Fußball-WM-Historie: 1958

(von Dieter Stein, RZ-Online)

München - Augenzeugen schwören noch mehr als vier Jahrzehnte später, daß Ungarns sensationelle 2:3-Finalniederlage 1954 gegen Deutschland vier Jahre später in Schweden durch einen Schiedsrichter "gerächt" worden sei: Istvan Zsolt hieß der Mann. Beim WM-Halbfinale 1958 des deutschen Teams in Göteborg gegen den Gastgeber kam es fast zu einem "Fußball-Krieg". Fanatische Einpeitscher verwandelten das Stadion in eine Hölle von "Heja, Heja"-Chören. Und Zsolt ließ sich von dem ohrenbetäubenden Lärm einschüchtern.

[Hamrin, Schwede aus Italien, genannt 'Ucellino' (Schwalbe), provozierte den spielentscheidenden Platzverweis]

Ein klares Handspiel von Liedholm, das zum 1:1 der Schweden führte, übersah der Referee. Dafür aber stellte der Ungar Erich Juskowiak nach einem Revanchefoul vom Platz, an dem sein Gegenspieler Hamrin mindestens die gleiche Schuld trug. Zsolt guckte weg, als Parling mit einem gemeinen Tritt das Knie von Fritz Walter traf, dessen internationale Laufbahn damit beendet war. So gewann Schweden doch noch mit 3:1.

"Schwedenplatte" aus dem Angebot gestrichen

Das Spiel hatte böse Folgen. Es gab wüste Schlägereien im Stadion und in der Stadt. Überall im Lande pöbelte man deutsche Urlauber an - und umgekehrt auch in Deutschland viele Schweden. In mancher Gaststätte wurde zeitweise sogar die "Schwedenplatte" aus dem Angebot gestrichen. Selbst die hohe Fußball-Diplomatie wurde bemüht. Für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) lehnte Präsident Dr. Peco Bauwens, selbst einst begehrter Schiedsrichter in aller Welt, die Einladung des Weltverbandes Fifa zum Endspiel Brasilien-Schweden ab und ließ die deutsche Mannschaft nach Hause fliegen. Zsolt, zuvor in Deutschland gerne gesehen, mußte sieben Jahre bis zum nächsten Länderspiel warten. Aber Leid und Freude waren auch in Schweden Zwillinge: Hier Trauer über das Ausscheiden, dort Jubel über Deutschlands Niederlage...

Unpatriotischer Kommentar

(von Nikolas Dikigoros)

Nein, das war nicht nett von der FIFA, ausgerechnet einen ungarischen Schiedsrichter fürs Halbfinale aufzustellen, da Deutschland doch 1954 die Magyaren im Endspiel von Bern geschlagen hatte und so Fußball-Weltmeister geworden war. Konnte man nicht annehmen, daß das noch längst nicht verjährt war und daß ein Ungar diese "Schmach" unbedingt rächen wollte? Gewiß, die ungarische National-Mannschaft von 1954 hatte 1956 fast geschlossen Republik-, pardon Fahnenflucht begangen - und das ist wörtlich zu nehmen, denn sie waren fast alle pro forma Berufsoffiziere, um den Anschein des Amateur-Statuts zu wahren - und spielte nun im kapitalistischen Ausland für harte Valuta, während Herr Zsolt ein linientreuer Kommunist war und überhaupt keinen Anlaß hatte, ausgerechnet jene "Vaterlandsverräter" zu rächen. Dennoch... Man muß schon lange zurück denken, wann die FIFA je zuvor einen solchen Mangel an Fingerspitzengefühl bewiesen hatte. Zum Beispiel bis ins Jahr 1954, zu jenem Endspiel von Bern. Oder halt, erst noch ein Jahr weiter zurück, bis 1953, zu jenem denkwürdigen Spiel im Londoner Wembley-Stadion. Noch nie in der Geschichte des Fußballs hatte merry old England zuhause gegen eine Mannschaft vom Kontinent verloren. Und nun kamen die Ungarn und putzten sie mit 6:3 von der Platte (womit die Limeys noch gut bedient waren, wie man hört - das Rückspiel in Budapest sollten sie sogar 1:7 verlieren). Für die Engländer brach eine Welt zusammen - das war fast schlimmer als hätten sie den Krieg verloren (von dessen "Gewinn" sie eh nichts hatten, wenn man mal vom weitgehenden "Verlust" ihres kostspieligen und sinnlosen Kolonialreiches absieht).

1954 ist also Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz. Die Limeys haben Pech - schon im Viertelfinale scheiden sie gegen Uruguay aus. [Dikigoros schreibt bewußt nicht "die Uruguayer", denn deren besten Spieler waren der deutsch-argentinische Mittelstürmer Hans-Eduard Hohberg und der schwarz-afrikanische Abwehrchef Victor Rodríguez Andrade - Sproß einer großen Fußballer-Familie; schon sein Onkel José Leandro Andrade hatte 1924 und 1928 olympisches Gold und 1930 die erste Fußball-WM gewonnen; er war vor dem Krieg in Uruguay das, was Pelé später in Brasilien werden sollte.] Die Deutschen treffen gleichzeitig auf die Jugoslawen, wobei sich alle Welt fragt, wie sie überhaupt so weit gekommen sind. Nun, eigentlich hätten sie in ihrer Gruppe gegen Ungarn und Spanien keine Chance gehabt. Aber fast die komplette Fußball-Nationalmannschaft von Spanien - wo damals noch der böse falangistische Caudillo Franco herrscht - ist kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen (weshalb die ungarischen Nationalspieler bevorzugt nach Spanien fliehen und die spanische Staatsangehörigkeit annehmen werden - die großen Vereine, wie Real Madrid und der FC Barcelona, werden dankbar zugreifen); für sie ist die Türkei nachgerückt, mit einer ziemlichen Gurkentruppe, die gegen Deutschland keine Chance hat - sie verliert brav und fair. Und gegen Ungarn schickt Bundestrainer Herberger kurzerhand seine Ersatzelf aufs Feld, mit der Anweisung, alles zusammen zu treten, was ihnen vor die Stiefel kommt. (Nein, nicht etwa: "spielt hart, aber fair", sondern ganz eindeutig: "Tretet sie krankenhausreif; ich will hinterher keinen von denen auch nur auf dem Bankett sehen, vor allem nicht dem Liebrich seinen Gegenspieler Puskas!") Platzverweise hätten nichts ausgemacht, denn es sind ja wie gesagt nur die Ersatzleute, und die Niederlage ist eh eingeplant. Die berüchtigten Ruppsäcke aus der Pfalz (die halbe Nationalelf wird vom deutschen Vizemeister 1. FC Kaiserslautern gestellt) hören die Botschaft gerne; aber auch andere haben die ungeheuren Verbrechen noch nicht vergessen, welche die Ungarn 1945 an ihrer volksdeutschen Minderheit verübt haben. (Zur deutschen Mannschaft gehören Vertriebene, auch aus Ungarn; fast jeder Deutsche hat damals Bekannte und/oder Verwandte, die auf der Flucht ermordet worden sind; und die ungarischen Spieler sind wie gesagt allesamt Soldaten, kraftstrotzend und voll im Futter stehend, während viele deutsche Spieler in Krieg und Gefangenschaft früh gealterte, hohlwangige Gerippe sind, die beim Bankett gut und gerne für zwei essen können: Fritz Walter, der Senior, ist noch keine 34, sieht aber gesichtsalt aus wie Ende 40; und die beiden Jüngsten - Rahn und Eckel, dieser storchbeinige Strich in der Landschaft - könnten gut und gerne für Mitte 30 durchgehen. In den deutschen Fußball-Ligen spielen damals noch Einarmige und andere Kriegsversehrte mit.) Die Umsetzung in die Praxis klappt ganz prima: Ungarns Spielführer, der berühmte (nicht nur für sein notorisches Übergewicht - der Anblick seines Speckbäuchleins mußte bei den hungrigen Deutschen einfach Haßgefühle wecken) Major Franzl Puskas [für des Ungarischen nicht mächtige Leser: das spricht sich "Púschkosch", auch wenn es im Original "Puskás" geschrieben wird, also mit Akzent auf dem "a", nicht auf dem "u"] wird nach einer Stunde verletzt vom Platz getragen, auf dem am Ende neun mehr oder weniger angeschlagene Ungarn (es gibt noch kein Recht auf Auswechselung, das wird erst 1969 eingeführt) gegen elf Deutsche stehen, die dennoch mit 3:8 Toren verlieren. Nach diesem Spiel müssen die Ungarn fast ihre komplette Mannschaft austauschen; daß sie danach mit 10 Ersatzspielern bis ins Endspiel vordringen werden, ist das eigentliche "Wunder von Bern"; daß sie auf die Deutschen - deren erste Mannschaft das Enscheidungsspiel gegen die Türkei leicht gewinnt, was zum Einzug ins Viertelfinale reicht - weniger gut zu sprechen sind, ist keines.

Zeugt es da nicht von mangelndem Fingerspitzengefühl, wenn die FIFA für das Viertelfinalspiel Deutschland-Jugoslawien ausgerechnet einen Schiedsrichter aus Ungarn bestellt? Es ist just der bewußte Herr Zsolt, der eine wenig vorbildliche Partie vorbildlich pfeift (Deutschland gewinnt gegen die zweitbeste Mannschaft Europas, den Silbermedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele von Helsinki 1952 hinter Ungarn, ziemlich glücklich - man könnte auch sagen unverdient - durch ein Selbsttor der Jugoslawen und einen abgefälschten Schuß von Helmut Rahn in vorvorletzter Minute 2:0), dabei hätte er damals sicher mehr Grund gehabt, die Deutschen zu benachteiligen als vier Jahre später in Schweden. (Und überhaupt: Hatten nicht vor den Deutschen auch schon die Schweden kurz vor der WM 1954 die sonst makellose Länderspielweste der Ungarn befleckt, als sie ihnen ein 2:2 abtrotzten? Welcher ungarische Schiedsrichter sollte sie also lieben?) Aber das Endspiel in Bern - wo die Deutschen erneut auf die Ungarn treffen, deren erste Mannschaft gerade wieder halbwegs laufen kann - leitet ein Schiedsrichter, von dem alle Welt weiß, daß er den Deutschen nicht gerade wohl gesonnen ist: Mr. William ("Bill") Ling. Drei Jahre zuvor hatte er das Länderspiel Irland-Deutschland gepfiffen. (Es war nur ein "Freundschaftsspiel", es ging also um nichts, wie man heute so schön sagt - wenn denn die Freundschaft zwischen zwei Völkern nichts ist. Und es war ein "Freundschaftsspiel" im besten Sinne des Wortes, denn es erforderte viel Mut und bedeutete einen großen Freundschaftsbeweis, wenn ein armes kleines Land wie Eire die 1951 noch in aller Welt verfemten Deutschen, die man 1945 aus der FIFA ausgeschlossen hatte, damit die Engländer - die zuvor aus Protest ausgetreten waren, weil man das nicht schon viel früher getan hatte, erst nach dem Ausschluß der Deutschen traten sie wieder bei - zu einem Fußballspiel einlud!) Es stand 3:2 für Irland, als den Deutschen in letzter Minute ein Tor gelang. Es war ein reguläres Tor; aber Mr. Ling erkannte es nicht an - wegen angeblichen "Abseits". Hatte ein Engländer Grund, die Deutschen mehr zu hassen als die Iren? Müßige Frage - umgekehrt würde ein Schuh draus! Aber die Gerries waren wenigstens so anständig gewesen, den Krieg zu verlieren. (Sie hatten den entscheidenden Elfmeter bei Dünkirchen vergeben - Augenzeugen schwören noch mehr als sechs Jahrzehnte später, daß das absichtlich geschah, auf allerhöchste Anweisung ihres Team-Chefs - und dann in der Verlängerung ziemlich hoch verloren.)

Die verdammten ungarischen Balltreter dagegen hatten das unverzeihliche Kriegs-, pardon Fußball-Verbrechen begangen, die Limeys auf ihrer geheiligten Insel zu schlagen - das war schlimmer als die V1-Angriffe auf London! Zeugt es da nicht von mangelndem Fingerspitzengefühl, wenn die FIFA für das Viertelfinalspiel Brasilien-Ungarn ausgerechnet einen Schiedsrichter aus England bestellt? Hatte nicht schon der bewußte Mr. Ling die skandalöse Holzhackerei der Deutschen gegen Ungarn im 3:8-Gruppenspiel zugelassen, ohne einen einzigen deutschen Spieler vom Platz zu stellen? Aber sein Landsmann Arthur Ellis macht es besser, pfeift eine wenig vorbildliche Partie vorbildlich; und als auch die Brasilianer, allen voran die Mulatten-Brüder Santos, anfangen Holz zu hacken, verweist er kurzerhand drei von ihnen des Feldes. (Nicht von ungefähr: Schwarze Brasilianer galten als "Wilde aus dem Urwald", seit im Viertelfinale der Fußball-WM von 1938 ein gewisser Leonidas - er spielte barfuß, wurde aber dennoch Torschützenkönig des Turniers - dem damals besten Torwart der Welt, Frantiček Planicka, mit einem brutalen Foul den Arm brach und so seine Karriere beendete - und die WM-Träume der Tschechen, die so zum zweiten Mal in Folge um den Titel betrogen wurden, denn wir erinnern uns: ausgewechselt werden durfte damals noch nicht, und Leonidas wurde nicht mal vom Platz gestellt.) Am Spielfeldrand und in der Kabine geht die Schlägerei zwar weiter; aber das ändert nichts am Spielausgang: Ungarn gewinnt - diesmal nicht in Unter-, sondern in Überzahl - mit 4:2. (Mit dem gleichen Ergebnis gewinnen die Ungarn auch das Halbfinale gegen Titelverteidiger Uruguay, wieder in einer wüsten Klopperei, bei der sich die Ungarn allerdings nicht beklagen können: Kurz vor Schluß der regulären Spielzeit treten sie ungestraft Uruguays Besten, Andrade, kaputt, so daß sie die Verlängerung wieder in Überzahl bestreiten und gewinnen können.) So wird denn auch für das Endspiel Ungarn-Deutschland wieder ein Engländer bestellt - eben Mr. Ling (so wie für ein Endspiel Brasilien-Deutschland oder Uruguay-Deutschland wohl der vorbildliche Herr Zsolt aus Ungarn bestellt worden wäre), und niemand ahnt, was da kommen würde - obwohl es so kommen mußte, wenn man der in Sachen "Zsolt 1958" vertretenen Logik folgt: Mr. Ling verweigert diesmal nicht den Deutschen, sondern den Ungarn die Anerkennung eines regulären Tores in vorletzter Minute - wegen angeblichen "Abseits", obwohl der Ball vom Hinterteil eines deutschen Abwehrspielers kam, also selbst nach der damaligen Regel, wonach nicht nur ein, sondern gleich zwei Feldspieler der verteidigenden Mannschaft zwischen dem gegnerischen Stürmer und dem eigenen Tor stehen mußten, davon keine Rede sein konnte. (Zu allem Überfluß hatte Linksaußen Schäfer, der mit allen Abwassern gewaschene Kapitän des 1. FC Köln, der bereits beim 2:2 den ungarischen Torwart im Fünfmeterraum regelwidrig angegangen und umgestoßen hatte und von dem die Flanke zum entscheidenden 3:2 auf Rahn kam, sich zuvor durch ein von Mr. Ling nicht geahndetes Foul an Boszic in Ballbesitz gebracht.) Und so siegen die Deutschen mit 3:2 und werden erstmals Fußball-Weltmeister. Daß sie nach einem 3:3 die Verlängerung verloren hätten, steht außer Frage, denn inzwischen hatte der sintflutartige Regen nachgelassen, bei dem heutzutage kein Schiedsrichter - auch kein englischer - mehr ein Spiel anpfeifen würde, weil er zu völlig irregulären Bedingungen führte. [Außer für die Deutschen, die ganz neu entwickelte Fußballstiefel anhatten, von Adolf Dassler - der sich nach 1945 nur noch "Adi Dassler" nannte und so die Firma "Adidas" gründete -, mit Schraubstollen, die sie je nach Wetter- und Bodenverhältnissen im Handumdrehen austauschen konnten; alle anderen Mannschaften, auch die Ungarn, traten in ihren 08/15-Tretern mit Einheitsstollen an.] Alle drei deutschen Treffer wären vermeidbar gewesen, wenn Ungarns Torwart und seine Vorderleute nicht wie auf Schmierseife gestanden hätten. [Der "Schwarze Panther" Gyula Grosics war damals einer der besten Torhüter der Welt, während sein Gegenüber, der nachträglich zum "Fußballgott" hoch gejubelte Toni Turek, als "Bruder Leichtfuß" galt, wie vor ihm Willibald Kreß - der das Halbfinale von 1934 verpatzt hatte - und nach ihm Harald "Toni" Schumacher, der das Endspiel von 1986 verpatzen sollte. Aber im Endspiel von 1954 erwischte Turek einfach einen guten Tag und machte das Spiel seines Lebens. In Ungarn wollte man das freilich nicht wahr haben: Der Staatssicherheitsdienst unterstellte Grosics - der nach dem Spiel Schiedsrichter Ling demonstrativ vor die Füße spuckte (nicht aber dem Linienrichter Griffith, der die Abseitsfahne gehoben hatte) -, absichtlich daneben gegriffen zu haben, stempelte ihn zum "Landesverräter" und beendete seine Länderspiel-Karriere.] Ohne Regen hätten die Deutschen gegen die spielerisch überlegenen Ungarn in der Verlängerung keine Chance mehr gehabt, erst recht nicht in einem Wiederholungsspiel (es gab damals noch kein Elfmeterschießen und kein "Golden Goal"), in dem die Ungarn auch ihre wieder genesenen Spieler aus dem Viertel- und Halbfinale hätten einsetzen können. [Na ja, vielleicht hatten sie auch einen Deutschland-Komplex: Bereits 1930, im Länderspiel in Dresden, hatten sie bei Halbzeit 3:0 geführt, gegen 10 Deutsche, und am Ende mit 3:5 verloren; ebenso 12 Jahre später in Budapest, als sie bei Halbzeit immerhin mit 3:1 vorne lagen; und in den folgenden 12 Jahren hatten sie nicht mehr gegen eine DFB-Auswahl gespielt.]

Übrigens müssen sowohl die deutschen Spieler als auch die deutschen Zuschauer allesamt ganz böse Nazis gewesen sein, denn sie sangen anschließend die erste (!), faschistoïde Strofe des Deutschlandliedes ("Deutschland, Deutschland über alles...") - dafür müßte man sie eigentlich heute noch posthum vor Gericht stellen, wegen Volksverhetzung! (Nein, liebe Leser, so abwegig ist das nicht, lest mal diesen Beitrag über Carl Diem oder einen der vielen Artikel, in denen Sepp Herberger und Peco Bauwens als heimliche Nazis "entlarvt" werden; deshalb schreibt Dikigoros hier auch nicht, welcher deutsche Spieler bei der Siegerehrung angesichts des aufbrausenden Jubels spontan die Rechte zum "deutschen Gruß" hob; sonst bestand die Berner Elf - und die nach dem Turnier von der Journaille gewählte "Weltelf" - demnächst nur noch aus 10 Mann... Als er es merkte, ließ er den Gruß schnell in ein "Winkewinke" übergehen -; aus den meisten Filmaufnahmen ist das alles zum Glück weg geschnitten :-) Aber statt ein Entnazifizierungs-Verfahren einzuleiten, schenkte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss jedem Endsieger, pardon Endspieler auf Steuerzahlerkosten eine neue Armbanduhr (ihre alten hatten die amerikanischen Besatzer mitgehen lassen, pardon, von denen hatten die amerikanischen Befreier sie befreit, so muß es politisch korrekt heißen, denn das waren ja Nazi-Uhren) made in Germany. (Ja, so etwas gab es damals noch - das war bevor die Japaner, die erkannt hatten, daß es wichtigeres gibt als Erfolge auf dem Fußballfeld, sie mit ihren Billigprodukten aus dem Feld schlugen.) Mehr gab es nicht für brave Amateure, jedenfalls nicht offiziell. Erst knapp 50 Jahre später sollte der letzte Überlebende der "Helden von Bern", Horst Eckel, im Deutschen Fernsehen gestehen, daß die deutschen Spieler außerdem vom DFB pro Partie eine Einsatzprämie von 200.- DM und für den WM-Titel je 1.000.- DM erhalten hatten, was für damalige Verhältnisse gar nicht so schlecht war wie es sich heute anhört. [Ebenfalls rund 50 Jahre später kam heraus, daß Grosics nach dem Spiel von der Firma Daimler einen dicken Mercedes geschenkt bekam, der alleine mehr wert war als alle offiziellen und inoffiziellen Prämien für die deutsche Mannschaft zusammen genommen - da darf man sich nicht wundern, wenn die ungarische Regierung "Bestechung" argwöhnte und das Gefährt kurzer Hand beschlagnahmte.] Für einige von ihnen - wie Werner Liebrich, der Puskas krankenhausreif gefoult hatte - reichte dieses Blut[grätschen]geld, um sich mit einem kleinen Laden selbständig zu machen und fortan davon zu leben, den Mitmenschen Geld für Nikotin, Alkohol und Glückspiel aus der Tasche zu ziehen - schöne Sportler. (Die meisten von ihnen sollten übrigens relativ jung an Leberzirrhose sterben. Im Gegensatz zu dem, was ein halbes Jahrhundert später kolportiert wurde, glaubt Dikigoros nicht an die Geschichte von den Spätfolgen einer nicht richtig desinfizierten Spritze; viele der "Helden von Bern" hingen schlicht und einfach an der Flasche und soffen sich regelrecht zu Tode.) Ihre Zeitgenossen feierten sie als "Helden" und "Vorbilder". Soll Euch Dikigoros etwas verraten? Er empfindet für solche "Helden" nichts als Verachtung. Und Euch, liebe Kinogänger, die Ihr demnächst die Verfilmung jenes "Heldenstückes" durch Sönke Wortmann anschauen geht, hat er hoffentlich ein wenig die Augen geöffnet für die historische Wahrheit.

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Bei der Fußballweltmeisterschaft 1958 wurde also für das Halbfinalspiel Schweden-Deutschland Herr Zsolt aus Ungarn bestellt - dreimal pfui! Die Folgen hätte man doch voraus sehen können, ja müssen - oder?

PS: Warum lehnte der DFB 1958 die Einladung zum Endspiel ab? Duplizität der Ereignisse: Die Schweden hatten im Halbfinale die erste Garnitur der Deutschen zusammen getreten, die zum Spiel um den dritten Platz komplett ausgetauscht werden mußte. Und diese elf Ersatzleute wurden wiederum im "kleinen Endspiel" von den Franzosen kaputt getreten. In dem Bewußtsein, das ungestraft tun zu können, trieben die es noch weit schlimmer als zuvor die Schweden, worüber sich freilich kaum noch jemand aufregte, denn es ging ja um nichts mehr - der Titel war eh futsch, auf den dritten Platz konnte man pfeifen. Mit anderen Worten: Die deutschen Spieler gehörten ins Lazarett, nicht auf die Fußball-Tribüne. Und da die deutschen Funktionäre von damals noch so etwas wie Anstand im Leib hatten, pardon, weil ihr Leiter Peco Bauwens ein schlechter Verlierer und ein böser Nazi war, so muß es ja heute politisch-korrekt heißen, wollten sie nicht ohne ihre Spieler in der Ehrenloge ihre fetten Hintern platt sitzen und sich Schampus hinter die Binde gießen, wie es ihre demokratischen, gutmenschlichen Nachfolger von heute mit einiger Sicherheit getan hätten. Aber so ändern sich eben die Zeiten... A propos gute und schlechte Verlierer: Was tat der ungarische Läufer Gyula Lorant, der beim 8:3 von den Pfälzer Ruppsäcken auch ordentlich was auf die Socken bekommen hatte, nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn? Er ging nach Deutschland und wurde Trainer des... 1. FC Kaiserslautern! An dessen "rustikaler" Spielweise vermochte freilich auch er nichts zu ändern.

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Los Angeles - Augenzeugen wie Dikigoros beschwören noch mehr als vier Tage später, daß Deutschlands sensationelle 1:3-Halbfinalniederlage 1958 gegen Schweden 45 Jahre später in Amerika durch die Enkelinnen-Generation "gerächt" worden ist. Nia Künzer heißt die Frau, die in einem dramatischen Endspiel um die Fußball-Weltmeisterschaft das glückliche (nomen atque omen: ihr afrikanischer Vorname - sie ist in Botswana geboren und mit sieben schwarzen Adoptiv-Geschwistern aufgewachsen - bedeutet "Lucky") "Golden Goal [Goldene Tor]" zum 2:1-Sieg gegen die Schwedinnen geköpft hat.

[Nia Tsholofelo (auf Deutsch etwa: 'Glückliche Hoffnung') Künzer, Deutsche aus Botswana, erzielte das 'Golden Goal' zum 2:1-Sieg]

Ein klares Foulspiel im schwedischen Strafraum beim Spielstand von 1:1 übersah die Referée. (Na ja, sie erkannte auf Vorteil und ließ weiter spielen - daß die Deutschen nichts draus machten, waren sie selber schuld.) Gemeine Tritte gegen Knie und andere Körperteile gab es nicht, dennoch beendeten einige deutsche Spielerinnen ihre internationale Laufbahn. (Was auch Fritz Walter 1958 so oder so getan hätte - er hatte eigentlich schon 1954 aufgehört; seine Teilnahme an der Fußball-WM in Schweden im Alter von 38 Jahren war ein Rücktritt vom Rücktritt gewesen.)

"Frankfurter Würstchen" nicht aus dem Angebot gestrichen

Das Spiel hatte keine bösen Folgen. Obwohl die schwedischen Spielerinnen hinterher ziemlich geheult haben, gab es weder im Stadion noch in der Stadt wüste Schlägereien, und obwohl die meisten deutschen Spielerinnen vom FFC Frankfurt kamen, wurden in schwedischen Gaststätten "Frankfurter Würstchen" nicht aus dem Angebot gestrichen. (Dabei war diese Übung durchaus noch nicht aus der Mode gekommen: Nur wenige Monate zuvor waren in den USA - wo die Fußball-WM der Frauen 2003 statt fand - "French Fries [französische Fritten]" und Turkey [Truthahn - das National-Gericht aller Amerikaner, das einzige, was Weiße und Rote gemeinsam haben] von den Speisezetteln verschwunden bzw. in "Liberty Fries [Freiheits-Fritten]" und "Liberty Bird [Freiheits-Vogel]" umbenannt worden, weil sich Frankreich und die Türkei geweigert hatten, am Krieg gegen den Irak teilzunehmen :-) Die deutschen Spielerinnen bekamen eine kleine Siegesprämie, deren Kaufkraft in etwa dem entsprach, was die "Helden von Bern" 1954 bekommen hatten. Es reichte vorn und hinten nicht. Die amerikanische Profi-Liga, in der einige von ihnen gespielt hatten, hatte im selben Jahr Pleite gemacht; um den langjährigen Meisterinnenverein aus Frankfurt vor dem gleichen Schicksal zu bewahren, mußten die Spielerinnen für einen Pin-up-Kalender strippen, der sich freilich auch nicht sonderlich gut verkaufte (nichtmal unter Lesben :-). Eigentlich sind das die wahren Heldinnen - Dikigoros fragt sich nur, ob von denen 50 Jahre später noch jemand sprechen wird.

Und weiter fragt sich Dikigoros, welches der drei Ereignisse Friedrich Schiller wohl zum Anlaß genommen hätte, ein Theaterstück zu schreiben - oder ob er lieber eines über den glorreichen Gewinn der Bronze-Medaille durch Frankreich 1958 geschrieben hätte? Ein Jahr später feierten die Deutschen - nicht die Franzosen - seinen 200. Geburtstag.

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Noch ein unpatriotischer Kommentar
(von Frau Dikigoros, 28.04.2004)

Nun ist das also fast 50 Jahre her, und die Deutschen setzen Himmel und Hölle, Kino und Fernsehen in Bewegung, um dieses Jubiläum "würdig" zu feiern. Nein, zu begehen, denn die Deutschen sind ja ein Tätervolk, und zu feiern haben sie schon lange verlernt. Was mich in diesem Falle gar nicht wundert. Ich bin zwar kein Fußball-fan, aber so viel ist mir, nachdem ich heute die Filmaufnahmen zum Endspiel, die plötzlich wieder aufgetaucht sind, gesehen habe, doch klar geworden: Das 2:2 (und, wie mein Mann meint, auch das 3:2) der Deutschen war ein irreguläres Tor, das nicht gegebene 3:3 der Ungarn dagegen ein reguläres; von Rechts wegen hätte es also am Ende 3:2 (oder 3:1) für Ungarn stehen müssen. Und gedopt waren die deutschen "Helden" am Ende auch noch, denn wer glaubt schon im Ernst, daß selbst ein noch so unfähiger Fußball-Doktor seinen Spielern Dextrose und Ascorbinsäure intravenös mit einer nicht-sterilen Spritze verabreicht hätte? So weit war man auch 1954 schon, zu wissen, daß man Traubenzucker und Vitamin oral gibt, weil es gespritzt überhaupt keine Wirkung hat; und im Sterilisieren von Spritzen war man zu jener Zeit, als es noch keine Einwegspritzen gab, weiter als heute. Die meisten Fernsehzuschauer haben wahrscheinlich nur die gestrige, "offizielle" Sendung gesehen, nicht aber den Trailer, den das ZDF vorgestern zu nachtschlafender Zeit - und ohne Vorankündigung in den Fernseh-Illustrierten - gesendet hat. Sonst wäre wohl so manchem aufgefallen, was bezeichnenderweise aus dem Hauptfilm heraus geschnitten wurde: Erstens die Aussage eines Arztes über Vitamin C und Traubenzucker, die ich eben wieder gegeben habe, zweitens die Aussagen des ungarischen Torwarts zu Schäfers spielentscheidenden Fouls (die Aufnahme vom 2:2 wurde zwar gezeigt, aber ohne entsprechenden Kommentar), und drittens die Szene nach dem Spiel, die Niko oben geschildert hat, als der Kaiserslauterner xxx bei der Siegerehrung den rechten Arm zum deutschen Gruß hebt. (Im Trailer war es noch drin - offenbar hat es Beschwerden empörter Zuschauer gegeben, die eine Kürzung bewirkt haben.) Warum rührt man also noch in diesen alten Geschichten herum, die doch bei genauerer Betrachtung wahrlich kein Ruhmesblatt für Deutschland und seine Fußballer waren? Die Antwort scheint mir auf der Hand zu liegen: Damals, nach dem Krieg, den Hitler und Konsorten versaubeutelt hatten, ging es Deutschland dreckig, und man[n] geilte sich daran auf, wenigstens Fußball-Weltmeister zu sein - wie schön. Heute geht es Deutschland wieder ähnlich dreckig, nach der Wiedervereinigung mit der DDR und der EU-Erweiterung, die Kohl, Schröder und Konsorten versaubeutelt haben; aber da heuer nichtmal unsere Balltreter mit irgendeinem tröstenden Titel dienen können (diese Luschen verlieren ja schon gegen Rumänien - das, wie man mir vor dem heutigen Spiel versichert hatte, nur ein drittklassiges Team habe - mit 1:5), wärmt man eben die ollen Kamellen von 1954 noch einmal auf - wie lange wird sich der deutsche Michel wohl noch mit so einem Mist beschwichtigen lassen?

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Und noch ein Nachtrag - weil sonst niemand im Pressewald darauf aufmerksam gemacht hat. Im Halbfinale der Frauen-WM von 2007 kam es erneut zu einer Begegnung, die man als "Revanche" hätte auslegen können. Allerdings lag das zu rächende Ereignis noch wesentlich länger zurück als die Fußball-WM von 1958, und es gab kaum mehr lebende Zeitzeugen. Dikigoros meint die Olympischen Spiele von Berlin 1936. Damals gab es auch schon ein Fußballturnier, und die Deutschen fühlten sich als Favoriten - schließlich waren ihre Nationalspieler lupenreine Amateure, während die aller anderen Staaten Profis waren, die nicht antreten durften, mal abgesehen von Italien - das sie kurzerhand zu "Studenten" ernannte - und Österreich, wo es schon "Staatsamateure" gab. Aber vorerst gab es ja mal leichtere Gegner, gegen die man die Stammspieler schonen konnte, z.B. die Norweger. Konnten die überhaupt Fußball spielen? Reichstrainer Otto Nerz bezweifelte das und gab seiner zweiten Garnitur eine Chance. Auf der Tribüne saßen der Führer persönlich und seine besten Parteigenossen. Es wurde eine denkwürdige Blamage, denn bei den Norwegern spielte ein gewisser Isaaksson mit, der zwei Tore schoß. Da die Deutschen kein einziges schafften, blieb es am Ende beim 0:2, und da es damals noch keine Gruppenspiele, sondern nur ein k.o.-System gab, war damit für die Deutschen Ende der Eck-Fahnenstange. (Hitler hat das seinen Balltretern nicht verziehen; er besuchte nie wieder ein Fußballspiel :-) Danach ergab sich Jahrzehnte lang einfach keine Gelegenheit zu einer Revanche, denn Norwegen drang nie wieder so weit bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft vor, daß es auf die DFB-Auswahl getroffen wäre. Aber nun hatten sich die Norwegerinnen überraschend bis ins Halbfinale gekämpft. War es ein dramatisches Spiel? Nein, man soll keine Parallelen an den Haaren herbei ziehen. Die Norwegerinnen hatten keine Isaaksdotter (oder heißen dort heuer auch die Frauen Isaaksson?) und schossen demzufolge kein einziges Tor; dafür schenkten sie ihren Gegnerinnen höflich drei Marmeltore (das vierte Geschenk nahmen die nicht an, sondern schossen den Ball gegen den Pfosten), und damit waren alle glücklich. Es gab keine Verletzungen, keine Pöbeleien, und deutsche Gerichte, die man von der Speisekarte hätte streichen können, gab es in Norwegen eh nicht. Der Endspielsieg der Germaninnen gegen Brasilien (etwas, worauf die Germanen noch immer warten :-) war dann nur noch Formsache - die brasilianische Torschützen-Königin verschoß einen Elfmeter, und ihre NachtTorwächterin ließ zwei Bälle durch, die jeder männliche Torwart in der 3. Kreisklasse mit Leichtigkeit gehalten hätte. Weshalb Dikigoros das überhaupt nachträgt? Nun, nicht nur wegen der "Revanche", die kaum noch jemand als solche empfand (denn die Gutmenschen der BRD betrachten Niederlagen der "Nazi-Fußballer" aus der "Hitler-Zeit" eigentlich gar nicht als Bestandteil ihrer Statistik, so wie bis 1991 die Sowjet-Menschen die 0:16-Niederlage der "tsaristischen" Fußballer gegen die des kaiserliche Deutschlands bei den Olympischen Spielen von 1912 aus ihrer Statistik gestrichen hatten), sondern weil die deutschen Fußballerinnen zugleich einen Rekord brachen, der ebenfalls seit 1936 bestanden hatte: Damals hatte das indische Hockeyteam im ganzen Turnier nur einen einzigen Gegentreffer hinnehmen müssen (beim 10:1-Endspielsieg gegen Deutschland); aber nun schafften es die deutschen Frauen ohne einen einzigen Gegentreffer in immerhin 6 Spielen, in denen sie selber auch mehr Tore schossen als damals die indischen Hockeyspieler. (Nein, das ist kein Rekord, denn bei Hand- und Basketballspielen werden ja in einer einzigen Partie mehr Treffer erzielt; aber Hockey und Fußball sind da durchaus vergleichbar.) Und was war der Lohn für diese einmalige Leistung? Eine Trofäe, die an Häßlichkeit ihresgleichen sucht - selbst unter Fußballerinnen :-)

Und noch ein Nachtrag - leider weniger erfreulich als der vorherige, denn er zeigt, daß die Albernheiten von 1958 doch noch nicht ganz der Vergangenheit angehören. Als die polnisch-türkisch-afrikanische Fremdenlegion des DFB bei der Fußball-WM 2010 gegen die National-Mannschaft Rest-Jugo-SlawiensSerbiens 0:1 unterlag (schuld war natürlich wieder der böse Schiedsrichter, der einen polnischen DFB-Legionär wegen wiederholten groben Foulspiels vom Platz gestellt hatte - daß er der "Legion Adler" dafür einen Elfmeter geschenkt hatte, den ein anderer polnischer DFB-Legionär kläglich vergab, verdrängte man geflissentlich :-), wurde in einigen staatlichen Kantinen der BRDDR - u.a. im Polizei-Präsidium von Aachen - serbische Bohnensuppe aus dem Angebot gestrichen. Auf die Idee wäre 1962, als die deutsche National-Mannschaft (ja, damals gab es die noch!) gegen die Jugo-Slawiens (ja, damals gab es das noch!) ebenfalls mit 0:1 verlor und die Heimfahrt antreten mußte, niemand gekommen - damals gab es nämlich in deutschen Kantinen noch gar keine Bohnensuppe, die man als "serbisch" bezeichnet hätte! Und auch die Unsportlichkeiten von 1954 werden locker überboten: Hatte Herberger seine Spieler vor dem Match gegen Ungarn "nur" dazu aufgefordert, grobe Fouls zu begehen, so rief die BLÖD-Zeitung vor dem Spiel gegen Argentinien gar zu Tätlichkeiten auf: "Heute kriegt Messi auf die Fressi!" titelte sie am Morgen des Viertelfinals. (Lionel Messi - ein Italiener mit spanischem Paß, der seit seiner Kindheit in Katalonien lebte und spielte, aber zufällig in Argentinien geboren war - galt als bis dahin bester Fußballer des 21. Jahrhunderts, ihn "auszuschalten" als Siegesgarantie.) Und das war nicht nur so dahingesagtgeschrieben: Wenige Wochen vor der Fußball-WM hatte der "Kapitän" der DFB-Legionäre - ein schlesischer Zigeuner - dem Abwehrchef der argentinischen Legionäre - einem Italiener, der seit Jahren in Bayern lebte und spielte, aber zufällig in Argentinien geboren war - bei einem "Freundschaftsspiel" mit einem gezielten Schlag ins Gesicht den Oberkiefer und das Jochbein gebrochen, ohne daß er dafür auch nur verwarnt worden wäre - im Gegenteil, die Journaille jubelte ihn darob zum National-Helden hoch. (Allerdings hatte er Pech: Demichelis genas rechtzeitig zur WM; und er selber stolperte wenig später über die Fußballstiefel eines in Berlin geborenen und mit BRDDR-Paß versehenen, aber in England lebenden Ghanaers und brach sich dabei den Haxen, so daß er zum Zuschauen verdammt war; vielleicht gibt es doch so etwas wie einen Fußballgott oder zumindest eine ausgleichende Gerechtigkeit :-) Und nun also die öffentliche Aufforderung in Millionen-Auflage, auch den Mittelfeld-Regisseur der Argentinier zusammen zu schlagen. Nicht, daß Dikigoros jenes Boulevardblatt lesen würde; aber als er gerade an einem der vielen Verkaufskästen vorbei kam, sprach ihn ein älterer Herr auf die fett gedruckte Schlagzeile an - offenbar noch ein Sportfreund der alten Schule, die ein Gefühl von Fair-play hatte: "Haben Sie das gesehen? Ich wünschte, jemand würde die Redaktion stürmen und dem, der das geschrieben hat, auf die Fresse hauen." Dem konnte Dikigoros nicht widersprechen. (Nein, liebe Leser, Ihr braucht ihm nicht zu mailen, daß vor der Fußball-EM 2008 ein polnisches Boulevardblatt sogar dazu aufgerufen hatte, den Trainer der DFB-Auswahl und seinen Spielmacher - just jenen schlesischen Zigeuner, den Dikigoros eben erwähnte - zu ermorden; das läßt sich nicht vergleichen, denn erstens gab es weit und breit keinen einzigen Polen, der dagegen protestiert hätte, und zweitens würde man von Polen auch gar nichts anderes erwarten. Doch ausgerechnet die Argentinier haben das nicht verdient - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.)


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