"Das Bild ist eine politische Tat!"*
"Gute Monarchen sind allen Gesetzen überlegen!"
Gustav Ucicky: Das Flötenkonzert von Sanssouci (1930)
Otto Gebühr als Friedrich der Große von Preußen
*Friedrich Sieburg, Helden und Opfer (1963)

[Gemälde 1850] [Filmplakat 1930] [Videocover 1997]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN
(von Filmen, Schauspielern und ihren [Vor-]Bildern)

Die deutsche und die amerikanische Geschichte sind reich an Parallelen, über die man sich viel zu selten Gedanken macht - auch die Filmgeschichte im allgemeinen und die Geschichte der Filme, welche über die Geschichte ihrer großen Staatsmänner gedreht worden sind, im besonderen. Dikigoros will hier nicht über Nationalheilige schreiben (das tut er an anderer Stelle), sondern über Gestalten der Geschichte, die man - wenigstens vorübergehend - als "pater patriae [Vater des Vaterlandes]" bezeichnet hat, über Könige und Präsidenten, über Führer und Verführer, und zwar über solche, die Zeitgenossen waren und deshalb geeignet sind, paarweise vorgestellt zu werden; und er will sich auf je ein Paar aus dem 18. und aus dem 19. Jahrhundert konzentrieren. [Über das dritte sich aufdrängende Paar - Roosevelt und Hitler - schreibt er an anderer Stelle; es wäre auch ungeeignet, im Rahmen einer Reise durch die Filmgeschichte vorgestellt zu werden, wie sie Dikigoros hier unternimmt, denn jene beiden lebten überwiegend im 20. Jahrhundert und damit in einer Zeit, als die Regierenden schon zur Genüge in personam auf Zelluloid gebannt werden konnten und wurden, so daß sie sich im Bewußtsein der Öffentlichkeit nicht mehr nachträglich durch einen Schauspieler ersetzen ließen. Außerdem hat sich noch kein Regisseur bereit gefunden, einen von ihnen im Film zu verherrlichen, denn sie haben inzwischen beide einen schlechte Presse: der Deutsche, weil er die - meist jüdischen - Angehörigen gewisser Minderheiten in den Konzentrations-Lagern umkommen ließ, der Jude, weil er die - meist deutschstämmigen - Angehörigen der Kriegsmarine umkommen ließ, die er nicht vor dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor warnte. Nur Naïvlinge glauben heute noch, daß Hitler nichts von den KZs gewußt hätte und Roosevelt nichts von den japanischen Angriffsplänen.] Darf Dikigoros eine Kleinigkeit vorweg nehmen, die jene beiden Paare von einander unterscheidet, bevor er auf ihre Gemeinsamkeiten und Parallelen näher eingeht? Friedrich II von Preußen und George Washington, der erste Präsident der USA, führten "gerechte", aber eigentlich aussichtslose Kriege; dennoch gingen sie beide siegreich aus ihnen hervor - der Erfolg gab ihnen "Recht". Fern von solchem "Leichtsinn" führten die kühl kalkulierenden Real-Politiker Lincoln und Bismarck Kriege, an deren gerechtem Ziel man zwar mit Fug und Recht zweifeln kann, die zu gewinnen sie jedoch gute Chancen hatten - und auch ihnen gab der Erfolg "Recht".

Wirklich? Wirklich ist, was Wirkung entfaltet, und das sind - wie Dikigoros nie müde wird zu betonen - nicht immer die Tatsachen, sondern oft vielmehr das, was clevere Leute aus ihnen machen. Bisweilen wird ein vermeintlicher Sieg in den Augen der Nachwelt zur Niederlage - und umgekehrt; man spricht dann von einem "Treppenwitz der Geschichte". (Falls dies sogar zweimal passiert, spricht Dikigoros von einem "doppelten Treppenwitz" - aber über solche Fälle schreibt er an anderer Stelle.) Und manchmal verläuft die Entwicklung sogar als "selbsterfüllende Profezeiung" ab, d.h. eine Niederlage wird schön geredet oder ein Sieg mies gemacht - und am Ende sind die Nachwirkungen so, wie man es sich nach dem ursprünglich Ausgang nie vorgestellt hätte. Im Medienzeitalter sind solche Manipulationen gang und gäbe, und einige Leser glauben vielleicht, daß es das früher nicht gegeben hätte. Aber dem ist nicht so. Diese "Reise durch die Vergangenheit" ist vor allem deshalb so interessant, weil sie uns exemplarisch aufzeigt, daß die optische Manipulation der Verbraucher in Sachen Bewertung der Geschichte und der sie prägenden Persönlichkeiten nicht erst mit dem Zeitalter der Kino- und Fernsehfilme eingesetzt hat, als die Bilder laufen lernten - auch davor gab es schon Mittel und Wege, das Bild einer Person für die Nachwelt zu prägen, auf Leinwänden, die nicht viel weniger monumental und eindrucksvoll waren - ein erstklassiges Gemälde im Großformat zu produzieren, dauerte im 18. und 19. Jahrhundert nicht viel weniger lange als die Produktion eines cineastischen Historienschinkens im 20. - und man brauchte nicht auf das Kino zu warten, bis die Bilder lügen lernten.

Exkurs. Ihr meint, liebe Leser, Bilder zu malen sei spätestens seit Mitte des 19. Jahrunderts überflüssiger Luxus gewesen angesichts der Möglichkeiten, welche die Fotografie in zunehmendem Maße bot? Das ist ein Irrtum: Zunächst einmal war es damals mit der Technik der Fotografie noch nicht annähernd so weit her, wie man sich das vorstellt: Niepce hatte zwar schon 1816 eine Camera gebaut, aber weitere zehn Jahre gebraucht, bis er damit das erste Bild zustande brachte, denn das klappte nur, wenn der Sonnengott Helios mit ganztägig schönem Wetter nachhalf (die Belichtungszeit betrug mindestens acht Stunden), deshalb nannte er dieses Verfahren auch "Heliografie". Daguerre, den man heute als Erfinder der Fotografie feiert, konnte die Belichtungszeit zwar ganz erheblich verkürzen; aber mit durchschnittlich zehn Minuten ließen sich in der Praxis halt doch nur tote Gegenstände "daguerrotypieren". Talbot gelang es zwar, durch Einsatz von Chlorsilber die Belichtungszeit von anfangs über zwei Stunden auf unter eine Minute zu drücken (so lange still zu halten konnte man geduldigen Modellen schon mal zumuten), aber die Bildqualität konnte einem guten Gemälde noch lange nicht das Wasser reichen. Die Cameras waren groß und schwer, viel schwerer als Palette und Pinsel, und vor allem: Man brauchte als zu belichtendes Material mit einer flüssigen Substanz bestrichene Fotoplatten, die verglichen etwa mit einer Leinwand für den Normalverbraucher kaum zu handhaben waren. Das war der Stand der Technik, als Daguerre 1851 starb, dem Jahr, als der große Bilderkrieg begann, von dem Dikigoros weiter unten berichten wird. [Erst 20 Jahre später sollte Maddox die Trockenplatte erfinden, die man einigermaßen transportieren konnte, und fast noch einmal 20 Jahre sollte es dauern, bis Georg Ostmann alias George Eastman den Rollfilm erfand und mit seiner "Kodak" fotografieren für jedermann ermöglichte. (Blieb nur noch die Kostenfrage; aber auch das Sammeln von Gemälden war und ist ja kein Hobby für Hungerleider :-)] Dann war da noch das Problem mit der Rückblende: Der Fotograf konnte ja, im Gegensatz zum Maler, seine Bilder nur "live" schießen - wie hätte denn ein Fotograf seine sperrige Ausrüstung auch nur über ein Schlachtfeld schleppen sollen, geschweige denn über einen Fluß wie den Delaware? (Auf die Idee, Foto-Szenen einfach nachzustellen, sollte man erst später kommen - aber das ist eine andere Geschichte.) Außerdem kam es den Verbrauchern - vor allem denen weiblichen Geschlechts - in erster Linie nicht auf besonders naturgetreue Darstellung an, sondern auf Farbenpracht (ähnlich wie heutzutage beim Autokauf, bei dem ihnen die Fahreigenschaften meist gar nicht so wichtig sind :-) Deshalb sollte die Foto-Kamera, um sich gegen den Farbpinsel durchzusetzen, so lange brauchen, bis sich jede[r] einen Farbfilm leisten konnte, und das Fernsehen, um sich gegen das Kino durchzusetzen, so lange, bis sich jede[r] einen Farbfernseher leisten konnte! Exkurs Ende.

Genug der Vorrede; sehen wir uns endlich eine der vier Hauptgestalten etwas näher an: die Titelfigur. Dabei ergibt sich schon das erste Problem, denn wir wissen gar nicht genau, wie Friedrich der Zweite, der auch "der Große" genannt wurde, tatsächlich aussah. (Das hat er übrigens mit Friedrich dem Ersten, der auch "Barbarossa [Rotbart]" genannt wurde, gemeinsam, von dem wir nur wissen, daß er nicht so aussah wie das Gesicht auf dem Goldkopf von Cappenberg, der durch alle möglichen und unmöglichen Publikationen als sein "Portrait" geistert. Aber diese Parallele erwähnt Dikigoros nur am Rande :-) Wir wissen lediglich, daß Friedrich von Preußen ganz bestimmt nicht groß war (der Beiname - den er von den Engländern erhalten hatte - lautete "Frederick the Great", nicht "Frederick the Big" oder "Frederick the Tall"; im übrigen war er auch nicht "great") sondern im Gegenteil äußerst mickrig, höchstens 1,50 m. (Deshalb war er z.B. Napoleon so sympathisch, der auch nicht viel größer war.) Körperlich zu klein geratene Menschen versuchen das oft zu kompensieren, indem sie sich bemühen, Großes zu leisten, was ja eigentlich sehr löblich ist - leider werden einige dabei auch leicht größenwahnsinnig. Ja, liebe Leser, die Ihr als ältere Semester noch gelernt habt, welch toller Hecht, begnadeter Feldherr und gerechter Herrscher "Friedrich der Große" von Preußen gewesen sei, und die Ihr als jüngere Semester an unseren Schulen und Universitäten überhaupt nichts mehr über ihn gelernt habt (was noch schlimmer ist!) - der historische Friedrich war größenwahnsinnig, als er einen siebenjährigen Krieg gegen ganz Europa begann, den Preußen objektiv nicht gewinnen konnte und auch schon so gut wie verloren hatte, als ein paar glückliche Zufälle in letzter Minute verhinderten, daß es schon knapp 200 Jahre früher aufgelöst wurde als es denn tatsächlich der Fall sein sollte. Daß der (bescheidene) Erfolg eines Verzichts-Friedens (Österreich verzichtete darauf, das ihm von Friedrich in einem früheren Krieg abgenommene Schlesien zurück zu erhalten) ihm scheinbar doch Recht gab, ist ein tragischer Treppenwitz der Geschichte, der im Nachhinein viel Unheil anrichten sollte.

Aber beginnen wir von vorne: In jungen Jahren galt Kronprinz Friedrich als friedlicher Schöngeist mit eher musischen als militärischen Interessen: Er las französische Filosofen (vor allem Voltaire), spielte Flöte, und den gut gedrillten Regimentern seines Vaters vermochte er - sehr zu dessen Leidwesen - scheinbar gar nichts abzugewinnen. Doch kaum war er an die Regierung gekommen, begann er schon einen Krieg gegen Österreich. Kommt Euch das bekannt vor, liebe Kinder des 20. Jahrhunderts? Richtig: Jahre lang, fast solange wie Friedrich, hatten sich "die Grünen" als Pazifisten, d.h. Kriegsgegner aufgespielt; doch kaum waren sie an die Regierung gekommen, begannen sie schon einen Krieg gegen Serbien - den ersten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - aber nicht den letzten, denn unter den rot-grünen Machthabern schickte die BRD bald Truppen nicht nur auf den Balkan, sondern auch nach Somalia, Afģānistān, Kambodja... getreu dem Motto: "Und morgen die ganze Welt!" Natürlich waren das immer gute, gerechte Kriege, pardon "friedenssichernde Maßnahmen", und obwohl einige Miesmacher glaubten, etwas anderes aus dem Grundgesetz heraus lesen zu können (oder gar zu müssen) waren es auch ganz legale Kriege, Verteidigungskriege eben, denn es bestand seitens der Bekriegten ein Anspruch auf Eingreifen, alles nur zu ihrem Schutz. Friedrich gelangte zu der Überzeugung, daß die Schlesier Anspruch auf Eingreifen seiner Schutz-Truppen hatten, und so ergriff er denn friedenssichernde Maßnahmen und besetzte, pardon befreite sie. Dabei fühlte er sich ganz und gar im Recht (weil es alte, wenngleich nicht ganz unumstrittene Erbschaftsverträge gab, wonach zumindest Teile dieser österreichische Provinz an Preußen fallen sollten), und mit viel Glück behielt er auch Recht - jedenfalls fürs erste. Aber von da an sann Österreich auf Rache, Preußen mußte jederzeit auf einen Angriff vorbereitet sein. Und es war vorbereitet, jedesmal wenn er kam, und behielt Schlesien auch nach den nächsten Revanche-Kriegen, die Österreich unter Kaiserin Maria Theresia führte. 1756 war es wieder einmal soweit, daß ein österreichischer Angriff bevor stand - und nicht nur ein österreichischer: Die Habsburger hatten die Hohenzollern im politischen Ränkespiel glatt ausmanövriert, Frankreich und Rußland auf ihre Seite gezogen und praktisch das ganze Reich, vor allem das benachbarte Sachsen.

Friedrich sah keinen anderen Ausweg als einen Präventivschlag, und so begann denn der "Siebenjährige Krieg" mit dem Einmarsch preußischer Truppen in Sachsen. War es wirklich ein Präventivkrieg? Und wenn ja, hatte Friedrich ihn nicht selber provoziert, als er Jahre zuvor Schlesien mit Gewalt an sich gerissen hatte? Stellen wir diese Fragen einstweilen zurück, denn im 18. Jahrhundert interessierte die Antwort darauf wohl noch niemanden, da ging es allein um den Erfolg: Wer den Krieg gewann, war im Recht, und wer ihn verlor, hatte damit Schuld auf sich geladen, denn der liebe Gott war mit den stärkeren Bataillonen, basta, pardon Amen. (Exkurs. Ist es heute denn soviel anders? Wer Krieg führt, obwohl er weiß, daß er zwangsläufig verlieren wird, lädt Schuld auf sich; das gilt auch für den Verteidigungskrieg - der Schwächere soll gefälligst nachgeben bzw. kapitulieren. Oder will hier etwa jemand behaupten, daß ein Krieg gerecht[fertigt] sei, bloß weil er um einer "gerechten Sache" Willen geführt wird, wenn die Chancen, dieser zum Sieg zu verhelfen, so gering sind, daß man vielmehr besorgen muß, damit nur der "ungerechten Sache" in die Hände zu spielen?) Um es kurz zu machen: In den ersten Kriegsjahren konnte Friedrich einige Schlachten gewinnen: bei Roßbach (das liegt in der Nähe von Lützen, wenn Euch das noch etwas sagt, liebe jüngere Leser) gegen die Franzosen (was ihn besonders bei den Engländern populär machte), bei Leuthen (das liegt bei Breslau) gegen die Österreicher, und bei Zorndorf (das liegt bei Frankfurt an der Oder) gegen die Russen; aber danach sollte es für "Fridericus Magnus" nur noch Rückzugsgefechte geben.

[Medaille auf die Schlacht vor Prag 1757] [Medaille auf die Siege des Jahres 1757]
[Medaille auf die Schlacht von Roßbaach 1758] [Medaille auf die Siege des Jahres 1758]

Wohlgemerkt: Auch solche Rückzugsgefechte kann man ja durchaus gewinnen - und manchmal glückte Friedrich das auch (mit mehr Glück als Verstand); aber nach sechs Jahren war der Lack sowohl der früheren Siege - auf die man noch Gedenkmedaillen geprägt hatte - als auch der späteren ab. (Oder wurden sie damals noch geschlagen? Dikigoros ist sich nicht ganz sicher, wie damals der Stand der Technik war; jedenfalls sehen sie durch die Bank erbärmlich aus - er hat sie nicht extra so zugerichtet! Die jeweils letzten der beiden Reihen sind übrigens nicht identisch; man benutzte aus Kostengründen den selben Stempel weiter und änderte nur die Jahreszahl durch Hinzufügen einer römischen "I"!) Der Krieg war so gut wie verloren, Preußen ruiniert, seine Armee nur noch eine Ansammlung halb oder gar nicht ausgebildeter Rekruten aus aller Welt. Die Briten dagegen, Friedrichs einzige Verbündete, standen kurz vor dem Sieg in ihrem parallel geführten Weltkrieg gegen Frankreich in Amerika und Indien, den sie "French and Indian War" nannten. Zu den Kriegsanstrengungen in Europa hatten sie eh nichts weiter beigetragen als Geld. Aber wie sollte knapp zweieinhalb Jahrhunderte später mal ein Fußball-Trainer sagen: "Geld schießt keine Tore", und Geld schießt auch keine Toten - irgend jemand muß die Waffen herstellen und bedienen, um einen Krieg zu gewinnen; und zu allem Überfluß stellten die Briten ihre Hilfszahlungen an Preußen prompt ein, als sie ihren eigenen Krieg gewonnen hatten. Friedrich saß in seinem Führerbunker in Berlin, wo seine Karriere einst begonnen hatte, und wollte gerade Selbstmord begehen (die Giftpillen führte er schon seit längerer Zeit mit sich), da geschah das "Miracle [zu deutsch: Wunder, aber soviel Deutsch konnte Friedrich nicht] des Hauses Brandenburg": Die russische Zarin starb, und ihr Nachfolger stellte sich auf die Seite Preußens! Da auch England und Frankreich keine Lust mehr hatten, weiter zu kämpfen, mußte Maria Theresia zähneknirschend Frieden schließen; Friedrich durfte Schlesien behalten und Preußen künftig als kleine "Großmacht" betrachten. Was von dieser "Größe" zu halten war, zeigt ein Blick auf die Friedens-Medaille von 1763: Blech dünn versilbert. [Nein, liebe Münzsammler, Ihr irrt: Nicht die edle Silberausführung, die Ihr in Euren Sammlungen habt, ist das Original, sondern dieses "billige" Stück Blech. Achtet mal auf die Feinheiten, z.B. auf die unterschiedliche Länge der Posaune, die der Medailleur Oexlein zehn Jahre später anläßlich der silbernen Neuauflage "nachgebessert" hat, weil sie beim ersten Entwurf nicht rechts über den Turm hinaus reichte und daher leicht übersehen werden konnte - was böse Zungen als mangelnde Größe des Ruhms, den sie verkünden sollte, hätten auslegen können! Das gleiche gilt für die silberne Neuauflage der Medaille auf die Schlacht von Prag - das Original von 1757 war aus Messing! Friedrich hatte während des Krieges praktisch alle Edelmetall-Münzen einschmelzen lassen und statt dessen eine Art Teuro eingeführt; erst lange nach dem Krieg sollte Preußen wieder so etwas wie eine Währung bekommen, die diesen Namen verdiente; die Zeche durch Inflation und Geldentwertung hatte der kleine Mann zu zahlen, wie schon - und noch - so oft.]

[Medaille auf den Frieden von  Hubertusburg - Vorderseite]
[Rückseite - mit der kurzen Posaune, die rechts nicht über den Turm hinaus ragt]
[Preußen 1763] [Die Neuauflage derselben Medaille - Vorderseite]
[Rückseite - mit der langen Posaune, die rechts deutlich über den Turm hinaus ragt]

Im "French and Indian War" hatten übrigens ein gewisser George Washington und ein gewisser Daniel Boone aufhorchen lassen - wenn auch nicht immer positiv. Zumindest Washington wäre zweifellos als Kriegsverbrecher hingerichtet worden, wenn der Krieg anders ausgegangen wäre, denn er hatte ihn als Räuber-[später schrieb man beschönigend "Milizen"-]Hauptmann im Frühjahr 1754 durch den Überfall auf ein kleines französisches Fort - und die Ermordung seiner Besatzung - praktisch ausgelöst. Aber wollen wir das nicht zu eng sehen: Es gab noch andere Leute, die nach unseren heutigen Maßstäben "Kriegsverbrecher" wären, zum Beispiel den Räuberhauptmann, pardon Ranger-Major Robert Rogers, der als erster gezielt Völkermord an den mit den Franzosen verbündeten Indianer-Stämmen betrieb: Er rottete die Abenaki aus, die seit einem Jahrhundert mehr oder weniger friedlich in der Nähe des Dorfes St. François de Luc (oder, wie die Engländer es nannten: St. Francis) gelebt hatten, und er war stolz darauf - schließlich waren das doch "Renegates [Verräter]"! Aber damals sah man das mit den "Kriegsverbrechen" nicht so eng, auch diesseits des Atlantiks nicht: Die russischen Truppen hausten in Friedrichs Preußen als "Besatzer" nicht viel anders als sie es auch 1813 und 1945 als "Befreier" von Napoleon bzw. Hitler tun sollten, und Maria Theresias "Haiducken" und "Panduren" (Räuberbanden aus Ungarn und Kroatien, die 1756 pro forma in "Infanterie-Regimenter" umbenannt wurden) standen ihnen kaum nach - und Friedrichs Husaren unter Zieten und sein Bosniaken-Korps wohl auch nicht. Man regte sich damals nur noch nicht so darüber auf wie im verzärtelten 20. Jahrhundert, denn man erwartete gar nichts anderes: Krieg ist Krieg, und wehe den Besiegten, den Besetzten und vor allem den "Befreiten". Warum erwähnt Dikigoros diesen Robert Rogers dann überhaupt? Wurde er nicht vor allem dadurch bekannt, daß er trotz jahrelanger Bemühungen den Weg zum Pazifik, die "Nordwest-Passage", nicht fand (er suchte sie viel zu weit nördlich), und wurde er nicht unehrenhaft aus der Armee entlassen, als er zwischen den Chippewa und den Sioux einen Frieden vermittelte, statt sie gegeneinander aufzuhetzen und auszuspielen, wie es ihm befohlen war? (Er wurde wegen "Verrat" vor Gericht gestellt, wanderte erst ins Gefängnis und dann nach Kanada aus.) Geduld, liebe Leser, behaltet den Namen noch etwas im Hinterkopf...

Hat Dikigoros da gerade geschrieben, die Kämpfe in Amerika (und Indien) seien 1763 beendet gewesen? Ja, gewiß, Engländer und Franzosen hatten in Paris einen Friedensvertrag unterschrieben; die Franzosen hatten Neu-Frankreich, das heutige Kanada (genauer gesagt das heutige Québec - weiter westlich hatten sie es noch nicht besiedelt) abgetreten und ihre Verbündeten im Stich gelassen, die "Indianer" (die man irrtümlich so nannte - nach Indien -, aber das ist eine andere Geschichte), genauer gesagt den Stamm der Ottawa (nach dem heute die kanadische Hauptstadt heißt - viel mehr ist nicht von ihm geblieben). Die hatte niemand gefragt, ob sie auch Frieden schließen wollten mit den Engländern - sie wollten nicht, und sie kämpften unter ihrem Häuptling Pontiac weiter. (Auch von ihm sollte nicht mehr bleiben als der Name einer Automarke, aber auch das ist eine andere Geschichte.) An dieser Stelle genügt es, liebe Leser, wenn Dikigoros Euch verrät, was Ihr wohl eh schon wißt, nämlich daß die Indianer unterlagen - wie sie noch so oft unterliegen sollten. Aber wahrscheinlich wißt Ihr nicht, wie die Amerikaner diesen Fortsetzungskrieg nannten und nennen: "The Conspiracy of Pontiac". Von "conspiracy [Verschwörung]" sprechen die U.S.-Amerikaner immer dann, wenn andere wagen, gegen sie Krieg zu führen und zu verlieren, auch wenn er ihnen aufgezwungen wurde - sie hätten sich doch erpressen lassen können, ja müssen! (Den selben Begriff sollten sie 1946 als "Straftatbestand" ins "Völkerrecht" einführen und bei den "Nürnberger Prozessen" gegen deutsche "Kriegsverbrecher" anwenden. [Die Anführungszeichen sind ganz bewußt gesetzt, denn es läßt sich trefflich streiten, ob man da tatsächlich von "Straftat", "Recht", "Verbrechern" und "Prozessen" sprechen kann.])

[Nordamerika 1763]

Aber Dikigoros hat hier schon von "U.S.-Amerikanern" geschrieben. Das ist nicht ganz korrekt, denn offiziell gab es die noch gar nicht. Vorerst gab es nur eine Reihe ["neu"-]englischer Kolonien im Osten Nordamerikas. Was westlich der so genannten "Proklamations-Linie" von 1763 lag, also in etwa jenseits der Blue Ridge Mountains und der Appalachen, am Unterlauf des Ohio, am Kentucky, am Tennessee und am Cumberland River, war schon anno 1763 ganz offiziell als Indianerland anerkannt. (Das Land, das noch weiter westlich lag, am Mississippi und Missouri, war französisch bzw. ab 1763 spanisch, das im Südwesten war sowie schon immer spanisch gewesen, und das im Nordwesten, von Alaska bis Nord-Kalifornien, russisch - aber das ist eine andere Geschichte). Man nannte es übrigens noch nicht so wie die heutigen Bundesstaaten, sondern einfach "Transsylvanien", halt das Land jenseits der bewaldeten Berge. Und just in diese Einöde zog es einige Hinterwäldler, denen es im Osten allmählich zu spießig und zivilisiert wurde: Trapper [Fallensteller] und Jäger drangen erst vereinzelt, dann in immer größeren Gruppen und Grüppchen in die Wälder ein, und dabei stellten sie fest, daß die gar nicht so öde waren, wie sie eigentlich gedacht hatten; vielmehr wimmelte es (na ja, was man damals so "wimmeln" nannte, etwa ab 10 Einwohner pro Quadratmeile wurde es "eng" :-) von Rothäuten, genauer gesagt von "Indianern", die ihre Haut rot anmalten, wenn sie auf dem Kriegspfad waren, und das waren sie meistens, wenn die Weißen sie zu Gesicht bekamen. Die störte das freilich nicht weiter - sie gewöhnten sich an den latenten Kriegszustand. Gewiß, ab und zu waren auch mal "Friedensverträge" zwischen "Rothäuten" und "Langmessern" (so nannten die Indianer die Weißen, nicht "Bleichgesichter") geschlossen worden, die oft darin bestanden, daß die ersteren den letzteren Land gegen Feuerwaffen und Feuerwasser verkauften - wobei auffällt, daß sie bevorzugt Land abtraten, das ihnen gar nicht gehörte, z.B. die Cherokee das der Shawnee und umgekehrt.

Das konnte auf Dauer nicht gut gehen; spätestens seit 1774 herrschte offener Krieg zwischen den Indianern und den Weißen in "Transsylvanien". Die beiden schon erwähnten Veteranen aus dem Siebenjährigen Krieg, Daniel Boone und George Washington, waren wieder dabei, diesmal in leitender Stellung; nach ihnen waren auch die beiden größten Siedlungen in der Gegend benannt: Fort Boonesborough und Fort Washington (aus dem Cincinnati/Ohio werden sollte, das zwar nach dem großen römischen Diktator Cincinnatus benannt wurde, aber bis 1917 nach Chicago/Illinois - das zu Boones Zeiten noch Fort Theuerborn oder Fort Dearborn hieß - und St. Louis/Missouri die drittgrößte deutsche Stadt der Welt war - und deshalb von den Deutschen weniger wohl gesonnenen Amerikaner auch "Porcopolis [Schweinestadt]" genannt wurde. Nein, liebe Berliner und Hamburger, Ihr seid erst durch die Eingemeindungen von 1920 bzw. 1937 an die erste und zweite Stelle gerückt; alle Statistiken, die jene Eingemeindeten von Altona bis Zehlendorf rückwirkend mitzählen, sind schlicht falsch! Fort Boonesborough ist übrigens heute ein kleines Freilichtmuseum abseits der Landstraße 974 zwischen Winchester und Richmond/Kentucky). Die - und das andere knappe Dutzend so genannter "Stationen", die es dort damals überhaupt erst gab - dürft Ihr Euch freilich noch nicht als Städte vorstellen, sondern nur als Ansammlungen einiger Dutzend Blockhütten um ein paar mit Holzpalisaden befestigte Forts, die einem ernsthaften Angriff schwerlich gewachsen waren. Nun, solange es sich nur um ein paar Indianerstämme handelte, mochte das angehen. Aber bald gab es wieder einen "echten" Krieg: Der so genannte "Siebenjährige Krieg" war ja nur einer - der mittlere - von drei Weltkriegen, die im 18. Jahrhundert geführt wurden. Den ersten hatte man den "Spanischen Erbfolgekrieg" genannt (obwohl es bei ihm in Wahrheit nicht - oder jedenfalls nicht in erster Linie - um die spanische Erbfolge, sondern um das spanische Monopol auf den Sklavenhandel in aller Welt gegangen war), den dritten nannte man den "Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg", denn in ihm wandten sich die Kolonisten der "Neuengland-Staaten" gegen ihren König in London, so wie sich eine Generation zuvor, im Siebenjährigen Krieg, die Preußen gegen ihre Kaiserin in Wien gewandt hatten.

Wieder dauerte der Krieg sieben Jahre (egal wie man rechnet: Die Kampfhandlungen zwischen Briten und Amerikanern erfolgten von 1775 bis 1782, die Kriegserklärung erfolgte 1776 und der Friedensschluß 1783), wieder konnten die aufmüpfigen Underdogs einige Schlachten gewinnen: bei Great Bridge gegen die Engländer und bei Princeton gegen die hessischen Söldner; aber danach sollte es für sie nur noch Rückzugsgefechte geben. Die Verräter vom 20. Juli, pardon 14. Juni 1782 (lauter brave, zumeist adelige Offiziere oder Abgeordnete) wollten schon Kapitulations-Verhandlungen mit den Engländern einleiten. Nach sechs Jahren war der Unabhängigkeitskrieg so gut wie verloren. General George Washington, der Oberbefehlshaber der aufständischen Kolonien, saß in Bunker Hill in Boston, wo seine Karriere einst begonnen hatte, und wollte gerade Selbstmord begehen (die Giftpillen führte er schon seit längerer Zeit mit sich) da geschah das Miracle [die Vokabel ist seither in den amerikanischen Wortschatz eingegangen] des Hauses Virginia: Die Franzosen (die formell schon lange mit den USA verbündet waren, aber insgeheim ihre Kanadier auf Seiten der Engländer kämpfen ließen) wechselten die Fronten; ihrer Flotte gelang die Invasion, der Unabhängigkeitskrieg war gewonnen! Wenn Dikigoros ihn einen "Weltkrieg" nennt, dann nur in dem Sinne, daß sich zuletzt fast alle Großmächte der Welt an ihm beteiligten (außer Preußen und Österreich - die leckten noch ihre eigenen Wunden). Für Kinder des 20. Jahrhunderts, in dem die Toten der Schlachten nach Hunderttausenden und die der Kriege nach Millionen zählten, waren die Verlustziffern geradezu läppisch: Die U.S. Army hatte etwas mehr als 16.000 Soldaten (davon knapp die Hälfte Franzosen), die Briten etwas weniger (davon mehr als die Hälfte deutsche Söldner); die Verluste der entscheidenden Schlacht von Stalingrad, pardon von Yorktown, betrugen auf amerikanischer Seite mal gerade 262 Mann, auf britischer immerhin 552. Aber wie Dikigoros immer wieder betont, soll man nie nur auf die Zahlen schauen - es gibt wichtigere Parallelen, z.B. in der Behandlung der Führer der Unterlegenen durch die siegreichen U.S.-Amerikaner (von nun an dürfen wir sie auch ganz offiziell so nennen). Dreimal dürft Ihr raten, liebe deutsche Leser, was mit ihnen geschah. Richtig, sie wurden als "Kriegsverbrecher" abgeurteilt: General Hamilton, der Oberbefehlshaber der Briten, zu verschärftem Zuchthaus (die mit ihm verbündeten Indianer hatten ein paar tote Amis skalpiert, und das erlaubt die Genfer Konvention nicht, die es zwar noch gar nicht gab, aber irgend eine Begründung fand - und findet - sich bekanntlich immer), und Kapitän de Quindre, der Oberbefehlshaber der Franko-Kanadier, zum Tode durch den Strang, wegen "Verrats". (Ja, er hatte für seinen König - wir erinnern uns: ganz Kanada war an England abgetreten worden - gegen die Aufständischen gekämpft... wenn das kein Verrat war!)

Aber die Franko-Kanadier waren ja nicht die einzigen Verbündeten Großbritanniens gewesen - die Engländer hatten es schon immer verstanden, andere für sich kämpfen zu lassen, und was hätte in diesem dritten Weltkrieg des 18. Jahrhunderts näher gelegen, als die "Indianer" für sich einzuspannen, die ja auch ein ureigenstes Interesse haben mußten, der immer dreisteren Kolonisten Herr zu werden? Wenn Ihr Euch mit den Namen der alten Indianerstämme nicht so gut auskennt, liebe Leser - es ist eigentlich ganz einfach: Die meisten hießen nach den Flüssen, an denen sie wohnten, die Kanawha zwischen dem Kannawha River und dem Little Kanawha River, die Wabash zwischen dem Wabash River und dem Little Wabash River, die Miami zwischen dem Miami River und dem Little Miami River... Moment mal, da kann doch etwas nicht stimmen: Sind die letzteren nicht nördliche Nebenflüsse des Ohio, während die Miami heute in Florida leben (wo ein bekannter Badeort nach ihnen benannt ist)? Wohl wahr, also muß da etwas passiert sein. Ist es auch: Wie schon anno 1763, nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges, wollten wieder ein paar Unverbesserliche nicht wahr haben, daß sie verloren hatten: Zwei Häuptlinge der Miami, Blaujacke und Mitschikinikwa [Mini-Schildkröte], der "letzte Mohikaner" (eigentlich nur ein halber, nämlich mütterlicherseits; sein Vater war ein Miami), nahmen den Kampf gegen die Amerikaner wieder auf - und sie blieben im Felde unbesiegt. Aber die Terrorangriffe der US-Truppen auf ihre Zivilbevölkerung - sie ermordeten Frauen und Kinder im Hinterland, vernichteten die Lebensmittelvorräte und verwandelten die landwirtschaftliche Nutzfläche (diese Indianer waren seßhaft und betrieben Ackerbau, anders als ihre wilden Verwandten im fernen Westen, die als Nomaden herum zogen und von Jagd und Raub lebten) in verbrannte Erde - brachen am Ende doch ihren Widerstand. Die Miami wurden in die Florida-Sümpfe deportiert, pardon, sie wurden "befreit" und bekamen ein schönes Reservat im sonnigen Florida zugewiesen. Im Januar 1789 schlossen die USA mit den Resten der Indianerstämme, die noch im Ohio-Tal lebten, den Friedens- und Freundschaftsvertrag von Fort Harmar (den die USA schon nach weniger als zwei Jahren brechen sollten), und drei Monate später wurde Washington zum ersten US-Präsidenten gewählt. (1812, im vorerst letzten Krieg zwischen den USA und Großbritannien, sollten die Indianer - genauer gesagt die Shawnee und ihre Verbündeten unter Häuptling Tecumseh [Sternschnuppe] - erneut auf Seiten der Briten mit kämpfen und damit wieder aufs falsche Pferd setzen; danach sollte es für sie nur noch Rückzugsgefechte geben; aber das ist eine andere Geschichte.)

[Medaille 1789 auf den Friedens- und Freundschaftsvertrag mit den Ohio-Indianern und die Wahl Washingtons zum US-Präsidenten]

Gibt es sonst noch eine Gemeinsamkeit zwischen dem Siebenjährigen Krieg und dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg? Ja, die gibt es, auch wenn Ihr vielleicht nicht gleich darauf kommen werdet, liebe Leser: In beiden Kriegen kämpften letztmalig zwei Oberbefehlshaber - einer sogar schon Staatsoberhaupt, der andere damals noch Staatsoberhaupt in spe, weil die USA bis 1789 keinen Präsidenten hatten - persönlich mit, den Säbel in der Faust. (Gewiß, auch andere Herrscher und OBs, wie Napoleon Bonaparte oder der Herzog von Wellington, sollten später noch mit ins Feld ziehen, aber immer schön in sicherer Entfernung von der Hauptkampflinie, am besten auf einem Feldherrnhügel!) Sicher hat man ihren persönlichen Beitrag dabei stark übertrieben, und man darf auch mit Fug und Recht bezweifeln, daß es die Aufgabe eines OB ist, die Funktion eines Infanterie-Fähnrichs auszufüllen; aber das Publikum fand es irgendwie faszinierend. Und so gibt es denn auch zwei Gemälde, die dieses seltene Geschehen diesseits und jenseits des Atlantiks festhalten - und nur Dikigoros ist mal wieder so biestig, die Hintergründe zu erleuchten und zu bekritteln: Im linken Bild (einer im 19. Jahrhundert von Carl Röchling gemalten Kopie; das Vor-Bild, dessen Urheber nicht bekannt ist - möglicherweise war es Adam Albrecht - ist verschollen) marschiert anno 1758 Friedrich der Große [ja, so nannte man ihn bereits!] über das Schlachtfeld von Zorndorf, die preußische Flagge hoch erhoben in der Linken, in der Rechten den Säbel, und führt so seine Truppen gegen die feindlichen Kanonen. Dabei überragt er sogar nur mit Dreispitz den neben ihm wandelnden "langen Kerl" mit Sturmhaube und schreitet so schnell voran, daß die Kavallerie ihm kaum folgen kann. Glaubt Ihr wirklich, liebe Leser, daß es so war? Nein, jene Schlacht war wahrlich kein Heldenstück! Die Russen hatten einen Haufen Sträflinge in Ketten nach Zorndorf geprügelt, die keinerlei militärische Ausbildung hatten, und sie halb verhungert und übermüdet in die Schlacht gejagt nach dem Motto: Wer zurück geht, wird erschossen. [Nicht, daß das in anderen Armeen damals sooo viel anders gewesen wäre - aber das war schon ein besonders krasser Fall.] So gingen sie denn vor, und wurden trotzdem erschossen - halt von den Preußen. Friedrich aber verschlief den größten Teil des Kampfgeschehens und latschte allenfalls hinterher noch das Schlachtfeld ab. Egal, erfreut Euch am Anblick des schönen Scheins:

[Friedrich in der Schlacht von Zorndorf] [Washington in der Schlacht von Bunker Hill]

Das rechte Bild stammt von John Trumbull. Es stellt eine Szene aus der Schlacht am Bunker Hill von 1775 dar, die für Washington (Ihr seht ihn in der Mitte mit hoch erhobenem Säbel) sehr wichtig war, weil dabei der Oberbefehlshaber der U.S.-Truppen, General Joe Warren, fiel (Ihr seht ihn im Vordergrund links beim Ableben). Washington wurde sein Nachfolger, obwohl er sich in jenem Gefecht alles andere als mit Ruhm bekleckert hatte (er hatte nur überlebt, weil er mit seinen Milizionären rechtzeitig abgehauen war) und das auch später nicht tun sollte: Er verlor wie gesagt fast jede Schlacht, die U.S.A. gewannen den Unabhängigkeitskrieg nicht wegen, sondern trotz seiner "Heldentaten". Aber just für solche Fälle gab (und gibt :-) es ja den Public Relations Manager, und John Trumbull war auf diesem Gebiet ein Pionier und ein Genie. Er hatte schon einmal einen Helden geschaffen, indem er 1786 aus dem zwei Jahre zuvor erschienenen Langweiler "Die Entdeckung, Besiedlung und gegenwärtige Befindlichkeit [gähn] des Staates Kentucky" das Kapitel "Die Abenteuer des Daniel Boone" heraus getrennt und ordentlich aufgepeppt hatte. Diese Abenteuer wurden zum Bestseller (auch ein gewisser James Fenimore Cooper sollte sie lesen und sich von ihnen zu seinen "Lederstrumpf"-Romanen inspirieren lassen), und machten Boone auf seine alten Tage noch richtig populär, zumal Trumbull auch ein schönes Bild von ihm malte (das leider verschollen ist). Washington - inzwischen U.S.-Präsident - war so begeistert von Trumbull, daß er ihm den Auftrag erteilte, ihn für die Wahlkampftournee, die er im Hinblick auf die 'Presidentials' von 1792 bereits 1791 veranstaltete, gleich noch einmal zu malen - und zwar diesmal in Lebensgröße, in Denkerpose vor der Schlacht von Trenton (auf die wir noch zurück kommen werden). Das Werk wurde im Rathaus von Charleston in South Carolina öffentlich ausgestellt und erfüllte seinen Zweck voll und ganz: Washington wurde wieder gewählt. Nach dem Wahlsieg bestellte er aus Dankbarkeit noch eine möglichst identische Kopie en miniature, fürs eigene Schlafzimmer - Dikigoros hat die Relationen zum Vergleich exakt beibehalten. [Exkurs. Ihr seid es wahrscheinlich gewohnt, liebe Leser von heute, in Begriffen wie "Original" und "Fälschung" zu denken, wenn es um bildende Kunst geht. Nicht wahr, ein Bild kann nur einmal "echt" sein; alle Kopien sind "unecht". Nein, das ist nicht wahr, ebenso wenig wie ein Film "unecht" wird, wenn seine Kopie in einem anderen Kino gezeigt wird als in dem der Uraufführung - oder glaubt Ihr, er würde je Verbreitung finden, wenn nicht allenthalben Kopien im Umlauf wären? So war es früher auch mit den Bildern. Nicht das bemalte Stück Leinwand galt als schutzwürdige Idee mit Copyright, sondern das Motiv. Die Maler selber waren es, die mehrere Versionen dieser Motive zu Bildern verarbeiteten (oder verarbeiten ließen): mal etwas größer, mal etwas kleiner, mal etwas heller, mal etwas dunkler in den Farben, mal mit leicht abgewandeltem Hintergrund, in anderer Zusammensetzung der Nebenfiguren usw., je nach Geschmack und Geldbeutel des Auftraggebers. Dikigoros hat sich deshalb die Mühe gemacht, Euch von den großen "Historiengemälden" jener Zeit immer mehrere leicht unterschiedliche Ausführungen heraus zu suchen, damit Ihr das nachvollziehen könnt. Exkurs Ende.]

[Trumbull, Washington vor der Schlacht bei Trenton 1787, Original 1791] [Trumbull, Washington vor der Schlacht bei Trenton 1787, Kopie 1792]

Duplizität der Ereignisse: Auch Friedrich II (der kurz vor der Schlacht von Trenton gestorben war) hatte sich einige Jahre vor seinem Tode noch einmal malen lassen - in absentia, von Anton Graff, einem in Sachsen lebenden Schweizer. Auch von diesem Portrait - das aus unerfindlichen Gründen das bekannteste und beliebteste Friedrichs wurde - gab es zwei Versionen; die kleinere sollte bis 1945 als einziger Schmuck im Führerbunker des Adolf H. hängen.

[Graff, Portrait Friedrichs II] [kleinere Version]

Und noch etwas hatten Friedrich II. und Washington gemeinsam: Als sie starben, waren die Zeitgenossen überzeugt, daß sie in den Himmel aufgefahren waren - die Preußen brachten das durch zahlreiche Gedenkmünzen und Medaillen (von denen Dikigoros hier nur eine abbilden kann) zum Ausdruck, die Amerikaner durch ein pompöses Gemälde:

[Medaille auf den Tod Friedrichs II]
[Medaille]
[Washingtons Himmelfahrt]

Wo waren wir historisch gleich stehen geblieben? Beim letzten Krieg zwischen den USA und Großbritannien (und den unglücklichen Shawnee, aber die zählten ja fortan nicht mehr). In seiner Endfase schwiegen in Europa schon die Waffen - Napoleon hatte sein Waterloo erlebt und war nach Sankt Helena verbannt worden, und die Engländer hatten die den Franzosen und ihren Verbündeten während des Krieges geraubten Gebiete zurück gegeben (bis auf die wertvolleren, die sie für sich behielten), u.a. den wertlosen Senegal. Auch die alten Pötte der königlich französischen Kriegsmarine, die nun zu nichts mehr taugten, hatten sie zurück gegeben, ebenso die nichtsnutzigen alten Adeligen, die vor der französischen Revolution von 1789 - mit oder ohne Hilfe des "Scarlet Pimpernel" [auf den wir noch zurück kommen werden] - nach England geflohen waren. Frankreich war jetzt wieder eine Monarchie, es gab also keinen Grund mehr, ihnen politisches Asyl zu gewähren. Diese Monarchie stand freilich auf tönernen Füßen, sie war den Franzosen nur von den Allierten aufgezwungen worden; allerdings hatten sie versäumt, ein ordentliches re-education-Programm auf die Beine zu stellen, und so rumorte es im Volk, das insgeheim noch immer an seinem Kaiser Napoleon hing, dem großen Bewunderer Friedrichs II, und das neue System und seine Repräsentanten verabscheute, gleich gar die abgehalfterten Royalisten von vor 1789.

[Napoleon am Grabe Friedrichs II]

Die Regierung, immer bestrebt, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, beschloß ein Bauernopfer, pardon ein Aristokratenopfer zu bringen: Sie nahm die alten Pötte, bemannte sie mit den alten Adeligen und schickte sie gen Afrika, um im Senegal die alte französische Kolonial-Herrschaft wieder herzustellen. Es kam, wie es kommen mußte: Der traurige Haufen ("Flotte" sollte man das nicht nennen) zerstreute sich in alle Winde, das Flaggschiff, die "Méduse [Medusa]", lief vor der afrikanischen Westküste auf eine Sandbank, das selbst gebastelte Floß, auf dem sich ein Teil der Besatzung retten wollte (es waren nicht genügend Rettungsboote für alle da) soff ab, der Kommandant - Fregattenkapitän von und zu Chaumarays - überlebte und kam vors Kriegsgericht. In einer maßlosen Hetzkampagne wurden nun alle Übel der französischen Marine (deren es reichlich gab) im allgemeinen und das Unglück der "Méduse" im besonderen auf diesem armen alten Schwein, pardon Sündenbock abgeladen; und dabei stand er stellvertretend für "den ganzen alten Adel". Eine wesentliche Rolle in dieser Kampagne spielte einer der besten Maler seiner Zeit, der junge Theodor Jericho - der sich, arisiert und französisiert, "Théodore Géricault" nannte -, der beauftragt wurde (von wem genau, ist bis heute ebensowenig heraus gekommen wie die Spender von Kohl und Möllemann :-) ein monumentales Gemälde anzufertigen, das die Qualen der armen Schiffbrüchigen auf dem Floß der "Méduse" möglichst realistisch und schrecklich darstellen sollte. Géricault war zwar damals gar nicht dabei gewesen, sondern hatte sich vielmehr auf Studienreise durch Italien befunden, aber er wußte, was von ihm erwartet wurde und lieferte ein Meisterwerk ab - sowohl qualitativ als auch und vor allem quantitativ, denn es war das seinerzeit größte Leinwand-Gemälde der Welt: 4,91 x 7,16 m maß es. [Und mißt es - es hängt bis heute im Pariser Louvre -, aber den Rekord hält Géricault damit schon lange nicht mehr. Zur Zeit hält ihn der ossinesische Professor Werner Tübke, der - unterstützt von Dutzenden seiner Kunst-Studenten - in elf Jahren (1976-87) sage und schreibe 14 x 123 m "Bauernkrieg von 1525" ins "Elefantenklo von Bad Frankenhausen" gesetzt hat.]

[Géricault, Le Radeau de la Méduse]

Es kam, wie es kommen sollte: Die Wogen der veröffentlichten, pardon öffentlichen Meinung schlugen hoch und begruben Chaumarays und seine Standesgenossen unter sich wie die Wogen des Atlantik das Floß der "Méduse". Er wurde mit Schimpf und Schande verurteilt, und damit war dem "alten Adel" auch prestigemäßig das Genick gebrochen. Gewiß, der Urteilsspruch wäre auch so gekommen, aber ohne die Stimmungmache, die Géricaults Meisterwerk entfacht hatte, wäre er kaum ins Bewußtsein der Öffentlichkeit eingedrungen und hätte das Ansehen der restituierten Monarchie als "absolut unvoreingenommen und neutral" nicht derart gestärkt. [Daß das ganze freilich ein Pyrrhos-Sieg war, sollte man anno 1830 merken, als die nächste Revolution ausbrach und das restituierte Regime hinweg fegte - aber das ist eine andere Geschichte.] Das ganze ist ein frühes Lehrstück übelster Hetz-Propaganda, sozusagen die Mutter späterer Propaganda-Filme. Ihr meint, liebe Leser, das sei weit hergeholt? Na, dann wartet mal ab, wie sich das ganze weiter entwickelt.

Mitte des 19. Jahrhunderts suchte man diesseits und jenseits des Atlantiks einmal mehr nach der Identifikationsfigur zur Festigung des nationalen Gedankens, nach dem "pater patriae", und nach Wegen, ihn möglichst eindrucksvoll darzustellen. Das war gar nicht so leicht, denn einerseits wollte man zwar wenn möglich an alt bewährten Personen und Namen festhalten, die sich schon einmal so schön eingeprägt hatten, andererseits aber keine Haudegen auf dem Schlachtfeld mehr sehen - das galt nun nicht mehr als fein -, sondern große Strategen und Denker am entscheidenden Wendepunkt ihrer Karriere zeigen, dem, wo die Würfel fielen oder fallen sollten. Was, liebe jüngere Leser, Ihr kennt diese Redewendung nicht mehr? Ist ja auch schon etwas länger her: Im Januar 49 v.C., genauer gesagt im November 50 v.C., überschritt der Mann, nach dem die "julianische Kalenderreform" benannt werden sollte, nach der unsere Geschichtsbücher jenes Ereignis heute um zwei Monate vordatieren, das Flüßchen Rubicon mit dem Spruch aller Glücksspieler auf den Lippen: "Anerríftho o kýbos [möge er fallen, der Würfel]!" (Wir wollen doch hoffen, daß Caesar den alten griechischen Dichter Menander korrekt zitiert hat, nicht wie die heutigen Griechen, die penetrant sagen: "o kíwos errífthi [der Würfel ist gefallen]!" - die spielen halt zuviel tawlí, genau wie der deutsche Raubritter und "Humanist" Ulrich v. Hutten, der die küchenlateinische Form "iacta est alea" zu seinem Wahlspruch machte :-) Also mußte man, wenn man die alten Namen beibehalten wollten, nach solchen Punkten im Leben ihrer Träger suchen. Ein Denkmal mit dem Helden hoch zu Roß, das war schön und gut, dazu eine Gedenkmünze, auch gut; aber beides war erstens farblos und zweitens nicht sehr aussagekräftig. Also mußte ein ganz bestimmter Augenblick her, und der bitte schön groß und in Farbe. Man fand für Friedrich ein Flötenkonzert auf Schloß Sanssouci (mit dem er seine Gegner kurz vor dem Einmarsch in Sachsen in falscher Sicherheit wog), für Daniel Boone das Überschreiten des Cumberland Gap nach Norden (mit dem er das Zeitalter der die Enteignung der Indianer zugunsten der weißen Siedler in Kentucky einleitete) und für George Washington das Überschreiten des Delaware (mit dem er die Wende im Unabhängigkeitskrieg einleitete). Und mit der möglichst monumentalen Darstellung dieser drei Motive wurden drei Maler beauftragt, die um die Wette los pinselten: Adolph Menzel, George Bingham und Emanuel Leutze. Menzel wurde als erster fertig, aber sein Werk verbrannte, er mußte noch einmal von vorne anfangen, und so schoß Leutze - der sich Géricault zum Vorbild nahm - vorerst den Vogel ab. Auch Bingham wurde noch vor Menzel fertig - dafür geriet sein Werk arg klein -, und Menzel konnte sich damit trösten, am Ende das größte Bild geschaffen zu haben. [Gleichwohl wird dieses Werk in der quasi regierungsamtlichen Biografie Menzels, die das Bonner "Haus der Geschichte" ins Internet gesetzt hat, mit keinem Wort erwähnt! Ist es etwa politisch unkorrekt, davon zu wissen?] Also werdet Ihr, liebe Leser, gleich drei Reihen Bilder zum Vergleich sehen; aber boshaft, wie Dikigoros nun mal bisweilen ist, will er zuvor jedesmal fragen: Stimmt das eigentlich mit den Darstellungen, und vor allem: Stimmt das mit den Wendepunkten?

[Menzel, Flötenkonzert] [Menzel, Flötenkonzert]

Ob die Sache mit dem Flötenkonzert historisch ist, weiß Dikigoros nicht. Ein Jahrhundert später glaubte man es zu wissen, zwei Jahrhunderte später interessierte es niemanden mehr, denn die Diskussion hatte sich längst von der Frage weg bewegt, ob dem Präventivkrieg gegen Sachsen ein erfolgreiches Täuschungsmanöver voran gegangen war oder nicht, zu der Frage, ob es wirklich ein Präventivkrieg war und ob dieser berechtigt war. Dikigoros hat bereits angedeutet, daß er zumindest die letztere Frage im Ergebnis verneinen würde; aber er will der Entwicklung nicht vorgreifen, denn in der Mitte des 19. Jahrhunderts interessierte das noch niemanden. (Keine Sorge, liebe Leser, aufgeschoben ist nicht aufgehoben; wir kommen ja noch zum Titel-Film, und da wird diese Frage wieder eine ganz große, ja die entscheidende Rolle spielen!)

[Boone am Cumberland Gap]

1769 überschritt Daniel Boone das Cumberland Gap, den Paßweg im Südwesten der Cumberland Mountains, und erreichte so als erster Weißer das heutige Kentucky. Wohl wahr - jedenfalls wenn wir seiner "Autobiografie" glauben dürfen (die von einem Ghostwriter geschrieben wurde; Boones eigene Aufzeichnungen waren bei einem Hochwasser abgesoffen). Aber das war eigentlich völlig unerheblich für den weiteren Verlauf der Geschichte; denn bald zog Boone, finanziell ruiniert und persönlich frustriert, zusammen mit einem gewissen Thomas Lincoln (von dessen Enkel wir noch hören werden) ins damals spanische Louisiana um. Boonesborough wurde 1782 aufgegeben, und die endgültige Inbesitznahme Kentuckys durch die Weißen sollte erst zwei Generationen später erfolgen, genauer gesagt ab 1830, nachdem U.S.-Präsident Andrew Jackson - ehemaliger Gefreiter aus dem fünfzehn Jahre zurück liegenden Krieg gegen die Engländer, glänzender Demagoge, radikaler Antiplutokrat und Antiindianit - das Protokoll über die Endlösung der Indianer-Frage zum "Indian Removal Act [Gesetz zur Beseitigung der Indianer]" erhoben hatte. (Ja, liebe Leser, das gab es wirklich, und im Gegensatz zum so genannten "Wannsee-Protokoll" von 1941 kann an seiner Echtheit kein Zweifel bestehen - vielleicht diente es dem letzteren sogar als Vorbild?!?) Egal, für den Maler waren jene ersten Schritte über den Paß das Motiv, und natürlich malte er Boone so, wie Lizzy Miller sich das vorstellte: im besten Sonntagsstaat mit Hut, Kind und Kegel, selbst die Oma ist dabei, hoch zu Roß, und ein Begleiter hat gar die Muße, sich die Schnürsenkel seiner Halbschuhe zuzubinden!

[William, Herzog von Cumberland und die Symbolik der Schlacht von Culloden] [der englische Löwe zwingt den schottischen Zivilunken in die Knie und zerreißt ihn]

Exkurs. Warum und von wem wurde das "Cumberland Gap" so genannt? Natürlich nicht von den "Indianern", sondern von den Weißen, genauer gesagt von den Engländern, und zwar seit 1746. Euch, liebe deutsche Durchschnitts-Leser, wird diese Jahreszahl nicht viel sagen, aber Euch, liebe Kenner der britischen Geschichte, um so mehr. Da gab es mal einen britischen Prinzen namens William (ja, nach ihm ist auch einer der heutigen Prinzen benannt, ein gutes Omen?!), den man statt zum Thronfolger zum Duke of Cumberland und General der Armee machte. (Eigentlich hätte er Admiral der Flotte werden sollen, aber dazu hatte er keine Lust.) Als solcher ist sein Name untrennbar verbunden mit einem Ereignis, das in einem bekannten deutschen Buch zur englischen Geschichte mit dem banalen Dreizeiler abgehandelt wird: "16. April 1746: Der letzte jakobitische Aufstand unter dem 'young Pretender' Karl Eduard 'Bonnie Charles' (1720-1788) scheitert in der blutigen Schlacht bei Culloden Moor." Die Schlacht wurde von den Engländern bis zur "Battle of Britain", der gewonnen Luftschlacht gegen die Deutschen von 1940, als die "finest hour [feinste Stunde]" ihrer (nicht nur Militär-)Geschichte angesehen. Nein, nicht bloß betrachtet, sondern angesehen, denn diese Heldentat erwarb Herzog William ungeheures Ansehen, ja unsterblichen Ruhm. Nein, nicht die Schlacht an sich - das war eher ein Schlachten, denn der Gegner, das schottische Heer, stellte sich selten dämlich an -, sondern vielmehr das "Aftermath". [Dieses Wort läßt sich nur schlecht ins Deutsche übersetzen. "Nachspiel" drückt es vielleicht am ehesten aus, aber nur in der streng etymologischen Bedeutung von "spielen" - über die Dikigoros an anderer Stelle mehr schreibt -, nämlich "Blut vergießen".] Die Engländer töteten nach der Schlacht nicht nur alle feindlichen Verwundeten, sondern auch alle Gefangenen und überhaupt alle "Rebellen", einschließlich der Zivilunken - "Rebell" war jeder Schotte, dessen man habhaft werden konnte, weil er sich nicht rechtzeitig versteckte oder floh - meist nach ausgesuchten Martern. Ja, William von Cumberland war das, was Cromwell im 17. Jahrhundert für die Iren, nein, für die Engländer und gegen die Iren gewesen war, für, pardon gegen die Schotten: der größte Kriegsverbrecher und Völkermörder diesseits des Atlantiks, und deshalb bewahren ihm die Engländer - wie allen ihren erfolgreichen Kriegsverbrechern - bis heute ein ehrendes Andenken. [Wer Interesse, Englischkenntnise und viel Zeit hat, kann die Einzelheiten der Schlacht vom Culloden Moor hier nachlesen. Wer noch mehr Zeit hat, kann auch mal nach Allanfearn in Schottland fahren und das Clava-Museum besuchen.] Ihr fragt, liebe Leser, was uns denn dieser blöde Bürgerkrieg auf den britischen Inseln angehe? Ganz einfach: Ohne das "Ende der jacobitischen Träume" durch die Ausrottung des schottischen Widerstands im Inneren hätte England nicht im Ausland den "French and Indian War" führen und den "Siebenjährigen Krieg" Preußens finanzieren können; womöglich wären dann Nordamerika und Indien französisch statt britisch geworden, Schlesien österreichisch geblieben, und Bismarcks kleindeutsches Reich hätte es nie gegeben. Unterschätzt die Bedeutung der Schlacht von Culloden nicht; die Engländer halten sie zurecht für die zweitwichtigste ihrer - und damit eine der wichtigsten der Welt- Geschichte!

[Verherrlichung der  Schlacht von Culloden Moor] [Das Ende der jacobitischen Träume]

Exkurs Fortsetzung: Das Wort "Völkermord" ist heute in aller Munde (manchmal wird auch beschönigend "ethnische Säuberung" gesagt), wobei oft Sachverhalte leichtfertig in einen Topf geworfen werden, die man tunlichst auseinander halten sollte. Dikigoros fallen da hauptsächlich drei Varianten ein (aber er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn er läßt Afrika, Asien und Australien außen vor): Eine Variante - die amerikanische - ist, daß Neuankömmlinge in ein Land einwandern, die Ureinwohner (oder jedenfalls diejenigen, die vor ihnen da waren) zahlenmäßig überflügeln und ausrotten. So haben es die "Indianer" mit den "Kennewick Man" gemacht, und so haben es die weißen "Amerikaner" mit den "Indianern" gemacht; was er davon hält, schreibt Dikigoros an anderer Stelle etwas ausführlicher. Eine andere Variante - die britische - ist dieser sehr ähnlich: Mehrere Völker leben eine Zeit lang nebeneinander her, dann entschließt sich das eine oder andere Volk, seine Nachbarvölker auszurotten, um selber mehr Lebensraum zu haben. So haben es die Engländer - die in diesem Falle auch die letzten "Neuankömmlinge" waren - mit den britischen Kelten gemacht: im 17. Jahrhundert mit den Iren, im 18. Jahrhundert mit den Schotten, und irgendwann auch mit den Walisern und Cornwalisern. Durch das lange Nebeneinanderleben ist es ihnen aber gelungen, die Reste der ausgerotteten Völker halbwegs zu assimilieren, so daß sie sich am Ende alle als "Briten" fühlten [heute ist ein "Schotte" britischer Premierminister!] - während sich kein echter "Indianer" jemals als "U.S.-Bürger" fühlen würde. Die dritte Variante würde Dikigoros die kontinantaleuropäische nennen: Völker, die immer wieder von fremden Neuankömmlingen (die Bajuwaren nennen sie "Zugereiste" :-) heimgesucht werden, versuchen, einem ähnlichen Schicksal, wie es die amerikanischen "Indianer" und die britischen Kelten erlitten haben, zu entgehen, indem sie sich gegen diese Zugewanderten zur Wehr setzen - z.T. ganz massiv und überzogen, was aber häufig auch daran liegt, daß sie zu lange untätig zugeschaut haben, bis die Lage kritisch wurde. So war es Jahrhunderte lang mit den Juden in England, Frankreich, Spanien, Italien, Polen und Rußland (und ganz zuletzt aus unerfindlichen Gründen auch für kurze Zeit in Deutschland, worüber sich die anderen dann furchtbar aufregten und dicke Krokodilstränen weinten), und so war es mit den Deutschen in Osteuropa, die 1945 vertrieben oder ermordet wurden. (Wie hätte der französische Diplomat Talleyrand gesagt: "Das war schlimmer als ein Verbrechen, das war eine Dummheit!") Und heute gibt es wieder eine Problemgruppe von Zu- und Unterwanderern, die immer zahlreicher und aggressiver in unsere Lande strömen und drohen, sie zu überfluten. Dikigoros meint die Muslime im einstmals "christlichen Abendland" Europa, und er hofft inständig, daß die Lösung dieses Problems der dritten Variante folgen wird; und da ist rasches Handeln geboten, sonst ist zu befürchten, daß es zu einer "Endlösung" der ersten oder zweiten Variante kommen wird wie schon so oft, nein immer in der Geschichte, wenn man Muslime in einem nicht-muslimischen Land die Macht hat ergreifen lassen. Exkurs Ende.

[Washington überquert den Delaware]

Im Oktober 1776 überquerte George Washington tatsächlich den Delaware, mit wenigen Getreuen auf ein paar Booten - aber militärisch war das eine völlig unbedeutende Operation. Eine - angeblich - vorentscheidende Schlacht gelang ihm erst zwei Monate später, im Dezember 1776, als der Delaware zugefroren war und er größere Truppen über das Eis führen konnte - freilich nicht auf Booten, sondern auf Schlitten, aber das schien Leutze wohl nicht eindrucksvoll genug. (Tatsächlich war jene "Schlacht von Trenton" nur ein Scharmützel mit einem Regiment knapp 1.000 hessischer Söldner, armen Schweinen, die sich fast alle beim ersten Angriff ergaben; lediglich ihr Kommandeur, Oberst Rall, wurde getötet - wahrscheinlich von einer Kugel seiner eigenen Leute.)

Ihr glaubt, liebe Leser, diese alten Bilderschinken könnnten nicht lange fort wirken? Ihr irrt: Noch fast ein Jahrhundert später - 1941 - werden sie einen deutschen Kriegsmaler mit dem schönen italienischen Namen Padua (sonst nur noch durch seine pikante Darstellung von "Leda mit dem Schwan" bekannt) zu einem Gemälde inspirieren mit dem Titel "10. Mai 1940" - es zeigt eine Pioniertruppe der Wehrmacht beim Überschreiten der Maas, deren Führer freilich kein großer Oberbefehlshaber ist, sondern nur ein unbekannter Soldat. [Dikigoros hat die Farben nicht verändert - sie stammen von verschiedenen Postkarten; das Original, das im Haus der Deutschen Kunst in Berlin hing, ist verschollen.]

[Deutsche Truppen setzen über die Maas, 10. Mai 1940, Gemälde von Padua]

Überhaupt kannten sich die deutschen Maler zur Zeit des National-Sozialismus in der amerikanischen Kunstgeschichte offenbar sehr gut aus (jedenfalls besser als ihre heutigen Epigonen :-) Ihr bester, Werner Peiner, nahm sich Trumbulls "Schlacht am Bunker Hill" zum Vorbild, als er das Monumental-Gemälde "Friedrich der Große bei Kunersdorf" entwarf.

[Friedrich der Große in der Schlacht von Kunersdorf, Gemälde von Werner Peiner]

Ihr seht die Parallele nicht, liebe Leser? Das solltet Ihr aber, wenn schon nicht künstlerisch, dann zumindest inhaltlich, denn solche Inhalte - die Verherrlichung verlorener Schlachten - sind in der Kunstgeschichte äußerst selten (für gewöhnlich verherrlicht man mit solchen Bildern ja keine Niederlagen, sondern Siege): Die Schlacht am Bunker Hill war die schwerste Niederlage der USA im Unabhängigkeitskrieg - den sie dennoch gewannen. Die Schlacht von Kunersdorf war die schwerste Niederlage Friedrichs im Siebenjährigen Krieg - den er dennoch nicht verlor. Und Peiner malte sein Bild just nach der Niederlage von Stalingrad - die Parallele ist wohl kaum zu übersehen, auch wenn sie sich letztlich als trügerisch erweisen sollte.

Nein, zumindest unter Fachleuten werden die "alten Schinken" so schnell nicht vergessen sein. Noch 1975, anläßlich des 200. Jahrestags des inoffiziellen Ausbruchs des "Unabhängigkeitskrieges", als das Briefporto in den USA mal gerade 24 Cents kostet, wird man einen Briefmarkenblock heraus geben, der kein anderes Motiv zeigt als - Leutzes Gemälde aus dem Jahre 1851!

[Briefmarkenblock 1975: Washington Crosses 
the Delaware]


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