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Sabine Scholz
Studienzeit mit Pannen
Verlag Max-Stirner-Archiv
Leipzig 2001
ISBN 3-933287-32-4
107 Seiten
EUR 8.00
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Die Geschichten von Sabine Scholz wurden 1990 geschrieben und besitzen nun die nötige Reife. Man könnte die besondere Schreibweise von Sabine Scholz als «implodierendes Schreiben» bezeichnen. Sie ist nach innen gerichtet: Die Sätze fallen zusammen, implodieren, der Plot ist oft nur ein ambivalentes Gefühl. Diese Schreibtechnik löst Spannung nicht auf, sondern gibt sie einfach zur Verwendung weiter, ohne zu werten, das ist durchgängig in den kleinen Geschichten. Sabine Scholz hat das Auge für die kleinen aber feinen zwischenmenschlichen Details, und kann es auch noch formulieren. Aber vor allem ist es eine neue Art zu schreiben!
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Karl-Heinz
Schreiber über "Studienzeit
mit Pannen"
AMÜSANT LIBIDINÖS
PHILOSOPHISCH
Das eigentlich Spannende ist womöglich, wie sich die Lektüre der
Protagonistin von Kants ´Kritik der reinen Vernunft´ an der
banalen Realität reibt & spiegelt. Die Libido galoppiert ein
wenig, es werden kritische Anmerkungen zu diversen Konventionen getätigt.
Zwischen den großen philosophischen Problemstellungen & der
nervstrapazierenden Alltäglichkeit stellt sich dann die Frage:
„Wie sollte ich die großen Probleme lösen, wenn ich nicht
einmal ein kleines privates Glück besaß, wo alles nach meinen Wünschen
lief, wo ich Ruhe und Kraft für die großen Aufgaben finden
konnte?“ Es geht also um das Studium des Lebens & der
Philosophie & der Beziehungsvarianten. Ein durchaus amüsant
geschriebenes Buch für Leute, die mit ihrer Emotion & mit ihrem
Intellekt gleichermaßen selbstironisch umgehen können.
KHS
aus:
KULT (16/02) – Magazyn fyr Netzwerk-Poesy – YSSN
0944-2162 – 8. Jahrgang, S. 54
Hartmuth Malorny
über "Studienzeit mit Pannen"
Social-Beat
Dortmund, Dezember 2001
Und ohne ins Detail zu gehen legt die Autorin empfindliche Stellen frei, scheinbar amoralisch, immer zwanglos, und es sind vermutlich sezierte Stücke ihrer Biographie, weil man solche Sätze nur schreiben kann, wenn man sie gelebt hat. Ort und Zeit bleiben deshalb nebulös im Hintergrund.
Insgesamt ist das 105-Seiten fassende Erstlingswerk von Sabine Scholz empfehlenswert und die Zeit beim Lesen vergeht, "als ob sie jemand in Reagenzgläser füllt."
André
Schwarz: Therapie dringend erwünscht
Sabine Scholz
merkwürdiger Erstling "Studienzeit mit Pannen"
literaturkritik.de
Marburg, März 2002
Wirr
wie die Beziehungen der Figuren ist das gesamte Buch, planlos
zusammengestellte Episoden aus einen ziemlich kaputten Leben, das
Ganze noch in einem profanen Stil. "Abends kam Erich. Er war 12
Jahre älter und sehr behaart" - schön, aber "Humor
pur", wie uns die Verlagswerbung weismachen will?
Thomas Schweisthal über"Studienzeit mit Pannen"
PO
EM PRESS Verlag
Regensburg, Dezember 2001
Selten in den letzten Monaten bekam ich ein Buch in die Hand, das ich auf
einen Rutsch las. In Sabine Scholz´ Studienzeit mit Pannen warf ich,
mittags, als es der Postbote brachte, einen kurzen, neugierigen Blick
hinein, las eine einzige Zeile irgendwo in der Mitte des Buches und wußte:
der Abend heute war gerettet.
Werner
Friebel über "Studienzeit mit Pannen"
Schnipsel
Schongau, Februar 2002
Den Verfall und Neubeginn von Beziehungen schildert Sabine Scholz aber in durchaus ambivalenter Selbstreflexion, die den emanzipatorischen Erzählduktus angenehm einfärbt. Detailreich und witzig plaudert sie auch über Alltagsumstände von Studium, Wohnung, Gelderwerb und
Psychoanalyse, wodurch die kleinen Geschichten an Struktur und glaubwürdigem Handlungsrahmen
gewinnen. Wieviel autobiographisch und wieviel fiction ist, steht dabei nicht zur Debatte. Das Lesevergnügen reizt Hirn, Herz und Lachmuskeln - ein mehr als gelungenes Debut der jungen, in Turin lebenden Autorin.
Pino Menzio
über "Studienzeit mit Pannen"
Torino,
Dezember
2001
Wenn sich der
Sarkasmus verstärkt, kommt es zu wilder Komik; wenn er sich jedoch
abmildert, dennoch aber spürbar bleibt, wird der Ton kalt und in
unbestimmter Weise metallisch.
Das passiert in der Mitte des Buches, um das Kapitel Benzol
herum, eines der überzeugendsten: wo der Partnerwechsel oder
Partnertausch, das
gegenseitige Alleinlassen eine kalte Geometrie und innere, ein
bisschen klaustrophile Tragik besitzen.
Stefan Scholz schrieb für das Worzeldorfer Gemeindeblatt Februar
2003
Dieses
Jahr gab's an Weihnachten gar nichts auszusetzen. Außer dass wir
keinen Schnee hatten. Und keinen Christbaum. Und keinen Glühwein.
Und meine Schwester war auch nicht da. Aber wir hatten ja ihr erstes
Buch "Studienzeit mit Pannen", aus dem ich meiner Mutter
feierlich vorlas. Darin plaudert meine Schwester über ihren
Studentenalltag: „Abends kam Erich. Er war 12 Jahre älter als ich
und sehr behaart.“ Wir hätten lieber beim „Oh, du fröhliche“
bleiben sollen! Hoffentlich erfahren unsere Nachbarn nie etwas von
diesem Buch. Ein Christbaum macht ohnehin ein viel besseres
Ambiente.
Leseprobe
aus
"Studienzeit
mit
Pannen"
von
Sabine
Scholz
Bananen
Am
nächsten
Tag
hatte
ich
meine
Philosophieprüfung.
Ich
saß
vor
meinen
Büchern,
konnte
mich
aber
nicht
konzentrieren.
Abends
kam
Erich.
Er
war
12
Jahre
älter
als
ich
und
sehr
behaart.
Er
beschäftigte
sich
in
seinem
Seminar
mit
Platons
«Phaidros».
Er
gab
mir
einen
flüchtigen
Kuss
auf
die
Wange
und
legte
sich
auf
die
Couch.
Dann
bat
er
mich,
ihm
doch
etwas
zu
essen
zu
machen,
da
er
direkt
von
der
Uni
käme.
Er
zündete
sich
eine
Zigarette
an
und
zog
seine
Schuhe
aus,
die
er
seit
Monaten
nicht
geputzt
hatte.
Die
Schnürsenkel
waren
abgerissen,
so
dass
er
sie
nicht
mehr
binden
konnte.
Beim
Gehen
trat
er
auf
die
Überreste.
«Bist
du
schon
aufgeregt
wegen
Morgen?»
Ich
versuchte
ihm
nicht
zu
zeigen,
wie
nervös
ich
war.
«Nicht
besonders.
Es
wird
schon
schief
gehen»,
sagte
ich.
«Bist
du
der
Meinung,
dass,
falls
die
Seele
sterblich
bzw.
unsterblich
ist,
das
jeweils
eine
völlig
verschiedene
Moral
begründen
müsste?»
sagte
Erich
und
biss
in
das
Schinkenbrot,
das
ich
ihm
gemacht
hatte.
«Nein, für mich zählt nur der Humanismus als
Moralprinzip
und
nicht
die
Frage,
ob
es
ein
Leben
nach
dem
Tod
gibt.»
Ich
stand
am
Fenster
und
blickte
in
die
Nacht.
Es
klopfte
an
der
Tür.
Marion
fragte
mich,
ob
ich
ihr
mit
einer
Flasche
Rotwein
aushelfen
könnte.
Während
ich
mit
Marion
in
der
Küche
verschwand,
aß
Erich
zwei
Bananen.
Als
ich
zurückkam,
hatte
er
die
Schalen
auf
den
Teppich
geworfen.
Das
tat
er
nicht
nur
in
fremden
Wohnungen.
Seine
eigene
Wohnung
sah
aus
wie
eine
Müllhalde.
Der
Boden
war
übersät
mit
Papier,
auf
das
er
mit
seiner
Kritzelschrift
Notizen
gemacht
hatte.
Dazwischen
lagen
Bücher
und
Kleidungsstücke.
In
der
Küche,
wo
die
Kaffeemaschine
stand,
erhob
sich
ein
Berg
von
eingetrocknetem
Kaffeepulver.
Erich
hatte
nur
Kaffee
zu
Hause.
Das
war
sein
Glück,
denn
sonst
hätte
sich
bestimmt
längst
einiges
Ungeziefer
bei
ihm
eingenistet.
Zum
Essen
ging
er
ins
Restaurant
oder
zu
mir.
Ich
besuchte
ihn
so
gut
wie
nie.
Einmal
hatte
ich
bei
ihm
sauber
gemacht
–
in
der
Hoffnung,
er
würde
daraufhin
selbst
alles
in
Ordnung
halten.
Doch
das
war
ein
Irrtum.
An
der
Wand
stand
ein
Spruch:
Ordnung
ist
für
die
Dummen
da.
Das
Genie
überblickt
das
Chaos.
«Angenommen,
es
gäbe
so
etwas
wie
die
Auferstehung
des
Körpers
nach
dem
Tod,
welcher
Körper
würde
es
sein?
Der
Körper,
den
man
zum
Zeitpunkt
des
Todes
hatte
oder
ein
jüngerer?»
Erich
legte
sein
Buch
zur
Seite.
«Ich
halte
die
Auferstehung
des
Körpers
für
wenig
wünschenswert,
denn
das
hieße
doch,
dass
auch
die
Krankheiten
und
Mängel
mit
auferstehen
würden.»
Mich schauderte bei dem Gedanken, dass ich mich im Jenseits mit
einem
alten
Körper
begnügen
sollte,
und
das
eine
Ewigkeit
lang.
Erich
waren
die
Augen
zugefallen,
sein
Atem
ging
tief
und
gleichmäßig.
Ich
holte
mein
Tagebuch
hervor.
Am
liebsten
hätte
ich
Erich
hinausgeschmissen,
aber
er
schlief
so
fest.
Ich
musterte
ihn.
Wir
hatten
seit
Monaten
keinen
Sex
mehr
miteinander,
weil
ich
Widerwillen
dagegen
empfand.
Jedes
Mal
wenn
ich
ihm
zu
erklären
versuchte,
dass
er
kein
Partner
für
mich
war,
dass
unsere
Beziehung
nur
rein
freundschaftlich
wäre,
versuchte
er
mich
an
sich
zu
ziehen.
Mit
seiner
groben
Zärtlichkeit
drückte
er
mich
und
wollte
mich
küssen.
Erich
kannte
keine
Leidenschaft.
Er
konnte
lieben
und
mit
einem
Auge
in
ein
Buch
schielen.
Er
war
ein
Mensch,
der
sich
an
jedem
Ort
zu
Hause
fühlte.
Er
arbeitete
sogar
an
Bushaltestellen.
Nichts
konnte
ihn
davon
abhalten,
einen
Stift
herauszuholen
und
seine
wissenschaftlichen
Theorien
aufzuschreiben.
Seine
Doktorarbeit
hatte
er
beim
Griechen
geschrieben
und
dazu
kiloweise
Peperoni
gegessen.
Wenn
wir
im
Sommer
zusammen
ins
Freibad
gingen,
nahm
er
seine
Bücher
mit,
legte
sich
in
die
pralle
Sonne
und
arbeitete
mit
zugekniffenen
Augen
an
der
Vorbereitung
für
sein
Seminar.
Die
Prüfung
am
folgenden
Tag
hatte
ich
ohne
Probleme
bestanden.
Es
klingelte
an
der
Tür.
Erich
war
da.
Ohne
mich
zu
beachten,
stürzte
er
zur
Tür
herein,
warf
seine
Jacke
auf
einen
Stuhl
und
begann,
unruhig
auf
und
ab
zu
gehen.
«Dir
gelingt
es
einfach
nicht,
dich
auf
mich
einzustellen.
Das
ist
unser
Problem»,
warf
er
mir
vor.
«Du
weißt
ja
noch
gar
nicht,
ob
ich
die
Prüfung
bestanden
habe.
Ich
habe
sie
bestanden,
und
zwar
mit
einer
Zwei»,
sagte
ich
und
blickte
ihn
an.
«Das
war
doch
klar!»
Diese
lakonische
Antwort
war
sein
einziger
Kommentar
zu
meinem
neuen
Lebensabschnitt.
Erich
öffnete
den
Kühlschrank
und
nahm
sich
ein
Bier
heraus.
«Du hast dich sehr zu deinem Nachteil entwickelt»,
sagte
er
und
machte
ein
böses
Gesicht.
Seine
Stimme
klang
sehr
männlich.
Ich
mochte
seine
Stimme.
Ich
ging
zur
Tür
und
öffnete
sie.
Erich
verschwand,
ohne
sich
noch
einmal
umzusehen.
Sabine Scholz
Studienzeit mit Pannen
Verlag Max-Stirner-Archiv
Leipzig 2001
ISBN 3-933287-32-4
107 Seiten
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