junges Blut im Autorenverband Franken
Es folgte die gebürtige Fränkin Sabine Scholz, die ebenfalls erst 2005 dem AVF beitrat. Die Wahlturinerin konnte selbst nicht anwesend sein und so las Beate Rosner aus deren neuen Roman "Die Sonne hat keinen Eigentümer". Scholz, seit langem Mitarbeiterin am Max-Stirner-Institut, schrieb den Roman anlässlich des 200. Geburtstages von Max Stirner, "einem erbarmungslosen Religionskritiker und Nihilisten, der in der Philosophiegeschichte zu Unrecht einen Randpunkt einnimmt", wie der durch das Programm führende AVF Vorsitzende Peter Rosner erklärte. Auf heitere Weise hörte das Publikum dann von fiktiven Hochzeitserlebnissen und wie gekonnt Scholz historische Quellen mit einer modernen Handlung zu einem Porträt Stirners verwob.

Weitere Rezensionen von "Die Sonne hat keinen Eigentümer":

Schnipsel-Literaturmagazin

Buchvorstellung.de

Elisa Leonzio
„Titanische“ Persönlichkeiten und der gnadenlose Selbstgenuss
Sabine Scholz hat einen Roman vorgelegt, der von Max Stirner inspiriert ist
In: Der Einzige, hrsg. von Kurt W. Fleming, Verlag Max-Stirner-Archiv, Leipzig, Heft 32, 2005
Philosophische Überlegungen, schwierige Liebesgeschichten und historisch-soziale Betrachtungen: das sind die Grundthemen von Sabine Scholz´ Roman Die Sonne hat keinen Eigentümer. Die Handlung des Romans entwickelt sich auf zwei parallelen erzählerischen Ebenen, die chronologisch ( Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und das heutige Deutschland) und stilistisch (Briefroman und Erzählung in der dritten Person) deutlich unterschieden sind, aber dennoch durch eine gemeinsame ideologische Grundlage verbunden sind.
Es gibt zwei Hauptfiguren: Marie Dähnhardt, die Tochter eines Apothekers aus Gadebusch, die 1838, noch sehr jung, ihr Zuhause verlässt, um sich nach Berlin zu begeben, wo sie den Philosophen Max Stirner heiraten wird, und Ambra Brückner, die Tochter eines Kleinindustriellen aus dem Westen, der nach dem Fall der Mauer im Osten sein Glück gesucht hat, indem er sich ausgerechnet in Gadebusch, Marie Dähnhardts Geburtsstadt, niedergelassen hat.
Ambra findet zufällig eine Reihe von Briefen, die Marie nach ihrer Flucht nach Berlin an ihre Cousine Fanny geschickt hatte; Marie wird für sie zum Vorbild, so dass Ambra sich auf den Spuren Maries nach Berlin begibt, wo sie sich mit Robert Weigert, einem arbeitslosen Philosophen, Stirnerforscher und Gründer eines Stirner-Archivs (eine Figur, mit der die Autorin vielleicht auf ihren Verleger und Freund Kurt Fleming anspielt) befreundet und sich schließlich in ihn verliebt.
Maries Briefe, die an mehreren Punkten in den Text integriert sind, um Ambras Geschichte zu unterbrechen, erweisen sich als Spiegel, in dem Ambra ihr eigenes Leben reflektiert sieht und sich der Unterdrückung bewusst wird, deren Opfer sie ist.
Eine Situation, die sie vor ihrer „Begegnung“ mit Marie nie erkannt hatte, höchstens als Vorahnung und unbestimmten Wunsch, dass in ihrem Leben eine Veränderung geschieht (aber welche? Eine neue Liebesbeziehung, eine neue Stadt?), als Streben nach Flucht, das sich in Ambras Liebe zur Schriftstellerei und dem nicht geäußerten Wunsch, Schriftstellerin zu werden, konkretisiert.
In der Rebellion von Marie, die eine von ihrer Mutter geplante Ehe verweigert und flieht, wobei sie allen Regeln des Bürgertums, dem sie angehört, trotzt, findet Ambra den richtigen Anstoß, ihrerseits ihrer Welt zu trotzen, eine Welt, die, scheint uns Sabine Scholz zu sagen, von derselben Moral regiert wird, die Maries und Max Stirners Zeit beherrschte: eine erstickende und provinzielle Moral, die den Menschen in jedem seiner Versuche nach Emanzipation lähmt. Heute wie damals sind es vor allem die Frauen, die unterdrückt werden. Marie ist das Opfer der heuchlerischen Anständigkeit ihres Onkels so wie Ambra das Opfer des Frauenhasses eines neonazistischen Lehrers ist, der die Frauen für unfähig hält, kritische Gedanken zu hegen, und letztlich glaubt, dass sie ungeeignet für jegliche Art von rationaler Tätigkeit sind.
Die Autorin liefert auf diese Weise dem Leser ein erbarmungsloses Bild des heutigen Deutschlands, das ohne Unterlass die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen scheint; ein Land, in dem wer anders ist, notwendigerweise (viele Figuren dieses Romans leiden an einem starken Gefühl der Lebensunfähigkeit und manchmal sogar an richtigen Depressionen) oder aus eigener Entscheidung heraus (die Rebellen aus Berufung: Marie, Ambra oder Max Stirner) dazu bestimmt ist, unglücklich zu sein oder sich selbst zu zerstören im Namen einer bürgerlichen Vernunft, die, indem sie das innere Leiden der Menschen mit Hilfe eines (scheinbaren) äußerlichen Wohlstands verdeckt, glaubt das Leiden selbst überwunden zu haben, wo es in Wahrheit durch die Unmöglichkeit freien Ausdruck zu finden, verschärft worden ist.
Noch einige Überlegungen: Der Roman möchte an Max Stirner erinnern, dessen 200. Geburtstag im Jahr 2006 begangen wird. Der anarchistische und nihilistische Philosoph Stirner wird von der gegenwärtigen deutschen Essayistik größtenteils vernachlässigt, während sein Werk im Ausland paradoxerweise mehr Erfolg auszuweisen hat. Deutschland ist beim Versuch, sowohl den ökonomischen als auch vor allem den kulturellen Bruch zwischen seinen beiden Teilen wieder zu kitten, auf der Suche nach neuen Werten, die es ermöglichen, eine einheitliche Identität zu konstruieren, und bei solch einer Suche hat es Mühe, die spekulative Bedeutung eines Autors anzuerkennen, der, wie Max Stirner, jeden abstrakten und universellen Wert eliminieren wollte, um ihn durch die Zentralität des einzelnen Individuums zu ersetzen. Vielleicht fühlt das heutige Deutschland das Bedürfnis nach einer Uniformität der Werte und Ziele und flieht deshalb vor starken und rebellischen Individuen, für die Stirner als Modell dienen kann. Sabine Scholz schlägt mit ihrem Werk vor, eine solche Tendenz umzukehren; dennoch scheint im Roman selbst, als Maries Briefe dank Ambra veröffentlicht werden, aber nicht in Deutschland, sondern in Frankreich, das Eingeständnis vorzuherrschen, dass „titanische“ Persönlichkeiten, als die sich auf ihre Weise Marie Dähnhardt und Max Stirner entpuppen, für Deutschland viel zu früh aufgetreten sind, ebenso wie der „tolle Mensch“ der Fröhlichen Wissenschaft Nietzsches, da sie als unerwünschte Gäste angesehen werden in einem Land, das sie nicht aufnehmen kann oder will.
In diesem Sinne ist es zumindest problematisch bei Ambra fast von einem Happy-End zu sprechen, wie es dagegen Bernd Zachow in den „Nürnberger Nachrichten“ vom 9. August 2005 getan hat: Es ist zwar wahr, dass Ambra am Ende des Romans ihre eigene finanzielle und intellektuelle Unabhängigkeit zu finden scheint, aber es muss genauso anerkannt werden, dass ihr Sieg bitter ist, gezeichnet durch das Unverständnis in ihrer Heimat und durch die Trauer wegen des Selbstmords eines lieben Freundes, der zum Opfer desselben Unverständnisses wurde.

Raimund Samson
„Die Sonne hat keinen Eigentümer“ von Sabine Scholz
In: espero, 12. Jahrgang, Nr. 45, Oktober 2005

Im „Max-Stirner-Archiv Leipzig“ erschien ein knapp 250 Seiten umfassender „Roman zu Max Stirners 200. Geburtstag“ (Untertitel). Stirner, * 25.10.1806, „Links-Hegelianer“ und u. a. von Ludwig Feuerbach stark beeinflusst, veröffentlichte 1845 sein legendäres, bis heute umstrit-tenes Hauptwerk „Der Einzige und sein Eigentum“. Er gilt mit dem Buch, das konsequent und auf höchstem gedanklichen Niveau einen radikalen Individualismus vertritt, als Begründer des „Individual-Anarchismus“. Von Stirner (Pseudonym für Kaspar Schmidt), der 1856 in Berlin starb, gibt es kein Foto und nur eine flüchtige Zeichnung, über sein Leben ist wenig bekannt. Ein Buch zu schreiben, das dem Mann gerecht wird, ist also mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Leider thematisiert die Autorin dieses Problem nicht, sondern kolportiert äußerst polemisch auf dem Niveau eines frei fabulierenden Feminismus. Sie behauptet im Nachwort „Das einzig Interessante an Stirners Leben war seine gescheiterte Ehe mit Marie Dähnhardt“. Woher weiß Sabine Scholz dies? Kommt sie zu dem Schluß, weil es keine Tagebuchaufzeichnungen oder andere private Notizen Stirners gibt?
Eine der Hauptfiguren des Romans ist Ambra, eine junge Frau, die „nach Berlin kam, um Schriftstellerin zu werden“ (S. 5). Bei einem Freund findet sie ein Bündel vergilbter Briefe, die von Marie Dähnhardt stammen. Diese Frau lebte tatsächlich, war ein paar Jahre mit Stirner verheiratet – ihr widmete der Philosoph einst sein berühmtes Buch. Nur: Über diese Frau ist noch weniger bekannt als über Stirner. Die Briefe sind die Erfindung der Autorin und sie benutzt sie, um die Frau, angeblich eine „der ersten emanzipierten Frauen in Deutschland“ (S. 236) in einem denkbar sympathischen Licht zu zeigen; nach meinem Geschmack äußerst sentimental und kitschig. So etwas passiert, wenn eine ins Schwärmen kommt. Es mangelt Frau Scholz nicht an Phantasie, und so nutzt sie die von ihr erfundenen Briefe, um ein bekanntes Klischee zu bedienen: Die Frau als Opfer des schriftstellernden Mannes. Die Autorin verbreitet nicht nur das Gerücht, Stirner sei als Mann ein Langeweiler und Versager gewesen, sondern behauptet auch, seine Ehefrau habe ihr gesamtes Vermögen aufgebraucht, um eine Milchwirtschaft aufzubauen. Die Sache ging fürchterlich schief, aber angeblich war die Dähnhardt clever genug, um ihren Mann mit einem jungen Kerl zu betrügen. Wie schlimm manche Schriftsteller sind, versucht sie auch am Beispiel Max Frisch und Ingeborg Bachmann aufzuzeigen. „Max Frisch, ihr Lebenspartner, hatte ihre Kreativität durch seine Egozentrik zerstört. Seine Romane waren ihm wichtiger als ihre. Die Bachmann starb verschiedene Todesarten, d.h. die Männer vernichteten ihr Ich… (S. 58). 28 Seiten später –zuvor wurde mit ein paar Sätzen die Geschichte der Sylvia Plath abgehandelt: „Ihr Mann hat sie systematisch zerstört …“ (S. 77)- setzt sie den Invektiven gegen Frisch noch eins drauf: „Dieser Schriftsteller hatte ein Verhältnis mit seiner Tochter gehabt“. Leider findet sich kein Beweis, nicht mal eine Quellenangabe für diese Behauptung. Spätestens hier wird das Niveau von Deutschlands bekanntester Tageszeitung erreicht.
„Die Sonne hat keinen Eigentümer“ ist ein Trivial-Roman, in dem auf abenteuerlichste Weise Dichtung und Wahrheit, Erfindung und Denunziation, Schwarz-Weiß-Muster und romantisierende Zustandsbeschreibungen durcheinanderwirbeln. Und das ausgerechnet anlässlich eines Mannes, der einst ein wichtiges erkenntnistheoretisches Werk schrieben. Seltsam berührt mich die dem Buch vorangestellte Floskel „Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt“, denn im Nachwort lese ich von derselben Autorin: „Diese überaus fruchtbare Freundschaft mit Kurt W. Fleming (dem Inhaber des Verlages, in dem das Buch erschien – Erg. des Rezensenten) und viele andere Hinweise auf real existierende Personen haben Eingang gefunden in den Roman…“ Was denn nun? Hier widerspricht Frau Scholz m.E. diametral ihrer eigenen an den Anfang gestellten These. Auch folgende Behauptung kann ich nicht nachvollziehen: „Inspiriert vom Leben Max Stirners erzählt dieser Roman auf heitere Weise von gescheiterten Philosophen…“ (S. 245). Ich finde den Roman nicht heiter erzählt, sondern frei zusammenfabuliert und durchsetzt von teilweise bösartigen Unterstellungen. Ich sehe in Stirner auch nicht einen „gescheiterten Philosophen“ – und ob andere Philosophen, die in dem Werk vorkommen (z.B. Herr Fleming, unter anderem Namen), als „gescheitert“ zu betrachten sind, mag ich nicht beurteilen. Nach welchen Kriterien wäre dies überhaupt möglich? Auch der Selbsteinschätzung der Autorin, mit dem Roman „ein sensibles Porträt von Max Stirner und seiner Ehefrau…“ zu liefern, mag ich nicht zustimmen.
Fazit: Hätte die Autorin nicht bloß „14 Jahre an dem Roman geschrieben“ (S. 245), sondern noch ein paar Wochen oder Monate drangehängt, wären ihr vielleicht einige krasse Wider-sprüche bzw. Fehleinschätzungen aufgefallen, aber auch das „X“ zuviel in „Papst Pius XXII“ (S.78), der „nichts gegen Hitler unternommen hatte“. Oder ein stilistischer Fauxpas wie „die Musik brodelte wie Metall.“ (S. 46)
Verlag Max-Stirner-Archiv, Kurt W. Fleming, Nonnenstr. 32, 04229Leipzig isbn 3-933287-58-8 12 € 90

Replik auf die Verrisse des Romans „Die Sonne hat keinen Eigentümer“ von Jochen Knoblauch und Raimund Samson
Wo steht geschrieben, dass ein biographischer ROMAN unbedingt in allen Teilen historisch korrekt sein muss? Abgesehen von der Political Correctness natürlich. Er soll ja in erster Linie den Leser unterhalten. Wenn der historische Fakten erfahren will, dann sollte er zu einem Geschichtsbuch oder einer historischen Abhandlung greifen. Da findet er, was er sucht. Der Leser eines Romans möchte Einfühlung in die geschilderten Personen, keine langweiligen Abschriften aus irgendwelchen Biographien, die er eventuell ja schon kennt. Ich bin der Meinung, dass die von Knoblauch und Samson bemängelten Schwächen meines Romans eigentlich Stärken sind.
Wie der Leser sehr leicht feststellen kann, gehöre ich nicht zu den Anhängern des Stirner-Heiligen-Kults, obwohl ich mich seit vielen Jahren für diesen vergessenen Denker einsetze. Ich glaube, dass Stirner in seinem Werk einige sehr interessante Thesen vertreten hat, die den Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit führen können. Das ist ja die eigentliche Aufgabe der Philosophie. Natürlich hat Stirner auch viel Unsinn behauptet, den ich auf gar keinen Fall unterschreiben würde. Dennoch bin ich Stirner freundlich gesinnt, obwohl mir das Gegenteil unterstellt wird. Philosophie ist für mich ein Prozess, kein Vertreten eines Standpunktes. Zum Erkennen der Dinge, die ich noch nicht weiß, führt der Weg des Infragestellens. Es ist ja nicht meine Schuld, dass Stirner in seinem Privatleben so ein Langweiler war. Ein Romanautor kann aus einer Schnarchnase eben keinen Tausendsassa machen. Wenn Stirners Privatleben spektakulär gewesen wäre – neben der skandalösen Verheiratung mit Marie Dähnhardt – dann gäbe es darüber sicher Überlieferungen. Er ist ja beim Philosophieren nicht einmal in einen Brunnen gefallen. Da muss man als Autor einfach was dazu erfinden. Und wenn Marie am Ende ihres Lebens behauptet, dass sie Stirner je weder geliebt noch geachtet habe, dann muss er ihr schon was Schlimmes angetan haben. Jedenfalls bin ich dieser Ansicht und habe mir in meinem Roman entsprechende Gedanken darüber gemacht. Der historische Teil des Romans ist bewusst romantisch, ja kitschig geschrieben, wie meine Kritiker richtig festgestellt haben. Auch das Etikett „Trivialroman“ lasse ich mir gefallen, das Leben ist ja meistens trivial und jeder Atemzug wehrt den beständig eindringenden Tod ab. Dass ich mich als Frau mehr zu Marie Dähnhardt hingezogen fühle, sollte man mir nicht übel nehmen. Als eingefleischte Feministin habe ich diese Figur nur ein wenig aufgeblasen, wie man eine Seifenblase so lange aufbläst mit der festen Gewissheit, dass sie platzen wird. Vielleicht schreibt ja demnächst mal ein Mann „den“ Stirner-Roman, der diesem herausragenden Philosophen gerecht wird. Ich würde ihn gerne lesen. Was das vorangestellte Zitat betrifft, so musste ich mich rechtlich absichern, da nicht alle Figuren, die im Buch vorkommen, damit einverstanden sind zu Literatur verarbeitet worden zu sein. Philosophen scheitern immer im normalen Leben, das ist für mich eine Art Kompliment, denn wenn Menschen von seltenen Geistesgaben dazu genötigt werden zu einem bloß nützlichen Geschäft wie dem Geldverdienen, dann gleicht das einer schönen Vase, die als Kochtopf verbraucht wird. Im Grunde sind wir doch alle nur Schachfiguren, die durch tausend Fäden des Wollens hin und hergerissen werden. Ich hoffe, dass ich meine geneigten Leser nicht allzu sehr aufgeregt habe mit meiner individualistischen Stirnerinterpretation und wünsche ihnen, dass sie jeden Tag und jede Stunde sie selbst sein können!
Sabine Scholz

Nürnberger Nachrichten: Kultur Regional, 9.8.2005
Gedankenvoller Sonderling. Sabine Scholz hat einen Roman über Max Stirner verfasst
Von Bernd Zachow

Johann Caspar Schmidt, geboren 1806 in Bayreuth, gestorben nicht ganz fünfzig Jahre später in Berlin, war eine widerspruchsvolle Persönlichkeit: ein philosophierender Schriftsteller, der alles Bücherwissen verachtete, ein „Anarchist“ auf der Suche nach Sicherheit von Heim und Herd. Seinen bescheidenen Nachruhm verdankt er seinem Hauptwerk „Der Einzige und sein Eigentum“, das er unter dem Pseudonym „Max Stirner“ veröffentlicht hat.
Durch die mehrmalige (!) Lektüre dieses allemal schwer verdaulichen Buches ist auch die aus Nürnberg stammende und seit Jahren in Turin lebende Autorin Sabine Scholz auf Stirner aufmerksam geworden. Anders als anderen Lesern imponierten ihr die grenzenlose Ignoranz und die Selbstbezogenheit des „Einzigen“. Rechtzeitig zu dessen 200. Geburtstag im kommenden Jahr präsentiert sie jetzt einen kleinen Roman, in dem Stirner zumindest indirekt die Hauptrolle spielt.
Kein leichtes Unterfangen, denn objektiv betrachtet verlief das Leben des tatenarmen und gedankenvollen Sonderlings fast ohne äußere Höhepunkte. Die in jeder Hinsicht aufregendste Zeit hatte er wohl während seiner Ehe mit Marie Dähnhardt, einer eigenwilligen, selbstbewussten Bürgertochter aus einer mecklenburger Kleinstadt bei Schwerin. Ein Bündel verstaubter Briefe, in denen Marie einer Kusine das Fiasko ihrer Verbindung mit Stirner in allen grotesken und deprimierenden Einzelheiten schildert, bildet denn auch den Ausgangspunkt der von Sabine Scholz erfundenen Geschichte. Um diesen sorgfältig recherchierten historischen Kern herum arrangiert die Autorin eine Rahmenhandlung, die belegt, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse im heutigen Deutschland denen im 19. Jahrhundert nach wie vor sehr ähnlich sind. Was wiederum folgerichtig erscheinen lässt, wenn gerade hier zu Lande manche jungen Leute auch heute noch ganz und gar dem Typ des Stirnerschen „Empörers“ entsprechen. Ebenso wahr ist allerdings, dass deren individualistisches, nur emotional begründetes Rebellentum in der Regel in eine Sackgasse führt. Die jugendlichen Empörer enden wie Stirner, der seinen Weg konsequent bis ins völlige Abseits gegangen ist, oder wie Marie Dähnhardt, die sich im Alter reumütig auf ihre spießbürgerlichen Wurzeln besonnen hat.
Ganz so trostlos wollte Sabine Scholz die Geschichte ihrer zeitgenössischen Helden nun doch nicht ausgehen lassen. Fast ein Happy-End gönnt sie zum Beispiel „Ambra“, einer jungen Frau, die offenbar als eine Art verbesserte Reinkarnation von Marie Dähnhardt gedacht ist. Jener Ambra gelingt es, sich eine bescheidene materielle sowie eine beachtliche geistige Unabhängigkeit im Berliner Literaturbetrieb zu sichern. Eine Konstante in ihrem wild bewegten Leben ist ihre freundschaftlich-kollegiale Verbindung mit dem Leiter des „Max-Stirner-Archivs“ in Leipzig.

Gadebusch-Rehnaer Zeitung, 9. August 2005
Auf den Spuren einer Rebellin
Schüler erforschte für eine Turiner Autorin das Leben einer Gadebuscher Apothekerstochter
Gadebusch • Turiner Autorin trifft mecklenburgischen Gymnasiasten – sie reden über eine rebellische Frau aus Gadebusch, die Männern den Kopf verdrehte und die nun in dem Buch "Die Sonne hat keinen Eigentümer" verewigt ist.
Genau 14 Jahre lang schrieb die Turiner Autorin Sabine Scholz an dem Buch "Die Sonne hat keinen Eigentümer". Nun ist es fertig, und auf 248 Seiten erfahren Leser mehr von gescheiterten Philosophen, eigenwilligen Liebesgeschichten und Familienkatastrophen zwischen 1838 und heute.
Mit ihrem Roman will Sabine Scholz den Philosophen Max Stirner aus der Versenkung holen. Er wäre am 25. Oktober nächsten Jahres 200 Jahre alt geworden – doch kaum jemand kennt diesen Mann, der einst eine Frau aus Gadebusch an seiner Seite hatte: die Apothekerstochter Marie Dähnhardt.
Sie war im Alter von 20 Jahren gegen den Willen ihrer Eltern nach Berlin gegangen und verkehrte dort in Debattierclubs sozialistischer Autoren und Schriftsteller. So wollte sie sich ihr Recht auf Bildung verwirklichen, sagt Scholz. "Ohnehin war Marie Dähnhardt eine rebellische Persönlichkeit. Sie trug Männerkleidung, rauchte Zigarre und wurde sogar mit Männern in Bordellen gesehen. Die Ehe mit Stirner dauerte drei Jahre", berichtet Scholz.
Die Quellen, auf die sich die Autorin beruft, hat der Gymnasiast Robin Becker in mühevoller Recherche in Archiven in Gadebusch und Schwerin zusammengetragen. "Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wie viel Stunden ich dafür investierte", sagt der 17-Jährige. Er schuf eine Arbeit, mit der er die Geschichtsprüfung Klasse10 meisterte und für die er Lob vom Buchverleger Kurt Fleming erhielt: "Robin leistete eine exzellente Arbeit, wie ein Wissenschaftler. Er geht in die Annalen der Max-Stirner-Forschung ein." Denn die Ergebnisse von Robin Beckers Recherchen sollen u. a. in der Zeitschrift "Der Einzige" des Max-Stirner-Archivs Leipzig veröffentlicht werden. Diese Vierteljahresschrift erscheint in 14 EU-Ländern.
Robins Mitschüler dürften spätestens jetzt beeindruckt sein. Sie hatten Robin damals belächelt und von einem blöden Arbeitsthema gesprochen. Sie konnte aber auch nicht ahnen, was für eine Frau sich hinter dem Namen Dähnhardt verbirgt: Eine Blondine, hinter der so mancher Mann her war und von der es bis heute offenbar kein Bild gibt. Michael Schmidt

Leipziger Volkszeitung, 2.8.2005
Flapsige Lesarten
Politisch-philosophisch sind auch die anderen Lesebeiträge der jüngsten Ausgabe des Durstigen Pegasus. Die in Italien lebende Philologin, Lehrerin und Autorin Sabine Scholz stellte ihren Roman über das Leben und Wirken des Philosphen Max Stirner vor. In ihrer Schulzeit schrieb ihr die Deutschlehrerin den Spruch "Ich will, was ich soll" ins Poesiealbum. Vor 16 Jahren entdeckte sie Stirner und seine Lehre vom positiven Egoismus und erkannte mit ihm, dass das Gegenteil des Spruches mehr ihrer Wahrheit entspricht.
Sie wurde, als einzige Frau, Mitglied der Max-Stirner-Gesellschaft. Für sie ist Stirner "eine Art Psychotherapeut" und ein viel zu wenig beachteter Denker. Doch auch dessen Frau Marie Dähnhardt interessiert sie. Scholz' Beschreibung der skandalösen "Hochzeit", wie sie stattgefunden haben könnte, zeugt von einem klaren Stil mit Unterhaltungswert. Die sogenannte Eheschließung verläuft wenig feierlich und gar nicht romantisch und endet mit Stirners Bemerkung: "Jetzt bist du eine Philosophenfrau und alles, was ich dir geben kann, sind klare Beweisführungen." Janna Kagerer

Kreuzer. Das Leipziger Stadtmagazin, August 2005
Tipp des Monats: Buchpräsentation zu Max Stirners 200. Geburtstag
Zum 200. Geburtstag Max Stirners hat Sabine Scholz einen Roman geschrieben und holt damit den Philosophen aus unverdienter Versenkung. In "Die Sonne hat keinen Eigentümer" trifft der Stirner-Forscher Robert Weigert auf Ambra Brückner, die Briefe von Stirners Ehefrau wieder entdeckt hat. Scholz verwebt die Liebesgeschichte in der Gegenwart mit historischen Quellen zu einem neuen Bild des großen Nihilisten und Anarchisten. Wunderbare Idee!

Jochen Knoblauch: Mitteilungen aus dem Blätterwald
Mitteilung II: Der Stirner-Roman, In: espero, 12. Jahrgang, Nr. 44, Juni 2005
Als einen Beitrag zum „Stirner-Jahr“ 2006 will sich der Roman von Sabine Scholz, „Die Sonne hat keinen Eigentümer“, begreifen. (Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig / ca. 250 S. / 15 Euro / erscheint im August 2005)...
Der Roman wird mit dem Zitat angepriesen: „Respektlos und sentimental: die intime Schilderung einer abgründigen Philosophenliebe.“
Sabine Scholz (Jahrgang 1962) u.a. studierte Philosophin und seit 1990 in Italien ansässig, gehört zu den wenigen Frauen, die sich zu Stirner und seiner Philosophie bekennen. Entsprechend spielt Stirners zweite Ehefrau Marie Dähnhardt für Sabine Scholz eine gewichtige Rolle, wie dieser Roman zeigen soll. Ich bin gespannt auf diesen Roman, und setze meine Hoffnung darauf als eine literarische Arbeit, die so manchen akademischen Blödsinn im „Stirner-Jahr“ 2006 wettmachen könnte.
Informationen und Bestellungen finden sich im Internet unter:
[email protected]
Und am 1. August 2005 findet um 20 Uhr in der Moritzbastei „Volly Tanner“ mit der Autorin eine Buchpräsentation statt.
Toi, toi, toi.

 

 

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