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    Buch

 

 

Sabine Scholz (Hrsg.)
Internetprojekt Stirner-Forum: 
Resümee eines Jahres 
Begegnungen zwischen Literatur & Philosophie
Verlag Max-Stirner-Archiv 
Leipzig 2001

ISBN 3-933287-41-3 
70 Seiten
EUR 7.67

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Dieser Sammelband bekommt seinen Reiz durch die Nebeneinanderstellung von Philosophie und Literatur.
Hat Philosophie überhaupt etwas mit uns zu tun?
Oder handelt es sich nicht viel mehr um eine verstaubte Disziplin, geeignet nur für versponnene Weltfremde? Ich bin sicher, dass Philosophie immer aktuell sein wird. Sie umhüllt uns in all ihren Variationen,
wir tragen sie statt Hose und Hemd. Sie ist nicht in irgendein Bücherregal gebannt, sondern ist überall um uns herum, auch auf der Arbeit oder im Café und nicht zuletzt im Internet. Nicht umsonst hat sich ja das Stirner-Forum das Motto zu eigen gemacht: Jeder ist ein Philosoph!

Texte von Karl Reichert, Litt Leweir, Kim, Ibrahim Türkdogan, Gerard Gale, Kurt W. Fleming und Sabine Scholz  

 

Thomas Schweisthal über "Resümee eines Jahres" 
PO EM PRESS Verlag 
Regensburg, August 2001

Ja, Begegnungen finden hier statt. "Dieser Sammelband bekommt seinen Reiz durch die Nebeneinanderstellung von Philosophie und Literatur", schreibt Sabine Scholz in ihrem Vorwort. Die Texte der Anthologie, die von Tagebuchaufzeichnungen über Essays bis hin zur "klassischen" Kurzgeschichte" reichen, wurden im Internet als Beiträge zum Stirner-Forum veröffentlicht. Sabine Scholz versteht die Anthologie als Versuch, eine neue Literatur-Sprache zu finden. Dadurch, daß die Texte nicht hundertfach von den Autorinnen/Autoren in ihren einsamen Dachkammern überarbeitet, sondern "sofort" ins Netz gestellt werden, präsentiert sich dem Interessierten sozusagen literarischer Rohstoff (was nicht auf die Qualität der Texte bezogen verstanden werden soll), und die Öffentlichkeit, in diesem Fall der Forumsbesucher, nimmt Teil an den Gedankengängen der Künstler. Es kann sich ein Dialog entwickeln zwischen dem Leser und dem Autor, der ja seinen Text zur "Bewertung" freigegeben hat. Vielleicht spornt diese Art der literarischen Kommunikation ja auch literarisch bisher Unbeleckte an, selber ihre Ansichten und Innensichten in die Tastatur zu hacken. Ob allerdings Leben und Lesen, bzw. Schreiben fast wieder identisch geworden sind, wie Sabine Scholz meint (wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie das jemals waren), wird sich wenn, dann meiner Meinung nach wohl eher in der Zukunft zeigen.

Werner Friebel
Schnipsel
Schongau, August 2001

Ursprünglich wurden die Texte als Beiträge zum "Stirner-Forum" im Internet veröffentlicht. Dort scheint ja auch der ideale Nährboden für kreative, provokante Literatur zu sein, die oft, wie in vorliegendem Fall, auch Wirkung im traditionellen Format hat.
Als der zentrale Text erscheint mir "Ver-Rückte Gedanken" von Gerard Gale, tagebuchartige Reflexionen eines Unangepassten, die an die dialektische Sprachphilosophie Heideggers anknüpfen in der Suche nach dem Ausdruck für das Unaussprechliche.

Leseprobe aus: "Resümee eines Jahres":

Aus "Spring Karle, spring" von Karl Reichert

Karl ist inzwischen freier Journalist und seit Jahren Europa-Abgeordneter, zuständig für Asyl- und Menschenrechtsfragen. Er bereitet sich auf eine Reise ins Kurdengebiet vor. Aktueller Hintergrund sind die Panzerlieferungen der deutschen Regierung an das türkische Militär. Sicher besser bekannt unter dem reißerischen Aufmacher: „Leoparden küsst man nicht!“
Gerade eben hat er ein Telefongespräch mit einem kurdischen Journalisten beendet. Ein Blick über den Schreibtisch zeigt ihm, dass er alles erledigt hat. Auch die große Reisetasche ist fertig gepackt. In knapp einer Stunde fliegt er mit einer Delegation von Abgeordneten des Bundestages, Europarates und diverser Menschen­rechtsgruppen nach Diyarbakir.
Im Hotel in Diyarbakir staunt Karl nicht schlecht, als sie über Lautsprecher in einen separaten Raum gebeten werden. Der Saal ist festlich mit Blumen geschmückt und ein opulentes Frühstück wartet darauf, verschlungen zu werden. Doch bevor das Büffet eröffnet wird, tritt ein Gardeuniformierter vor: „Meine Damen und Herren, ich begrüße sie recht herzlich und hoffe, dass wir Ihre Wünsche nach Informationen über die Befriedung der südöstlichen Türkei erfüllen können.“
Alle steigen in einen Bus der Luxusklasse ein. Liege-Schlafsitze, Klimaanlage und Toiletten sollen wohl verwöhnen. Die Fahrt geht über Basnik, Siirt und über Midyat, Mardin nach Diyarbakir zurück. Doch von Panzern oder zerstörten Dörfern ist weit und breit nichts zu sehen. „Das kann doch nicht wahr sein, wollen die uns verarschen?“ denkt Karl und schießt ein paar Landschaftsfotos.
Zurück im Hotel wird Unmut laut. Auf die billige Ausflugstour angesprochen, die ja auch von jedem Reisebüro veranstaltet werden könnte, bleibt der Pressesprecher ausgesucht höflich und lächelt, so als ob er nicht versteht, was gemeint ist.
Karl hat die Schnauze voll und geht ins Restaurant ein Bier trinken. Wie er so dasitzt und böse in sein Glas schaut, schnappt er ein paar Wortfetzen auf, die er zuerst gar nicht zuordnen kann. „Really, are you care?“ Neugierig dreht er sich um und sieht, wie zwei Typen, über eine Karte gebeugt, hitzig miteinander disku­tieren. Kurz entschlossen geht er rüber, stellt sich vor und erfährt, dass sie ins Sperrgebiet fahren wollen. Sie sind professionell ausgerüstet und verfügen über alles, was man so braucht: Einen neuen, allradgetriebenen Jeep, eine gut sortierte Fotoausrüstung, Nachtsichtgläser und vieles andere mehr.
Kurz danach jagen sie durch die Nacht. Aus der Ferne hören sie eigenartige Ge­räusche. Ist das nur Donnergrollen? Dann werden die Straßen schlechter und sie kommen nur noch sehr langsam voran. Am Horizont sind Lichterketten von im Konvoi fahrenden Autos zu sehen. Sie rasen noch eine steile Anhöhe hinauf, verstecken den Jeep, holen die Nachtsichtgläser heraus und schauen über die vor ih­nen liegende Ebene. – Nichts.
Auf der Heimfahrt taucht plötzlich eine Straßensperre aus dem Dunkel auf. Sie halten an. Ein Offizier tritt auf sie zu und bedeutet ihnen auszusteigen. Als ein Soldat, bei der Durchsuchung des Wagens, die Fotoausrüstung findet, ist es mit Nettigkeiten vorbei. Ohne Erklärungen abzugeben reißt einer die Fahrertür auf und zieht den Zündschlüssel ab. Dann werden sie in einen Militärjeep geschoben und müssen warten.
Erst als die Sonne aufgeht, werden die Aufpasser abgezogen und zwei Offiziere steigen vorne ein. Nach endloser Fahrt tauchen die Außenbezirke einer Stadt auf, dann geht es an einem ziemlich heruntergekommenen Industrieviertel vorbei, auf ein eingezäuntes Areal zu. Der Jeep braust durch ein breites Tor, das von Wach­posten flankiert wird. Militärfahrzeuge werfen Schatten voraus.
Karl kommt in eine Zelle. Spät abends wird er aus dem Loch geholt und in ein großes Dienstzimmer gebracht. Dort sitzt ein höherer Offizier am Schreibtisch und fächelt mit einem Pass die Luft. Mit einem Lächeln und in akzentfreiem Deutsch legt er los: „Wissen Sie, Karl, als ich von der Tagung kam und Ayla nicht da war, hatte ich einen Schock. Es war zuviel für mich. Zuerst stirbt meine Frau und dann ist meine Tochter verschwunden. Können Sie sich das überhaupt vorstellen? Ich habe dann sofort versucht irgend etwas herauszubekommen. Aber ich stieß bei den verschiedenen Dienststellen in Ürgüp und auch, bei meinen Vorgesetzten, in Ankara auf Unverständnis und Schweigen. Bis eines Tages ein An­ruf von einem hohen General der Politischen Polizei, Abteilung Terrorismus, kam, der mir erklärte, dass Murrat zur An­titerrorbrigade „Kemal Atatürk“ gehör­te. Die ganze Sache war eine von langer Hand geplante Staatsschutzaktion gegen die Gewerkschaften. – Aber über den Aufenthalt meiner Tochter konnten sie mir nichts sagen.“
Karl steht am Fenster, nickt und sieht in den Gefängnishof hinunter.

Sabine Scholz (Hrsg.)
Internetprojekt Stirner-Forum: 
Resümee eines Jahres 
Begegnungen zwischen Literatur & Philosophie
Verlag Max-Stirner-Archiv 
Leipzig 2001

ISBN 3-933287-41-3 
70 Seiten
EUR 7.67

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