LE CITOYEN FRANÇAIS
Geschichtsprofessor auf Abwegen
Friedrich Schiller (1759-1805)

"Leben ist der Gang des Schattens für ein Stündchen
Geworfen von 'nem Clown im Rampenlicht
Schon sinkt sein Stern, vergessen wie ein Märchen
Erzählt von einer Närrin, aus der laut die Furie spricht
Ohne Sinn und Inhalt" (Shakespeare, Macbeth, V, 5)

[Schillers Schatten]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE BRETTER, DIE DIE WELT [BE]DEUTEN

Obwohl er rund zwei Jahrhunderte später lebte, hatte Friedrich Schiller doch immer das Gefühl, irgendwie in Shakespeares Schatten zu stehen - dabei war der damals in England fast vergessen und in Deutschland noch so gut wie unbekannt (erst die Romantiker sollten ihn ausgraben, übersetzen und auf die Bühnen Mitteleuropas bringen). Und auch Dikigoros, der sonst viel von Schillers Dichtkunst im sprachlichen Sinne hält (welche freilich nicht Gegenstand dieser Betrachtung sein soll), muß einräumen, daß Shakespeare der eingangs zitierte Vers besser gelungen ist als Schiller die vergleichbaren Zeilen aus dem "Wallenstein", die da beginnen mit: "Ein ruheloser Marsch war unser Leben..." Gab es dazwischen keine Theaterdichter? Na ja, die "klassischen" Franzosen, Corneille, Molière, Racine - aber die beschäftigten sich vornehmlich mit antiken Stoffen, und das waren für Schiller "olle Kamellen". Was, liebe Leser, Ihr glaubt Dikigoros nicht? Habt Ihr den Link auf "Shakespeares Schatten" nicht angeklickt? Gewiß, in Dikigoros' Textausgabe steht auch "Parodie" drüber; aber diese Einordnung stammt nicht von Schiller - der dürfte das, was er da geschrieben hat, ganz ernst gemeint haben! Schillers viel gerühmte Dichtungen haben immer etwas ungewollt Parodistisches an sich. Selbst Frau Dikigoros - die ein großer Schiller-Fan ist - mußte lachen, als ihr Mann ihr einmal "Die Kraniche des Ibykus" so vortrug, wie Schiller es mutmaßlich getan hätte... Nein, der wackere Schwabe wollte die Schlüsselszenen der mittleren und neueren, nicht die der antiken Geschichte Europas darstellen, wie er sie sah; und da mußte Shakespeare ihm einfach Maßstab und Vorbild sein - wobei er ihn schließlich, jedenfalls was die geografische Ausdehnung anbelangt, weit übertreffen sollte: Italien, Spanien, England, Rußland (na ja, fast - leider wurde er ausgerechnet damit nicht mehr fertig bevor er starb) und natürlich Mitteleuropa.

Als Schiller geboren wurde, war der Erste "Dreißigjährige Krieg" gegen Deutschland - von dem viele seiner wenigen Kinder heute nicht mal mehr in ihren Schulbüchern lesen - gerade erst ein Jahrhundert vorbei. (Nein, liebe Leser, er dauerte ebenso wenig 30 Jahre wie der "Hundertjährige Krieg" zwischen England und Frankreich - das war der, in dem Jeanne d'Arc, "die Jungfrau von Orleans" mit gekämpft hatte - 100 Jahre dauerte; folglich endete er auch nicht anno 1648, als in Münster und Osnabrück zwei geduldige Stücke Papier, pardon Pergament unterzeichnet wurden, sondern erst elf Jahre später, mit dem so genannten Pyrenäen-Frieden, in dem die Habsburger Süd-Flandern [den Teil, den die Franzosen "Artois" nennen], das Roussillon, die Freigrafschaft Burgund, Elsaß und Lothringen endgültig ihrem Schicksal überließen, d.h. Besetzung, Plünderung und schließlich Annexion durch Frankreich.) Und nun, da Dikigoros dies schreibt, ist Schiller schon fast zwei Jahrhunderte tot. Kann seine - verfälschende - Sicht der Geschichte heute noch Einfluß auf uns haben, auf unser Weltbild, auf das unserer Politiker und auf ihr Handeln? Erschöpft sich seine Nachwirkung nicht vielmehr in einigen geflügelten (und oft auch noch falsch zitierten) Worten wie "durch diese hohle Gasse muß er kommen" oder "der Mohr hat seine Arbeit [nicht Schuldigkeit, liebe Leser!] getan"? Vielleicht muß man diese Frage von Theaterstück zu Theaterstück unterschiedlich beantworten; stellen wir sie einstweilen zurück und werfen erstmal einen - wirklich nur ganz kurzen, 20-zeiligen - Blick auf Schillers Leben. (Wer es ein wenig ausfürlicher mag, kann es - in immer noch erträglichem Umfang - hier nachlesen.)

[Schiller 1782]

Angefangen hatte er - wie Dikigoros - als Sanitätsdienstsoldat. (Sein Vater war Feldscher gewesen und hatte ihn für die gleiche Laufbahn bestimmt.) Freilich brachte er es weiter als letzterer, absolvierte eine Art Medizin-Studium und wurde Regimentsarzt. Auf die Dauer hatte er jedoch keine Lust, Arme und Beine zu amputieren; also beging er Fahnen- und Republik-Flucht, pardon, Württemberg war ja gar keine Republik, sondern ein Herzogtum. Egal, jedenfalls verließ er das Schwäbische und machte nach Ossiland rüber, nach Bauerbach [für Wessis: Kaff südlich von Meiningen], zwischendurch auch mal kurz nach Leipzig und Dresden, fortwährend Theaterstücke und Geschichts-Bücher schreibend - u.a. über den Abfall der Niederlande von Spanien im 16. Jahrhundert. Diese Arbeit brachte Schiller eine außerplanmäßige (und unbesoldete) Professur für Geschichte in Jena ein - aber seine Vorlesungen über "Universalgeschichte" und "Das Zeitalter der Kreuzzüge" [aus der Sicht der byzantinischen Prinzessin Anna, deren Memoiren er ins Deutsche übersetzt hatte] waren ein Flop: Die Studenten machten sich über seine theatralische Art des Vortrags lustig - er las nicht vor, sondern deklamierte wie ein Schauspieler auf der Bühne. Er warf die Professur hin, schrieb eine "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges", begann eine Brief-Freundschaft mit Goethe und zog schließlich wie dieser nach Weimar. Warum? War das nicht ein ungeheurer Abstieg, von der Universitätsstadt Jena in solch ein trauriges Provinzkaff? (Damals konnte man sich ja noch nicht wie heute über Rundfunk, Fernsehen und/oder Internet über das Geschehen in aller Welt informieren - wer da festsaß, befand sich so zu sagen im Tal der Ahnungslosen.) Stellen wir diese Frage zurück und sagen uns einfach, daß es Schiller vielleicht gut tat, keine größere Ablenkung zu haben als das dortige Theater. Denn was er bis dahin geschrieben hat, hätte ihn schwerlich zu einer bedeutenden Figur der deutschen und europäischen Literatur-Geschichte gemacht - geschweige denn zu einem der großen "Klassiker"; aber in den letzten fünf Jahren seines Lebens (von denen er natürlich nicht wußte, daß es die letzten waren - es war also keine "Torschluß-Panik"!) packt ihn plötzlich die Arbeitswut: Wenn er seine Geschichts-Auffassung den blöden Studenten an der Uni nicht beibringen kann, dann will er sie eben umso mehr den Bildungsbürgern im Theater eintrichtern. Er bringt Shakespeares "Macbeth" und Racines "Phaedra" auf die Bühne, schreibt "Wallenstein", "Die Jungfrau von Orleans", "Maria Stuart", "Die Braut von Messina", "Wilhelm Tell" und "Demetrius".

[Schiller]

Wenn Dikigoros diese Liste historischer Stoffe überschaut, muß er erst einmal schlucken. Über "Macbeth" schreibt er an anderer Stelle. Racines "Phaedra" sagt ihm nichts - es ist nun weiß Gott keine neue Erkenntnis (auch nicht zu Schillers Zeit), daß es in der Politik nicht ohne Intrigen, Verleumdungen und Verrat abgeht. Man hätte meinen sollen, daß Schiller über diese Fase seines Schaffens nach dem "Don Carlos" - dem eine über zehnjährige "Sendepause" gefolgt war - endlich hinaus war. [Wenn man Schillers spätere Stücke kennt, sieht man bereits in diesem Drama, wie sich deren großes Leitmotiv abzeichnet: Es ist die Geschichte der armen französischen Prinzessin, die in das böse, habsburgische Spanien verheiratet wird, jenes Land der blutigen Stierkämpfe und düsteren Klöster, in dem frau sich keinen Schritt frei bewegen kann, und dazu noch mit dem alternden König Felipe (oder, wie ihn die Deutschen schreiben, "Philipp") II von Spanien, statt mit dessen jungem Sohn aus seiner ersten Ehe mit Maria von Portugal, "Don Carlos", der in sie verliebt ist. Welch eine verquerte Sicht der Dinge! Die Habsburger heirateten nie aus Liebe (und sie taten gut daran, wie die eine unrühmliche - und unglückliche - Ausnahme, nämlich Franz Joseph und Sissi, zeigte; die konnte Schiller allerdings nicht kennen, denn als die beiden heirateten, hatte er längst das Zeitliche gesegnet), und Felipe gleich gar nicht: Seine erste Frau heiratete er, um Portugal zu gewinnen (mit Erfolg), die zweite, um England zu gewinnen (ohne Erfolg), die dritte, um Frieden mit Frankreich zu gewinnen (mit Erfolg), die vierte, um Österreich zu gewinnen (ohne Erfolg) - die Bilanz war also ausgeglichen. Ob die französische Prinzessin als Ehefrau von "Don Carlos" so viel glücklicher geworden wäre denn als seine Stiefmutter, darf bezweifelt werden. Schiller hat aus "Don Carlos" einen Freiheitshelden gemacht, der Intrigen am spanischen Hof zum Opfer fällt. Tatsächlich war er ein körperlich und geistig zurück gebliebener, etwas bösartiger Jüngling, unfähig, irgendein Amt auszuüben (und sei es das des Ehemannes). Da Felipe ihn das ständig spüren ließ, spielte (oder wurde) Carlos immer mehr verrückt und beschimpfte öffentlich alles, was der König tat, der schließlich keine andere Möglichkeit sah, als seinen Sohn in Haft zu setzen. Im Ausland - vor allem in England und Frankreich, wo schon damals die Kunst der Propaganda-Lüge gegen Feindstaaten weiter entwickelt war als anderswo - wurde Carlos daraufhin zum "Freiheitskämpfer" hoch stilisiert.]

"Die Braut von Messina"? Oh je, die italienische Geschichte ist wahrlich reich an historisch interessanten Stoffen - warum suchen sich die Dichter bloß immer die uninteressantesten aus? (Shakespeare hatte sich auf "Romeo und Julia" aus Verona und "Othello", den Mohren von Venedig, kapriziert; Schiller hatte sich über Venedig "Der Geisterseher", den Wizard, pardon Grafen von O., abgestoppelt und über Genua den "Fiesco" - ein großer Stoff, den er als junger Mann nicht in den Griff bekommen und später in Oggersheim noch verschlimmbessert hatte; es wurde sein größter Flop - schon damals kam aus Oggersheim nichts Gutes, liebe Leser! Allein Richard Wagner sollte sich mit Rienzo ["Rienzi"] einen Leckerbissen heraus picken, wenngleich seine Bearbeitung zu wünschen übrig läßt - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.) Die Gelehrten streiten, ob es für die "Braut von Messina" überhaupt ein historisches Vorbild gibt, oder ob Schiller die Geschichte [ein Vater steckt seine Tochter ins Kloster, weil ihm geweissagt wurde, daß sie der Familie den Tod bringen würde; am Ende tut sie genau das, weil beide Brüder sich unbekannterweise in sie verlieben] frei nach Sofoklís' "Oidípous" erfunden hat. Wenn letzteres zuträfe, dann blieben also nur ein paar dumme Sprüche, mit denen sich trefflich Mißbrauch treiben läßt. Kleine Auswahl gefällig? (In Dikigoros' Texausgabe sind sie noch gesperrt gedruckt - nicht als dumme, sondern als besonders wertvolle Sprüche - und daher leicht zu finden.) Bitte sehr: "Wenn sich die Fürsten befehden müssen die Diener sich morden und töten, das ist die Ordnung, so will es das Recht." - "Der freie Tod nur bricht die Kette des Geschicks." - "Der Tod hat eine reinigende Kraft." - "Das Leben ist der Güter höchstes nicht." Angesichts solcher Sätze ahnt man schon, wie die Geschichte ausgeht: Am Ende des Stücks sind die Hauptpersonen glücklich tot - lassen wir sie in Frieden ruhen...

[Gemälde von Ingres] [Jeanne d'Arc]

"Die Jungfrau von Orleans"? Über die könnte man mit der einfachen Bemerkung hinweg gehen, daß sich Schiller da eine ganz üble Geschichtsklitterung geleistet hat - aber das würde der geneigte Leser am Ende mißverstehen, "am Ende" ganz wörtlich genommen, denn Schiller läßt das Stück ja nicht mit der Verbrennung Johannas auf dem Scheiterhaufen enden, sondern sie mit dem Schwert in der Faust den Heldentod auf dem Schlachtfeld sterben. Aber ist das nicht ein ebenso harmloser Kunstgriff wie die heroïsierten Schlußversionen moderner Regisseure von Orwells "1984" oder "Animal Farm"? Darf Dikigoros diese Frage kurz zurück stellen und mit dem Anfang beginnen? Dazu muß er etwas weiter ausholen. Kann es sein, daß die neue deutsche Rechte ausgerechnet Friedrich Schiller als "ihren" National-Poëten auserkoren hat? Nein, nicht den primitiven preußischen Leutnant a.D. Kleist oder den versponnenen [um nicht mehr zu sagen] Dichter Hölderlin (die beide im Dritten Reich den Deutsch-Unterricht an den staatlichen Schulen beherrschten), und schon gar nicht den "Weltbürger" Goethe - Schiller muß es sein! Sehr merkwürdig, fürwahr, denn der olle Goethe war eigentlich durch und durch deutsch (auch wenn er sich gerne etwas anderes in die Tasche log, u.a. durch die Behauptung, Napoleon habe ihn für einen "großen Mann" gehalten, und die Vorspiegelung im "west-östlichen Diwan", er hätte Ahnung vom Orient), hatte außer einer Puff-Reise durch Italien und einigen kleinen Ausflügen in die deutsche Schweiz und ins deutsche Böhmen seinen Hintern nie vom urdeutschen Schreibtisch hoch bekommen. Dagegen war Schiller - Franzose! Man hatte ihm, "Monsieur Frédéric Giller", die französische Staatsbürgerschaft 1792 verliehen (ja, zur übelsten Zeit - bis die Einbürgerungsurkunde ihn erreichte, waren schon sämtliche Unterzeichner auf der Guillotine gelandet -, und als noch kein Deutscher gezwungen war, sie anzunehmen!), und er dachte gar nicht daran, diese Zumutung etwa empört zurück zu weisen (wie dies etwa der alte Klopstock nach kurzem Zögern tat).

[1792 - Monsieur Giller wird zum citoyen der République Françoise ernannt]

(Nein, liebe Kritiker, daß Schiller sich 1799 in dem "Lied von der Glocke" ganz offen gegen die Revolution ausgesprochen hat, steht dem nicht entgegen - im Gegenteil: Solange die Revolutionäre in Frankreich herrschten, war er für sie; aber als sich 1799 Napoléon an die Macht putschte, eine Diktatur errichtete und mit der Revolution aufräumte, da war Schiller plötzlich gegen sie - er richtete sein Mäntelchen also immer nach dem Wind, der gerade aus Frankreich kam. [Natürlich gibt es trotzdem einen Grund, weshalb die deutschen Rechten Schiller für sich entdeckt haben, aber auf den kommen wir später.]) Und nun lest mal den Anfang der "Jungfrau von Orleans":

"Thibaut: Ja, liebe Nachbarn! Heute sind wir noch
Franzosen, freie Bürger noch und Herren,
[zweimal hintereinander "noch" - so ein Pfusch!]
Des alten Bodens, den die Väter pflügten;
Wer weiß, wer morgen über uns befiehlt!"

Also, abgesehen davon, daß der historische Vater der Jehanne (so schrieb sie sich selber, wie Ihr oben rechts seht, und so wie dort sah sie auch aus, nicht so wie oben links - Ingres hätte lieber bei seinen Odalisken bleiben sollen!) Jacob hieß, hätte er damals auf gar keinen Fall "Thibaut" geheißen (es war noch fast ein halbes Jahrtausend hin, bis Diedenhofen und andere lothringische Orte in "Thionville" u.ä. umbenannt werden sollten!), sondern allenfalls Diwald, wie der letzte große deutsche Historiker des 20. Jahrhunderts. Er war Großgrundbesitzer, Schloßherr, oberster Finanz- und Polizeichef des Städtchens Domremy an der Maas, die damals noch überwiegend Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze war. Zwischen dem Bistum Toul und der Champagne war sie das zwar weitgehend doch schon, und Domremy lag am Westufer; aber just an jener Ecke reichte die Grenze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen (zu denen ganz unzweifelhaft auch die lothringische zählte) ein Stück über die Maas hinaus. (Domremy war das Lehen eines Barons Peter Bourlemont, dessen Lehensherr der Herzog von Bar, und dessen Lehensherr wiederum der Herzog von Lothringen.)

Damit erfüllte Johanna - die alles andere war als das primitive Bauern-Trampel, als das Schiller und andere sie uns ständig verkaufen wollen - schon die erste der beiden Voraussetzungen für eine Nationalheilige: Sie war aus französischer Sicht kein echtes Landeskind und mußte das damit kompensieren, daß sie die 150%ige Patriotin hervor kehrte. Sie erfüllte auch die zweite Voraussetzung, nämlich die eines gewaltsamen Todes (die z.B. der Korse Napoleon[e] B[u]onaparte nicht erfüllte, wenngleich fleißige Geschichts-Klitterer, pardon Historiker bis heute versuchen, einen vorsätzlichen Giftmord zu konstruieren, um ihn endlich an Johannas Stelle setzen zu können, die längst vom "Front National" - oder wie er sich jetzt nennt, "Rassemblement National" - in Beschlag genommen ist); aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle und will sich hier nicht wiederholen.

Halten wir fest, daß Schiller diese Geschichte ganz übel verdreht hat, denn so dumm kann er ja gar nicht gewesen sein, daß er im Ernst geglaubt hätte, Johanna sei keine Verräterin, sondern eine gute französische Patriotin gewesen: Sie war Burgunderin, und der so genannte "Hundertjährige Krieg" war längst keine lehensrechtliche Auseinandersetzung mehr zwischen dem König von England und dem König von Frankreich, sondern ein Kampf auf Leben und Tod zwischen Frankreich und Burgund. (Letzteres umfaßte damals u.a. die Freigrafschaft und das Herzogtum Burgund, die heutigen BeNeLux-Staaten, Lothringen, Teile des Elsaß und der Schweiz [die Reste des ehemaligen "Hochburgund"], war also in etwa so groß wie - und wesentlich reicher als - das damalige Frankreich.) Gewiß, Burgund war mit England verbündet - na und? Frankreich war mit Schottland verbündet - Koalitionen kamen und gingen, fast wie heute. (Auch Stalin, Ho Chi Minh, Castro, Noriega, Saddam Hussein und Bin Lādin starteten ihre glorreichen Karrieren allesamt als Verbündete der USA - sonst wären sie nie zu dem geworden, was sie wurden.) Das war kein Grund, sich auf die Seite seiner Feinde zu schlagen. Ein alberner Traum? Stimmen in der Dunkelheit? Die müssen wirklich vom Teufel gekommen sein; denn wäre Burgund nicht im "Hundertjährigen Krieg" unterlegen und nach dem Tod seines letzten Herzogs, Charly dem Übermütigen (manche Historiker, die weder Lateinisch noch Französisch können, übersetzen "temerarius [téméreux]" auch mit "der Kühne" - aber das ist falsch; daß diese Vokabel eine durchaus negative Bedeutung hatte, sieht man z.B. am alten Wahlspruch Danzigs: "nec temere - nec timide [weder übermütig noch schüchtern]"), aufgelöst worden (Frankreich und Habsburg teilten sich die Beute, wenigstens vorläufig; später sollte Frankreich sie ganz einsacken - aber dazu kommen wir später), dann wäre Europa, insbesondere Deutschland und Frankreich, so mancher furchtbare Krieg erspart geblieben. Aber diesen Treppenwitz der Geschichte von "Jeanne d'Arc" hat der Herr Geschichts-Professor a.D. Schiller uns entweder vorenthalten, oder er hat ihn selber nicht gesehen.

[Exkurs. Zum Trost: Selbst die Nazis sollten diesen Treppenwitz nicht bemerken, obwohl sie einen ihrer fähigsten jungen Regisseure auf den Stoff ansetzten, den Ostmärker Gustav Ucicky (über den Dikigoros an anderer Stelle mehr schreibt). Gewiß ist "Das Mädchen Johanna" von 1935 eine der originellsten (und vielleicht der historischen Wahrheit sogar am nächsten kommende) Auslegung der Geschichte: Da ist Jeanne d'Arc nicht die Heldin, sondern der Spielball skrupelloser Politiker, allen voran von Charly VII von Frankreich, den sie in den anderen Filmen durch ihre militärischen Siege zum König macht. Bei Ucicky holt sich Charly seinen Thron selber zurück, durch diplomatisches Geschick, indem er Johanna eiskalt fallen läßt und der politischen Raison opfert. Ausgerechnet bei Compiègne - wo im 20. Jahrhundert zwei Kriege zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich endeten - fällt sie in die Hände des perfiden Albion (aus jener Zeit, liebe Leser, stammt dieser Begriff!) und wird als Hexe verbrannt. Der Film ist oft als "national-sozialistische Propaganda" bezeichnet worden (deshalb war er bis 1976 verboten, pardon "verschollen"), aber das war er nicht. (Es gab im Dritten Reich überhaupt nur ganz wenige rein ideologische Filme - etwa "Jud Süß", "Hitlerjunge Quex" oder "Ich klage an" -, viel weniger als heutzutage in der BRD. Andere Geschichtsfilme, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden, wie "Hans Westmar", "Carl Peters" oder "Ohm Krüger" kamen dagegen, wie wir heute wissen, der historischen Wahrheit viel näher als das meiste, was in dem halben Jahrhundert nach Ende des "Dritten Reiches" an deutschen Schulen und Universitäten gelehrt wurde und z.T. heute noch immer gelehrt wird.) Er war allenfalls nationalistisch in dem Sinne, daß Johanna als eine brave französische Patriotin dargestellt wird, die für ihren König, ihr Volk und ihr Vaterland gegen die bösen englischen Besatzer kämpft - was ihr freilich schlecht gedankt wird, weshalb die oft unterstellte Gleichsetzung von Charly VII und dem damaligen deutschen Reichskanzler Hitler völlig abwegig ist. Die einzige Parallele ist, daß Charly's Mutter (und Charly's Tante natürlich auch :-) eine Tochter des Herzogs von Bayern war, zu dem damals noch das so genannte Innviertel mit Braunau am Inn gehörte, bis es 1799 an Österreich fiel, wo dann 90 Jahre später... aber das tut ja hier nichts zur Sache. Festzuhalten ist indes - was gerade Schiller als Dichter hätte merken müssen, aber offenbar nicht gemerkt hat -, daß Charly bestimmt alles andere war als der Trottel und Schwächling, zu dem er in allen anderen Geschichts-, Märchen- und Drehbüchern gemacht wird. Seine Gedichte weisen ihn als einen intelligenten, gebildeten, sprachbegabten Mann aus - und das sind Eigenschaften, die in der Politik oft mehr zählen als die Fähigkeit, mit dem Schwert in der Faust eine Schlacht zu schlagen, auch wenn die herrschende Meinung das damals - und noch lange danach - anders sah. Exkurs Ende.]

Damit kommen wir auf die Frage zurück, warum Schiller das Ende der Jeanne d'Arc so radikal geändert hat. Was wäre denn verfänglich gewesen an der historischen Wahrheit? Eine ganze Menge, liebe Leser, eine ganze Menge. Ihr kennt die letztere wahrscheinlich gar nicht, denn nur ein Vierteljahrhundert nach diesem Ende verbreiteten die Franzosen in einem groß angelegten, "Rehabilitierungs-Prozeß" genannten Propagandafeldzug die Lüge, die seitdem allgemein geglaubt wird, nämlich daß die Engländer ihre National-Heilige verurteilt und hingerichtet hätten. (Engländer reagierten erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Behauptung, Jeanne d'Arc sei überhaupt nicht verbrannt worden, sondern an ihrer Stelle eine andere "Hexe", während sie selber einen gewissen Robert des Armoises geheiratet und noch lange weiter gelebt habe; aber dieses Märchen hat eigentlich nie jemand ganz ernst genommen :-) Kein Wort davon ist wahr. Es waren vielmehr die Franzosen selber, die das taten: Alle ihre Richter, vom Vorsitzenden (einem Schweinepriester names Cochon - nomen atque omen, auch wenn er heute meist "Cauchon" geschrieben wird) bis zum letzten Beisitzer, waren Franzosen (auch wenn ihr oberster Lehnsherr der König von England war - wenn ein kanadisches oder australisches Gericht heute jemanden verurteilt, würdet Ihr das doch auch nicht der Queen anhängen, der?); und sie wurde auch nicht verurteilt, weil sie den Engländern und Burgundern in die Suppe gespuckt hatte - einen Hochverratsprozeß hätten die noch selber hinbekommen -, sondern weil sie behauptete, Stimmen von Gott gehört zu haben und ständig in Männerkleidern herum lief. (Nach Abschluß der Beweisaufnahme hatte sie - unter Androhung der Folter - zunächst widerrufen und versprochen, wieder Frauenkleider zu tragen, und darob wäre sie um ein Haar gerettet gewesen und heute vergessen; aber ein paar Tage später überlegte sie es sich wieder anders, widerrief den Widerruf, zog wieder Männerkleider an und wurde erst daraufhin als "Wiederholungstäterin" hingerichtet, wohlgemerkt von der französischen Kirche.) Das wußte aber Schiller als Historiker auch - deshalb umging er dieses peinliche Problem (was hätte er tun sollen? Die französischen Richter zu Engländern erklären?) und setzte an Stelle des Prozesses den Heldentod.

[Exkurs. Was glaubt Ihr denn, liebe Leser, die Ihr jetzt den Stab über die "mittelalterlichen Inquisitions-Gerichte" brecht, wo Jeanne d'Arc heute gelandet wäre? Erstmal auch vor Gericht. Und selbst wenn sie nicht versucht hätte, sich an die Spitze irgendwelcher aufständischer Monarchisten zu setzen und die ausländischen Besatzer aus der Hauptstadt zu vertreiben, sondern wenn sie einfach nur behauptet hätte, Stimmen Gottes und/oder der heiligen Heerscharen gehört zu haben, die ihr irgendwelche Befehle gaben, dann würde sie wahrscheinlich in die Irrenanstalt eingewiesen - und das ist schlimmer als Gefängnis oder selbst der Tod auf dem Scheiterhaufen. Dikigoros wird nie vergessen, wie er als junger Referendar in Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft mal die Anklage gegen eine kleine Ladendiebin vertreten mußte, die als "Wiederholungstäterin" vor Gericht stand - sie war schon über hundert mal erwischt worden und offensichtlich eine Kleptomanin, so daß irgendwann keine Geld- oder Bewährungsstrafe mehr in Betracht kam. Nun hatte sie aber einen besonders ehrgeizigen Verteidiger, der unter allen Umständen verhindern wollte, daß seine Mandantin in den Knast kam, und der plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit. Da erkannte der Richter urplötzlich seine Chance, sich nicht noch auf Jahre hinaus alle paar Wochen wieder mit dieser dummen Gans abgeben zu müssen und verkündete beinahe erleichtert: "Dann werde ich Sie eben in eine... (Dikigoros erinnert sich nicht mehr, wie die amtliche Bezeichnung für "Klapsmühle" damals lautete, sie war noch nicht so eufemistisch wie heute) einweisen." Sprachs und begann sogleich, das bereits während der Schlußplädoyers gepinselte Urteil zu verlesen. Während der Verteidiger sich als der große Sieger fühlte und sogleich seinen Rechtsmittelverzicht zu Protokoll gab, begann das Mädchen zu weinen, als ihm die Dolmetscherin (die Angeklagte war Engländerin) ihr nicht nur übersetzte, was der Richter da verkündete, sondern auch noch dazu sagte, was das mutmaßlich für sie bedeutete, nämlich statt einiger Monate Gefängnis womöglich Jahre lang Irrenhaus, denn wer da einmal drin war, der kam so schnell nicht wieder raus. Auch Dikigoros' Ausbilder war übrigens sehr zufrieden und erklärte ebenfalls umgehend Rechtsmittelverzicht. Exkurs Ende.]

* * * * *

Was konnte Monsieur Giller, der Staatsbürger Frankreichs, sonst noch im Sinne der "Grande Nation" schreiben und auf die Bühne bringen? Wer waren damals die schlimmsten Feinde der Franzosen? Die Antwort auf letztere Frage führt uns auf die der ersteren. Sie konnte zur Zeit Napoleons I nur "die Engländer und die Österreicher" lauten. Tatsächlich lautete sie auf den ersten Blick schon viel länger so - waren wir nicht gerade erst beim "Hundertjährigen Krieg" zwischen England und Frankreich? Aber Dikigoros hat hier ganz bewußt nicht "England und Österreich" oder "die Habsburger" geschrieben. Schiller lebte in einer Zeit, in welcher der militante Nationalismus gerade fröhliche Urstände feierte: Nicht mehr die Fürsten und ihre Berufs-Ritter oder Söldner führten Kriege gegen einander, sondern ganze Völker; die "Levée en masse", die "Allgemeine Wehrpflicht", und die damit zwangsläufig einher gehende Verhetzung der "nationalen" Armee-Angehörigen mittels ideologischer Feindbilder ("Erbfeinde", "Hunnen" usw.) verstellte ihm den Blick darauf, daß es früher einmal anders gewesen war - und nicht nur ihm. Im 15. Jahrhundert (und noch bei Shakespeare!) meinte "England" das englische Königshaus, nicht das Land oder die Nation, "Frankreich" den König ("L'État c'est moi [der Staat bin ich]" pflegte noch Louis XIV im 17. Jahrhundert zu sagen), "Habsburg" das Kaiserhaus, nicht seine Untertanen. Jeanne d'Arc war - allen hartnäckigen Fehl-Interpretationen der Neuzeit zum Trotz - keine Nationalistin, sie war nicht mal das, was wir heute eine Patriotin nennen würden; sie war einfach eine überspannte höhere Tochter, die ihrem spinnerten Traum nach lief, dem von Gott gewollten König auf den Thron zu helfen, nicht mehr und nicht weniger. (Deshalb ist Dikigoros' Aussage, sie sei eine "Verräterin" an Lothringen und Burgund gewesen, auch nicht "national" aufzufassen, sondern rein lehensrechtlich!) Denn damals gab es zwar Nationen, aber die definierten [Lateinisch für "abgrenzen"!] sich hauptsächlich durch die Sprache und die bevorzugten Speisen und Getränke, also wiederum nicht mehr und nicht weniger als etwa die Oberschicht eines Landes (die heiratete, jagte, aß, trank und sich über alle Grenzen hinweg auf Lateinisch verständigen konnte) von der Unterschicht des selben Landes (die überall den gleichen Hunger hatte und die gleiche harte körperliche Arbeit verrichten mußte und mancherorts kaum den Dialekt des übernächsten Nachbardorfes verstand).

Dikigoros schreibt an anderer Stelle, daß die englischen "Rosenkriege" (in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts) die letzten gewesen seien, bei denen das einfache Volk nicht mitkämpfte. Das ist freilich nicht gleich zu setzen mit der Aussage, daß sie das Volk unberührt gelassen hätten. Man konnte auch mit einer kleinen Berufs-Armee oder einer Söldnertruppe "totalen Krieg" führen und eine Spur "verbrannter Erde" hinter sich zurück lassen, zumal wenn man in Feindesland war - so wurde es spätestens seit dem "Dreißigjährigen Krieg" im 17. Jahrhundert in Europa systematisch betrieben; und auch im Zeitalter der so genannten "Kabinetts-Kriege" im 18. Jahrhundert wurde die Bevölkerung ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. (Studiert einmal die alten Quellen über den "Siebenjährigen Krieg", liebe Leser, wenn Ihr noch welche findet - sie sind ja aus den heutigen Schulbüchern ebenso systematisch getilgt worden wie... aber lassen wir das.) Und die Heere waren auch schon größer geworden als zur Zeit Johannas - aber sie bestanden schwerlich aus "national" gesinnten Landeskindern, die für König, Volk und Vaterland oder irgendwelche abstrakte Ismen, pardon Ideale kämpften. Vielmehr führte zum Beispiel England seine Kriege in Übersee mit hessischen Söldnern, Friedrich "der Große" und Maria Theresia die ihren mit Kroaten, Panduren und Hajducken, die Osmanen mit Janitscharen, und die berühmten "französischen" Musketiere der Richelieu und Mazarin stammten bevorzugt aus den (baskischen) Grenzregionen, der Gascogne und dem Armagnac (aber das ist eine andere Geschichte). Sie alle verband nicht die Liebe zum Vaterland, sondern die zum Geld, zum Alkohol, zum Kartenspiel, kurzum zu Wein, Weib und Gesang. Desertion war an der Tagesordnung - man lief zu dem Feldherrn über, der einem versprach, den Sold nachzuzahlen, den einem der frühere "Arbeitgeber" schuldig geblieben war; und mehr als den "Feind" (der ja nichts weiter war als ein Gegenüber, nicht mal ein echter Gegner, den man hätte hassen oder gar töten müssen) fürchtete und haßte man die Kerle, die mit dem Korporalsstock hinter den eigenen Linien standen und einen hinderten, zurück zu weichen, die "Kettenhunde". (Noch Dikigoros Vater nannte sie "Feld-Gendarmen", von gens d'armes [Bewaffnete], denn die waren immer gut bewaffnet, während man die armen Schweine in der "Schützenlinie" zur Not auch ohne Schußwaffe, d.h. nur mit einem auf den leer geschossenen Schießprügel gepflanzten Bajonett, in die Schlacht trieb. Nein, liebe deutsche Leser, nicht nur in Rußland! Patronen waren teuer, ein paar Menschenleben billig - überall.)

Erst seit der französischen Revolution wurde das alles anders - manche meinen besser, nun ja... Napoleon hatte nichts gegen den König von England (einen harmlosen, alten, versoffenen Trottel) oder gegen den Kaiser von Österreich (im Gegenteil - er heiratete sogar dessen Tochter!); aber er hetzte systematisch sein Volk, die Franzosen (wenn er als Korse die Franzosen denn als "sein" Volk ansehen durfte - jedenfalls ließ er ihnen das einreden) gegen andere Völker auf, gegen "die" Briten [er sagte "les Anglais", aber er meinte die Briten, nicht nur die Engländer] und gegen "die" Deutschen [niemand wäre damals auf die Idee gekommen, daß die Österreicher nicht zu "les Allemands" gehörten, im Gegenteil: sie - nicht die Preußen - waren die Deutschen schlechthin] usw. Worauf will Dikigoros eigentlich hinaus? Nun, er sucht die Voraussetzung für diese "Volkskriege" (die bald dazu führen sollten, daß ganze Völker ausgerottet wurden, da ja der Krieg nun gegen das ganze Volk geführt werden mußte) - die Entstehung eines "Nationalgefühls". Nein, nicht irgend eines Nationalgefühls, sondern ganz speziell des britischen Nationalgefühls. Schiller suchte sie auch. Er fand sie - und da stimmt Dikigoros mit ihm überein - in der Zeit Shakespeares, unter der Herrschaft Elizabeths I. Wie war das gleich im "Hundertjährigen Krieg"? England war mit Burgund verbündet, und Schottland mit Frankreich. Es gab also damals noch kein "Groß-Britannien". Die echten, keltischen "Briten", d.h. die Iren, Waliser, Cornwaliser und Schotten, mochten die Angelsachsen nicht (die sich inzwischen immerhin mit der normannischen Oberschicht zusammen gerauft hatten, auch wenn uns alberne Märchenbücher wie "Robin Hood" etwas anderes weis machen wollen). Zur Zeit Elizabeths I begann ein groß angelegter ideologischer Versuch, auch die Briten und die Angelsachsen zu einem Staatsvolk zu verschmelzen - Shakespeares "Macbeth" gehörte dazu, der einen schottischen König verunglimpft, der sich dem Jahrhunderte zuvor widersetzt hatte - aber darüber schreibt Dikigoros wie gesagt an anderer Stelle. Tatsächlich gelang das so weit (außer in Irland; aber das war und ist ein hoffnungsloser Fall, weil sich die echten Iren auch nicht mit den in Nordirland angesiedelten Schotten - ihren gälischen Vettern - vertrugen und vertragen), daß die Engländer nach Elizabeths Tod einen Schotten auf ihrem Königsthron akzeptierten. (Das ging zwar nicht lange gut, aber das hatte keine nationalen, sondern religiöse Gründe, wie das damals so war - übrigens nicht nur auf den britischen Inseln.) Wie war das möglich? Nun, zunächst einmal mußte Elizabeth eine gewisse Maria Stuart beseitigen - und genau das tat sie auch.

[Maria Stuart]

Ohne seine Leser allzu sehr mit Daten und Namen aus der Geschichte langweilen zu wollen, muß Dikigoros an dieser Stelle festhalten, daß die historische Maria Stuart nicht der Engel war, als der sie oft dargestellt wird; sie hatte mehr als einmal unter Beweis gestellt, daß sie ebenfalls über Leichen gehen konnte - mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte sie umgekehrt genauso gehandelt, wenn Elizabeth in ihre Hände gefallen wäre. Ihre Mutter war - wie Jeanne d'Arc - Lothringerin, pardon Französin, Marias Muttersprache war also Französisch (einige französische und englische Historiker meinen gar, sie sei "französisch bis in die Fingerspitzen" gewesen - dann muß es wohl stimmen); sie war eine Cousine von Henri de Guise, dem mächtigen Führer der katholischen Liga im französischen Bürgerkrieg gegen die protestantischen Hugenotten. Durch Heirat mit dem französischen Dauphin war sie Königin von Frankreich geworden; nach dem Tode ihres Ehemannes (nach der Todesursache wurde nie ernsthaft geforscht) ging sie in ihr Vaterland Schottland (das sie schon als Kind verlassen hatte - sie war in Frankreich aufgewachsen), heiratete ihren Vetter Darnley Stuart, wurde Königin von Schottland und nahm sich einen italienischen Liebhaber. Darnley kam ihr auf die Schliche, ließ den Gigolo umbringen, woraufhin Maria ihn umbringen ließ und nur vier Wochen später seinen Mörder, einen gewissen Bothwell, ehelichte. Das brachte das Faß zum Überlaufen: Nicht nur ein paar Hofschranzen, sondern ganz Schottland schrie nach Bestrafung der mörderischen Königin. Die flüchtete ausgerechnet nach England (auch in Frankreich durfte sie sich nicht mehr sehen lassen, weil sie sich mit ihrer Schwiegermutter, einer Medici, verkracht hatte, die inzwischen für Marias minderjährigen Schwager - den jüngeren Bruder ihres ersten Mannes - die Regentschaft führte), in der Hoffnung, daß Elizabeth - die in ihren Augen bloß ein illegitimer "Bastard" war [ihr Vater Heini VIII. hatte die Ehe mit ihrer Mutter Anna Boleyn annullieren lassen] - sich geehrt fühlen müßte, wenn die rechtmäßige Erbin des englischen Thrones - als die Maria sich sah - geruhte, sie aufzusuchen. Der englische Hof ging die Wände hoch. Elizabeth versuchte, Maria mit Bob Dudley, dem Gräflein von Leicester ["Lester"], zu verkuppeln - eine Heirat mit dem hätte sie die Ansprüche auf den Thron gekostet; aber so mannstoll war Maria denn doch nicht, daß sie darauf reingefallen wäre; sie lehnte dankend ab und pochte auf ihr "Recht", den englischen Thron zu besteigen, und sei es erst nach dem Tode der zehn Jahre älteren Elizabeth (die unverheiratet und kinderlos war). Als schließlich noch die berühmten "Kassetten-Briefe" gefunden wurden (bei Schiller gleich in der ersten Szene), die Maria der Anstiftung zu einer Verschwörung gegen Elisabeth überführten, war das Maß voll: Sie wurde wegen Hochverrats vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt, und schließlich - da Elizabeth sie nicht wie angenommen begnadigte, sondern das Urteil zur Vollstreckung gegenzeichnete - hingerichtet.

Aus diesem Stoff ließe sich ein hochbrisantes politisches Drama machen - und wir werden gleich sehen, daß einige Schillers Theaterstück so [miß]verstanden haben. Was aber tut Schiller? Nachdem er dem Handeln der Jeanne d'Arc nationale Motive untergeschoben hat (und ihrem Scheitern völlig abwegige persönliche Gründe - sie verliebt sich in einen Mann und wird deshalb schwach!), übersieht er nun in "Maria Stuart" die ganz offensichtlichen national-politischen Motive der Hauptpersonen und unterstellt ihnen Handeln aus persönlichen, ganz spezifisch weiblichen Eitelkeiten: Er läßt Elizabeth ihre Rivalin Maria nicht aus Staatsraison töten, sondern aus Eifersucht - ausgerechnet wegen des Grafen von Lester, der in der letzten Szene auf und davon geht, sehr zum Leidwesen Elizabeths. (Tatsächlich interessierten sich für den weder die historische Elizabeth noch die historische Maria :-) Der Hochverrat ist bei Schiller nichts weiter als ein Vorwand (er legt Maria sogar die Behauptung in den Mund, daß die "Kassettenbriefe" gefälscht gewesen seien), und Elizabeth ist eine wankelmütige Zaudererin, welche die Entscheidung schließlich auf die Richter und andere Untertanen schiebt und ihre eigenen Hände in Unschuld wäscht, wenn sie zu ihrem Staatssekretär Davison sagt: "Das Volk bestürmte mich. Ich mußt' ihm seinen Willen tun, ich tat's. Gezwungen tat ich's." - "Schiller verstand halt nichts von weiblicher Psyche," meint Frau Dikigoros; aber das ist nicht der Punkt. Er verstand auch nichts von politisch motiviertem Handeln; und speziell hatte er keinen Blick (und vielleicht auch kein Interesse) für das, was die neue Rechte heute an ihm heraus zu stellen sucht: für das Nationale.

[Exkurs. Wir wollen Schiller indes nicht Unrecht tun; Er fiel vielleicht nur auf die verlogene Propaganda herein, welche die Engländer schon damals meisterhaft beherrschten: Elizabeth mußte befürchten, daß sich die katholischen Mächte Europas zusammen tun würden, um sie für die Tötung Maria Stuarts - die immerhin auch eine Königin war, die man doch nicht so einfach durch ein weltliches Gericht zum Tode verurteilen konnte - zu "bestrafen" (und sei es nur weil das ein guter Vorwand war, um gegen die aufstrebende Seemacht England Krieg zu führen). Nein, nicht so sehr die Schotten - dort regierte zwar mit Jacob ein Sohn Marias, doch der wußte nur zu gut, daß seine Mutter seinen Vater hatte ermorden lassen. Aber in Frankreich und Spanien regierten Leute ganz anderen Kalibers, und die mußten irgendwie besänftigt werden, indem man ihnen Sand in die Augen streute. Also ließ Elizabeth über ihre Botschafter allenthalben das Märchen verbreiten, daß sie selber Maria eigentlich gar nicht habe hinrichten lassen wollen. Nein, ihre bösen Ratgeber hätten sie unter Druck gesetzt, dem sie schließlich nachgegeben habe, freilich nur ganz widerwillig und auch nur zum Schein: Davison habe Anweisung gehabt, den von ihr unterzeichneten Vollstreckungsbefehl auf keinen Fall zur Ausführung zu bringen; und als er es dann doch tat und sie davon erfuhr, habe sie Trauer angelegt und bittere Tränen geweint. (Was nicht einmal Krokodilstränen gewesen sein müssen; denn am selben Tag, als Maria geköpft wurde, erfuhr Elizabeth, daß im Unabhängigkeitskrieg der Niederlande gegen Spanien - den sie insgeheim mit britischen Söldnern und Geldzahlungen unterstützte - zwei wichtige Festungen durch Verrat gefallen waren.) Um das glaubhaft zu machen, setzte sie Davison ab und ließ ihn in den Tower werfen. Das war allerdings nicht gerade ein finsteres Verließ, in dem Kettensträflinge bei Wasser und Brot schmachteten, sondern eher ein Luxus-Gefängnis - Elizabeth hatte selber einige Zeit dort verbracht, als ihre Halbschwester "Bloody" Mary in England herrschte; und als Davison nach anderthalb Jahren stillschweigend wieder entlassen wurde, war er zwar seinen Job als Staatssekretär los (und tat sich darob furchtbar leid), wurde aber als solcher bis an sein seliges Ende weiter besoldet. Die katholischen Mächte fielen auch nur einmal auf solche Sperenzchen herein; als Elizabeth kurz darauf ihren obersten Piraten-Kapitän Francis Drake mit der englischen Flotte und dem Befehl ausschickte, den spanischen Hafen von Cádiz zu überfallen, glaubte ihr niemand mehr, daß sie neun Tage später einen Gegenbefehl hinterher geschickt habe, der Drake zu ihrem großen Bedauern leider nicht mehr erreicht habe. Diesmal reagierte Felipe II von Kastilien und Aragon (Dikigoros widerstrebt es, ihn "Philipp II von Spanien" zu nennen, nicht nur weil er inzwischen auch König von Portugal war, nicht aber von Navarra - das regierte noch der künftige König von Frankreich -, sondern aus Gründen, über die er an anderer Stelle mehr schreibt) mit einer Kriegserklärung und dem Ausschicken der Armada gen England - aber das ist eine andere Geschichte. Exkurs Ende.]

Zurück zum Gespür für "das Nationale". Was machte damals das spezifisch britische Nationalgefühl aus? Dikigoros macht sich anheischig, Ort und Tag seiner Entstehung genau anzugeben: Am 20. Januar 1569 liefen zwei Piratenschiffe - der traurige Rest einer schwer geschlagenen Flotte - im Hafen von Plymouth ein, deren Kapitäne Hawkins und Drake hießen. Als ihre Ankunft bekannt wurde, bemächtigte sich Trauer und Wut der ganzen Nation (die dadurch plötzlich merkte, daß sie eine war!), wie sie vier Jahrhunderte später allenfalls ein haushoch verlorenes Fußball-Länderspiel hervor gerufen hätte. Was war geschehen? Ein paar Piraten hatten sich mit ein paar anderen Piraten eine Seeschlacht geliefert und verloren. Na und? Das kam doch alle Tage vor, oder? Ja, aber die verloren hatten waren englische Piraten mit englischen Schiffen, bezahlt von der englischen Königin und bemannt mit englischen Seeleuten; die anderen aber waren Spanier gewesen. Hawkins und Drake stammten aus Cornwall (genauer gesagt aus Plymouth in Devonshire, aber letzteres gehörte ungeachtet der modernen Grafschafts-Einteilung historisch dazu), und Heini Morgan, ihr Nachfolger, aus Wales. Kein berühmter Dichter hat ihre Taten besungen, kein Schreiberling sie auf die Bühne gebracht; aber sie waren die ersten gemeinsamen Volkshelden aller Briten (wie gesagt, Robin Hood hat es nie gegeben; und hätte es ihn gegeben, dann wäre er allein ein Held der Angelsachsen gewesen, nicht der Normannen und erst recht nicht der Briten). Seit jenem Tag begannen die Briten also, sich als Nation zu fühlen, und an deren Spitze setzte und be-hauptete sich Elizabeth, indem sie Mary Stuart ent-haupten ließ. Fortan war in britischen Augen ein Ausländer, der fremde Schiffe überfiel, ein Pirat; ein Engländer aber, der ausländische Schiffe (und Häfen) überfiel, war ein staatlich anerkannter Freibeuter. So steht am Anfang des britischen Patrioten der britische Pirat. (Denkt Euch nicht allzu viel dabei, liebe Leser, Dikigoros hat diesen Treppenwitz der Geschichte selber erst beim Schreiben bemerkt - "honni soit qui mal y pense" [ein Schelm, wer Böses dabei denkt - der Wahlspruch des Hosenbandordens], pflegte Elizabeths Vater, Heini VIII von England, zu sagen.) Weniger als zwei Jahrzehnte nach dem schwarzen Tag von Plymouth gelang Hawkins, Drake und ihren Briten - Dank tatkräftiger Mithilfe des Wettergottes - die Revanche gegen die spanische Armada; nun war Groß-Britannien endgültig eine Nation, wurde zur See- und später zur Weltmacht.

Bis 1945, als der Zweite Weltkrieg zuende ging. (Dabei hatten die Angelsachsen die Erinnerung an ihren Sieg über die Armada anno 1588 noch so propaganda-wirksam beschworen, in dem heroïschen Kriegsfilm "The Sea Hawk", der in der Originalfassung von 1940 ein flammender Aufruf zum Kampf gegen Deutschland war [alle diesbezüglichen Stellen wurden in der überarbeiteten Fassung von 1947 heraus geschnitten]; aber das ist eine andere Geschichte.) England rächte sich für diesen Verlust seiner Weltmachtstellung an demjenigen, der es davor zu bewahren suchte und für diesen Versuch sein Leben einsetzte; es rächte sich in einem jener merkwürdigen Anfälle von Haß auf den Wohltäter, dessen Wohltat man zum eigenen Schaden zurück gewiesen hat, wie es Nietzsche, der scharfsinnige Psychologe, in der Halbzeit, pardon auf halbem Wege zwischen Schiller und Churchill beschrieben hat. Dikigoros hat "Maria Stuart" 1987, unmittelbar nach dem Tode von Rudolf Hess, noch einmal gelesen, und plötzlich begriff er, warum Schiller bei der neuen Rechten wieder in war. Es war ein Mißverständnis, aber ein verständliches Mißverständnis (wenn Dikigoros sich diese contradictio in adiecto erlauben darf). Hätte Schiller zwei Jahrhunderte später gelebt, und hätte er "Maria Stuart" im Jahre 1987 geschrieben, wäre es bestimmt ob seiner "rechtsradikalen Anspielungen" verboten worden (zumindest in Deutschland - dafür hätten im Zweifel die Alliierten gesorgt); denn was Maria da mitunter sagt, wirkt unheimlich, geradezu beklemmend in seiner scheinbaren Parallelität. Ein paar Kostproben gefällig? (Dikigoros erspart sich und seinen gebildeten Lesern das Zitieren der weit verstreuten Fundstellen; wer ihm nicht glaubt, mag sie selber in "Maria Stuart" suchen - etwas klassische Lektüre hat noch niemandem geschadet :-)

"Die Unglückselige, die seit dem Tag,
Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,
Als eine Hilfe flehende, Vertrieb'ne,
Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,
Sich wider Völkerrecht und Königswürde
Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft [...]
Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand [...]
Die [...] mich überfallen, Schranken
Errichtet schnell, mit unanständ'ger Eile,
Mich unbereitet, ohne Anwalts Hilfe,
Vor ein noch nie erhört' Gericht gestellt,
Auf schlau gefaßte schwere Klagepunkte,
Mich, die Betäubte, Überraschte, flugs
Aus dem Gedächtnis Rede stehen lassen [...]
Ich kenne meine Richter.
Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,
Begreif' ich wohl, daß man die Freiheit mir
Nicht schenken kann. Ich weiß, wo man hinaus will
In ew'gem Kerker will man mich bewahren [...]
EH SICH EIN HENKER FÜR MICH FINDET, WIRD
NOCH EHER SICH EIN MÖRDER DINGEN LASSEN [...]
Ich zweifle nicht, daß ein Gesetz, ausdrücklich
Auf mich gemacht, verfaßt, mich zu verderben,
Sich gegen mich wird brauchen lassen. Wehe
Dem armen Opfer, wenn derselbe Mund,
Der das Gesetz gab, auch das Urteil spricht! [...]
Man hält mich hier
Gefangen wider alle Völkerrechte.
Nicht mit dem Schwerte kam ich in dies Land,
Ich kam als eine Bittende,
Das heil'ge Gastrecht fordernd, in den Arm
Der blutsverwandten Königin mich werfend -
Und so ergriff mich die Gewalt, bereitete
Mir Ketten, wo ich Schutz gehofft. [...]
Ich bin die Schwache, sie die Mächt'ge wohl
Sie brauche die Gewalt, sie töte mich,
Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.
Doch sie gestehe dann, daß sie die Macht
Allein, nicht die Gerechtigkeit geübt.
Nicht vom Gesetze borge sie das Schwert,
Sich der verhaßten Feindin zu entladen,
Und kleide nicht in heiliges Gewand
Der rohen Stärke blutiges Erkühnen.
Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!
Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!
Sie geb' es auf, mit des Verbrechens Früchten,
Den heil'gen Schein der Tugend zu vereinen.
Und was sie ist, das wage sie zu scheinen."

Nein, liebe rechte Leser, auch wenn es Euch mißfallen mag: Dikigoros selber folgt dieser Parallele nicht; er hält sie bestenfalls für ein Mißverständnis, schlimmstenfalls für eine bewußte Fehlinterpretation Schillers; denn im Gegensatz zu Rudolf Heß wurde Maria Stuart von einem ordentlichen Gericht (welches infolge des Tatvorwurfs und des Tatorts unzweifelhaft sowohl sachlich als auch örtlich für den Prozeß zuständig war) nach geltendem Recht und zurecht verurteilt und in aller Öffentlichkeit hingerichtet, nicht etwa heimlich ermordet; und anders als Maria Stuarts Flucht aus Schottland war Heß' Flug nach Schottland 1941 keine "Flucht" aus Deutschland - auch wenn die herrschende Meinung der Staatssöldner auf den Leerstühlen für Geschichte[n] und andere Märchen hartnäckig an der abwegigen Behauptung festhält, jener Flug sei ohne Hitlers Wissen und Willen, womöglich sogar entgegen dem letzteren, erfolgt - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr. Die einzige Parallele, die er gelten lassen würde - die Andeutung, daß die Kassetten-Briefe gefälscht seien - ist in seinen Augen keine; denn er hält zwar das so genannte Hoßbach-Protokoll von 1937 ebenso für eine Fälschung wie das der "Wannsee-Konferenz" von 1942, nicht aber Marias Kassetten-Briefe. [Eine viel interessantere Parallele wäre die so genannte Raschín-Relation, aufgrund derer Wallenstein wenige Jahrzehnte nach Maria Stuart ebenfalls des Hochverrats beschuldigt wurde, woraufhin ihn der Kaiser ermorden ließ. (Vergeßt die so genannten Pilsener Revers, liebe Leser, um welche die Historiker so viel Aufhebens machen; die ließ Wallenstein sich erst unterschreiben, als er erfuhr, daß der Kaiser sich im Vertrauen auf die Richtigkeit von Raschíns Aussagen gegen ihn entschieden hatte.) Leider erwähnt Schiller diese in seinem Theaterstück mit keinem Wort, und auch aus den Geschichts-Büchern ist sie verschwunden, ja man findet sie nicht einmal mehr im Internet, egal ob man ihren Verfasser auf Deutsch "Raschin", auf Tschechisch "Rasin" oder auf Lateinisch "Rascinus" schreibt. Allerdings ist die Echtheit jener Relation als solche wohl unbestritten; lediglich den Inhalt halten einige - vor allem Wallensteins Landsmann Diwald - für überwiegend erlogen.]

[Tells Schuß]

Schillers nächstem Theaterstück möchte Dikigoros eine Frage voran stellen: Was ist eine Nation? Eine Menge oder Masse Bevölkerung aus aller Herren Länder auf einem beliebigen Territorium? Ein paar Untertanen, die von der selben Bürokratie regi[stri]ert und verwaltet werden, mit dem gleichen Stück Papier in der Tasche, auf dem "Paß" steht? Millionen Leute, die dieselbe Sprache sprechen? Menschen, die genetisch miteinander verwandt sind? Daß die ersten beiden Antworten falsch sind, wird jeder halbwegs Verständige auf den ersten Blick einleuchtend finden. Aber die dritte ist ebenso falsch, und die vierte wird oft mißverstanden. Eine gemeinsame Abstammung hat auch ein Ameisenhaufen; und auf den Menschen übertragen wird daraus - wie schon der Name sagt - bestenfalls ein Stamm. Eine Nation entsteht, wenn mehrere Stämme (die nicht einmal sonderlich nahe miteinander verwandt zu sein brauchen), beschließen, künftig sich zu vermischen, nach den gleichen Gesetzen und Bräuchen zusammen und miteinander zu leben (nicht nebeneinander, liebe BRD-Politiker!) und vor allem eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Das ist wohlgemerkt etwas anderes als das Sprechen des gleichen Idioms im linguistischen Sinne, liebe Leser. Dikigoros spricht recht gut Bahasa, sogar besser als die meisten Indonesier, aber das macht ihn noch nicht zum Kanaken; er kann auch mehr Hindí lesen und schreiben als die meisten Bharatis, aber das macht ihn noch nicht zum Inder; und einige Ossis sprechen ganz passabel deutsch, aber das allein macht sie noch nicht zu Deutschen. [Dagegen sprechen Dikigoros und seine Frau eine gemeinsame Sprache, obwohl sie genetisch eine Ossinesin ist.] Im Sinne dieser Definition ist die älteste Nation Europas... die Schweiz!

Nanu, hat Dikigoros nicht eben geschrieben, noch zur Zeit der Jeanne d'Arc - also in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts - hätte es in Europa keine Nationen gegeben? Ja, und dabei bleibt er auch. Was ist dann aber mit dem berühmten Rütli-Schwur ("Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern...") aus dem Jahre 1291 und der Geschichte von Wilhelm Tell, dem Schiller sein nächstes und wohl populärstes Theaterstück gewidmet hat? Eine gute Frage, die zu beantworten Dikigoros wieder etwas weiter ausholen muß. Irgend jemand hat mal gesagt, daß das verpfuschte Attentat vom 20. Juli 1944 die Lebenslüge der Bundesrepublik Deutschland sei. Das mag wohl wahr sein. Dikigoros sagt, daß Wilhelm Tell und der Rütli-Schwur die Lebenslügen der Schweizer Eidgenossenschaft sind. Auch das ist wahr. (Schaut weg und klickt woanders hin, liebe Schweizer, wenn Euch das nicht gefällt, oder tröstet Euch mit dem Gedanken, daß Dikigoros Euch und Euer Land - und vor allem Eure Fränkli - gleichwohl ganz außerordentlich schätzt!) Beide hat es nämlich höchst wahrscheinlich nie gegeben, und wenn es sie gegeben hätte, dann wären sie nur ein Furz in der Geschichte gewesen, der ohne größeres Echo irgendwo in den Alpen verhallt wäre. Ja, liebe Schweizer, vergeßt auch die glor- und siegreichen Schlachten bei Morgarten, Laupen, Sempach, Näfels, Grandson, Murten [gewiß, eine wichtige Schlacht, aber nicht für die Schweiz, sondern für Charly den Übermütigen von Burgund, dessen Stalingrad sie wurde] und im "Schwabenkrieg" [für Nicht-Eidgenossen: der brachte der Schweiz mit dem Frieden von Basel 1499 die Anerkennung ihrer formellen Unabhängigkeit vom Reich] und all den anderen Unsinn, den Ihr auf der Schule gelernt habt - da haben sich bloß ein paar Bauernlümmel mit Raubrittern herum geprügelt... Ja, herum geprügelt, denn die Schweizer "Lanzen-Knechte" (daraus sollte später die mißverständliche Bezeichnung "Landsknechte" werden) führten eine ganz neue Art der Kriegführung ein, nicht mehr in Reih' und Glied, mit Schwert und Degen, wie die edlen Ritter, sondern in "Gewalthaufen", mit Spießen, Heugabeln und Dreschflegeln, halt wie zusammen gerottete Bauern. (Übrigens nicht mit Armbrüsten - schon deshalb kann die Sache mit Tells Apfelschuß nicht historisch sein - so teure Waffen hätte sich ein Schweizer Bauer damals gar nicht leisten können!) Wie gesagt, das alles ist völlig unerheblich für das Werden einer Schweizer Nation, denn die Schweizer kämpften damals nicht für ihr Vaterland, sondern verdingten sich lieber bei fremden Fürsten als "Reisläufer" (das hat übrigens nichts mit Reis zu tun, sondern mit der ursprünglichen Bedeutung von "reisen", über die Dikigiros an anderer Stelle mehr schreibt), also Söldner.

Nein, liebe Leser, die Schweizer Nation entstand - wie die Englische, nur ein knappes halbes Jahrhundert früher - aus einer Niederlage. Genauer gesagt aus einer Niederlage Mailands gegen Frankreich bei der milaneser Vorstadt Marignano am 14. September 1515 - auch hier lassen sich Ort und Zeit also auf den Tag genau fest machen. Die siegreichen "Franzosen" waren freilich gar keine Franzosen, sondern - Söldner aus Bern, Luzern und Solothurn. (Wohlgemerkt alles keine Städte aus der französisch-sprachigen Schweiz; und es gab auch noch keine religiösen Gegensätze - die Reformation hatte noch nicht begonnen -; sie kämpften also nicht für irgendwelche Ismen, sondern ausschließlich für Geld). Als sie begannen, die gegnerischen Leichen zu fleddern (es gab deren reichlich, denn es war eine blutige Schlacht gewesen), merkten sie allmählich, daß auf der Gegenseite gar keine Italiener, geschweige den Milanesen gestanden hatten, sondern - Söldner aus Uri, Schwyz, Unterwalden und Glarus! Und da faßten sich ein paar vernünftige Leute an den Kopf und fragten: "Was tun wir hier eigentlich? Sind wir nicht alle Schweizer?" Die Schweizer hatten ihr Staatsgebiet bis auf dessen heutigen Umfang ausgedehnt; und plötzlich spürten sie, daß sie darin zu einer Nation geworden waren, daß sie es nicht mehr nötig hatten, den Kopf dafür hin zu halten, fremden Fürsten die Kohlen aus dem Feuer zu holen. (Ein paar Ausnahmen hat es immer gegeben; zum Beispiel die Schweizer Garde im Vatikan - aber das waren und sind keine echten "Landsknechte".) Und so schrieb jemand einen neuen Text auf ein altes Marien-Lied ("Nun erst so woll'n wir loben Maria"), der zur ersten, inoffiziellen Schweizer National-Hymne wurde (Übersetzung von Dikigoros; aus dem Schwyzer-Dütschen Original würdet Ihr nicht schlau, liebe Leser):

"Wär't ihr daheim geblieben,
bei Kindern und bei Weibern,
[im Original reimt sich das - da steht "Wiben"!]
hättet die Küh' 'naus[ge]trieben
Käse und Butter g'macht
wär' nütz'ger, wie ich mein'!
Also hat man g'lehrt reisen [s.o.]
euch Knaben in fremde Land',
das [be]klagen Witwen und Waisen
's hat wahrlich kein' Bestand;
Bruder Claus in seinem Leben
[Nicolaus von der Flüe war 28 Jahre zuvor gestorben;
er hatte immer gegen das "Reislaufen" der Schweizer gepredigt,
freilich eher aus pazifistischen denn aus patriotischen Gründen]
hat euch den Rat nicht [ge]geben
gefolgt hätt' ihr ihm eben
ihr wäret nicht so weit
gezogen in fremden Streit!"

[Nicolaus von der Flüe mag nur noch den Schweizern bekannt sein. Ein anderer, der ebenfalls - als Feldgeistlicher - in der Schlacht von Marignano dabei war, hat dagegen weit über ihre Grenzen hinaus Geschichte gemacht: Pfarrer Zwingli kehrte in sich und nach Zürich ins Zivilleben zurück, wo er seine eigene Reformation machte, eine der neuen Schweizer Nation angemessene, so wie Luther eine für die Deutschen machte und Calvin eine, die eigentlich für die Franzosen bestimmt war. Sechzehn Jahre später rief die Trommel Zwingli erneut ins Feld, diesmal zum Bürger- und Religionskrieg gegen die Schweizer Katholiken (was ja nun auch nicht so viel gescheiter war als sich im Ausland herum zu schlagen); er folgte dem Ruf und fiel - als einziger Dikigoros bekannter Religionsstifter - in der Schlacht. Nur eine kurze Anmerkung für Reformierte.]

[Schiller 1793]

Aber all das sah Schiller nicht. Warum wählte er dennoch den Tell-Stoff zur dramatischen Bearbeitung aus? Nun, er schlug gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Bauern-Bund der Kantönli Uri, Schwyz und Unterwalden von 1291 war der erste Feind der Habsburger Kaiser. (Was man sich freilich nicht falsch vorstellen darf, liebe Leser. Das Gräflein Rudi von der Habichtsburg im Aargau, also der heutigen Schweiz, war gerade - als erster Habsburger überhaupt - zum König gewählt worden, weil es so machtlos schien und die Kurfürsten glaubten, ihm auf der Nase herum tanzen zu können.) Und aus Schillers Sicht mußte unter allen Umständen vermieden werden, daß die Schweizer (die gerade von Napoleons Truppen besetzt waren) sich womöglich erinnerten, daß ihre Nation aus der Erkenntnis entsprungen war, nicht länger für die Franzosen kämpfen zu wollen. Und die Schweizer fielen darauf herein! Die griffen das hübsche Märchen von Wilhelm Tell (das natürlich schon älter war, aber nicht in so schöne, klassische Formen gegossen wie durch Schiller, von denen viele zu geflügelten Worten werden sollten) begierig auf und datierten die Geburt ihrer Nation bereitwillig auf 1291, also mehr als zwei Jahrhunderte zurück. Damals, liebe Leser, galt es noch als etwas Gutes, wenn man besonders alt war (damit wurde man "ehr-würdig"), als Individuum wie als Nation. (Die Österreicher - nein, nicht die Habsburger, die Babenberger - fälschten sogar ihre Staatsgründungs-Urkunde, damit die Ostmark noch etwas älter aussah.) Heute ist es ja bekanntlich umgekehrt, da lügen sich nicht nur - vor allem weibliche - Individuen weniger Lebensjahre in die Tasche, indem sie ihre Gesichtshaut liften und ihre Brüste silikonisieren lassen, sondern auch ganze Nationen. Las Dikigoros nicht anno 1999 irgendwo den Satz: "Zum 50. Jahrestag der Gründung Deutschlands..."? Ja, liebe Schrumpf-Germanen, Ihr vergreist zwar von Jahr zu Jahr mehr, aber Ihr werdet Euch schon verjüngen, mit falschen Asylanten und Immigranten aus aller Herren Länder, deren Frauen gebärfreudiger sind als Eure - paßt bloß auf, daß Ihr am Ende womöglich gar nicht mehr Ihr selber seid, sondern nur noch eine geduldete (? Nicht alle Völker sind so tolerant wie Ihr selber - vor allem nicht die vielen zugewanderten Muslime!) Minderheit im einstmals eigenen Lande!

Was macht Dikigoros Schiller nun in Sachen Tell zum Vorwurf? Daß er den Schweizern ein National-Epos geschenkt hat? Es gibt doch in den Sagen der Völker schlimmere Epen, auf die sie ihre Entstehung zurück führen, in denen die zugrunde liegenden Stoffe mit nicht weniger "künstlerischer Freiheit" behandelt worden sind, oder? Gewiß, aber das ist nicht der Punkt. Der Apfelschuß des Tell ist vielleicht gar kein Märchen, sondern eine wahre historische Begebenheit - allerdings spielt sie nicht in der Schweiz, und der Bösewicht ist auch kein Vogt in Habsburger Diensten, sondern vielmehr ein dänischer König. Seine Quelle sind die "Gesta Danorum [Taten der Dänen]" des Saxo Grammaticus; und die Historiker sind sich ausnahmsweise mal einig, daß die spätestens ab dem zehnten Buch tatsächliche Ereignisse aus der dänischen Geschichte wieder geben. Die Episode mit dem Apfelschuß stammt aus dem zehnten Buch ("Tell" heißt dort "Toko"), und wer das nicht glauben will, kann es hier nachlesen und sich selber überzeugen. Gibt es einen vernünftigen Grund, weshalb Schiller sein Theaterstück nicht zwischen Dänemark und Finnland spielen lassen konnte, wie im Original? Nein, es gibt nur den einen: Er wollte Propaganda gegen Österreich machen - und das findet Dikigoros ebenso unseriös wie historisch unhaltbar. Unseriös? Setzt das nicht Vorsatz voraus? Woher will Dikigoros wissen, daß Schiller den Saxo kannte? Nun, er mußte ihn kennen, denn bei seiner intensiven Beschäftigung mit Shakespeare konnten ihm die Gesta Danorum nicht entgangen sein; es war schon damals allgemein bekannt, daß diese u.a. die Quelle für den "Hamlet" waren. (Aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr.) Auch wenn andere die Geschichte schon vor Schiller in die Schweiz verlegt hatten, wäre das doch die Gelegenheit gewesen, das richtig zu stellen! [Für immer-noch-zweifelnde, die sich fragen: Könnte nicht auch umgekehrt Saxo die Geschichte aus einer Schweizer Quelle abgeschrieben und nach Dänemark verlegt haben? - Nein, konnte er nicht, denn er schrieb seine "Gesta" Anfang des 13. Jahrhunderts; anno 1291 hatte er längst das Zeitliche gesegnet.]

Aber noch etwas gilt es gerade zu rücken, was Schiller in ein schiefes Licht gestellt hat - wo es z.T. heute noch steht -, nämlich den "Kaisermord" des Johann "Parricida". Schiller stellt im 5. Akt ganz dezidiert die Heldentat des braven Tell, der den bösen Vogt tötete, dem sündhaften "Mord am Ohm und Kaiser" gegenüber. So so, Johann war also ein Mörder, weil er seinen Onkel Albrecht getötet hatte? Schauen wir uns diesen Albrecht doch mal etwas näher an und nehmen wir vorweg, daß er kein Kaiser, ja nicht einmal ein legitimer König war, sondern ein Usurpator und selber ein Mörder. Er war der Sohn Rudolfs von Habsburg - einer von zwei Söhnen -, und um sich das gesamte Habsburger Erbe zu sichern, zwang er zunächst seinen Bruder zu einem Verzicht auf die Mitregentschaft und riß die "vorläufige Verwaltung" der Ostmark (und der Steiermarks und Kärntens und der Mark Krain - des heutigen Sloweniens -, mehr war das damals noch nicht :-) ganz an sich. (Ihr, liebe ältere Leser, wißt doch noch, was aus "vorübergehend" unter irgendeiner "Verwaltung" stehenden Ostgebieten, pardon Ostmarken wird, Oder, pardon oder?) Gewissermaßen als alleiniges Erbe betrachtete er auch den Königsthron, auf den sein Vater gewählt worden war; aber nachdem der gestorben war, wagten es die bösen Kurfürsten doch, einen anderen zum König zu wählen, nämlich Adolf (pfui, schon der Name setzt ihn ins Unrecht!) von Nassau - und das auch noch einstimmig! Das konnte der brave Albrecht natürlich nicht hinnehmen; er begann einen Jahre langen Krieg um den Thron; und den Sohn seines mittlerweile verstorbenen Bruders, eben jenen Johann-noch-nicht-parricida, enterbte er kurzerhand und jagte ihn zum Teufel. 1298 gelang es ihm endlich in Göllheim, König Adolf zu erschlagen, den rechtmäßigen Herrscher. (Doch was besagt das schon? Auch Adolf II sollte ja anno 1933 "rechtmäßer Herrscher" werden - aber wer würde das heute noch unterschreiben?) Von da an nannte sich Albrecht kackfrech "König". Nicht, daß ihn irgendeiner dazu gewählt hätte - auch jetzt noch nicht! -, aber, wie es die von ihm bezahlten Schreiberlinge ausdrückten, "er wurde nun allgemein als König anerkannt", also bedurfte es gar keiner Wahl; und die so genannten "Historiker" beten das bis heute dumm und brav nach. Noch ehe "König" Albrecht zur Kaiserkrönung nach Rom aufbrechen konnte, kam ihm freilich der böse Johann in die Quere und wurde so zum "Parricida". Dreimal pfui! Aber was hätte Johann denn sonst tun sollen, um sich sein Recht zu verschaffen? Albrecht verklagen? Vor welchem Gericht? Ihn zum Zweikampf fordern? Der hätte ihn bloß ausgelacht (oder in eine Falle gelockt und unmittelbar vor Beginn des Duells festnehmen und ermorden, pardon "hinrichten" lassen)! Einen Aufstand oder gar Krieg entfesseln, der viele tausend Menschen das Leben gekostet hätte? Nein, Johanns Tat war, wenn sie denn ein Mord war, ein Tyrannenmord, und nicht weniger Notwehr als die Tells; und sie war nicht nur Rechtens, sondern auch eine Wohltat, denn im Gegensatz zu jenem unbedeutenden Vogt, der nur ein paar Schweizer Bauern schikanierte, hätte Albrecht, um tatsächlich Kaiser zu werden, keine Skrupel gehabt, ganz Mitteleuropa in einen unnötigen Krieg zu stürzen. Welch eine Gelegenheit zur - nicht nur moralischen - Rehabilitierung des "Johann Parricida" hat Schiller da verpaßt!


[Sieht so eigentlich die Unterschrift eines großen Organisators und Feldherrn aus? Oder nicht eher die eines Chaoten? Oder liegen Genie und Chaos hier zusammen?]
[Wallenstein]

Im Grunde genommen war auch Schillers größtes Werk (schon umfangmäßig), die Wallenstein-Trilogie, eine Kritik am Habsburger Kaiser, der vor lauter Kriegslüsternheit seinen besten Feldherrn - der Frieden schließen wollte - erst zum Seitenwechsel trieb und ihn dann von britischen Offizieren ermorden ließ.

"Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt
Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte..."

So schrieb Schiller im Prolog zu "Wallensteins Lager". Stimmt das eigentlich? Dikigoros dachte immer, jenes Bild läge längst ebenso fest und unverrückbar wie unbeachtet auf dem Rumpelkammerboden der Geschichte. Als er zur Schule ging, wurde Schillers "Wallenstein" im Deutsch-Unterricht nicht durchgenommen ("Die Glocke" auch nicht - beide waren wohl zu lang); und im Geschichts-Unterricht wurde auch nicht viel Aufhebens um ihn gemacht, ja, der ganze "Dreißigjährige Krieg" wurde mit drei Sätzen abgehandelt: "Erst ging es um die Religionsfreiheit und die Libertät der Fürsten im Deutschen Reich, dann kamen die machtpolitischen Interessen ausländischer Herrscher hinzu. Die bekanntesten Feldherren und Politiker hießen Wallenstein, Gustav Adolf und Richelieu. Der Krieg war fürchterlich, aber der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück war für Deutschland noch fürchterlicher." Warum und inwiefern und was sonst noch war erzählte der Geschichtslehrer nicht - es fragte ihn auch kein Schüler danach -, und dann ging es weiter zu irgend einem anderen Thema, das auch niemanden interessierte und an das sich Dikigoros nicht mehr erinnert (wahrscheinlich zum "Sonnenkönig" und zum "Absolutismus"). Wenn er auf eine protestantische Schule gegangen wäre, hätte er vielleicht noch lernen müssen, daß Gustav Adolf ein großer Beschützer dieser Religion gewesen sei und daß die Deutschen sich glücklich schätzen konnten, so einen edlen Besatzer im Lande zu haben, der sich ganz uneigennützig für ihre Interessen eingesetzt und sie von jenem böhmischen Ge... neral, nein Condottiere (zu diesem italienischen Wort schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr) befreit hatte.

Ja, liebe Leser, man hat Wallenstein viel Böses nachgesagt: Er war abergläubisch ("Friedlands Sterne" wurden durch Schiller zum geflügelten Wort, und sein Astrologe Seni geistert bis heute durch die Kreuzworträtsel), jähzornig, und vor allem stammt von ihm der unselige Satz, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse. Damit war aber nun gerade nicht das gemeint, was man heute damit meist assoziiert - im Gegenteil! Was glaubt Ihr denn, wie andere Feldherren das damals handhabten? Schleppten sie ihre Verpflegung mit sich herum und schonten die besetzten Gebiete? Mitnichten: Außer Tabak und Alkohol schleppten die gar nichts mit sich herum, sondern sie plünderten die besetzten Gebiete restlos aus, ohne jede Rücksicht - auch ohne jede Rücksicht auf die eigene Versorgungslage, denn was sie nicht gleich selber fressen oder an ihre Pferde verfüttern konnten, das zerstörten sie. Wallenstein dagegen sorgte dafür, daß seine Soldaten nicht willkürlich plünderten und zerstörten, sondern daß die besetzten Gebiete auch über den Tag der Eroberung hinaus als Versorgungsbasis erhalten blieben, also nicht mehr ausgebeutet wurden als ihnen das auch widerfuhr, wenn sie "eigenen" Truppen in "Quartier" hatten - nur so kann der Krieg den Krieg auf Dauer "ernähren"! Wallenstein hielt überdies streng auf militärische Zucht, und wer dagegen verstieß, wurde an die Wand gestellt - auch adelige Offiziere. (All das machte ihn nicht gerade beliebter, denn das vermeintliche "Recht", ungestraft plündern, sengen, vergewaltigen und morden zu dürfen, war eines der Hauptmotive für die meisten Söldner - was auch sonst? Sold bekamen sie ja entgegen ihrem Namen nur selten ausgezahlt, und noch seltener pünktlich; Wallenstein war auch in diesem Punkt eine Ausnahme.) Wallenstein war nicht nur ein großer Feldherr, sondern auch ein strategisches Genie; er schlug nicht nur Schlachten, sondern bereitete sie auch vor, durch eigene Rüstungsbetriebe, denn er hatte erkannt, daß die Ausrüstung - Waffen, Munition, Bekleidung und Verpflegung - ebenso wichtig sind wie die Zahl und die Kampfbereitschaft der Söldner. (Er wäre nicht ohne ausreichende Winterausrüstung nach Rußland marschiert, wie gewisse "große Feldherren" im 19. und 20. Jahrhundert, aber das nur nebenbei.) Gustav Adolf von Schweden war das genaue Gegenteil: Ein primitiver, brutaler Raufbold, der kam, um zu zerstören. Von ihm ist der Spruch überliefert: "Ich werde Bayern bis auf den Grund verwüsten und in Asche legen, so daß sich die kaiserliche Soldateska darin selbst aufzehret." Und das sagte er nicht nur so dahin. Die von ihm "befreiten" deutschen Dörfer und Städte sahen anschließend so aus wie die von den Alliierten "befreiten" deutschen Städte nach den wiederholten Besuchen der "Liberator [Befreier]"-Bomber 1945. Dagegen war die Zerstörung der schönen Stadt Magdeburg 1631 durch Tillys Truppen ebenso ein auf Schlampigkeit beruhendes Versehen wie die Bombardierung des niederländischen Kriegshafens Rotterdam und der Kathedrale im britischen Rüstungs-Zentrum Coventry durch Görings Luftwaffe 1940.

Es würde hier zu weit führen, dem geneigten Leser lang und breit zu erklären, wie dieser deutsche Irrtum über Motive und Auswirkungen der schwedischen "Befreiung" zustande kam - über die Hintergründe schreibt Dikigoros an anderer Stelle. Um es ganz kurz in drei Sätzen zusammen zu fassen: Die orthodoxen Russen und die katholischen Polen hatten schon lange abwechselnd versucht, die protestantischen Deutschen in den alten Hansestädten des Baltikums zu unterdrücken, ihren Glauben und ihre Kultur auszurotten. Als Gustav Adolf 1621 Livland mit der deutschen Stadt Riga eroberte, empfanden die dortigen Deutschen das tatsächlich als Befreiung - was es als das geringere Übel sicher auch war. Zwölf Jahre später brach Paul Fleming, einer der wenigen großen deutschen Schriftsteller und Publizisten jener Zeit, mit einer holsteinischen Gesandschaft zu einer großen Reise durch das Baltikum und Rußland bis nach Persien auf und brachte die Kunde davon heim ins Reich, wo man nun von dem Schwedenkönig (den zudem noch die Martyrer-Krone umgab, da er gerade erst bei Lützen den "Heldentod" auf dem Schlachtfeld gefunden hatte - es war damals längst nicht mehr selbstverständlich, daß der Herrscher persönlich mit ins Feld zog; Karl XII von Schweden, Friedrich II. von Preußen und Napoleon I. von Frankreich sollten aus dem gleichen Grunde zu unverdientem Ruhm kommen, obwohl sie gar nicht fielen) nichts anderes mehr hören wollte, und wenn es noch so falsch war. Es war durch und durch falsch, nicht nur was die "Befreiung", sondern auch was den "Heldentod" anbelangt: Gustav Adolf hatte die Schlacht von Lützen schon so gut wie verbockt (er hielt sich zwar ebenso wie sein Namensvetter gut 300 Jahre später für den größten Feldherrn aller Zeiten, aber das war er ebenso wenig wie der) und wandte sich zur Flucht, da traf ihn eine Kugel in den Rücken. (Schiller diskutierte und verwarf übrigens als Geschichts-Professor die These, daß das ein Attentat aus den eigenen Reihen war, durch den Herrn von Lauenburg.) Das fette, voll gefressene Schwein war so schwer, daß es ohne Rüstung in die Schlacht ziehen mußte, sonst hätte es kein noch so kräftiges Schlacht-Roß mehr tragen können, und das wurde ihm zum Verhängnis. Der Herzog von Weimar (auf den wir gleich noch einmal zurück kommern werden) übernahm das schwedische Kommando, und er hätte die Schlacht fast noch gewonnen, wenn nicht die einbrechende Dunkelheit Wallenstein - der schon alle Munitionswagen und Artillerie verloren hatte und dessen Kavallerie den Befehl verweigerte, allein mit blankem Säbel gegen die Schweden weiter zu kämpfen - den Rückzug nach Leipzig ermöglicht hätte. Seine überlebenden Kavallerie-Führer ließ Wallenstein übrigens öffentlich an die Wand stellen.

[Gustav Adolf] [Wallenstein]

[Exkurs. Am Mythos des Heilsbringers aus Schweden hielten die Deutschen mehr als 300 Jahre lang fest, bis zu jenem denkwürdigen 24. Juni 1958. Da zerstörte im schönen Göteborg der neidische Fußballgott in Person eines ball- und knochentretenden schwedischen Söldners in italienischen Diensten die deutsch-schwedische Völkerfreundschaft, die zwei dreißigjährige Weltkriege überdauert hatte - den, in dem Wallenstein mit kämpfte, und den von 1914-1945. Sie endete fast ebenso idiotisch und grundlos wie sie begonnen hatte: Der Schwede - der selbst bei den sicher nicht zimperlichen Italienern den Spitznamen "Ucellino (Schwalbe, wörtlich Vögelchen)" hatte - machte seinem Namen alle Ehre; der (ungarische) Schiedsrichter fiel drauf rein und stellte einen der deutschen Balltreter vom Platz, die daraufhin das Spiel und damit ihren Weltmeister-Titel verloren, auf den sie doch so stolz gewesen waren. (Ja, liebe deutsche Fußball-Fans, die Ihr dabei wart und es heute noch nicht verwinden könnt, die Schweden haben kräftig hingelangt, und der von den brüllenden Zuschauer-Massen eingeschüchterte Schiedsrichter hat weg gesehen, den Deutschen zwei eindeutige Elfmeter verweigert und dafür den Schweden zwei irreguläre Tore anerkannt. Aber erinnert Ihr Euch auch noch, wie die deutschen Ball- und Knochentreter den WM-Titel vier Jahre zuvor gewonnen hatten? Für diejenigen, die es versäumt, vergessen oder verdrängt haben (wie jenes schändliche, pardon heldenhafte Endspiel von 1990 - fragt mal Argentinier, die dabei waren, was sie davon halten!), haben ein Sportfreund von Dikigoros und er selber hier einige Fakten zusammen getragen. Schweden - nicht nur Sportler, sondern auch ganz friedliche Geschäftsleute und Touristen, die sich gar nicht für Fußball interessierten - die sich nach jenem Tag noch in Deutschland blicken ließen, bekamen an den Tankstellen kein Benzin mehr, sondern allenfalls die Autoreifen aufgeschlitzt, und Lokalverbot in allen Kneipen von Sankt Pauli bis zum Hofbräuhaus, in denen ein Fernseher stand, der die Ball- und Knochentreterei übertragen hatte - späte Rache für Gustav Adolf und die so lange verdrängte Blut- und Rauchspur, die er durch Deutschland gezogen hatte wie Sheridan durch das Shenandoah Valley - oder, wie man seit Margaret Mitchell's Bürgerkriegs-Roman "Vom Winde verweht" statt dessen sagt: wie Sherman durch Georgia (aber das ist eine andere Geschichte). Erst als ein schwedischer König knapp zwei Jahrzehnte später eine deutsche "Hosteß" heiratete, die ihn auf einer Messe "betreut" hatte, machte wenigstens die deutsche Regenbogen-Presse ihren Frieden mit den Nordmännern; aber eine echte Freundschaft zwischen Deutschen und Schweden, wie sie etwa zu Lebzeiten des großen Forschungs-Reisenden Sven Hedin bestanden hatte - der zum Glück einige Jahre vor jenem Trauer-Spiel gestorben war; die Ereignisse danach hätten ihm sicher das Herz gebrochen - ist nie wieder entstanden. Um mit Schillers Wallenstein zu sprechen: "Das war kein Heldenstück..." Exkurs Ende.]

An der Uni bekamen Dikigoros und seine Kommilitonen dann etwas mehr erzählt: Die Jura-Professoren meinten, daß der Westfälische Friede doch immerhin den Grundstein gelegt habe für den deutschen Föderalismus, und das sei ja auch gut so. Dikigoros bezweifelt schon, daß der Tatbestand zutrifft - was 1648 geschaffen wurde, war alles andere als ein Bundesstaat, es war bestenfalls ein Staatenbund. Und über die Frage, ob das gut so gewesen sei, gibt jede Zeit eine andere, nämlich ihre Antwort: Wenn man für einen zentralisierten Einheitsstaat ist, war der Westfälische Friede schlecht, wenn man dagegen ist, war er gut. Das war ebenso simpel wie falsch [Dikigoros erlaubt sich, gegen den Einheitsstaat zu sein, aber den Westfälischen Friedensvertrag dennoch für juristisch schlecht gemacht und in seinen Auswirkungen als Unglück für Deutschland anzusehen], aber darüber machte sich niemand ernsthaft Gedanken, denn Verfassungsgeschichte war nicht examensrelevant, man hörte sich das an und vergaß es wieder (wenn man es sich denn überhaupt bis zur nächsten Vorlesungsstunde gemerkt hatte). Die Geschichts-Professoren filosofierten herum, wie sich der "Dreißigjährige Krieg" einteilen ließe, und kamen zu dem Ergebnis, daß es erst einen Krieg um Böhmen gab, dann einen gegen Dänemark, dann einen gegen Schweden, und schließlich einen gegen Frankreich, und daß am Ende das Reich, d.h. der Habsburger Kaiser, der Verlierer war und Deutschland die Zeche bezahlte. Die Frage, wer schuld an der Niederlage war, durfte man nach 1945 eh nicht stellen, denn Kriege zu verlieren war immer gut für die Deutschen, wer das zu verantworten hatte, trug keine Schuld, sondern erwarb Verdienst; und wer schuld daran war, daß er so lange gedauert hatte wurde merkwürdigerweise gar nicht gefragt. Hätte man nicht eher kapitulieren können? Nein, eigentlich nicht, denn bis kurz vor Schluß sah es ja so aus, als ob man ihn noch gewinnen könnte; und zumindest bis zum Tode Wallensteins hatte man ja auch gegen eine Welt von Feinden siegreich bestanden.

Auch die Frage, ob Wallenstein denn nun ein "Verräter" war oder nicht, wurde merkwürdigerweise nicht gestellt - wäre es nicht an der Zeit gewesen, ihn zu rehabilitieren, selbst wenn er Verrat geübt hätte? Wurden nicht auch die Verschwörer vom 20. Juli 1944 gerade zu "Helden" und "Widerstandskämpfern" hoch stilisiert? Wollte Wallenstein nicht letztlich bloß den Krieg beenden, einen Separatfrieden mit Schweden und Sachsen schließen, bevor Frankreich offen eingriff? Aber der Vergleich hinkt, denn Wallenstein war schließlich kein Attentäter, wie Stauffenberg & Co., im Gegenteil: Er fiel selber einem Attentat adeliger Verräter in Offiziers-Uniform zum Opfer, und deshalb muß man die Parallele ganz woanders ziehen: Ziemlich genau drei Jahrhunderte nach Wallenstein traf ein anderer Condottiere - der wahrscheinlich letzte deutsche Condottiere in der Geschichte - Putsch-Vorbereitungen gegen seinen Kaiser, pardon Führer, dessen Politik er für falsch hielt. Der Führer ließ ihn umbringen - wie einst Kaiser Ferdinand seinen Stabschef Wallenstein - und den Mord anschließend per Gesetz für rechtens erklären. Und als ob das nicht schon Treppenwitz genug wäre, ließ er anschließend ein Grabmal errichten - für Wallenstein, 300 Jahre nach dem Mordanschlag von 1634! [Letzteres muß man freilich auch als einen Ausgleich ansehen für die großen Gedenkfeiern, die 1932 - also noch zur Zeit der Weimarer Republik - zum 300. Todestag Gustav Adolfs abgehalten worden waren. Wie dem auch sei, im Vergleich mit denen hat Röhm also noch über 200 Jahre Zeit; und obwohl er sicher keinem von beiden das Wasser reichen konnte, wird es bei ihm vielleicht sogar eher klappen, schließlich war er ein anerkanntes Opfer Hitlers, und schwul war er auch - da könnte der neue Regierende Bürgermeister von Berlin doch wohl ein Eckchen für ein Denkmal auf ihn frei machen, vielleicht neben dem Holocaust-Mahnmal?!] Ja, Mörder haben Konjunktur in der Bananenrepublik Deutschland. Interessiert es Euch, liebe Leser, was aus den Nachkommen von Wallensteins Attentäter, dem britischen Oberst Butler, geworden ist? Sie begründeten eine lange Dynastie deutscher Berufssoldaten, deren jüngster Sproß anno 2002 vom Oberst zum Brigadegeneral befördert wurde, um am fernen Hindukusch einen Verteidigungskrieg der BRD gegen Afģānistān zu führen, wie es das (Grund-)Gesetz befahl - pardon, der letzte Halbsatz ist aus einer anderen Geschichte (die Schiller lediglich übersetzt hat), aber der Rest stimmt.

Als Dikigoros studierte, wurde Wallenstein wie gesagt gar nicht erwähnt - es war die Zeit, als die Geschichts-"Wissenschaft" sich auf die Idee zu versteifen begann, daß nicht einzelne Personen, sondern nur Massen und Klassen Geschichte machten. Das war nicht immer so: Unmittelbar nach dem Krieg herrschte - nicht nur, aber besonders - in Deutschland die personen-bezogene Geschichts-Betrachtung vor, nach dem Motto: Wenn der Hauptdarsteller tot ist, ist auch der Handlungsstrang beendet. Das war praktisch gedacht: War nicht auch Hitler ein Einzeltäter gewesen, und all die Millionen, die ihn gewählt und unterstützt hatten (oder ihm zumindest bereitwillig gefolgt waren) lauter Opfer und Widerstandskämpfer oder schlimmstenfalls Mitläufer? Dikigoros erlaubt sich, diese Frage zu verneinen: Auch der größte Ver-Führer braucht Ver-Führte, und die wiederum tun nichts ohne ihren An-Führer. Aber die Deutschen sind ein Volk von Schwarz-Weiß-Denkern, die gerne von einem Extrem ins andere fallen: Während die Kriegs-Generation alles auf (eine) Einzelperson(en) schieben wollte, machte die erste Nachkriegs-Generation (die "68er"), die inzwischen den langen Marsch durch die Institutionen angetreten hatte - und in den Unis war sie zuerst ans Ziel gelangt - aus dem "Alleintäter" Hitler plötzlich ein ganzes Volk von "Tätern", mit Erbschuld und Sühnezahlungen bis in alle Ewigkeit, wie es im jüdischen Alten Testament steht. Und dementsprechend hatten sie es auch im "Dreißigjährigen Krieg" mit "den" Katholiken, "den" Protestanten, "den" Pappenheimern (nicht etwa mit Pappenheim - was erschreckend ungerecht ist, denn auch er fiel bei Lützen, und im Gegensatz zu Gustav Adolf hatte er die Kugel, die ihn tötete, nicht im Rücken, sondern in der Brust! - und anderen Generälen, deren Namen seither kaum noch jemand kennt), und "den" Völkern, die beteiligt waren. In einem weit verbreiteten Geschichts-Buch aus seiner Studienzeit liest Dikigoros über das Ende des "böhmischen Krieges" 1623: "Über Böhmen ergeht ein furchtbares Strafgericht mit Hinrichtungen und Enteignung der Hälfte des adeligen Grundbesitzes. Gewaltsame Rekatholisierung (150.000 Emigranten) und Regermanisierung legen den Grund für den Deutschen-Haß der Tschechen." Wohlgemerkt, dieser Schwachsinn steht da bis heute (Dikigoros hat es in der Neuauflage nachgeprüft), und niemanden scheint es zu stören.

Beginnen wir mit der "gewaltsamen Rekatholisierung" und den 150.000 Emigranten und schauen etwas über den böhmischen Tellerrand hinaus. Wenn Ihr Euch etwas mit französischer Geschichte beschäftigt habt, liebe deutsche Leser, wie das unter Nicht-Franzosen üblich ist, nämlich allenfalls oberflächlich, dann habt Ihr vielleicht schon mal von den Hugenotten-Kriegen gehört. Das klingt fast, als wären es Kriege der Hugenotten gewesen. Tatsächlich war es die Verfolgung, Terrorisierung und Ermordung der französischen Protestanten durch den katholischen Staat Frankreich. So wird man Euch das nicht dargestellt haben; vielmehr werdet Ihr von allerlei famosen Edikten gehört oder gelesen haben: den Edikten von St. Germain, dem Edikt von Beaulieu und vor allem dem Edikt von Nantes, das ja so tolerant war und den Hugenotten Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung gewährte. [Tröstet Euch, die Franzosen lernen auf der Schule auch nicht mehr als diesen Unsinn, obwohl sie im Geschichts-Unterricht so viel eingebimst bekommen wie kaum ein anderes Volk auf der Welt - allerdings mehr Märchen und Geschichten als Geschichte.] Vergeßt es, denn all diese Edikte waren einen Dreck wert: Auf St. Germain I folgte das Blutbad von Vassy, auf St. Germain II die Bartholomäus-Nacht, auf Beaulieu der Mord an Henri Guise, und in Nantes gewährte der Verräter Heini IV - ein Hugenotte, der zum Katholizismus übergetreten war - den Protestanten so gut wie gar nichts: All ihre weltliche Habe wurde ihnen genommen; sie behielten nur die "Glaubensfreiheit" in dem Sinne, daß sie insgeheim beten, aber nicht etwa öffentliche Gottesdienste abhalten durften; und nicht vogelfrei waren sie nur an einigen wenigen "Sicherheitsplätzen"; von Gleichberechtigung konnte nicht die Rede sein. Aber selbst daran hielt sich der krumme Hund, pardon, aufrechte Kardinal Richelieu (der für den unmündigen französischen König die Staatsgeschäfte führte) nicht; kurz nach Ende des "böhmischen Krieges" fiel der letzte "Sicherheitsplatz" der Hugenotten, La Rochelle.

Als das Edikt von Nantes später auch formell aufgehoben wurde, war es längst das Papier, pardon Pergament nicht mehr wert, auf das es geschmiert worden war. (So viel mehr war es wie gesagt eh nie wert gewesen.) Eine halbe Million französischer Hugenotten "wanderte aus" (sie konnten nicht viel mehr mitnehmen als die zehn Millionen deutschen Flüchtlinge und Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg). Die meisten von ihnen gingen nach Preußen, darunter die Vorfahren der Fernau, Galland, de Maizière und Marseille - wenn Euch diese Namen noch etwas sagen. Nein, Frankreich war noch längst keine Nation - das wurde es eigentlich erst 1789.

Und wie sah es damals in Böhmen tatsächlich aus? Die meisten Protestanten wurden nicht zwangsweise rekatholisiert, sondern rekatholisierten sich freiwillig, aus Opportunismus, die meisten schon vor 1623, wie zum Beispiel Wallenstein. Gewiß, diejenigen, die das nicht taten, wurden enteignet, besonders wenn sie ins Ausland geflohen waren - irgend jemand mußte die Güter schließlich bewirtschaften. Zu wessen Gunsten aber wurden sie enteignet? Der häßlichen Deutschen? Ach was, zugunsten derjenigen Tschechen, die insgeheim längst "germanisiert" waren, der Wallenstein, der Tilly & Co.! Und der Deutschen-Haß der Tschechen? Will da etwa jemand behaupten, daß es dafür einen guten Grund gab? Gab es auch - aber bestimmt nicht 1945 (das "Reichsprotektorat Böhmen und Mähren" war während des gesamten Krieges eine Oase des Friedens und des Wohlstands, in die Deutschland alles hinein pumpte, was es nur irgendwie aus den Angriffszonen der Alliierten Bomber bringen konnte; nie zuvor oder danach ging es den Tschechen besser) oder 1618 (auch damals war Böhmen das wohlhabendste Land im Reich, und der Bevölkerung ging es gut). Der war vielmehr schon gut 200 Jahre älter: 1415 hatte der böhmische König Sigismund (der von den Tschechen als Deutscher empfunden wurde - böhmischer als er konnte man gar nicht sein; sein Vater war jener Tscheche Wenzel, den die Deutschen in ihren Chroniken als "König Karl IV." führen) den tschechischen National-Heiligen Jan Hus (und seinen meist vergessenen Kollegen Hieronymus von Prag) unter Bruch der Zusage freien Geleits auf dem Konzil von Konstanz als Ketzer verbrennen lassen. (Genau genommen hat er nur zugelassen, daß die - überwiegend französischen - Kirchenfürsten, die sich nicht an das kaiserliche Wort gebunden fühlten, Hus verbrannten.) Das war nicht nett - was die Tschechen daraufhin anstellten freilich auch nicht: Die Mörderbanden der Utraquisten und Taboriten unter Jan Žischka und Andi Prokop zogen schon zwei Jahrhunderte vor Ausbruch des "Dreißigjährigen Krieges", der angeblich ihren Deutschenhaß begründete, in ihren gepanzerten Kampfwagen quer durch das Reich und verheerten es von Nürnberg bis Danzig und von Leipzig bis Preßburg. (Später sollte man sie alle in einen Topf werfen und von "Hussiten"-Kriegen sprechen.) Dabei machten sie in ihrem Haß keinen Unterschied zwischen Deutschen, Polen, Slowaken oder Ungarn; zwei Ungarn aus Siebenbürgen - Stefan, pardon Matthias Raab ["Corvinus"] und Stefan Báthory - waren es denn auch, die ihrem Spuk ein Ende bereiteten - freilich nicht ihrem Haß.

Lassen wir das und kehren zum "Dreißigjährigen Krieg" zurück. Als Dänemark geschlagen ist, werden die katholischen Reichsfürsten größenwahnsinnig, verlangen die Restitution aller einstmals katholischen Gebiete, und als Wallenstein das ablehnt, dessen Entlassung und damit de facto die Auflösung des kaiserlichen Heeres. (Denn seine Soldaten fühlen sich nicht dem Kaiser, sondern Wallenstein persönlich verpflichtet; als er geht, gehen auch sie - als Ferdinand das bemerkt, ist es schon zu spät.) Die Reichsfürsten setzen sich durch und ignorieren hartnäckig, daß jenseits des großen Teichs Gustav Adolf von Schweden schon die Invasion vorbereitet. Als Frankreich geschlagen ist, werden Adolfs Generäle größenwahnsinnig, verlangen die Restitution aller einstmals deutschen Gebiete, und als Adolf das ablehnt, setzen sie immerhin durch, daß er den größten Teil des Heeres nach Hause schickt und alle neuen Rüstungspläne auf unbestimmte Zeit vertagt (aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle). Sie ignorieren hartnäckig, daß jenseits des großen Teichs Fränzchen Rosenfeld und sein Höllenhund Eisenhauer schon die Invasion vorbereiten - aber das ist ebenfalls eine andere Geschichte. Bei Schiller kommen Gustav Adolf und Fränzchen Rosenfeld nicht vor - wozu auch? Den einen kennt er noch nicht, den anderen braucht er nicht, denn er zeichnet seinen Wallenstein etwa so, wie Shakespeare seinen Macbeth gezeichnet hat: "Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären", will meinen: Macht korrumpiert, denn um sie zu erhalten, muß man schon mal Unrecht tun und schließlich, "ungesättigt immer weiter strebend, der unbezähmten Ehrsucht Opfer", vollends zum Bösewicht werden. Da ist sicher was dran: Niemand wird zum Bösewicht geboren, und die Umwelt trägt das ihre dazu bei, daß "große" Männer (und Frauen) so werden, wie sie werden - sei es, daß sie gereizt werden, sei es, daß man ihnen nicht früh genug einen Riegel vorschiebt; der geneigte Leser mag selber in den Geschichtsbüchern blättern, um weitere Beispiele zu finden.

Handelte Wallenstein nun treulos und verwerflich? War er ein Verräter? Frau Dikigoros (die ihre Doktorarbeit über den "Dreißigjährigen Krieg" geschrieben hat) meint ja, zumindest juristisch sei er das gewesen. Aber Frau Dikigoros ist keine Juristin, sondern Historikerin, deshalb sollte sie eigentlich wissen, daß das Recht nur selten die Geschichte schreibt, daß die Geschichte vielmehr vor-schreibt, was "Recht" ist, und das hat am Ende immer der Sieger, der auch die Geschichte nieder-schreibt. Handelte Wallenstein tatsächlich gegen die Interessen von Kaiser und Reich? Ferdinand II. war ein etwas einfältiger Mensch, der sich leicht als Marionette mißbrauchen ließ - von seinen Beratern (vor allem seinem zwielichtigen Pferdeflüsterer, pardon Beichtvater Lamormaini) ebenso wie von seinen Verbündeten (vor allem dem Herzog von Bayern, der sich selber gerne als Kanzler-Kandidat der Union, pardon "Liga" hieß das damals, gesehen hätte). Wenn also Wallenstein zwar gegen deren erklärten Willen, aber im besten Interesse von Kaiser und Reich handelte, dann war er objektiv kein Verräter. Tat er das? Schwer zu sagen. Wallenstein wollte mit Schweden, Sachsen und den deutschen Protestanten Frieden schließen (wie er 1629 mit Dänemark Frieden geschlossen hatte), um den Rücken frei zu haben gegen Frankreich. Das hätte sich dann vielleicht gar nicht mehr getraut, Deutschland anzugreifen, das Wallenstein zu einem Zentralstaat ausbauen wollte - nach französischem Muster (er hatte weder religiöse noch nationale Berührungsängste)! Ferdinand dagegen glaubte das nicht nötig zu haben, und die Entwicklung nach der Ermordung Wallensteins schien ihm zunächst recht zu geben: Die Schweden wurden aufs Haupt geschlagen, die protestantischen Reichsfürsten, beim Kurfürsten von Sachsen angefangen, krochen fast alle zu Kreuze und schlossen 1635 in Prag Frieden; der Siebzehnjährige Krieg ging mit einem totalen Sieg Ferdinands zu Ende, und in diesem schönen Bewußtsein ist er zwei Jahre später gestorben. Amen. Moment mal, hieß der nicht "Dreißigjähriger Krieg?" Tja, liebe Leser, es war halt kein echter Friede, und damit kommen wir noch einmal auf die Frage zurück, warum Schiller ausgerechnet nach Weimar ging. Weil sein Freund Goethe dort lebte? Ach was, die Brieffreundschaft mit dem hätte er doch auch anderswo aufrecht erhalten können. Aus beruflichen Gründen? Dto. Nein, Schiller war ein Typ, der sich von sentimentalen Gründen leiten ließ - und welche andere deutsche Stadt hätte sonst in solchem Maße für den Verrat an Deutschland zugunsten Frankreichs gestanden? Fünf Monate nach dem Frieden von Prag ließ sich - als einziger deutscher Fürst - Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar von den Franzosen bestechen (mit der damals ungeheuren Summe von 4 Millionen Silberlingen zuzüglich 1,5 Mio Silberlingen p.a. laufende Subsidien und dem Titel eines französischen Generals - schwedischer Feldmarschall war er schon; er war es, der die Schlacht von Lützen beinahe noch gewonnen hätte), den Krieg wieder aufzunehmen. Der war zwar bis dahin schon schlimm gewesen, hatte ca. 3% der Bevölkerung Mitteleuropas gekostet und viel wirtschaftliche Substanz zerstört; aber das waren "Peanuts" (oder sagte man damals "Cacahuettes"?) verglichen mit den 30% Bevölkerungs-Verlusten und den materiellen Schäden, die seine Fortsetzung kosten sollte. (In Mecklenburg, Wallensteins einstigem Herzogtum, sollten die Schweden mehr als zwei Drittel der Bevölkerung ausrotten, ein Aderlaß, von dem sich das Land bis heute - über dreieinhalb Jahrhunderte später - nicht wieder erholt hat.)

1636 siegten die Alliierten in einer heute kaum mehr bekannten Schlacht - niemand hat sie besungen oder dramatisiert, dabei war es eine der entscheidenden Schlachten der Weltgeschichte - bei Wittstock (das Ihr auf der Karte oben am Nordrand der Kurmark, nahe der Grenze zu Mecklenburg, eingezeichnet seht) über die kaiserlichen Truppen. Wallenstein hätte diese Schlacht mit links gewonnen und so die letzten Besatzungstruppen vernichtet, die damals noch in Deutschland standen (wenn man mal von Lothringen - das de facto schon zu Frankreich gehörte - absieht, wo Bernhard von Weimar stand); aber sein Ersatz, Kurfürst Johann Georg von Sachsen, der den Sieg eigentlich schon sicher hatte, räumte bei einbrechender Dunkelheit ohne ersichtlichen Grund das Schlachtfeld und floh unter Zurücklassung aller Kanonen (und sogar des eigenen Tafelsilbers :-). Damit war der Krieg zwar noch nicht verloren, aber die Chance, sein Wiederaufflammen im Keim zu ersticken, vertan. 1638 kamen die Franzosen mit eigenen Truppen hinzu, und die hausten ebenso fürchterlich wie die schwedischen. Danach ließen auch Brandenburg und Sachsen das Reich im Stich, indem sie sich für "neutral" erklärten. Das sollen also keine Verräter gewesen sein - wohl aber Wallenstein? Pardon, wenn Dikigoros anderer Meinung ist. Für ihn war vielmehr seine von Ferdinand wenn nicht ausgeheckte, so doch zumindest abgesegnete Ermordung Verrat, und überdies nicht nur ein Verbrechen, sondern - um einen Zeitgenossen Schillers zu zitieren - etwas viel Schlimmeres, nämlich eine Dummheit.

[Schiller 1799]

Im Grunde genommen sah Schiller das genauso - was stört Dikigoros also an der Wallenstein-Trilogie? Worin soll da die Geschichts-Klitterung liegen? Nun, liebe Leser, letztere muß ja nicht zwangsläufig darin bestehen, daß der historische Stoff falsch dargestellt wird; viel schlimmer ist es, die Parallelen zur Gegenwart (auf die Dikigoros immer besonders achtet) falsch zu ziehen und damit den Zuschauer in die Irre zu führen. Nein, Dikigoros meint nicht den albernen Zufall, an dem sich dumme Neo-Nazis aufgeilen, daß die Uraufführung von Wallenstein II ["Die Pikkolomini"] am 30. Januar [dem Tag der Macht-Ergreifung 1933] statt fand und die von "Wallensteins Tod" am 20. April [Führers Geburtstag] - das konnte Schiller schließlich nicht ahnen. Aber die "Wallensteine" rollten erstmals zwischen Oktober 1798 und April 1799 auf die Bühne, und da war der Gegenwartsbezug ein ganz anderer. Schiller ging es nämlich nur vordergründig um den dramatischen Zwiespalt, in dem Wallenstein steckte; er nahm ihn nur zum Aufhänger für eine ganz rüde - und die Geschichte verfälschende - Kriegspropaganda pro Frankreich und contra Österreich, wenn er den Titelhelden im 15. Auftritt des 3. Aktes von "Wallensteins Tod" sagen läßt:

"Dieser Krieg verschlingt uns alle.
Öst'reich will keinen Frieden; darum eben,
Weil ich den Frieden suche, muß ich fallen.
Was kümmert's Öst'reich, ob der lange Krieg
Die Heere aufreibt und die Welt verwüstet,
Es will nur wachsen stets und Land gewinnen."

Ach so war das also: Österreich wollte keinen Frieden und ging über Leichen, um ihn wieder anzetteln zu können. Während Monsieur Schiller das schrieb, war gerade der erste Napoleonische Krieg zuende gegangen: Frankreich - das ja im Gegensatz zu Österreich überhaupt nicht wachsen und Land gewinnen wollte - hatte die österreichischen Niederlande (Habsburgs Erbe aus der burgundischen Konkursmasse, das heutige Belgien) überfallen, und im Diktat-Frieden von Campo Formio hatte Österreich sie an Frankreich abtreten müssen. Die Aufführung der Wallenstein-Trilogie kam gerade recht, um den zweiten Napoleonischen Krieg propagandistisch vorzubereiten. War es womöglich eine indirekte Aufforderung an die [Möchtegern-]Wallensteine jener Zeit, das sinkende Schiff der undankbaren Habsburger zu verlassen und sich der guten Sache, der französischen Sache Napoleons anzuschließen? Wenn es so gemeint war, hatte Schillers Theaterstück jedenfalls ungeheuren Erfolg: Als er 1805 starb, war Napoleon, der neue Kaiser der Franzosen, in Deutschland fast so populär wie in Frankreich selber. Das glaubt Ihr nicht, liebe deutsch-nationale Leser? Und doch war es so: Lest mal nach, was die deutschen "Geistesgrößen" von Goethe bis Wieland damals über den Korsen schrieben. Der Stimmungs-Umschwung kam erst mit dem verlorenen Rußland-Feldzug. (Nein, liebe Professoren, nicht schon mit der Kontinental-Sperre; an der verdienten einige Deutsche - nicht nur Schmuggler - vielmehr ganz prächtig!) Der im Nachhinein oft bemühte Fall des Buchhändlers und "Widerstandskämpfers" Johann Philipp Palm, den Napoleon verhaften und 1806 in Braunau am Inn erschießen ließ, interessierte die zeitgenössischen Deutschen - abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, welche die Regel bestätigen - etwa so sehr wie der Fall der Geschwister Scholl knapp anderthalb Jahrhunderte später. Noch 1971 sollte ausgerechnet ein Österreicher den Kaiser a.D. auf Sankt Helena besingen (während Dikigoros dies schreibt, läuft dieser Oldie gerade im Radio - aber das ist reiner Zufall), dessen Portrait bis zur Einführung des Euro französische Geldscheine geziert hat; aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.

[Schiller 1801]

Als Schiller starb, hinterließ er sein letztes Werk, "Demetrius", unvollendet. Welch ein Stoff, liebe Leser, welch ein Stoff! Die russische Geschichte hat keinen anderen, der ihm gleich käme, ja die ganze europäische Geschichte nicht - jedenfalls nicht vor dem 20. Jahrhundert. [Die Japaner und Inder mögen ein paar vergleichbare Stoffe haben, aber die kennt hierzulande kaum jemand, was kein Wunder ist, wenn man sieht, wie verworren z.B. der einzige bei uns etwas bekanntere japanische Regisseur, Akira Kurosawa, die Geschichte von "Kagemusha" dargestellt hat (die rein zufällig etwa zur gleichen Zeit spielt wie "Demetrius"); daraus wird nicht mal der durchschnittliche Japaner schlau, selbst wenn er im Geschichts-Unterricht einigermaßen aufgepaßt hat.] Diesem würdig sind einige der populärsten Sprüche Schillers, die Dikigoros hier einfach mal - fast - unkommentiert zitieren will:

"Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn.
Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen. [...]
Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen
Der Staat muß untergeh'n, früh oder spät,
Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."

"Rußland wird nur durch Rußland überwunden.
Durch fremde Waffen gründet sich kein Thron."

"Nichts widerlegt die Wahrheit des Gerüchts."
[Schiller verwechselt "Wahrheit" und "Wirklichkeit" im Sinne von "Wirksamkeit"]

"O Zarin, falschen Herzens ist der Pole,
Und neidisch sieht er unser's Landes Flor."
[Neidisch? Ein Pole auf Rußland? Ha ha, da dürfte er wohl andere Nachbarn haben!]

Wenn man das Konzept des (unvollendeten) Dramas zu Ende liest, merkt man deutlich, daß Schiller den "Wallenstein" und den "Demetrius" etwa zur gleichen Zeit entworfen hat und nach einem sehr ähnlichen Schema. Leider, denn er läßt auch den "falschen Demetrius" - der ursprünglich ein Mann guten Willens und guten Glaubens ist, überzeugt, tatsächlich der Sohn Tsar Iwans zu sein - durch eine böse Tat zum Schurken werden: Er ermordet den Mann, der droht, den ganzen Schwindel auffliegen zu lassen, und "ist seither verwandelt". Dieses Konzept ist in mehr als einer Hinsicht unlogisch, denn dies ist gerade keine der bösen Taten, die zwangsläufig die nächste gebären. Das mag so sein in Gesellschaften, wo die Vendetta, die Blutrache der Familienclans, angesagt ist und sich gegenseitig hoch schaukelt. Aber Demetrius hat eigentlich gar keinen Grund, weiter "böse" zu sein. Gewiß ist es kein feiner Zug, Leute umzubringen, die von den eigenen Leichen im Keller wissen, zumal wenn sie - wie bei Schiller - nicht als Erpresser auftreten, sondern nur als brave Überbringer der schlechten Nachricht. Aber historisch kann man das auch anders sehen: Demetrius war der beste Tsar, den Rußland jemals hatte, obwohl (oder gerade weil) er kein Russe war - hätte er seine Wahlheimat in der "Smuta [Zeit der Wirren]" im Stich und den Thron irgend einem anderen, "legitimeren", aber unfähigeren Prätendenten überlassen sollen? Es ist eine der großen Tragödien der russischen Geschichte - vielleicht die größte vor dem 20. Jahrhundert -, daß an seiner Stelle (er wurde - wie Wallenstein - ermordet) die Romanows an die Macht kamen, die Schiller penetrant als die Guten darstellt. Alles Negative schiebt er auf seinen Vorgänger Boris Godunow. (Das spricht sich übrigens "Baríß Gadunóff, liebe Leser, und es schreibt sich so, wie Dikigoros es hier geschrieben hat, nicht "Godunov" oder so ähnlich - das russische "в [wä]" ist kein "v", sondern die Entsprechung des griechischen "β [wita]"!). Der hat den Tsarjewitsch ermorden lassen, und damit ist die Dreiteilung perfekt: Hier die Guten, dort die Bösen, und dazwischen einer, dessen Charakterbild man in der Geschichte schwanken lassen kann - eben der falsche Demetrius.

[Exkurs. Ist diese negative Einschätzung des Boris Godunow eigentlich historisch völlig falsch, liebe Leser? Die moderne Geschichts-Wissenschaft sagt "ja"; aber nachdem sich Dikigoros bisher so kritisch über Schillers Geschichtsauslegung geäußert hat, werdet Ihr ihn sicher nicht für voreingenommen halten, wenn er ihn jetzt mal in Schutz nimmt: Zum einen entsprach diese Einschätzung des tatarischen Bojaren der damals unter Historikern aller Länder herrschenden Meinung (einschließlich des Mordes am echten Dimitrij - die von heutigen Historikern angezweifelt wird); zum anderen war sie schlicht und ergreifend - zutreffend. Ein sympathisierendes Drama des russischen National-Dichters Aleksandr Puschkin (bei dem Demetrius ganz schlecht weg kommt) und eine ziemlich bescheidene Oper, die Modest Mussorgskij daraus gemurkst, pardon, komponiert hat, haben nicht nur den Russen den Blick auf den wahren Boris Godunow verstellt. Dikigoros läßt hier mal die Umstände seiner Thronbesteigung außer Betracht (sonst müßte er sich mit der Behauptung auseinander setzen, daß Boris anno 1598 "demokratisch gewählt" worden sei und den geneigten Lesern erklären, daß gegen den Haufen versoffener Bojaren im Sejm der deutsche Bundestag eine Ansammlung überaus integrer Ehren-Männer [und -Frauen] und geistiger Leuchten ist). Man soll ja der Beurteilung von Herrschern keine moralischen Sentimentalitäten zugrunde legen, also konzentrieren wir uns ganz auf die Leistungen als Staatsmann: Ja, Boris war deutsch-freundlich, das war gut für Rußland und unterschied ihn wohltuend von seinem Vor-vorgänger, Iwán dem Schrecklichen. (De facto war er sogar dessen direkter Nachfolger, denn er führte bereits für Iwáns geisteskranken Sohn Fjodor, den "Glöckner von Moskau" - den er mit seiner eigenen Schwester verheiratet hatte - die Regentschaft. Schon deshalb war die "Wahl" vierzehn Jahre später nur eine Farce; allerdings spricht das auch gegen die Vermutung, daß Boris Fjodor ermorden ließ - das hatte er eigentlich gar nicht nötig.) Ja, Boris machte die russisch-orthodoxe Kirche von der griechisch-orthodoxen unabhängig, und diese Trennung schien sinnvoll, denn am Sitz des griechischen Patriarchen - Konstantinopel - saßen seit fast anderthalb Jahrhunderten die muslimischen Türken, und es sah nicht so aus, als ob die es jemals freiwillig wieder räumen würden. (Und so blieb es bis heute als Stámbul ["Istanbul"] türkisch, obwohl die Russen lange Zeit nichts unversucht ließen, es zu "befreien".)

Dennoch hat Dikigoros "schien" geschrieben, denn aus objektiver Sicht war dieses Argument reichlich dünn: In Konstantinopel saßen zwar seit 1453 die Türken, aber sie ließen den griechisch-orthodoxen Patriarchen entgegen aller islamischer Praxis mehr oder weniger in Frieden weiter machen - damals jedenfalls noch. Dagegen war Moskau - mitsamt aller Kirchen, auch die vermeintlich gut geschützten im Krjeml - erst 1571, also zu Lebzeiten Godunows, von den Tataren nieder gebrannt worden, und zehn Jahre später fast noch einmal. Angesichts dessen einen halben Tataren auf dem Tsaren-Thron zu dulden grenzte schon an Masochismus.) Ja, Boris legte den Grundstein für die russische Eroberung des Baltikums, Sibiriens und des Kaukasus. Aber verdammt nochmal, was hatten und haben die Russen dort eigentlich verloren? Und vor allem: Was war der Preis für diese Eroberungen? In Rußland verkamen die Felder und verhungerten die Menschen - zu Beginn des 17. Jahrhunderts allein in Moskau alljährlich an die 40.000; gierig verzehrt von den Überlebenden (obwohl nicht mehr viel dran gewesen sein kann; aber Ratten und Hunde gab es längst keine mehr zu essen, geschweige denn Pferde, allenfalls noch deren altes Stroh, aus dem man eine "Sättigungsbeilage" kochen konnte.) Boris versuchte dem gegen zu steuern, indem er die Bauern an die Scholle band, sie auch de iure zu Leibeigenen machte - was sie de facto längst waren -, aber damit erreichte er nur, daß sie in Scharen flohen, ins "freie Feld", und zu "Kosaken" wurden. Und bekanntlich lebt der Mensch nicht vom Brot allein: Die Russen hungerten damals nicht nur, sie verblödeten auch; und wer sich nicht verblöden ließ, wurde von den Schergen der "Oprischtschina" (der Vorläuferin des KGB) verhaftet und zu Tode gefoltert - ganz wie im 20. Jahrhundert unter den Sowjets. Seit der Ausrottung der geistigen Elite und des bürgerlichen Mittelstands durch den Möchtegern-Byzantiner Iwán und den Tataren Boris - die Dikigoros ohne weiteres als die geistigen Urgroßväter des Kalmücken Lenin und des "Georgiers" Stalin bezeichnen würde - haben sich die Russen nicht mehr groß geändert. Exkurs Ende.]

Wie war das nun mit dem "falschen Demetrius"? Eigentlich schwankt dessen Charakterbild heute gar nicht mehr in der Geschichte, er gilt durchweg als ausländischer Invasor, als Ausbeuter, Blutsauger, Tyrann und was nicht noch alles. Warum eigentlich? Gewiß, er war kein schöner Mann, man mochte ihn sogar für häßlich halten; aber das muß einen Menschen ja noch nicht hassenswert machen. (Außer im deutschen Sprachgebrauch; dazu schreibt Dikigoros an anderer Stelle etwas mehr.) Was halten ihm die Herren Professoren sonst noch vor? Er sprach "zu gut" (!) Russisch, hatte die Rolle des Tsaren "zu perfekt" einstudiert, "wie ein Schauspieler". Moment mal, liebe Historiker, heißt das, Unkenntnis der Landessprache und des Verfassungsrechts seien Voraussetzung für einen "guten", "echten" russischen Tsaren? Waren ein verblödeter Trottel wie Fjodor, der nur eine Marionette in der Hand ehrgeiziger Hofschranzen, Lobbyisten und Partei-Bonzen war, oder ein Analfabet wie Boris Godunow denn besser als ein kluger, gründlich ausgebildeter Herrscher mit "falschem" Stammbaum? (Wenn man sich so in der Weltgeschichte umschaut, scheint diese - eigentlich rhetorisch gemeinte - Frage bis heute überwiegend mit "ja" beantwortet zu werden. Was läuft da nicht alles frei herum, als König[in], Präsident, Kanzler[in?]) Was sprach noch gegen Dimitrij? Er heiratete eine Polin, pfui, das war schon schlimm. (Seine Nachfolger, die Romanows, heirateten dagegen meist Deutsche - oder zuletzt auch mal eine Dänin). Und er übertrug seinem ausländischen Schwiegervater die Verwaltung von Nowgorod und Pleskau - zweimal pfui, das grenzte ja schon an Landesverrat. Nicht wahr, es war viel patriotischer, diese einstmals blühenden (da von Ausländern gemanagten) Hanse-Städte zu plündern und zu zerstören, wie Iwán IV. es wenige Jahrzehnte zuvor getan hatte - was waren die eigentlich noch wert? Etwa soviel wie viele DDR-Betriebe, welche die Treuhand für eine symbolische Mark an ausländische Investitoren "verschenkte". Im Gegensatz zu der gab Dimitrij dem Schwiegervater freilich keine Milliarden an Subventionen für den Wiederaufbau mit dazu. (Nur eine Art Brautpreis von ca. 300.000 Rubel; aber schon darüber regten sich seine Zeitgenossen mehr auf als die blöden Trizonesier von heute über die Plünderung ihrer Staatskasse durch die Veruntreuer der Treuhand.) Dimitrij erlaubte den Bau katholischer Kirchen und hatte sogar einen protestantischen Kammerherrn (aus Deutschland) - dreimal pfui, religiöse Toleranz, das war doch ein Zeichen von Schwäche (so sah es schon sein Vorgänger, der gute Tatar Boris Godunow, und so sehen es bis heute alle guten Muslime)! Fürwahr, ein solches "Scheusal" hat seither nie wieder auf dem russischen Tsarenthron gesessen, da muß Dikigoros den Herren Professoren schon Recht geben! Was noch? Als polnische Besatzungs-, pardon Schutz-Truppen, nein "Friedens-Truppen" nennt man so etwas heute ja, in Moskau über die Stränge schlugen, ließ er knallhart Zucht und Ordnung wieder herstellen - ausgerechnet von bösen Deutschen, die in seinen Reihen standen, wie dem besagten Pappenheim, der später in der Schlacht von Lützen fallen sollte -, und damit war er nun auch noch bei den Polen unten durch. Wohlgemerkt, mit Zucht und Ordnung (das sind doch ganz faschistoïde, typisch deutsche, und daher zutiefst verabscheuungswürdige Dinge!) machte und macht man sich bei fast allen Armeen der Welt unbeliebt, aber bei der russischen und polnischen ganz besonders. Und letztlich war das auch der Grund für seinen Sturz durch den braven Mikhaïl Romanow am 4. November 1612.

Insofern hätte uns Schillers Theaterstück eine wertvolle Anregung geben können, einmal über den "falschen Demetrius" und über so vieles, das sich mit seiner Geschichte verbindet, nachzudenken. Leider wird das ganze durch eine frei erfundene Liebesgeschichte verdorben, für die wieder das gleiche gilt wie für alle anderen Stücke Schillers: Er versteht nichts von weiblicher Psyche. Gewiß, da war die Polin Marina, die Dimitrij sicher nicht aus "Liebe" geheiratet hat - aber das ist nun kein ernst zu nehmendes Argument bei der Ehegattenwahl eines Herrschers. Von Schiller frei erfunden ist die angebliche Liebe Dimitrijs zu Axinia, der Tochter Godunows, der zuliebe der erste Romanow dann den Thron an sich reißen soll. Aber das ist nicht die schlimmste Geschichts-Klitterung, der sich Schiller hier schuldig macht. Auch nicht die Sache mit Godunows Selbstmord durch einen Gifttrunk, das ist eher eine hübsche Erfindung, denn seine tatsächliche Todesursache läßt sich heute nicht mehr ermitteln. (Darf Dikigoros eine ganz ketzerische persönliche Vermutung äußern? Der Kerl hat sich auf einem Bankett schlicht und ergreifend zu Tode gesoffen - immer ein passender Tod für ein russisches Staatsoberhaupt!) Aber es geht Schiller doch um die Motive, liebe Leser, und da leistet er sich eine ganz üble Geschichts-Fälschung, die ihn der Neuen Rechten nur deshalb sympathisch machen kann, weil sie die Wahrheit nicht kennen, die auf das genaue Gegenteil hinaus läuft. Als Demetrius mit dem polnischen Offizier Odowalsky in Meinungsverschiedenheiten bezüglich der zu verfolgenden Politik gerät, läßt Schiller ihn sagen:

"Du fühlst als Pole, ich bin Moskaus Sohn,
Es ist das Land, das mir das Leben gab.
Vergibt mir, teurer Boden, heim'sche Erde,
Du heil'ger Grenzpfeiler, den ich fasse,
Auf den mein Vater seine Adler grub,
Daß ich, dein Sohn, mit fremden Feindeswaffen
In deines Friedens ruhigen Tempel falle.
Mein Erb' zurückzufordern komm' ich her,
Und den geraubten edlen Vaternamen.
Hier herrschten die Waräger, meine Ahnherrn,
In langer Reih' seit dreißig Menschenaltern;
Ich bin der letzte ihres Stamms, dem Mord
Entrissen durch ein göttliches Verhängnis."

Also, abgesehen davon, daß die Waräger nie in Moskau geherrscht haben (sondern vielmehr in Kiew), war der echte Dimitrij schwerlich gutgläubig. Er griff also nicht hart gegen die Polen durch, weil er glaubte, daß er ein Russe war, sondern obwohl er wußte, daß er ein Pole war! Ob Schiller das auch wußte? Aber dann hätte er sich doch schwerlich die famose Parallele entgehen lassen zu Napoleon, dem Korsen, der sein Vaterland verriet (sein Vater war noch Anführer eines Aufstands gegen die Franzosen gewesen) oder - wie man es auch sehen kann - den Nationalismus überwand und sich ungeachtet seiner persönlichen Gefühle an die Spitze des Staates seiner Erbfeinde stellte! "Der Russe haßt den Polen, muß ihn hassen; da ist kein festes Herzensband zu knüpfen," läßt Schiller Marina sagen - wußte er auch, wie sehr der Korse die Franzosen haßt und hassen muß? Dagegen hat Schiller die Motive von Marfa (der Mutter des von Godunow ermordeten echten Dimitrij) duchaus richtig durchschaut und wieder gegeben. Als sie bezeugen soll, daß Demetrius ihr Sohn ist, hat sie zwar trotz aller persönlichen Hoffnung erhebliche Zweifel, aber:

"Doch wär' er auch nicht meines Herzens Sohn,
Er soll der Sohn doch meiner Rache sein.
Ich nehm' ihn an und auf an Kindes Statt,
Den mir der Himmel rächend hat geboren. [...]
Er hoffe auf den Himmel, wenn er darf,
Auf seines Volkes Liebe, wenn er kann."

Als Schiller am "Demetrius" schreibt, ist Frankreich noch mit Rußland verbündet - schade, daß er den Bruch des Bündnisses und Napoleons Rußland-Feldzug nicht mehr mit erlebt hat. Dikigoros fragt sich, wie er darauf wohl reagiert hätte. Aber noch viel interessanter findet er die Frage, wie Schiller den vorgesehenen Schluß gemeint hat: "Ein Kosak hat sich des tsaristischen Siegels bemächtigt und will einen neuen Demetrius spielen." Hat er da einfach bloß ein Geschichtsbuch abgeschrieben (denn so war es tatsächlich - aber was tut das noch zur Sache?), oder wollte er einen Treppenwitz der Geschichte offen legen: Es ist völlig egal, wer an der Spitze steht, ob man ihn auf den Thron bringt, stürzt, ermordet oder einfach weiter vor sich hin murksen läßt - Rußland wird sich immer gleich bleiben, vom Regen in die Traufe kommen und wieder zurück in den Regen?

Kommen wir nach dem letzten noch einmal auf das erste historische Drama Schillers zurück. Warum ist er damals am "Fiesco" gescheitert? Vielleicht wußte er es selber nicht. (Was er im Vorwort über den Stoff und seine Schwierigkeiten damit schreibt, überzeugt nicht.) Darf Euch Dikigoros eine ganz eigene Antwort anbieten? Schiller hatte seine Liebe zu Frankreich noch nicht entdeckt - die "Französische Revolution" hatte noch nicht statt gefunden -, sonst hätte er keine Schwierigkeiten mit der Motivation der Hauptgestalten und ihrer moralischen Bewertung gehabt. Warum denn beiden bzw. allen drei Seiten unterstellen, eine bösartige Diktatur anzustreben? Es war doch eigentlich ganz einfach: Die Fieschi waren mit den Franzosen verbündet - also waren sie die Guten; die Doria dagegen waren mit den Habsburgern verbündet - also waren sie die Bösen. Hätte Schiller das Drama nicht später noch in diesem Sinne umarbeiten können? Ja, schon - aber wie hätte er das den Zuschauern verkaufen sollen? Mit der französischen Revolution war ja wie gesagt auch das Zeitalter des Nationalismus angebrochen; und egal wie man die Motive auch dreht und wendet - es läßt sich einfach nicht weg diskutieren, daß die Fieschi um des eigenen Vorteils Willen ihre Heimat Genua an die Franzosen verraten hatten. Es ist halt etwas anderes, ob man sich als jemand, der die Herrschaft schon inne hat, mit den Franzosen - oder sonst wem - verbündet, oder ob man, um die Herrschaft gewaltsam an sich zu reißen, die Franzosen - oder sonst wen - ins Land holt. Ihr seht den Unterschied nicht, liebe Kinder des 20. Jahrhunderts? Ach so, Ihr seid ja schon umerzogen, Ihr seht täglich die Denkmäler, die man den Vaterlandsverrätern und Deserteuren errichtet und habt gelernt, daß das alles ehrenwerte Männer (und Frauen :-) waren. Aber damals, zur Zeit Schillers, sahen die Menschen - selbst die Deutschen - das noch anders. "Right or wrong, my country", sagten nicht nur die Amerikaner, pardon dachten sie (denn gesagt hat das - jedenfalls mit diesem Wortlaut - erst rund 20 Jahre nach Schillers Tod ein gewisser Admiral Decatur). Selbst wenn die Herrschaft der Doria hart, ungerecht und "diktatorisch" gewesen sein sollte (wer wollte das nach so vielen Jahrhunderten noch sagen? Strafbewehrte Vorschriften zur Bewertung der Geschichte gab es damals noch nicht!) - um sie zu stürzen hätte sich ein braver Genuese keiner ausländischen Hilfe bedienen dürfen... Wohlgemerkt, die Genueser des 16. Jahrhunderts hätten über diese Auffassung entweder herzlich gelacht oder nur müde gelächelt - da dachte niemand in Italien "national" oder auch nur lokal-patriotisch. So oder so war der Stoff damals nicht vermittelbar. Vielleicht wäre er es heute - aber es hat sich noch immer niemand an eine Neubearbeitung gewagt.

[Totenmaske]

* * * * *

Nachtrag zum "Schillerjahr" 2005. Was sagt uns Schiller noch, nachdem er 200 Jahre tot ist? Was hat er den Menschen vor uns gesagt? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn so genannte "Gedenktage" und "Gedenkjahre" haben es oft an sich, daß sie zwar von den Herrschenden verkündet werden - zusammen mit der "richtigen" Interpretation -, aber bei denen, die sich etwas sagen lassen sollen, also "dem Volk" - wie man früher sagte - oder dem "Verbraucher" - wie man heute sagt, da es vor allem darum geht, "Jubiläumsausgaben" irgendwelcher alter Bücher auf den Markt zu bringen - kaum Resonanz finden. Vor allem: Was feiert denn der "Normalverbraucher" für gewöhnlich? Todestage? Oder nicht vielmehr Geburtstage? Hat das damit zu tun, ob jemand noch im Gedächtnis lebendig ist oder schon tot? Oder einfach nur damit, daß sich die Gedenktage und -jahre so besser verteilen? Bei den meisten Jubilaren würde Dikigoros zur letzteren Antwort neigen; aber Schiller ist eine Ausnahme, denn seine runden Geburts- und Todesjahre liegen gerade mal vier Jahre auseinander, und da man in so kurzen Abständen nicht einen derart hohen Aufwand betreiben will (und auch der "Abnutzungseffekt" beträchtlich wäre) müssen sich die Veranstalter solcher Veranstaltungen schon entscheiden, ob sie die Geburt oder den Tod des Jubilars feiern wollen. Früher war die Antwort eindeutig: Niemand wäre anno 1855 auf die Idee gekommen, den 50. Todestag Schillers groß zu feiern; aber am 10. November 1859 wurden in ganz Deutschland große Festlichkeiten ausgerichtet. Die größte übrigens... na, wo wohl? In Marbach? Falsch geraten! In Weimar? Dto. In Berlin? In Stuttgart? In Karlsruhe? Nein, nein, nein. Ihr werdet nicht drauf kommen, liebe Kinder des 20. Jahrhunderts, denn für Euch ist Wien ja keine "deutsche" Stadt mehr. (Womit Ihr in gewisser Weise Recht habt - aber sind denn Berlin und Stuttgart noch "deutsche" Städte?) Aber damals wurde Wien noch mehrheitlich von Deutschen bewohnt; die Tschechen kamen - wie in Prag - erst an zweiter Stelle, und die Juden an dritter. 1934 riefen die Nazis erstmals ein ganzes "Schiller-Jahr" aus, zur Feier seines 175. Geburtstags. Eine krumme Zahl zwar, die auf Dikigoros etwas an den SchillerlockenHaaren herbei gezogen wirkt, aber wenigstens nicht anläßlich seines Todestags. (Nun ja, vier Jahre zuvor, anno 1930, waren die Nazis ja noch nicht an der Macht; und zugunsten der Weimarer MachthaberDemokraten von Präsidialverordnungs Gnaden wollen wir unterstellen, daß auch ihnen die Zahl - es wäre der 125. Todestag gewesen - zu krumm war; am Desinteresse für Todestage kann es nicht gelegen haben, denn den 100. von Goethe feierten sie 1932 ausgiebig.) Aber fragen wir nicht nach solchen Äußerlichkeiten, die von einem mehr oder weniger zufälligen Datum abhängen, sondern nach der Substanz, d.h. nach den Zitaten, die jeweils im Vordergrund solcher "Ehrungen" standen, und nach dem Warum. Was steht im Mittelpunkt der Medaille (unten links)? Das anti-revolutionäre "Lied von der Glocke"! Und das aus gutem Grunde: Hitler hatte gerade den "Röhm-Putsch" nieder geschlagen, d.h. diejenigen seiner "alten Kämpfer" beseitigt, die eine "zweite Revolution" wollten (bzw. der Meinung waren, daß die "Machtergreifung" von 1933 gar keine "braune Revolution" war, sondern vielmehr eine Kapitulation vor dem Establishment). Kronzeuge für die Berechtigung dieser "Nacht der langen Messer": Schiller. Was stand auf dem Rand des Fünfmarkstücks (unten rechts)? "Ans Vaterland ans teure schließ dich an" (aus "Wilhelm Tell"). Das war Programm, denn was wartete nicht noch alles auf den Anschluß ans teure Vaterland: das Saarland, die Ostmark ("Österreich"), das Sudetenland, die alten Reichslande Böhmen und Mähren ("Tschechei"), das Memelland, Danzig... nein, weiter dachte man damals wohl noch nicht, aber das reichte ja auch schon. Kronzeuge für die Berechtigung dieser Forderungen: Schiller.

21 Jahre später, als sich Schillers Todestag zum 150. Mal jährte, hatte man andere Sorgen, hüben wie drüben, d.h. in der BRD ebenso wie in der DDR: Die Alliierten hatten sich zwar zehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht gnädig herab gelassen, den Kriegszustand mit Deutschland für beendet zu erklären (zwar ohne Friedensverträge, aber darauf konnte man dann auch noch verzichten - schließlich sollten die Deutschen bloß wieder als Kanonenfutter "dienen", wie schon zur Zeit Schillers unter Napoléon) und ihnen erlaubt, erstmals nach zehn Jahren wieder "nationale" Gedenkfeiern abzuhalten. In der BRD stellte man sie unter das Motto, das auf dem Rand der Gedenkmünze (unten links) steht: "Seid einig, einig, einig" (aus "Wilhelm Tell"); das ist eigentlich ein eher nichtssagender Spruch, unter dem man alles und nichts verstehen kann. Die DDR machte es da schon deutlicher; auf ihrer Gedenkmedaille (unten rechts) steht der Satz: "Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern" (aus "Wilhelm Tell"). Das war noch zu einer Zeit, als auch in der DDR ganz offiziell die "Wiedervereinigung" angestrebt wurde - und auch der Text von "Deutschland einig Vaterland" war noch nicht verboten.

Und nun sind also die Bürger der BRD und der DDR - die ebenso wenig wie 1955 auf die Idee kamen, sich noch vier Jahr zu gedulden und zur Abwechslung mal wieder einen Geburtstag Schillers zu feiern - "ein einzig Volk von Brüdern" (und Schwestern) - ob sie auch "einig, einig, einig" sind, darf dagegen bezweifelt werden - aber Streit unter Geschwistern kommt halt in den besten Familien vor. Werfen wir dennoch einen Blick auf die Werke Schillers, die von den Regierenden zum Gedenken an Schillers 200. Todestag heraus gesucht wurden - und vor allem auf die, welche fehlen: Doch doch, der "Wilhelm Tell" ist noch immer dabei; aber keiner seiner vollmundigen Sprüche wird mehr zitiert - das ist den Deutschen in Ost und West offenbar vergangen. Auch der "Wallenstein" wird kurz erwähnt, aber sonst kein einziges "historisches" Drama. Das läßt tief blicken, wie es überhaupt tief blicken läßt, in welchem Kontext solche "Ehrungen" stehen: Im "Dritten Reich" war 1934 nur das Jahr Schillers (so wie 1932 nur das Jahr Goethes war, und 1933 nur das Jahr des Anti-Semiten Martin Luther); 1955 war zwar das Schiller-Jahr, aber neben ihm ehrte man - zumindest in der BRD - auch noch den Markgrafen Ludwig von Baden, den "Türken-Louis", dafür daß er die Türken für drei Jahrhunderte aus Mitteleuropa fern gehalten hatte - er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß nur ein halbes Jahrhundert später die Türken erneut vor Europa stehen und sich anschicken sollten, es diesmal vollständig zu erobern, wozu ihnen feige Verräter - auch aus BRD - willig die Hand reichen sollten. Und anno 2005? Man sollte es nicht für möglich halten, wie viele "Jahrestage" man da - politisch korrekt und gutmenschlich - an den Haaren herbei gezogen hat (dagegen waren die Nazis mit Schillers 175. Geburtstag wahre Waisenknaben! Man sollte sich aber auch nicht wundern, daß diese permanente "Gedenkjahr"-Berieselung den allmählich abgestumpften Bundesbürgern ziemlich am Allerwertesten vorbei geht :- ) "100 Jahre Friedensnobelpreis für Bertha v. Suttner", "1.200 Jahre Magdeburg" (nanu - hatte die DDR das nicht Anfang der 1980er Jahre schon einmal gefeiert?), "100 Jahre Relativitätslehre" (obwohl längst jeder, der ein wenig von Fysik versteht, weiß, daß das Humbug ist - wenigstens ein Jude muß doch geehrt werden, und warum nicht Albern Einstein, der größte Charlatán und Deutschen-Hasser des 20. Jahrhunderts?), 1.000 Jahre Bayrischer Wald, und -1 Jahr Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. (Die findet zwar erst 2006 statt - also im "Brecht-Jahr" zu dessen 50. Todestag -, aber das Geld zum Bau der Stadien wird natürlich schon vorher gebraucht, warum soll man die Leute da nicht schon mal abzocken? Und da wir gerade bei "an den Haaren herbei gezogen" sind: Für das Jahr 2007 planen die BRDis mal wieder einen "krummen" Geburtstag zu feiern: den 175. von Wilhelm Busch, dem alten Rassisten und Antisemiten - aber vielleicht wird das nochmal zur Diskussion gestellt, wenn die zuständigen Gutmenschen beim Schnüffeln auf Dikigoros' Webseiten über diesen Nachtrag stolpern, denn Buschs Werke würden einer eingehenden Prüfung unter diesem Aspekt wohl kaum stand halten. Was böte sich denn als Ersatz an? 50. Jahrestag der "Heimkehr des Saarlandes"? Aber die zu feiern wäre politisch wohl auch nicht mehr korrekt, weil die Franzosen das übel nehmen könnten. 50. Jahrestag der EWG-Gründung? Das könnte peinlich werden, wenn jemand merkt, wie deren ursprüngliche Idee inzwischen pervertiert wurde. 175. Jahrestag des "Hambacher Festes"? Aber auch da könnte womöglich noch jemand rechtzeitig merken, daß die Leute, die das mit machten, nicht die Vorläufer des edlen Parteien-Demokratismus heutiger Machart waren, sondern vielmehr des National-Sozialismus unseligen Angedenkens, denn die wollten ja gerade keinen föderalen Bundesstaat mit 16 Millionen Hintergrund-Migranten, sondern einen Einheitsstaat deutscher Nation. Bliebe also als "harmloser" Anlaß nur der 800. Geburtstag der heiligen Elisabeth von Ossiland, pardon Thüringen.) Ja, die Herrschenden sind einfallsreich - die Germanisten leider weniger; die offiziellen Verlautbarungen zum Schillerjahr (von denen Euch Dikigoros einige auf der Eingangsseite verlinkt hat) kreisen in geradezu peinlich-dümmlicher Einseitigkeit um die Schiller-Rezeption im "Dritten Reich", als ob jenes Dutzend Jahre die übrigen zwei Jahrhunderte seit seinem Tode völlig in den Schatten - nein, nicht den Shakespeares, sondern den Hitlers! - stellen würde... À propos fallen: Ist nicht vor 100 (und vielleicht auch schon vor 1.000) Jahren in Thailand mal ein Sack Reis umgefallen? Wäre das nicht ein ebenso guter Anlaß für Gedenkfeiern? Mit dem Erlös könnte man den Wiederaufbau von Luxushotels an den vom Weihnachts-Tsunami betroffenen Küsten Thailands finanzieren - dann hätten auch deutsche Touristen etwas davon! Und eigentlich fehlt in dieser illustren Sammlung doch noch ein goldenes 100-Euro-Stück mit dem Motto: "60 Jahre Befreiung Deutschlands von seinen Nazi-Armbanduhren"!

Aber zurück zur 10-Euro-"Gedenkmünze" auf Schiller, auf der auch noch etwas fehlt: Das "Lied von der Glocke" - es war den rot-grünen Machthabern wohl gar zu "reaktionär". Wißt Ihr, wer die "Glocke" auf einer Schiller-Gedenkprägung zuletzt thematisiert hat? Ihr werdet nicht drauf kommen: Die Cook-Inseln (eine Dependence von Neuseeland). So weit haben die Deutschen es also gebracht... Das dürfte den jedoch Jubilar weniger gekratzt haben; viel tiefer hätte es ihn wohl getroffen - und im Grabe rotieren lassen -, wenn er geahnt hätte, daß in Frankreich niemand mehr seines braven Citoyens Frédéric Giller gedenkt.

P.S.: Gab es überhaupt irgendwo auf der Welt jemanden, der sich im Schillerjahr noch um Schiller scherte, ihn las und daraus politisch-historische Konsequenzen zog? Oh ja, liebe Leser, aber Ihr werdet nicht von alleine drauf kommen, wer das war. Dikigoros will es Euch verraten: Wladímir Putin, seines Zeichens Präsident von Rußland und aus seiner Zeit als Spion beim KGB noch des Deutschen mächtig, griff zum Demetrius-Fragment und studierte es aufmerksam. Danach schaffte er kurz entschlossen den alten russischen National-Feiertag - den Beginn der Oktober-Revolution von 1917, die zum Sturz des letzten der verhaßten Romanow-Tsaren geführt hatte - ab und ersetzte ihn durch den 4. November: den Jahrestag der Machtergreifung des ersten der viel-geliebten Romanow-Tsaren. Gibt es wirklich noch Leute, die meinen, daß es heutzutage keine Bretter-, pardon Treppenwitze der Geschichte mehr gibt?


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