DER FÄLSCHER VON STRATFORD
William Shakespeare

"Unicorns may be betrayed with trees, and Bears with glasses,
Elephants with holes, Lions with toils, and Men with flatters."
(Einhörner kann man mit Bäumen fangen, und Bären mit [Honig-]Gläsern,
Elefanten mit Gruben, Löwen mit Netzen, und Menschen mit falschem Lob)
"For there is nothing either good or bad but thinking makes it so."
(Denn was auch ist ist weder gut noch schlecht, erst Denken macht's dazu.)

[Bild]
[Signatur]
[London 1616]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE BRETTER, DIE DIE WELT [BE]DEUTEN

Von William Shakespeare als Person wissen wir bis heute so gut wie nichts, was als "sicher" bezeichnet werden dürfte - der russische Dichter Lew Tolstoj vertrat sogar die These, daß es den nie wirklich gegeben habe, sondern daß die unter seinem Namen veröffentlichten Theaterstücke Teamwork eines Theater-Ensembles gewesen seien. Früher schien Dikigoros diese These durchaus nicht abwegig, da die Qualität einzelner Stücke doch merklich von der anderer abweicht; aber je älter er wird, desto mehr gewinnt er die Einsicht, daß auch ein einzelner Mensch in verschiedenen Lebensabschnitten - und bisweilen sogar in ganz kurzen Abständen, je nach "Tagesform" - ein sehr breites Qualitäts-Spektrum abdecken kann. Außerdem ist er zu der Auffassung gelangt, daß viele Köche den Brei verderben; und so schlecht sind selbst Shakespeares schwächste Stücke nicht, daß man sie einem Kollektiv anhängen müßte. Irgend jemand muß die Schluß-Redaktion gemacht haben, man spürt in allen Stücken die selbe ordnende Hand - was ja nicht ausschließt, daß dieser jemand inoffizielle Mitarbeiter und Helfer hatte (ohne die auch Dikigoros nicht auskommt). Und der verdächtige Name "Shakespeare [Schüttelspeer]"? Nun, das wird ein Künstlername gewesen sein, auch darin kann Dikigoros kein zwingendes Argument gegen die Existenz eines einzelnen Urhebers des Gesamtwerks finden. Schließlich wissen wir über seine dichtenden Zeitgenossen nicht viel mehr: Von Tom Kyd gerade mal, daß er vermutlich einen "Hamlet" geschrieben hat, der "verloren gegangen" ist. (Vielleicht ist er auch gar nicht verloren gegangen, sondern Shakespeare hat ihn nach Kyds frühem Tode - er starb mit 36 - übernommen? Er ist jedenfalls deutlich schwächer als die meisten anderen Stücke Shakespeares.) Von Chris Marlowe, daß er im selben Jahr wie Shakespeare geboren wurde, mit 23 ans Theater ging und schon mit 29 getötet wurde (wahrscheinlich bei einer Wirtshausschlägerei - so steht es jedenfalls in den Gerichtsakten; und alles andere, was da hinein geheimnist wurde, hält Dikigoros schlicht für Humbug). Ein Jammer, denn was Marlowe in jenen sechs Jahren schuf, deutet auf ein Talent hin, das dem Shakespeares mindestens ebenbürtig war. Einige seiner historischen Stoffe hat Shakespeare übernommen, an andere (Karthago, Tamerlan und die - damals ganz aktuelle - Pariser Bartholomäusnacht) hat nicht mal er sich heran getraut. (Zu den möglichen Gründen schreibt Dikigoros unten mehr.) Ben Jonson und John Lyly? Die meisten dürften noch nicht mal ihre Namen gehört haben, dabei waren auch sie unzweifelhaft große Dichter.

Woran mag es liegen, daß in England an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert so viele Leute gute Theaterstücke schrieben wie niemals zuvor oder danach? Tja, woran liegt es, daß an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert so viele Leute gute Musik machten wie niemals zuvor oder danach? An den Instrumenten! Ihr glaubt doch nicht, daß ohne die Entwicklung des Cembalo zum Pianoforte die Klavierkonzerte eines Beethoven möglich gewesen wären? Ihr glaubt doch nicht, daß die Sportler an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert mit Aschenbahnen, Sandkästen und Bambusstäben ebenso [stab]hoch oder weit gesprungen wären wie mit Tartanbahnen, Schaumgummimatten und Glasfiberstäben? Gewiß gibt es da Wechselwirkungen: ein anspruchsvoller Pianist wird seinem Klavierbauer mitteilen, was es an seinem Instrument zu verbessern gibt, so wie ein guter Rennfahrer seinem "Rennstall" sagen wird, wie er den Boliden getuned haben will. Das Instrument des Dichters ist die Sprache (nur, daß er gegenüber den anderen hier genannten Personenkreisen den Vorteil hat, daß er es selber fort entwickeln kann und nicht auf irgendwelche anderen Konstrukteure angewiesen ist), und Shakespeares Instrument war die englische Sprache. Und da dies das erste Kapitel dieser "Reise durch die Vergangenheit" ist, kann Euch Dikigoros einen kleinen Ausflug in die Linguistik nicht ersparen, den Ihr bitte nicht überspringen wollt (nein, das ist nicht zu anspruchsvoll für Euch - auch wenn Ihr keine Vergleichenden Sprachwissenschaften studiert habt -, sonst wäret Ihr doch nicht Dikigoros' Leser!), zumal Ihr so etwas nirgendwo anders mehr lesen werdet. Es ist nämlich nicht mehr opportun, pardon politisch-korrekt, zu vergleichen ("relativieren"), zu unterscheiden ("diskriminieren") oder gar zu werten. Ist es nicht geradezu fascistoïd, eine Sprache oder eine Sprachstufe als der anderen über- oder unterlegen zu bezeichnen, klingt da nicht etwas von "minderwertig" und "Herrenmenschen" mit? Wenn Ihr das partout mitklingen hören wollt, kann Dikigoros das nicht ändern - gesagt und geschrieben werden muß es knapp 200 Jahre nach Humboldt trotzdem mal wieder.

Eigentlich liegt die Definition einer überlegenen Sprache doch auf der Hand: Sie ist ein Verständigungsmittel, also muß sie einerseits klar und einfach sein, aber andererseits vielfältig ("reich") genug, um auch kompliziertere Sachverhalte und Ideen auszudrücken. (Letzeres mag in der Steinzeit noch nicht notwendig gewesen zu sein, deshalb mögen damals auch "primitive" Sprachen ihren Zweck erfütt haben; aber seit mindestens dreitausend Jahren müssen wir etwas höhere Anforderungen stellen.) Beides kann man übertreiben. So kommt z.B. das Chinesische mit einem äußerst einfachen Lautbestand aus - an dem freilich die Verständlichkeit leidet, so daß einerseits vier unterschiedliche Tonführungen her müssen, und selbst dann noch so viele Zweideutigkeiten übrig bleiben, daß zur Beseitigung letzter Unklarheiten ein Schriftsystem benötigt wird, das an Umständlichkeit seines gleichen sucht (denn es kann ja nicht fonetisch sein wie die meisten anderen, da die Laute wie gesagt mißverständlichkeit sind, sondern muß mit Bildern operieren) und das wesentlich zur Bildungsmisere in China beiträgt, denn es zu erlernen kostet viel Zeit, die besser genutzt werden könnte, und manche lernen es gar nicht richtig, sondern bleiben halbe Analfabeten. [Die Japaner - deren Sprache ähnlich einfach ist wie das Chinesische, obwohl sie mit ihr nicht im geringsten verwandt ist - haben es übernommen; aber sie haben alternative, rein fonetische Schriftzeichen entwickelt, was möglich ist, da ihr Lautbestand größer ist, die Wörter also nicht so verwechslungsanfällig sind - deshalb kommen sie auch ohne Tonunterschiede aus.] Andere Sprachen übertreiben es mit dem Formenreichtum - es ist z.B. gar nicht einzusehen, warum die Germanen ihre Deklinationen und Konjugationen doppelt moppeln, nämlich mit einem Artikel bzw. Pronomen vor und einer Endung hinter dem Substantiv bzw. Verb. [Das lateinische, das griechische und die slawischen Sprachen weisen dieses Fänomen zwar teilweise auch auf; aber in der Praxis lassen sie die Pronomina beim Verb meist weg; und das Russische kennt z.B. keine Artikel. Aber damit wären wir schon mitten in der Formenlehre. Fangen wir doch besser mit dem Wortbestand an: Sprachen, deren Sprecher lange isoliert gelebt haben, kommen einerseits ohne den Luxus aus, Fremdwörter aufzunehmen und damit entweder eigene Bezeichnungen zu verlieren oder den Umfang ihres Wortschatzes unnötig aufzublähen. Andererseits gehen ihnen Differenzierungs-Möglichkeiten verloren, die ein Zeichen für hoch entwickelte Sprachen sind. (Im Englischen sind z.B. die Wörter für lebende Tiere germanisch, während sie als Essen zubereitet romanisch sind; auf diese Mischung kommen wir gleich noch einmal zurück.) Allerdings gelingen solche sinnvollen Differenzierungen nicht immer. Im Deutschen z.B. sind viele Fremdwörter - vor allem aus dem Lateinischen und/oder Griechischen - gleichbedeutend mit ihren deutschen Pendants, also überflüssig, denn sie dienen nur der Befriedigung des Bildungsdünkels ihrer Sprecher. Bei einigen asiatischen Sprachen taugen sie nicht mal dazu; die vielen arabischen und/oder persischen Lehnwörter, die z.B. in die indischen und austronesischen Sprachen eingedrungen sind, könnte man ebenso gut weg lassen (oder ausmerzen, wie das Atatürk für das Türkische veranlaßt hat), ohne daß diese Sprachen dadurch ausdrucksärmer würden. (Ganz anders, als wenn - wie George Orwell das in 1984 geschildert hat - die Hälfte der Adjektive gestrichen wird, weil Gegensätze nur noch durch die Vorsilbe "un-" ausgedrückt werden, etwa "kalt" durch "unwarm" oder "dunkel" durch "unhell" oder umgekehrt :-) Aber solange nur die Wortstämme übernommen werden, nicht auch die Flexionen, zeigt das, daß die Ausgangssprachen noch gesund genug sind, um solche Invasionsschübe zu verdauen. Deshalb ist auch die Hysterie mancher selbst ernannter "Sprachschützer" völlig unangebracht, die vor einer "Überfremdung" des Deutschen warnen; wenn man sich die jüngsten Übernahmen mal etwas näher anschaut, sind sie überwiegend sinnvoll: entweder werden lateinische/französische/griechische Fremdwörter wieder durch englische - also germanische! - ersetzt, was doch nur zu begrüßen ist; oder aber es werden die im Deutschen so beliebten Bandwurmwörter durch kürzere, prägnante Begriffe ersetzt. Und bei den wenigen Ausnahmen handelt es sich zumeist um Bezeichnungen für Dinge, die man in Deutschland früher nicht kannte und für die man deshalb kein eigenes Wort hatte. Wer also seine Speisekarte um Pizza, Lahmacun, Döner und Souvlaki "bereichert" - worüber man gewiß trefflich streiten kann, aber das ist hier nicht unser Thema -, der mag getrost auch die Original-Bezeichnungen übernehmen und damit seine Sprache bereichern. Und es ist auch Schwachsinn zu behaupten, das Englische sei infolge der normannischen Invasion von 1066 eine "Mischsprache" geworden (oder gar ein "bastardisiertes Französisch", lediglich durch ein paar englische Vokabeln angereichert, wie das mal ein - deutscher - Anglistik-Professor behauptet hat). Wieviele normannisch-französische Vokabeln damals auch ins Englische eingegangen sein mögen (nicht nur aus der Küche, sondern auch aus Wirtschaft und Verwaltung) - die Satzstruktur des Englischen blieb noch bis zu Shakespeares Zeiten germanisch; erst im 17. und 18. Jahrhundert wurde sie auf- und umgebrochen; aber das hatte nichts mit den alten Normannen zu tun.

Exkurs. Ist eine echte Sprachmischung - d.h. eine, die nicht nur Wörter unterschiedlicher Herkunft hat, sondern auch die Formen und Satzstrukturen mischt - eigentlich so schlimm? Das ist Geschmackssache. Wer jemals eine wirklich bastardisierte Sprache und ihre todunglücklichen, mit sich selber im Unreinen lebenden Sprecher[innen] kennen gelernt hat - wie das heutige Hindi -, wer jemals das bemitleidenswerte Gebrabbel von Kindern aus Mischehen gehört hat, die weder ihre Vater- noch ihre Muttersprache richtig beherrschen, der wird diese Frage nicht ohne weiteres verneinen. Dikigoros hält es mit Mischsprachen wie mit Mischehen und gepanschtem Wein. Exkurs Ende.

Wohlgemerkt, was Dikigoros oben geschildert hat, sind praktische Erwägungen, die nicht notwendigerweise etwas mit literarischer Kunst zu tun haben - ganz im Gegenteil: Ein großer Reiz der alten chinesischen Literatur besteht gerade in der Mehrdeutigkeit ihrer Sprache und damit ihrer Interpretations-Möglichkeiten. Und das galt auch noch für das Englische zur Zeit Shakespeares, der dieses sein Instrument virtuos beherrschte. Seine Wortspiele mit den vielen Zweideutigkeiten in fast jedem Satz sind unerreicht. (Schaut Euch allein einmal den Eingangs-Dialog zwischen Sampson und Gregory in "Romeo and Juliet [Romeo und Julia]" an, liebe Leser; wenn man böse will, ist das die reinste Pornografie!). Diese Virtuosität geht in Übersetzungen zwangsläufig verloren; die meisten Heutigen (selbst so genannte "native speakers [Muttersprachler]") können einfach nicht mehr genug Englisch, um sie überhaupt zu bemerken, geschweige denn zu würdigen. (Wer versteht schon noch, daß z.B. "will" bei Shakespeare fast nie das Hilfsverb, sondern das Vollverb "wollen" meint?) An deutschen und angelsächsischen Universitäten werden englische Sprach- und Literaturwissenschaft jetzt als zwei getrennte Studiengänge angeboten - als ob man Sprache im luftleeren Raum behandeln oder Literatur ohne eine Sprache lesen könnte (außer halt in Übersetzungen aus zweiter Hand). Das soll zwar eigentlich nicht das Thema dieser Betrachtung sein; aber Dikigoros will wenigstens einleitend etwas Positives über Shakespeare festhalten, nämlich daß er einer der letzten großen Dichter war, die sich der allmählichen Verhunzung der englischen Sprache widersetzten, die gerade damals einsetzte und an deren Ende sie mit der alten Sprache der Angeln nur noch den Namen gemeinsam haben sollte.

Wir sind nämlich noch nicht fertig mit unserem Ausflug in die Linguistik. Wörter und Formen - die dem Laien immer zuerst ins Auge, pardon ins Ohr springen - machen ja alleine noch keine Sprache aus, sondern nur deren Bruchstücke. Das wichtigste ist noch immer der Satzbau, die Syntax. Zu Shakespeares Zeiten war das Englische noch eine Sprache mit weitgehend germanischem, hoch entwickelten Satzbau. Was Dikigoros unter "hoch stehend" versteht? Nun, bestimmt nicht eine starres Schema mit der fest stehenden Reihenfolge "Subjekt-Prädikat-Objekt" - denn wenn es ein solches gäbe, brächten wir gar keine Unterscheidung zwischen Substantiven und Verben und eigentlich auch keine Deklination. Habt Ihr mal überlegt, wie schwierig es ist, einen zweizeiligen Reim oder auch nur zwei rhythmisch passende Zeilen zu dichten, wenn diese Reihenfolge nicht austauschbar ist? Dikigoros hat die Vertauschbarkeit, die "Inversion" dieser Satzbausteine stets als charakteristisches Merkmal einer hochstehenden Sprachkultur angesehen, und zwar nicht nur in verneinten und Frage-Sätzen, sondern z.B. auch, wenn der Satz von adverbialen Bestimmungen der Zeit oder dem Wörtchen "weil" eingeleitet wird. Nicht der Einbau einiger Fremdwörter ist ein Zeichen des Niedergangs einer Sprache, liebe Leser, sondern das Aufbrechen des Satzbaus, wie er im Lateinischen im 1. Jahrhundert vor Christus einsetzte und im Deutschen am Ende des 20. Jahrhunderts, als man allgemein die Inversion nach "weil" aufgab. (Das ist ein Punkt, um den sich die "Sprachschützer" mal kümmern sollten!) Dem Deutschen ist oft nachgesagt - vor allem von den Franzosen -, daß das Verb am Satzende steht, daß man also als Dolmetscher bis zuletzt nicht weiß, worum es eigentlich geht und wie man übersetzen soll. Aber das stimmt nicht, wenn man die Inversion korrekt gebracht, mit der das Verb vom Satzende an den Satzanfang rückt; und bis vor kurzem war das wie gesagt noch die Regel. Dagegen hat das Französische schon viel länger seinen Charakter als hochstehende Kultursprache verloren, indem es die Inversion aufgegeben hat, wie sie Dikigoros in einem Anfall von Nostalgie noch auf dem Titel seiner Reisefilmseite Avez-vous Bourbon? gebraucht hat - ein Zitat aus einem Film der 50er Jahre. Heute setzt man statt dessen die umständliche Umschreibung mit "est-ce que...?" an den Anfang und läßt dann einen Satz in der Reihenfolge Subjekt-Prädikat-Objekt folgen - schauderhaft und primitiv. Wie einfach und klar ist das Shakespear'sche "Know you not [Wißt Ihr nicht]?", wie umständlich und plump dagegen das heutige "Don't you know [Tut ihr nicht wissen]?"! Wenn einer Sprache die Flektionsendungen verloren gehen - wohlgemerkt der gesprochenen Sprache, ob sie in der geschriebenen noch erhalten sind, ist unerheblich -, erstarrt der Satzbau: "Die Katze beißt den Hund" und "Den Hund beißt die Katze" ist gleichbedeutend; aber "The cat bites the dog" und "The dog bites the cat" drücken das genaue Gegenteil aus - weil die englischen Artikel nicht mehr dekliniert werden.

Doch das Englische hat nicht nur seine germanische Syntax und seine Flexions-Endungen eingebüßt, sondern die meisten Wörter sind zu kurzsilbigen Pidgin-Vokabeln geschrumpft - aber nicht etwa zu dem, was der Amerikaner "words of one syllable" nennen (damit sind einfache, klare Worte gemeint) -, denn zum einen ist die Schreibweise meist mehrsilbig geblieben (sie hat also mit der Aussprache nichts mehr zu tun, was das Erlernen umso komplizierter macht - auch für die Engländer selber!), zum anderen werden die Adjektive, wenn sie als Adverbien gebraucht wurden, durch das Anhängen einer zusätzlichen Silbe (-ly) verlängert. (Shakespeare kam ohne sie aus, und das war weder ein Zufall noch eine normale sprachgeschichtliche Entwicklung, sondern seine ureigenste Idee: Auch das Alt- und Mittelenglische hatte ein -lice bzw. ein -ly gekannt, entsprechend dem deutschen -lich. Er sagte auch für "oft" einfach "oft", ohne die überflüssige Endung "-en", die im heutigen Englisch dran gehängt wird.) Das alles wird aneinander gereiht oder verbunden durch nichtssagende Infinitive, deren bedeutungstragende Endungen an eine Vielzahl ansonsten überflüssiger Hilfsverben delegiert ist. Und das wirkt wiederum auf den Satzbau zurück, der nur dann frei sein kann, d.h. frei von den starren Reihenfolge seiner Bestandteile, wenn jedem Wort auch für sich allein eine eindeutige Funktion zugeordnet werden kann. Im Deutschen kann die Stellung von Subjekt, Prädikat und Objekt mehr oder weniger frei im Satz variieren, denn die Substantive, Adjektive und Verben werden ja dekliniert bzw. konjugiert. Für einen Dichter, der auf Silbenzahl und/oder Reim abzielt, engt demgegenüber die Festlegung einer Reihenfolge die Möglichkeiten seiner Wortwahl in einem solchen Maße ein, daß eigentlich gar keine vernünftige Dichtung mehr möglich ist. Gewiß, die Kehrseite der Medaille ist, daß das Erlernen jener "hochstehenden" Sprachen, wie Dikigoros sie politisch-unkorrekter Weise zu nennen beliebt, sehr viel schwieriger ist als das "moderner" Pidjin-Sprachen, wie jeder weiß, der mal Lateinisch, Griechisch, Russisch oder Deutsch gelernt hat - oder Altenglisch. Die modernen englischen Wörter haben keine Endungen mehr, sie klingen in allen Fällen gleich (die reinste "Demokratisierung", liebe Leser!), ja man kann sie sogar wahlweise als Substantive, Adjektive oder Verben verwenden, wie im Chinesischen! Aber was ist damit gewonnen? Bequemlichkeit? Vielleicht. Einfachheit? Bestimmt nicht. Nein, der Preis dieser Faulheit, pardon Bequemlichkeit ist verdammt hoch. Er läßt nämlich nur zwei Alternativen zu: Entweder das starre Korsett des Satzbaus mit unveränderlichen Wortstellungen je nach Funktion (wie im Englischen), oder aber völlig Freigabe des Sinngehalts. Man braucht nicht selber Chinesisch zu können, um zu begreifen, wohin das führt: Besorgt Euch mal ein paar Übersetzungen ein- und desselben chinesischen Romans ins Deutsche, liebe Leser, und Ihr werdet nicht glauben, daß es sich um Übersetzungen desselben Originals handeln soll! Jeder chinesische Satz kann mindestens drei verschiedene Bedeutungen haben - je nachdem welchem Wort man welche Funktion zuschreibt. Das mag reizvoll sein für Literaturwissenschaftler - aber schwerlich für "Normalverbraucher", und schon gar nicht für Juristen, die etwa einen unzweideutigen Handelsvertrag abschließen wollen. Jeder im internationalen Recht tätige Anwalt weiß das (nur die Politiker wollen es nicht hören, und die Kaufleute nicht wahr haben!), und deshalb kann man China in alle Handelsorganisationen der Welt aufnehmen, ihm Scheunentore und goldene Brücken bauen - es wird nie ein verläßlicher Handelspartner werden, und wer mit Chinesen Geschäfte machen will, der muß es entweder tun, wie die Briten im 19. Jahrhundert - also mit Kanonenbooten - oder er kann sein Geld gleich auf einem der vielen Altäre für die Verstorbenen verbrennen, wie das in China üblich ist.

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Doch uns soll es im folgenden weniger um Shakespeares Sprache gehen als um die Geschichte und die Geschichten, die er in seinen Theaterstücken verhackstückt, pardon verarbeitet hat, denn da besteht sowohl bei Deutschen als auch bei Briten ein noch größeres Verständnis-Defizit: Wer sich mit englischer Sprache und/oder Literatur beschäftigt, hat keine Zeit mehr, sich um englische Geschichte zu kümmern; und wer heute in Deutschland Geschichte studiert, erwirbt nicht mal mehr ein fundiertes Wissen über die Geschichte Deutschlands, geschweige denn über die seiner Nachbarländer oder gar die der Antike - eines von Shakespeares Steckenpferden. In die Unterschiede in Shakespeares Behandlung antiker Stoffe einerseits und englischer Stoffe andererseits ist viel hinein geheimnist worden, vor allem von so genannten "Wissenschaftlern" (deren Kennzeichen es meist ist, kein neues Wissen zu schaffen, sondern vermeintliches altes Wissen wieder zu käuen). Da soll es "Perioden" des Ausprobierens, des Reifens, der Vollendung usw. gegeben haben (man fühlt sich fast an die Namensgebung einer bekannten Parfum-Reihe erinnert!), in denen die Stoffe gut, besser oder weniger gut behandelt worden seien. Das ist mit Verlaub reine Kaffeesatz-Leserei, denn wir haben keine zwingenden Anhaltspunkte für die Reihenfolge der Entstehung von Shakespeares Werken. [Deshalb erlaubt sich Dikigoros, sie - mit einer Ausnahme - in der Reihenfolge zu besprechen, in der sie ihm selber an Schule und Universität vorgesetzt wurden.] Wahrscheinlich hat er sie bis an sein Lebensende laufend überarbeitet und verbessert, so daß schließlich alle in etwa auf dem gleichen Bearbeitungs-Niveau standen. (Schließlich waren es Theaterstücke, die immer wieder neu aufgeführt, keine Filme, die, einmal gedreht, immer in der selben Fassung abgenudelt wurden.) Daran kann es also nicht gelegen haben. Nein, liebe Leser, die Sache ist doch ganz einfach: Die antiken Stoffe konnte Shakespeare ohne große Rücksicht auf die Tagespolitik behandeln - und dabei gewährt er uns tiefe, zeitlose Einsichten in die menschliche Natur, vor allem in die der Politiker und in die der Massen: Da werden hehre politische Ideale ("Tugend", "Ehre", "Vaterlandsliebe" usw.) zum Fenster hinaus verkündet, und die Masse der Narren fällt darauf herein und glaubt an sie; aber tatsächlich stecken dahinter bloß Eigennutz und Machtgier. (Aber die Massen sind ja nicht besser, liebe Leser; schaut Euch nicht immer nur den "Julius Caesar" an - da zeigt sich ihre Wankelmütigkeit ja bloß bei Marc Antons Trauerrede auf Caesar -, sondern auch mal den "Coriolanus"!)

Bei den Stoffen der englischen Geschichte galt es dagegen, den herrschenden politischen Verhältnissen Rechnung zu tragen. (Das ist bis heute so, und nicht nur in England. Oder hat der geneigte Leser etwa schon mal ein wahrheitsgetreues Theaterstück - sei es Komödie, Tragödie oder Satire - über den Versager Udet, über den Reichstagsbrand oder über die Feiglinge vom 20. Juli 1944 gesehen? Dikigoros auch nicht - und er glaubt auch nicht, daß er das noch erleben wird.) Zur Zeit Shakespeares herrschte in England die Dynastie der Tudors. Sie herrschte dort noch nicht einmal so lange wie heute in Deutschland die Dynastie der Partei-"Demokraten", und wie diese war sie als Nutznießerin eines furchtbaren dreißigjährigen Krieges an die Macht gelangt. (Nein, liebe jüngere Leser, Dikigoros meint nicht den von 1914-1945 gegen Deutschland, sondern den von 1555-1585 in England - beide werden heute von Leuten, welche die Zusammenhänge nicht sehen können oder wollen, im Plural bezeichnet, als "Welt"- bzw. "Rosen"-Kriege.) Die einen wie die anderen bedurften der "Legitimierung" durch die Massenmedien - und das Massenmedium der Shakespeare-Zeit war nun mal das Theater. Wenn Parteien-"Demokratie" gut war, dann mußte alles, was vorher gewesen war - konstitutionelle Monarchie wie im Kaiserreich, Basis-Demokratie wie in der kurzlebigen Räterepublik und Präsidial-Demokratie, wie sie de facto 1919-45 in Deutschland herrschte - gleichermaßen falsch und schlecht gewesen sein. Wenn in England die Tudors herrschten, dann mußte alles, was vorher gewesen war gleichermaßen falsch und schlecht gewesen sein: der Ginster (für Plantagenet), die weiße Rose (für York - nicht für München, liebe deutsche Leser :-) und die rote Rose (für Lancaster). [Die englischen Herrscher-Häuser hatten es schon immer mit den Wappen-Blumen; heute haben sie sich ausweislich ihrer Münzen auf einen vierfachen Kompromiß geeinigt: die Essig-Rose (für England), die Kratz-Distel (für Schottland), den Weiß-Klee (für Nordirland) und den Winter-Lauch (für Wales). Nein, Dikigoros will damit nicht sagen, daß sie jetzt den Salat haben - er hat diese Auswahl doch nicht getroffen!]

Das letzte legitime Staatsoberhaupt der alten Ordnung war der Großadmiral... pardon, wir sprechen ja von England, war der Großherzog von York (die "Herzogtümer", die von den Söhnen des britischen Königshauses gehalten werden, entsprechen deutschen Großherzogtümern; ebenso wie der englische "Earl" mehr ist als ein kontinentaler "Graf") und Herzog von Gloucester ["Gloster"], Richard Plantagenet, an dessen Rechtmäßigkeit es nichts, aber auch gar nichts zu rütteln gab: Er war sowohl seitens der Großmutter als auch des Großvaters ein direkter Nachkomme von Edward III., unter dessen fünfzigjähriger (!) Herrschaft im 14. Jahrhundert aus den Angeln, Sachsen und Normannen (nein, nicht auch aus den keltischen Briten - die Schotten und Iren hätten sich schön bedankt!) das Volk der Engländer geworden war. Er war nach dem Tode seines Bruders ganz legal und friedlich Reichskanzler, pardon Reichsprotektor geworden, und als dessen Söhne - seine Neffen - unter ungeklärten Umständen starben, wurde er ebenso legal und friedlich König von England. Dagegen waren die Ansprüche von Heini Tudor, dem Gräflein von Richmond, auf den englischen Thron etwa so rechtmäßig wie es die von Konrad Adenauer, dem Gräflein von Rhöndorf, auf den Thron der Hohenzollern gewesen wären. [Dikigoros will die geneigten Leser nicht mit verzwickten genealogischen Fragen langweilen, daher nur ein ganz kurzer Exkurs für diejenigen, die ihm den vorigen Satz nicht so ohne weiteres glauben wollen: Heini Tudors Vater hatte eine Lady Schönfurt (Beaufort) geheiratet, die Tochter des Herzogs von Somerset, dessen Vater wiederum der uneheliche Sohn einer gewissen Katharina Schweinfurt (Swyneford) von Johnny Handschuh (Gaunt) war, dem dritten Sohn Eduards III., und als solcher nicht erbberechtigt. Fürwahr ein dünnes Süppchen, das auch dadurch nicht viel schmackhafter wurde, daß Heini Tudor nach seinem Sieg über Richard III. dessen Nichte Elizabeth ehelichte. Aber deren beider Enkelin war nun mal Shakespeares Königin, Elizabeth I., und das wog in seinen Augen - oder jedenfalls in seinen Stücken - alle Nachteile auf. Wahrscheinlich waren die vier Dramen über die "Rosenkriege" Shakespeares früheste Bühnenwerke, mit denen er seine Karriere startete und die wohlwollende Aufmerksamkeit des Hofes errang, getreu seinem Motto, sich mit falschem Lob einzuschmeicheln. Exkurs Ende]

Und weil es diese Parallele gibt, ist Shakespeares größte Geschichtsfälschung, "Richard III.", seit 1949 Pflichtlektüre an allen höheren Schulen der Bundesrepublik Deutschland. (Ja, liebe Leser, auch an denen, die keinen oder nicht genügend Englisch-Unterricht haben - wofür gibt es Übersetzungen? Dikigoros glaubt sich zu erinnern, ihn zuerst im Deutsch-Unterricht gelesen zu haben.) Nicht etwa, um diese Parallele aufzuzeigen - jedenfalls nicht diese böse Pointe -, sondern um den deutschen Kindern beizubringen, daß Richard ebenso böse, mörderisch und schurkenhaft war wie Adolf und deshalb den Krieg verlieren mußte, den ihm andere, edlere, bessere, notgedrungen erklärt hatten! Aber war es nicht wirklich so? Nun, liebe Leser, über den Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit hat Dikigoros an anderer Stelle ausführlicher geschrieben und will sich hier nicht wiederholen. Und auf die Frage, wie es tatsächlich war, kann er nur wahrheitsgemäß antworten: er weiß es nicht. Aber er weiß immerhin, warum er es nicht weiß: weil in beiden Fällen die Geschichtsquellen von den Siegern getrübt wurden, ihre Freilegung verboten und unter Strafe gestellt, die echten Dokumente unterdrückt und vernichtet und durch Fälschungen ersetzt, eben weil die Nachwelt es nicht mehr wissen soll(te). Einer der Haupttäter dieser großen Fälschungsaktion war der Mann aus Stratford am Avon. Noch eine Kleinigkeit möchte Dikigoros dem geneigten Leser an dieser Stelle näher bringen, weil sie die Sache mit der Parallele wieder etwas relativiert: Habt Ihr auch in irgendwelchen klugen Büchern - besonders englischen - gelesen, daß die "Rosenkriege" die blutigsten der englischen Geschichte gewesen seien? Das ist ganz großer Humbug; richtig ist vielmehr das Gegenteil: Die "Rosenkriege" waren die letzten in Europa, in denen sich bloß die Ritter gegenseitig die Köpfe einschlugen und das einfache Volk weitgehend unbehelligt ließen: Für den englischen Adel mag es ein ungeheurer Aderlaß gewesen sein; seinen Untertanen dürfte es mehr oder weniger egal gewesen sein, wer am Ende Sieger blieb - sie konnten von der güldenen Krone nicht abbeißen!

Zurück zu Shakespeares Theaterstück. Es beginnt mit einem im wahrsten Sinne des Wortes unerhörten Monolog Richards, wie man ihn noch nicht auf der Bühne erlebt hat: "[...] Ich, der ich roh geprägt bin, ohne der Liebe Majestät [...] Ich, der ich um schöne Proportionen zu kurz gekommen bin, den die hinterhältige Natur um jegliches Feature beschissen hat [jawohl, liebe Leser, Shakespeare schreibt nicht "betrogen", wie die meisten deutschen Übersetzer, sondern wörtlich "cheated"! Und das neu-deutsche Wort "Feature" darf Dikigoros doch stehen lassen, Ihr wißt ja alle, was das bedeutet, oder?], unförmig, unfertig, vor der Zeit gesandt, in diese Welt der Atmenden, kaum halb fertig gemacht, und zwar so lahm und unmodisch ["unfashionable" - schon damals offenbar ein schweres Manko!], daß Hunde mich anbellen, wenn ich vor ihnen stehen bleibe..." Das findet nun in den historischen Quellen überhaupt keine Stütze - im Gegenteil: Danach waren alle Angehörigen des Hauses York groß, blond und blauäugig, die Männer wahre Kleiderschränke, und wenn nicht gebildet, dann doch zumindest ausgebildet zur Jagd, zum Turnier und zum Krieg. Und da die weiblichen Angehörigen englischer Herrscherhäuser es mit der ehelichen Treue damals noch genauer nahmen als heute, gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß ausgerechnet Richard aus dem Rahmen gefallen sein sollte; ein deutscher Reisender des 15. Jahrhunderts beschrieb ihn vielmehr als groß und schlank; er galt auch als tüchtiger Feldherr, der überdies das Schwert eigenhändig und virtuos zu führen verstand. Warum verzeichnet Shakespeare ihn dann dermaßen? Dikigoros hat das früher nicht verstanden. Er selber hat Menschen nie nach ihrem Äußeren beurteilt, vielleicht weil es ihm immer selbstverständlich war, groß, blond und blauäugig zu sein, zwar kein Kleiderschrank und kein Schönling - und auch von Hundegebell nicht immer ganz verschont -, aber doch nie in die Verlegenheit geratend, an solche Monologe auch nur zu denken. Gewiß, er achtete schon darauf, ob jemand fettbäuchig, ungewaschen, ungekämmt oder in verdreckten Klamotten, mit Nikotinfingern, Nadelstichen im Unterarm oder Alkoholfahne daher kam - aber das waren für ihn nie Äußerlichkeiten, sondern Zeichen von innerer Charakterschwäche. Für einen kurzen Hals, eine schiefe Nase, O-Beine oder Plattfüße dagegen, mit denen jemand geboren wird, kann er doch nichts, oder?

Man kann das jedoch auch anders herum sehen: Einen verblödeten, freß-, sauf- und drogensüchtigen Dreckspatz kann man in die Badewanne stecken, ihn ordentlich abschrubben, die Haare waschen, ihn auf Diät setzen, auf Entziehungskur schicken und ihm das Rauchen abgewöhnen, sogar etwas Lesen, Schreiben und Reden beibringen, dann taucht vielleicht unter der rauhen Muschel-Schale eine strahlende Perle zutage - wie die schon sprichwörtliche Eliza Dolittle in Shaws "Pygmalion"; und seine/ihre genetischen Vorzüge lassen sich ja immerhin an die Kinder weiter geben, während sich gewaschene Haare und Bildung nicht vererben. Dagegen hilft es nichts, einen buckeligen Zwerg in die schönsten Klamotten zu stecken, ihn sauber, gepflegt und von Professor Higgins gebildet auftreten zu lassen - er bleibt doch immer ein buckeliger Zwerg (und seine Kinder werden aller Voraussicht nach wieder buckelige Zwerge sein), egal ob er etwas dafür kann oder nicht - spätestens im Bett muß frau den teuren Pelzmantel ausziehen und das perfekte Make-up abschminken. Und je älter Dikigoros wird, desto mehr gelangt er zu der Überzeugung, daß es im Leben mitunter doch auf Äußerlichkeiten ankommen kann: Möglicherweise öffnen sich denen, die gut aussehen, Türen und Tore, die anderen verschlossen bleiben. (Das gilt nicht nur, aber besonders für Frauen. Es kann zwar keine etwas dafür, wenn sie dünnes Haar, schiefe Zähne oder eine flache Brust hat - aber Hand auf die Brust, pardon aufs Herz, liebe männliche Leser, könnt Ihr Euch tatsächlich ganz frei machen von solchen "Äußerlichkeiten"? Wenn dem so wäre, hätten die Hersteller von Perücken, künstlichen Gebissen und Busenfüllungen aus Silikon längst alle Pleite gemacht!) Manche, denen sie verschlossen bleiben, versuchen, sie mit Gewalt aufzubrechen; sie entwickeln, um ihre Minderwertigkeits-Komplexe zu kompensieren, den Ehrgeiz, es allen anderen nun erst recht zu zeigen. (Friedrich II. von Preußen und Napoleon I. von Frankreich waren solche im wahrsten Sinne des Wortes zu kurz [auf die Welt] gekommene, "von der Natur beschissene" Menschen, auf die Richards Eingangs-Monolog gepaßt hätte.) Und wenn das nicht klappt, versuchen sie wenigstens, sich an ihren von der Natur weniger benachteiligten Zeitgenossen zu rächen, ihnen Böses anzutun. Vielleicht liegt doch eine tiefere Weisheit in der Verwandtschaft von "häßlich" und "hassenswert", den die deutsche Sprache noch kennt. Und vielleicht ist sogar etwas dran an Lavaters Lehre von der Fysiognomie?

Da Richard indes, wie wir gesehen haben, keinerlei objektiven Grund hatte, anderen Böses zu wollen, mußte Shakespeare sich dieses Kunstgriffs bedienen, ihn häßlich zu machen, darob seine Mitmenschen hassen zu lassen und selber hassenswert zu werden: "Und darum, weil ich nicht zum liebenswerten Menschen tauge [...] bin ich entschlossen, ein Bösewicht zu werden." So läßt er denn einen Verwandten nach dem anderen durch Mord aus dem Wege räumen; und er treibt es so wüst, daß selbst seine Frau und seine Mutter sich entsetzt von ihm abwenden. Vor der entscheidenden Schlacht erscheint ihm noch der Geist des ermordeten Prinzen Edward, bis er schier an sich selber [ver]zweifelt und schließlich fällt. "Und Gott spricht Amen." Wirklich? Das spräche nicht gerade für ihn, denn anders als die Deutschen des 20. Jahrhunderts war es ihm doch nicht als "Relativierung" verboten, die Geschichte des großen Bösewichts in ihren historischen Kontext zu stellen. Er mußte also wissen, welche wenig rühmliche Rolle die Ehefrauen und Mütter in den Rosenkriegen gespielt hatten. (Auf die in besonderem Maße Dikigoros' Wort zutrifft, daß die Frauen im Krieg zwar nicht selber mitkämpfen, aber daß es letztlich immer sie sind, die ihre Väter, Männer, Brüder und Söhne in den "Heldentod" schicken.) Richards Mutter hatte weiß Gott keinen Grund, über diesen entsetzter zu sein als über ihre anderen Söhne (und Neffen), die einander zuvor am laufenden Band bekämpft, verraten, gefangen genommen und schließlich getötet hatten. Und was Richards Frau anbelangt, so ist Shakespeares Verzerrung der Tatsachen schlicht eine Frechheit: Anne sei also die "Witwe" von Prinz Edward gewesen, von Richard mehr oder weniger zur Ehe gezwungen und schließlich von ihm in den Tod getrieben worden? Umgekehrt wird ein Schuh draus, liebe Leser, genau umgekehrt: Anne Neville - die Tochter des Verräters Warwick - war Richards große Jugendliebe, und diese Liebe beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Was ihren Vater nicht hinderte, als für seinen Verrat an seinem Vetter, König Edward IV (York) auszuhandeln, daß sie mit Edward Lancaster, dem Sohn des früheren Königs Henry VI verkuppelt wurde - also in dem Fall, daß er Erfolg gehabt hätte, Königin geworden wäre. (Vorerst dachte freilich die saubere Margareth, Edwards Mutter, gar nicht daran, die Ehe vollziehen zu lassen, bevor ihr Sohn nicht König war.) Nun begab es sich aber, daß Edward 1471 fiel, in der Schlacht von Tewkesbury, gegen Richard, der seinem Bruder, König Edward IV, treu geblieben war. Und Richards Verhalten gegenüber Anne war nun derart, daß es jegliche Vorwürfe, er sei ein skrupelloser Schuft gewesen, ad absurdum führt. Vielmehr war er mehr als anständig - bis zur Dummheit, denn es war ein schwerer Fehler, jene Anne zu heiraten. Was mag nur dran gewesen sein an jener Frau? Auch Edwards und Richards Bruder George (der Herzog von Clarence) wollte sie nämlich heiraten. George entführte sie, Richard befreite sie, ließ sie in einem Kloster Zuflucht nehmen und - selber entscheiden. Sie wählte aus freien Stücken Richard (der damals noch nichts war als der Bruder des Königs und kaum Aussicht auf eine Thronfolge zu haben schien); und die beiden verzichteten sogar auf ihr (Annes) nicht unbeträchtliches Erbe - das stopften sie George in den A..., damit der Ruhe gab, und das tat er vorerst auch - offenbar war es ihm bei seinen Heiratsplänen nur um die Mitgift gegangen. Wenn es nach Richard gegangen wäre, wär's das wohl gewesen, denn sein Bruder Edward hatte ja zwei Söhne als Erben.

Aber Edward IV bekam den Hals nicht voll: Nachdem er England nun sicher hatte, wollte er auch noch Frankreich zurück erobern - der "100-jährige Krieg" lag ja gerade erst ein Vierteljahrhundert zurück. Aber die Sache ging schief; Edwards Generäle wurden vom französischen König bestochen und zwangen Edward, sein Heer nach England zurück zu führen - gegen Zusagen beträchtlicher Tributzahlungen (die Frankreich allerdings bald einstellte :-). Seine Autorität war angeschlagen, und nun versuchte gar sein Bruder Clarence, ihn zu stürzen - nicht zum ersten Mal, und Shakespeares Andeutung, Clarence sei von Richard verleumdet worden, entbehrt jeglicher Grundlage, er hatte im Gegenteil noch ein - erfolgloses - Gnadengesuch für seinen mißratenen Bruder eingereicht. (Nach - nicht ganz hieb- und stichfesten - Quellen ließ Edward George übrigens auf sehr originelle Art und Weise hinrichten: Der alte Säufer wurde in einem Faß mit seinem Lieblingswein ertränkt.) Als Edward IV 1483 starb - zweifellos ohne Richard Zutun, vielmehr wurde er wohl ein Opfer seines ausschweifenden Lebensstils -, sollte sein ältester Sohn als Edward V König werden; auch Richard erkannte das ohne weiteres an. Doch nun begannen die Intrigen der Lancaster-Sippe - die Richard in leichtsinniger Weise verschonte, seiner Frau zu Liebe - gegen die beiden kleinen Prinzen. Sie wurden von der Kirche wegen eines undurchsichtigen früheren Heiratsversprechens ihres Vaters (der damit nach kanonischem Recht quasi einem Bigamisten gleichgestellt wurde) für illegitim und damit nicht erbberechtigt erklärt. So blieb nur noch Richard selber als legitimer Nachfolger seines Bruders Edward übrig, und er bestieg denn auch den Thron. (Als letzter seines Namens; denn nach Shakespeare war es ein Ding der Unmöglichkeit für englische Monarchen, ihre Söhne Richard zu nennen, so unmöglich wie es für einen Deutschen nach 1945 wurde, seinen Sohn etwa Adolf zu nennen :-) Hatte Richard danach noch einen Grund, seine Neffen zu ermorden? Wohl kaum. So gibt es denn auch Quellen, nach denen die beiden - die Richard angeblich im Sommer 1483 ermorden ließ, noch im Herbst oder Winter 1484 putzmunter waren. (Sie lebten auch nicht als Gefangene im Tower von London, sondern das war damals eine durchaus standesgemäße Wohnburg.) Und woran starb Richards Frau Anne? Dikigoros weiß es nicht; einige meinen, an Schwindsucht - sie war schon immer kränklich gewesen, ebenso wie ihr einziger Sohn, der ein knappes Jahr vor ihr gestorben war. Diese Ehe hatte Richard bei aller Liebe nichts als Unglück gebracht - was hätte also näher gelegen für den frisch Verwitweten, als um Elizabeth, die Tochter seines Bruders Edward IV, zu freien? So dachte auch Shakespeare, der sie den bösen Tyrannen und vermeintlichen Mörder ihrer Brüder zurück weisen läßt, tatkräftig unterstützt von ihrer Mutter (ebenfalls Elizabeth - ja, liebe Leser, diese ständigen Namensgleichheiten sind lästig; aber Dikigoros hat sie nicht gemacht :-). Aber auch das ist nicht wahr. Vielmehr war es so, daß Mutter Elizabeth König Richard ihre Töchter geradezu aufdrängte - niemand zwang sie doch, mit ihnen an den Hof zu kommen, da sie sicher im französischen Exil hätte leben können -, und von ihrer Tochter Elizabeth soll es sogar einen - leider verschollenen - Brief gegeben haben, daß sie gerne Richards Frau geworden wäre (übrigens schon, als die kränkliche Anne noch lebte, deren Ableben ihre ganze Familie sehnlichst herbei wünschte). [Nebenbei bemerkt: Spricht ein solches Verhalten dafür, daß sie Richard für den Mörder ihrer Söhne bzw. Brüder hielten, wie Shakespeare es darstellt?] Richard selber hat entsprechende Gerüchte stets dementiert (aber Ihr wißt ja, was solche offiziellen Dementi meist bewirken :-).

Was tut Tochter Elizabeth am Ende - von Shakespeare kräftig bejubelt? Nun, sie heiratet Heini Tudor - was blieb ihnen anderes übrig? Sie, die letzte legitime Erbin des Hauses York, war ohne jede militärische Macht; und er, der Sieger der französischen Invasion, war streng genommen ohne jeden legitimen Anspruch auf den englischen Thron. Sie legten zusammen und wurden wie gesagt die Großeltern von Elizabeth I, Shakespeares Königin. (Aber Dikigoros nimmt jede Wette an: Hätte Richard die Schlacht von Bosworth gewonnen, dann hätte seine Nichte Elizabeth ihn geheiratet und ihren Brüdern keine Träne nachgeweint, selbst wenn sie ihn wirklich für deren Mörder gehalten hätte - die Engländer[innen] waren schon damals skrupellos genug. Und Shakespeare hätte bestimmt ein wunderschönes Heldenstück auf den großen Richard geschrieben :-) Aber wir sind - im Gegensatz zu Shakespeare - noch nicht am Ende, denn wir wissen, wie es weiter ging (von wegen historischer Kontext und so :-) - Shakespeare wußte es auch, aber er hütete sich, sein Drama nicht an dieser Stelle enden zu lassen. Der Tudor machte kurzen (oder gar keinen) Prozeß mit den übrigen Überlebenden des Hauses York: Er ließ sie allesamt umbringen (wahrscheinlich auch die beiden Neffen Richards, die von nun an nicht mehr in den Quellen auftauchen - ihm, dem Usurpator, waren sie nämlich wirklich im Wege) und errichtete ein Terror-Regime, wie es die Engländer bis dahin noch nicht gekannt hatten und über anderthalb Jahrhunderte lang nicht wieder kennen lernen sollten. (Vergeßt die "Bloody Mary", liebe Leser, die war wie Richard III ein Opfer der verlogener Historiker und anderer Propagandisten; denkt lieber mal an Oliver Cromwell, den Liebling aller geschichtsbewußten Engländer :-) Wenn man boshaft sein wollte, dann gäbe es hier eine weitere Parallele zur deutschen Geschichte - an welche die Kultusminister der Bundesländer beim Aufstellen ihrer Lehrpläne freilich nicht gedacht haben dürften: Die Herrschaft Richards verhielt sich zu jener Heinrich Tudors in etwa so wie die Herrschaft Hitlers zu jener der alliierten Besatzer nach 1945 - einschließlich der Umschreibung der Geschichte.

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Aber schauen wir nicht zu weit in die Zukunft, sondern erst noch etwas weiter zurück in die Vergangenheit. Zur Zeit Shakespeares wurde gerade die "Wieder"-Vereinigung zwischen... nein, liebe jüngere Leser, nicht so voreilig, BRD und DDR gab es damals noch nicht! - zwischen England und Schottland vollzogen, indem die englische Elizabeth I. die schottische Königin Mary Stuart einen Kopf kürzer machen ließ. Ihr seht, da gibt es keine, aber auch gar keine Parallele zur deutsch-deutschen "Wieder"-Vereinigung - sonst hätte Elizabeth die gute Mary ja nach Chile ausreisen lassen und ihr obendrein noch eine fette Pension zahlen müssen! [Der Pirat Walter Raleigh hatte den Seeweg nach Chile gerade erkundet und war dafür von Elizabeth erst geadelt, dann flach gelegt und am Ende von ihrem Nachfolger - dem Sohn Mary Stuarts - einen Kopf kürzer gemacht worden. Und wenn etwa einer der geneigten Leser darin eine Parallele zur jüngsten deutschen Geschichte sehen will, kann Dikigoros darauf nur antworten: Gregor der Erste mag zwar ein Sohn des DDR-Regimes und der SED sein, aber nicht von Erich dem Letzten; und noch hat er es nicht bis zum Bundeskanzler gebracht, geschweige denn zum König, sondern bloß bis zum stellvertretender Bürgermeister von Berlin!] Natürlich konnte Shakespeare das so nicht auf die Bühne bringen (das überließ er einem deutschen Geschichts-Fälscher, über den Dikigoros an anderer Stelle schreibt); also mußte er etwas weiter ausholen: Waren nicht diejenigen, die sich da anmaßten, Herrscher über ein selbständiges (pfui!) Schottland zu sein, schon von Alters her Bösewichter, Mörder, mit einem Wort todes-(oder zumindest absetzungs-)würdige Verbrecher? Da war doch mal in grauer Vorzeit (genauer gesagt - allerdings nicht von Shakespeare - im 11. Jahrhundert) drei alte Hexen, die weissagten einem gewissen General Macbeth, er würde einst König von Schottland werden. Der läßt sich von seiner bösen Frau darin bestärken, dem Schicksal ein wenig auf die Sprünge zu helfen, indem er Duncan, den derzeit noch amtierenden König von Schottland, eines Nachts ermordet und sich an seine Stelle setzt. Das ist nicht nett. Aber zum Glück gibt es ja noch den edlen König von England, und der nimmt Duncans Sohn Malcolm bei sich auf. Der erzählt ihm, wie schlecht es Schottland unter Macbeth geht, und der Engländer erbarmt sich, ihm ein Heer mit zu geben, das Schottland glücklich erobert. Ende gut, alles gut. Wirklich?

[Macbeth]

Natürlich nicht, liebe Leser, sonst würde Dikigoros ja nicht fragen. Beginnen wir mit der historischen Wahrheit - so weit sie uns bekannt ist, denn gar so reichlich fließen die Quellen der Überlieferung nicht. Immerhin wissen wir, daß Duncans Großvater, der ebenfalls Malcolm [II.] hieß, den schottischen Thron - der damals noch nicht erblich war - dadurch erlangte, daß er seinen Vorgänger, den gewählten König Kenneth, ermorden ließ. Der hatte aber eine Tochter, deren Namen wir nicht kennen. [Einige Schreiberlinge nennen sie "Gruoch", aber die können kein Gälisch, sonst wüßten sie, daß das bloß ein Titel ist, etwa wie "Lady" oder "Prinzessin".] Deren ersten Mann hatte Malcolm auch gleich ermorden lassen; sie hatte also jeden Grund (ja, nach altem schottischen Verständnis sogar die Pflicht) zur Blutrache an Malcolm und seiner Familie, auch an seinem Enkel Duncan. Diese Frau wurde in zweiter Ehe Lady Macbeth, und ihr Mann war nicht etwa irgendein General Duncans, sondern stammte selber aus einer Familie, die schon den König von Schottland gestellt hatte. Na schön, diese Geschichte erzählt Shakespeare seinen Zuschauern nicht, aber er konnte wohl getrost davon ausgehen, daß sie den gebildeteren unter ihnen bekannt war. Der Mord an Duncan reichte also nicht aus, um Macbeth und seine Frau als abgrundtief böse hinzustellen. Da nahm Shakespeare einen Kunstgriff zu Hilfe wie einige Jahrhunderte später Raoul Walsh in "They Died With Their Boots On": So wie der die Figur des Ned Sharp erfand, so erfand Shakespeare die des Generals Banquo. Dem hatten dieselben Hexen, die Macbeth den Thron profezeiten, geweissagt, daß seine Nachkommen einst Könige von Schottland würden. Das veranlaßt Macbeth, darüber nachzudenken, wofür er sich eigentlich die Hände schmutzig gemacht hat mit dem Mord an Duncan, wenn nicht für seine eigenen Nachkommen, sondern für die seines Kollegen. Der hat ihm zwar nichts getan - es gibt also kein Recht, geschweige denn eine Pflicht zur Blutrache -, aber er läßt vorsorglich auch ihn noch umbringen. [Was ja gar nicht notwendig gewesen wäre, denn von ihm spricht die Weissagung ja nicht, sondern von seinen Nachfahren, und ausgerechnet sein Sohn Fleance entgeht dem Mordanschlag.] Pfui! Kein Wunder, daß Banquos Geist ihn beim Banquett (hat er daher seinen Namen?) ordentlich piesackt.

Macbeth sucht noch einmal die drei Hexen aus der Anfangsszene auf, und die lassen allerlei wandelnde Schatten auftreten, die ihm zunächst dreierlei mit auf den Weg geben: 1. Er soll sich vor einem gewissen Macduff hüten (den Shakespeare zu diesem Zweck ebenfalls erfunden hat). 2. Kein Mensch, der von einer Frau ausgetragen wurde ("born [geboren]" im ursprünglichen Sinne des Wortes - was Macbeth freilich [noch] nicht versteht), kann ihn verwunden. 3. Er wird nicht untergehen, bevor nicht der Wald von Birnam zu ihm auf den Hügel von Dunsinane (dort steht sein Schloß) kommt. Dann treten acht Könige auf. Als Macbeth wissen will, wer sie sind, wird ihm die Antwort verweigert. Dem Zuschauer auch, und seitdem rätseln die Gelehrten, wen Shakespeare meinte. Nun, die ersten werden wohl Duncan, Macbeth und Malcolm gewesen sein; der achte soll Jacob VI. von Schottland [I. von England, der Nachfolger Elizabeths I.] sein. (Die Briten nennen ihn heute "James", aber er selber firmierte als "Jacobus", ebenso wie seine Mutter sich "Maria" oder "Marie" nannte, aber nicht "Mary".) Mag ja sein, aber hat Shakespeare den ohnehin schon etwas plumpen Plot damit nicht völlig platt gemacht? Wo bleibt denn da die richtige Verteilung von Gut und Böse? Schließlich ist Jacob VI. der Sohn von Maria Stuart, der Todfeindin von Königin Elizabeth I., und die bloße Vorstellung, daß der Sohn der ersteren die letztere einmal beerben sollte, kam schon einem Gedanken-Verbrechen gleich! Stellen wir diese Frage noch etwas zurück und vergleichen erstmal das Ende vom Lied mit der historischen Realität: Im Theaterstück sammelt Macduff ein Heer, läßt es zur Tarnung Zweige aus dem Wald von Birnam schneiden und stürmt den Hügel von Dunsinane, wo es zur Schlacht kommt. Teile von Macbeths Heer laufen zu ihm über; aber der räumt mächtig unter seinen Feinden auf, in dem sichereren Bewußtsein, unverwundbar zu sein - bis er auf Macduff trifft. "Hau ab, ich habe schon zu viel vom Blut deiner Sippe vergossen," sagt er, "du solltest besser gegen Sterbliche kämpfen, denn mein Leben ist von einem Zauberbanne geschützt; niemand kann mich töten, der von einer Frau geboren ist." [Das ist doch eigentlich ein anständiger Zug, nicht wahr, liebe Leser? Aus diesen Worten spricht keine Arroganz, sondern Ritterlichkeit!] "Vergiß deinen Zauberbann," sagt Macduff, "ich kam vor der Zeit durch Kaiserschnitt zur Welt." Nun rutscht Macbeth das Herz in die Hose - von Shakespeare psychologisch fein konstruiert, denn nun tut die selbst-erfüllende Profezeiung ihre Wirkung: Macduff erschlägt den verunsicherten Macbeth, und Malcolm [III.] wird König von Schottland von Englands Gnaden.

Nein, liebe Leser, ganz so simpel war die "echte" Geschichte denn doch nicht. Vielmehr regierte Macbeth erst mal 17 Jahre lang. (Duncan war nur sechs Jahre König gewesen, obwohl er - anders als bei Shakespeare - nicht alt und grau war, sondern ein junger Spund, eher jünger denn älter als Macbeth.) Wenn er tatsächlich ein schlechtes Gewissen gehabt haben sollte (was Dikigoros bezweifelt), dann wird er es auf einer Pilgerfahrt nach Rom - etwa zur Mitte seiner Regierungzeit - beruhigt haben. Malcolm nahm unterdessen vom englischen König die Grafschaft Cumberland zum Lehen, und der rüstete ihm schließlich auch ein Heer aus, um Schottland zu erobern. (Daß Teile von Macbeths Heer zu ihm überliefen, ist historisch nicht belegt; Dikigoros bezweifelt auch das, kann es aber nicht ausschließen.) Er - nicht die Kunstfigur Macduff - erschlug Macbeth im Zweikampf, wie sich das damals gehörte, ohne damit freilich direkt König zu werden. Das wurde vielmehr Lulach, Lady Macbeths Sohn aus erster Ehe, der Enkel des alten Kenneth. Erst als Malcolm auch den getötet hatte (bei Shakespeare tötet ihn, gewissermaßen zwischendurch und ohne jeden Anlaß, geschweige denn Grund, ein anonymer Mörder aus heiterem Himmel, als er noch ein Kind ist), war der Weg auf den schottischen Thron für Malcolm und seine Sippe frei. Moment mal - was war denn nun mit der Profezeiung, daß Banquos Nachkommen den Thron erben würden? Hier müssen wir wieder auf die Frage zurück kommen, ob Shakespeare den Plot nicht letztlich verpfuscht hat, indem er Banquo und seine Sippschaft als Gegenspieler "des Bösen" Macbeth zu "den Guten" gemacht hat. Auf den ersten Blick muß man diese Frage bejahen; aber Shakespeare wäre ja nicht Shakespeare (und Dikigoros nicht Dikigoros), wenn die Geschichte nicht noch eine Pointe hätte. Werfen wir einen zweiten Blick mitten in das Geschehen, nämlich an den Beginn des dritten Aktes: Da tritt nämlich der gute Banquo auf und hält einen Monolog, und schau mal an, auch er macht sich so seine Gedanken, ob er dem Hexen-Spruch nicht ein wenig nachhelfen könnte: Noch lebt Macbeth und ist König - wie sollen da seine, Banquos Nachkommen Thronerben werden? Der Auftritt Macbeths unterbricht ihn im schönsten Gedankengang; aber der aufmerksame Zuschauer kann sich denken, wohin der letztlich geführt hätte. Hat Macbeth folglich bloß in voraus eilender Notwehr gehandelt, als er Banquo umbringen ließ? Wer bleibt dann noch als "Guter" übrig? Nun, eigentlich bloß der hochherzige König von England, der ganz uneigennützig dem "rechtmäßigen Erben" Malcolm wieder auf den Thron von Schottland hilft und dem Land "Recht und Freiheit" zurück bringt. Na also.

[Exkurs. In jüngster Zeit hat man versucht, Das Drama "Macbeth" mit dem "Gunpowder Plot" von 1605 in Verbindung zu bringen, dessen Mitwisser Shakespeare gewesen sei. Das hält Dikigoros mit Verlaub für Humbug, zumal er jenen "Plot" für eine Erfindung der staatlichen Propagandamaschine hält, nämlich als Vorwand für den Holocaust an den englischen Katholiken, pardon, der Holocaust ist ja eine einmalige Erscheinung in der Weltgeschichte, also als Vorwand für die Ausrottung des Katholizismus in England. Aber er hatte Euch noch eine mögliche Erklärung dafür versprochen, daß Shakespeare sich nicht traute, die Pariser "Bartholomäusnacht" auf die Bühne zu bringen: 1605 lebten noch viele Engländer, die (oder deren Eltern - damals kam die "Zeitgeschichte" noch nicht aus den Archiven der Zeitungen oder Fernsehsender, sondern aus dem Gedächtnis der Menschen, die ihren Familien aus ihrem Leben erzählten) jene Ereignisse des Jahres 1572 mit erlebt hatten; und die Parallele zum Holocaust zur Ausrottung der französischen Protestanten ("Hugenotten") war nur zu offensichtlich: Auch die Regierung von Paris hatte die angeblich drohende Gefahr eines Terroranschlags (als Vergeltung für ihren eigenen Anschlag auf Coligny) zum Vorwand genommen, gegen ihre Feinde vorzugehen. Nicht anders hätte das Shakespeare jedenfalls darstellen müssen, denn die Franzosen waren ja die Feinde Englands. Aber damit hätte er beim Publikum womöglich einen unerwünschten Effekt erzielt... Will Dikigoros das moralisch verurteilen? Nein, das sieht er ganz emotionslos - beide Konfessionen gingen halt damals über Leichen. Er fragt sich nur, wie lange die heutige englische Regierung noch warten will, bis sie die - nicht erfundenen, sondern durchaus realen - Terror-Anschläge der in England lebenden Muslime zum Anlaß nimmt, die letzteren ebenso gründlich auszurotten wie sie es im 17. Jahrhundert mit den - ungleich harmloseren - Katholiken getan hat. Vielleicht muß dafür erst etwas wirklich Schlimmes geschehen, nicht so ein paar läppische Bombenanschläge auf die Londoner Metro wie im Sommer 2005 mit so ein paar blöden Normalverbrauchern als Opfer, sondern ein Anschlag auf einen bekannten Fußballer oder Popstar? Exkurs Ende.]

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Zwischenfrage, die sich vor allem an die geneigten Leserinnen richtet: Welches ist eigentlich die auffallendste Gemeinheit, pardon Gemeinsamkeit zwischen "Richard III." und "Macbeth"? Richtig, die Erkenntnis, daß hinter jeder bösen Tat eines Mannes eine Frau steckt, sei es als Anstifterin, sei es als Ziel böser Ambitionen. Leute, die sich intensiver als Dikigoros dem Studium von Shakespeares Werken - auch denen, die er Euch hier nicht vorstellt - gewidmet haben, wollen heraus gefunden haben, daß aus ihnen Homosexualität und eine Erkrankung an Sifilis spricht. Allerdings vertreten Ärzte die Auffassung, daß ein Sifiliskranker nicht bis zum Endstadium dieser Krankheit noch auf der Theaterbühne gestanden haben kann, wie es der Schauspieler Guilelmus Shakspere, den man für gewöhnlich mit William Shakespeare identifiziert, bis 1616 getan haben soll - auf die Frage, ob diese Identifizierung zutrifft, kommt Dikigoros weiter unten zurück. An dieser Stelle will er nur noch ganz kurz darauf hinweisen, daß es, ebenso wie es einen historischen Macbeth gab, auch ein historisches Vorbild für King Lear gab, der ebenfalls das Opfer von zwei bösen Frauen - seinen älteren Töchtern - wird. Und wieder sind die Kelten ("Albany" ist der alte Name für das heutige Schottland, Cornwall heißt noch heute so) die Bösewichte, und die Engländer (als solcher wird "Lear" offenbar von Shakespeare gedacht) die Guten. Davon kann in Wahrheit keine Rede sein, denn der Stoff ist viel älter und stammt wahrscheinlich aus - Irland. Auf dem alten "Königshügel" von Tara herrschte einst ein gewisser Laohgaire (das spricht sich "Līr[i]"); es soll derjenige Herrscher (Dikigoros scheut sich immer etwas, die alten keltischen Clan-Oberhäupter "Könige" zu nennen, aber er will sie auch nicht als bloße [Stammes-]Häuptlinge ["Chiefs"] bezeichnen) gewesen sein, der den Heiligen Patrick das Christentum nach Irland bringen ließ. Mag sein, daß das seinen Töchtern - und deren "heidnischen" Ehemännern, seinen Schwiegersöhnen - nicht gefiel (seine jüngste Tochter Cordelia ist ja bei Shakespeare mit dem König von Frankreich - einem braven Christen - verheiratet, nachdem der Herzog von Burgund sie mangels Mitgift verschmäht hat), aber irgendwie verkommt das ganze dann doch zu einem ziemlich banalen Drama um familiäre Undankbarkeit. Vielleicht, nein ganz bestimmt paßte es Shakespeare nicht ins politische Konzept, einen irischen König als Opfer darzustellen, denn vergessen wir nicht, daß es zwischen Heinrich VIII und Cromwell noch andere englische Täter, pardon, dieses Wort ist ja für Deutsche reserviert, Herrscher gab, die in Irland ziemlich übel wüteten; eine davon war - "seine" Königin Elizabeth. Ach, Ihr habt irgendwo gelesen, daß Shakespeare diese Geschichte doch guten Glaubens aus der Historia Regum Britanniae des Geoffrey v. Monmouth oder den Chronicles von Holinshed abgeschrieben habe? Glaubt doch bitte nicht so einen Unsinn! Von denen hat er allenfalls die Namen und Verwandtschafts-Verhältnisse übernommen, nicht aber die Geschichte - jedenfalls nicht die Teile, auf die es ankommt: Geoffrey weiß nichts von Burgund und Frankreich, er weiß auch nichts vom tragischen Ende des alten Königs und seiner jüngsten Tochter - ganz im Gegenteil: Bei ihm geht Leir - so schreibt er ihn - ins Exil nach Gallien, kehrt an der Spitze eines gallischen Invasionsheeres nach Britannien zurück - warum Shakespeare darüber nichts schreiben durfte, erklärt Dikigoros weiter unten -, erobert sein Königreich zurück und regiert noch einige Jahre bis ins hohe Alter; seine Tochter Cordelia überlebt ihn und erbt von ihm den Königsthron - keinerlei Ähnlichkeit also mit Shakespeares Drama.

Und wie steht es mit den Parallelen in der näheren Vergangenheit Shakespeares? Dikigoros hat keine gefunden; aber er will seinen Lesern nicht vorenthalten, daß andere glauben, es getan zu haben, allen voran eine gewisse Eva Turner Clark von der Universität Oxford. Sie meint, die Verbannung von Lears Ratgeber Kent sei eine Anspielung auf die Verbannung von Francis Drake 1589 durch Elizabeth I. Nun ist Dikigoros ja originellen Theorien gegenüber immer aufgeschlossen; aber diese hat nun gar keine Grundlage in den historischen Ereignissen: Welchen König soll der denn vor welcher Tochter gewarnt haben? Und überhaupt hätte Shakespeare, der große Schmeichler seiner Queen, es schwerlich gewagt, ihr einen solchen Spiegel vorzuhalten. (Clarks "Lösung"? Sie spricht Shakespeare die Urheberschaft am "King Lear" ab; aber ihre Beweisführung reicht auch da nicht weiter als bei vielen anderen Stoffen, die zwar schon vor Shakespeare von anderen bearbeitet wurden, die er aber doch inhaltlich oder zumindest sprachlich so weit "überarbeitete", daß man von einer eigenen geistigen Leistung sprechen kann und muß.) Im übrigen war die kurzzeitige Verbannung Drakes vollkommen berechtigt; und da Dikigoros auf seinen "Reisen durch die Vergangenheit" keine andere Gelegenheit sieht, etwas zum Thema "Drake" einzuflechten, will er das an dieser Stelle kurz tun: Drake war mit Recht berühmt geworden durch seinen Handstreich auf die spanische Flotte in Cádiz 1587 und zu Unrecht durch "seinen" Sieg über die spanische Armada 1588 im englischen Kanal. (Zu dem er persönlich wahrscheinlich keinen Handstreich beigetragen hatte; die spanischen Verluste waren auch viel geringer, als die englische Propaganda sie im Nachhinein gemacht hat, außerdem kamen sie fast ausschließlich durch Stürme, nicht aber durch Kampfhandlungen zustande.) Aber dann verließ ihn sein Schlachtenglück: Sein groß angelegter Versuch, 1589 Portugal - das neun Jahre zuvor an Spanien gefallen war - zu erobern, scheiterte unter ungeheuren Verlusten, an Menschen, Material (England verlor weit mehr Soldaten und Schiffe als Spanien im Vorjahr beim angeblichen "Untergang" der Armada) und vor allem Geld; kein Wunder, daß er in Ungnade fiel. Allerdings wurde er nicht "verbannt", vielmehr ließ Elizabeth ihn zunächst einkerkern und dann gewissermaßen auf (Front-)Bewährung entlassen, damit er die Azoren und einige Karibik-Inseln eroberte. Es waren Himmelfahrts-Kommandos, die allesamt scheiterten, nicht nur weil der alte Drake (er war wahrscheinlich Jahrgang 1530, auch wenn seine heutigen Biografien krampfhaft versuchen, ihn ein Jahrzehnt jünger zu machen) den körperlichen Strapazen kaum noch gewachsen war. Er fiel 1595 bei dem Versuch, Puerto Rico zu erobern. Irgendwelche Parallelen zu King Lear? Dikigoros bleibt dabei: Er sieht keine und will sich und seine Leser deshalb auch nicht länger mit diesem Drama aufhalten.

* * * * *

Von Hamlet kennt jeder Gebildete und Halbgebildete, egal ob er das Stück gelesen, gehört oder gesehen hat (oder auch nicht), zumindest ein Zitat, aus dem 1. Auftritt Hamlets im 3. Akt: "To be or not to be, that is the question (Sein oder nicht sein, das ist [Schlegel ergänzt: 'hier', um auch auf elf Silben zu kommen] die Frage)". Wenn es bildlich zitiert wird, stellt man Hamlet dazu gerne mit dem Totenschädel in der Hand dar, sinnierend - aber das zeugt von mangelhafter Shakespeare-Kenntnis. (Was nicht verwunderlich ist, denn Hamlet ist von den Lehr- und Spielplänen nicht nur deutscher Schulen und Theaterbühnen seit 1945 weitgehend verschwunden - warum werden wir gleich sehen.) Die makabre Szene auf dem Friedhof, als die Totengräber beim heimlichen Verscharren der Ophelia [Hamlet hat sie in den Selbstmord getrieben] alte Schädel frei legen, spielt nämlich in der 1. Szene des 5. Akts. Aber stellen wir dieses Zitat noch einen Augenblick zurück und nehmen uns erst ein anderes vor, das auch vielen bekannt sein dürfte: "Something is rotten in the state of Denmark." Schlegel übersetzt: "Etwas ist faul im Staate Dänemark." Das ist hübsch, und in dieser Form wird es oft und gerne zitiert, wobei man sich augenzwinkernd das "Dänemark" weg denken kann - denn in welchem Staate wäre nicht irgend etwas faul? Leider ist das bloß ein Übersetzungsfehler, denn zu Shakespeares Zeiten hießen Staaten (mit Ausnahme der "Generalstaaten", der heutigen Niederlande) noch nicht so, sondern nach ihren Herrschern. Dänemark war also ein Königreich; und davon schreibt Shakespeare nichts. Vielmehr bezeichnet "state" damals noch den "Zustand". Das mag inhaltlich auf dasselbe hinaus laufen, aber es ist halt doch etwas anderes. Aber etwas anderes lernen wir aus diesem Spruch - rein sprachlich: Damals wurde "something" noch nicht als eine Einheit empfunden und auf der ersten Silbe betont, sondern als "some thing", und so wurde es wohl auch gesprochen, sonst hätte Shakespeare - um das Versmaß zu wahren (das die Betonung auf die jeweils zweite Silbe legt) schreiben müssen: "There's something rotten..." Aber das sind Feinheiten, die den meisten Lesern nicht viel sagen dürften. Kommen wir zurück auf das erste Zitat. Darf Dikigoros es einmal ausführlich in der Übersetzung Schlegels wieder geben? (Er selber würde es anders übersetzen, auch in der entscheidenden Passage; aber er will auf die Wirkung in Deutschland hinaus, und die hat sich nun mal durch die Schlegel'sche Übersetzung entfaltet.)

"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
Ob's edler im Gemüth, die Pfeil' und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden, oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Im Widerstand zu enden..."

Ja, auch das ist hübsch: Der Gewissenskonflikt des Edelmütigen, der lange schwankt, ob er es vor sich und Gott verantworten kann, den Tyrannen zu töten. Er zaudert, und zaudert, und zaudert... Wirklich, liebe Leser? Wo zaudert er denn? Und vor allem: Warum zaudert er, und wie lange zaudert er? Im Theaterstück Shakespeares zaudert er so lange, bis der böse König seine eigene Mutter vergiftet hat (freilich unvorsätzlich - der Gifttrunk war nicht für sie bestimmt) und er selber todwund ist, dann ersticht er den König mehr oder weniger im Affekt. Es hat Hamlet also die ganze Zeit nicht gestört (doch, gestört hat es ihn schon, aber das reichte ihm offenbar als Motiv nicht aus, um seine Antriebsschwäche zu überwinden), daß der König seinen Vater umgebracht und seine Mutter geheiratet hat und was sonst noch so alles faul ist bei Hofe (Dikigoros erspart sich und den geneigten Lesern die Einzelheiten), und das, obwohl der Geist seines toten Vaters ihn doch mehr als deutlich zur Rache aufruft! Aber es ist ihm halt weder um den Staat noch um den eigenen Vater zu tun, sondern nur um sein eigenes, kleines, geisteskrankes Leben - schließlich hat ihm sein Onkel doch ausdrücklich zugesagt, daß er sein Thronerbe ist und bleiben wird. Erst als Hamlet sieht, daß Claudius ihn hintergangen hat, nimmt er endlich Rache - für sich, nicht für seinen Vater! [Auch wenn manche Shakespeare-fans das als Sakrileg betrachten werden: Dikigoros hält den Hamlet für eines seiner schwächsten Stücke: Sprachlich und inhaltlich unreif und unausgegoren, mit einer blödsinnigen Räuberpistolen-Handlung, bei der am Ende völlig unmotiviert alle Hauptpersonen tot sind - und selbst manche Nebenpersonen, wie die beiden jüdischen Botschafter nach England; manche Passagen hat sich Shakespeare nicht einmal die Mühe gemacht, ins Versmaß zu bringen, sondern sie einfach als Prosa stehen lassen; die einzig gut gemachte Szene - die bereits erwähnte mit den Totengräbern und dem Totenschädel - trägt kaum etwas zur Handlung bei, könnte also ebenso gut weg gelassen werden (vielleicht ist es die einzige, die tatsächlich von Shakespeare stammt, und er hat sie bloß in den fremden Text eingefügt, um ihn etwas aufzupeppen? :-) Die berühmte Szene mit dem Satz "To be, or not to be..." enthält - anders als viele andere Monologe in anderen Shakespeare-Stücken - eigentlich nur Geschwafel; um das festzustellen muß man nicht Rowan Atkinson alias "Blackadder" heißen. (Dikigoros hat Euch dessen Sketch zum Thema auf der Ausgangsseite verlinkt.) All dies hat Dikigoros oben zu der Vermutung veranlaßt, daß Shakespeare dieses Stück von Tom Kyd übernommen haben könnte - ohne es ordentlich zu überarbeiten.]

Und nun kommen wir zu der Frage, was historisch dahinter steckt. Die meisten Shakespeare-Keksperten wischen sie mit dem Hinweis vom Tisch, daß seine Quelle, die Geschichte Dänemarks des Saxo Grammaticus, lediglich eine Sage sei, jedenfalls in dem Teil (3. und 4. Buch), der Hamlet betrifft. Dikigoros glaubt das nicht. Schaut es Euch selber an, liebe Leser: Horwendil [bei Shakespeare: Hamlet sen.], der König von Dänemark, erschlägt Koller, den alten König von Norwegen, im Zweikampf. Danach heiratet er Gerutha [bei Shakespeare: Gertrude], die Tochter des neuen Königs von Norwegen, Rorik. (Ihr gemeinsamer Sohn ist Amleth [Hamlet]). Da er sie ständig mißhandelt, erschlägt ihn sein Bruder Feng [bei Shakespeare: vergiftet ihn sein Bruder Claudius] und nimmt sie seinerseits zur Frau. ("Macht sie zur Hure" läßt Shakespeare Hamlet sagen - wieso denn? -; und "Inzest!", schrei[b]t er - wie schon Saxo -, wobei er die Schwägerin penetrant als "Schwester" bezeichnet; aber wundert Euch nicht, liebe Leser - bis vor wenigen Jahren war die Heirat unter verwitweten Schwägern auch vor dem deutschen Gesetz noch verboten.) Die ist darob heilfroh, ebenso der Hof, denn Horwendil war offenbar nicht nur kein guter Ehemann, sondern auch kein guter König. (Viele sahen in ihm wohl auch eine Marionette des mächtigen Norwegers Rorik.) Feng versucht, seinen Neffen und Stiefsohn Amleth los zu werden, indem er ihn nach England schickt, damit dessen König ihn umbringt (ein Umstand, den Shakespeare wohlweislich verschweigt). Doch der Plan mißlingt, Amleth zieht den König der Briten auf seine Seite, indem er dessen Tochter Hermutrude heiratet, und kehrt nach Dänemark zurück. Dort ist inzwischen auch Rorik mit seinen Norwegern gelandet. Noch bevor so recht klar wird, welche Wendung die Geschichte nehmen wird, tötet Amleth seinen Onkel Feng, sehr zum Ärger aller billig und gerecht denkenden Dänen. Amleth muß nach England fliehen, und Rorik wird schließlich auch König von Dänemark. Als der stirbt, kehrt Amleth erneut zurück, um Dänemark zu erobern, was ihm zunächst auch gelingt; aber dann kommt Roriks Neffe Wiglek und erschlägt ihn im Zweikampf. Hermutrude ist offenbar froh, den Kotzbrocken endlich los zu sein, denn sie heiratet sogleich - ungefragt und aus freien Stücken, wie der Amleth-freundliche Chronist Saxo mißbilligend bemerkt - Wiglek, der fortan über Norwegen und Dänemark herrscht.

So etwas denkt man sich nicht aus. Ausgedachte Handlungen, sei es im Roman, im Theaterstück oder im Film, sind immer irgendwie "schlüssig" oder "logisch" - sonst hätten sie ja keinen "Sinn". (Nur das wahre Leben ist oft un-sinnig - aber seit wir nicht mehr an Gott glauben, können wir ihm darob ja keine Vorwürfe machen, das unterscheidet ihn von den Dichtern und Drehbuchautoren :-) Und erfundene Personen sind immer entweder gut oder böse - und sei es am Ende einer langen Entwicklung, die z.B. den Engel Luzifer zum Teufel macht oder umgekehrt den Saulus zum Paulus. Deshalb sind bei Shakespeare Macbeth und Richard III böse, so wie bei Suetonius Nero und Caligula und wie bei den Märchendichtern der Neuzeit Hitler und Stalin - wohlgemerkt durch und durch böse, ohne jede Differenzierung. Der historischen Wirklichkeit wird eine solche Schwarz-weiß-Zeichnung kaum gerecht - sie rechtfertigt sich allein aus der "dichterischen Freiheit" und den pädagogischen Absichten des "Historikers". Aber die Chronisten des frühen Mittelalters waren weder Dichter noch Pädagogen, sie wollten uns weder belehren noch erziehen, sondern nur informieren; sie mögen die Fakten zwar hier und da etwas verbogen haben (vor allem wenn es christliche Mönche waren und es um religiöse Dinge ging) - aber sie haben sie schwerlich frei erfunden. (Dieser Meinung muß auch Shakespeare gewesen sein, denn mit reinen Märchenstoffen hat er sich in seinen historischen Dramen nie abgegeben.) Kurzum, was Saxo berichtet, das ist nicht der Stoff, aus dem Heldensagen sind (auch weil es an Helden fehlt - oder wen von den oben Genannten würdet Ihr angesichts des Handlungsverlaufs als solchen betrachten?), das ist eine nüchterne Chronik, glaubwürdiger als vieles, was uns zum Beispiel über die Merowinger oder selbst die Karolinger überliefert ist. Geister, Hexen und Gespenster kamen damals in den besten Geschichts-Quellen vor, und niemand würde sie darob anzweifeln - wenn es ihm nicht in den Kram passen würde, wie hier. Was ist denn schon ein Geist? Ein Traumgesicht, das jemand gehabt hat? Na also, warum soll es das nicht auch früher schon gegeben haben?! Wie ging es also weiter? Bei Shakespeare will ein gewisser Fortinbras, Prinz von Norwegen, mit seinem Heer ganz friedlich durch Dänemark ziehen, um Danzig, pardon ein namenloses Städtchen in Polen zu erobern, pardon zu "befreien". (Welch eine Schnaps-Idee, diesen Umweg zu nehmen! Hätte er da nicht direkt über die Ostsee nach Polen schippern können? Nein, auch über Dänemark ist es kein Landweg!) Vergeßt es, liebe Leser, vergeßt es. "Fortinbras" ist Saxos Wiglek. (Shakespeare hat bloß aus dem "starken Bein" einen "starken Arm" gemacht :-) Als Amleth seinen Onkel Feng tötet (übrigens erschlägt er ihn nicht im Zweikampf, sondern ermordet ihn feige im Bett - auch das paßt nicht zu einem Helden!), sind Roriks norwegische Invasionstruppen längst in Dänemark gelandet, und die kommen nicht wegen Polen (auch wenn sie das vorgeben), sondern um die Dänen von ihren Armbanduhren zu "befreien". Plötzlich dämmert es einigen Ratten, daß sie sich auf einem sinkenden [Staats-]Schiff befinden könnten, das es alsbald zu verlassen gilt. Das gilt vor allem für diejenigen, die bis dato am lautesten "Heil dem König" gerufen hatten. Nun raffen sie sich endlich zu einer Verschwörung auf und ermorden Feng. Es endet damit, daß Wiglek, der König von Norwegen, auch Dänemark einkassiert, pardon befreit, das Jahrzehnte lang von norwegischen Truppen besetzt, pardon, beschützt bleibt.

Auf welche historische Parallele will Dikigoros hinaus? Nun, im Juli 1944 hatte die Invasion der Alliierten in der Normandie statt gefunden, und die waren nicht wegen Polen gekommen (auch wenn sie das vorgaben - und noch immer vorgeben), sondern... na, usw., wie oben. Plötzlich dämmert es einigen Ratten, daß sie sich auf einem sinkenden [Staats-]Schiff befinden könnten, das es alsbald zu verlassen gilt. Das gilt vor allem für diejenigen, die bis dato am lautesten "Heil dem Führer" gerufen hatten, weil sie 1933 noch kleine Subaltern-Offiziere waren, die bestenfalls damit rechnen durften, eines Tages als "Charakter-Major" in Pension zu gehen. Nun sind sie Generalstabs-Offiziere geworden, und solange der Krieg glücklich zu verlaufen schien, stellten die Edlen ihre Gewissenskonflikte brav zurück, obwohl doch der böse Führer... na, usw., wie oben. Hinterher werden die Parallelen noch deutlicher: Shakespeare stilisiert Hamlet zu einem braven, Vater und Vaterland liebenden Prinzen hoch, der erst in höchster Gewissensnot zur Tat schreitet; und ein gleiches tut die Geschichtsschreibung nach dem Zweiten Weltkrieg mit den feigen Verrätern vom 20. Juli 1944. Sie dienen heute als Alibi-Zeugen für die dümmliche Behauptung, daß die Deutschen doch eigentlich alle gute Demokraten und Widerstandskämpfer im Geiste waren... Aber was hätten Stauffenberg & Co. denn erreicht, selbst wenn sie weniger stümperhaft zu Werke gegangen wären, das Attentat also Erfolg gehabt hätte? Daß zu dem furchtbaren Krieg ein (aller Erfahrung nach noch furchtbarerer) Bürgerkrieg gekommen wäre, weiter nichts. Doch es ist ja nicht so weit gekommen - warum also schimpft Dikigoros jene Leute "feige Verräter"? Nun, "Verräter" ist eine Tatsachen-Feststellung, nicht notwendigerweise auch ein Werturteil. Verrat kann viele Gründe haben, auch gute. Daß Ratten das sinkende Schiff verlassen, ist objektiv betrachtet nur ein Zeichen von Klugheit, nicht von Feigheit - warum sollten sie mit untergehen, wenn sie sich retten können? Schulden sie dem Kapitän, der das Schiff in den Untergang steuert, Loyalität? Wohl kaum. Schuldeten die einfachen Wehrpflichtigen, die man ungefragt auf Hitler vereidigt hatte, ihm Treue bis in den Tod? Wohl kaum. Was aber war mit den Berufs-Offizieren, die freiwillig den Eid auf den Führer geleistet hatten, um Karriere zu machen, obwohl sie statt dessen den Dienst quittieren und ihre maroden Junker-Klitschen hätten bewirtschaften können? Hatte die jemand gezwungen, bis Juli 1944 mit Hitler gemeinsame Sache zu machen? Wohl kaum. Und feige war vor allem das Gräflein mit der Bombe: Um sein armseliges Stückchen verkrüppeltes Leben zu retten, blieb es nicht, bis seine Mission erfüllt war, sondern machte sich vorzeitig aus dem Staub, verbreitete ins Blaue hinein die Behauptung, alles hätte wunderbar geklappt, und riß so hunderte seiner Kameraden mit in den Tod. Welch ein feiges Schwein... Aber mit dieser seiner Meinung steht Dikigoros, so zwingend sie ihm erscheint, wohl ziemlich alleine da, jedenfalls was die veröffentlichten Meinungen anbelangt, und ebenso mit Hamlet als "Aufhänger". Die herrschende Meinung - die Meinung der Herrschenden - nimmt ein anderes Stück Shakespeares, "Julius Caesar", zum Aufhänger und hängt die Verschwörer - pardon, die sind ja schon gehenkt - und gelangt zu einem anderen Ergebnis; aber darauf kommt Dikigoros unten noch einmal etwas ausführlicher zurück.

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Kommen wir zu der Frage, warum Shakespeare all diese Geschichts-Fälschungen begangen, warum er sein Genie in den erbärmlichen Dienst eines erbärmlichen Regimes gestellt hat. Wollte er die Richtigkeit seines eigenen Satzes "lowliness is young ambition's ladder" unter Beweis stellen? Dikigoros hat in der sechsten Zeile der Überschrift (einem Zitat aus "Julius Caesar" [2. Akt, 1. Szene]) "flatters" entgegen den meisten Wörterbüchern nicht einfach mit "Schmeicheleien" o.ä. übersetzt, sondern bewußt mit "falschem Lob", weil dieses "falsch" - wie die meisten Wörter bei Shakespeare auch - zweideutig ist: Es bezeichnet sowohl die Falschheit der vermeintlichen Qualität des Gelobten als auch die Falschheit des Lobenden, der das ganz genau weiß, aber so tut, als wisse er es nicht. Kann man den Menschen nicht auch mit echtem Lob gewinnen? Schwerlich, liebe Leser, oder jedenfalls nicht annähernd so gut wie mit falschem Lob, denn auf ersteres hat der Gelobte ja in gewisser Weise einen Anspruch (oder glaubt das zumindest), es stellt sich also in seinen Augen lediglich als billige Gegenleistung dar. Dagegen hat er auf letzteres keinen Anspruch; wenn er es daher so zu sagen ohne Rechtsgrund erhält, fühlt er sich seinerseits zu einer Gegenleistung an den (falsch[en]) Lobenden verpflichtet. Das mag unbewußt geschehen, aber es scheint so im menschlichen Denken und Fühlen verankert zu sein. Wie dem auch sei - dieses Verhalten muß etwas mit Shakespeares Identität zu tun haben, denn ein einfacher Schauspieler (selbst wenn er als solcher und als Dichter genial war, galt er in der damaligen Gesellschaft immer nur als "einfacher Mann") hätte eben dazu keinen Anlaß gehabt. Gewiß, er mußte alles vermeiden, was man ihm als "politisch unkorrekt" hätte auslegen können - aber dann hätte er solche Stoffe doch besser ganz vermieden und sich auf unverfängliche Dinge verlegt. Von einer solchen passiven Vermeidungshaltung bis zu einer aktiven Verfälschung der historischen Wahrheit ist es ein großer Schritt, den man wohl nicht nur unternimmt, um Nachteile seitens der Zensur abzuwehren, sondern um ganz massive Vorteile für sich heraus zu schlagen.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat vor allem unter US-amerikanischen Anglisten eine These an Boden gewonnen, die schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von Thomas Looney und keinem geringeren als Sigmund Freud vertreten wurde, nämlich daß sich hinter "Willliam Shakespeare" nicht der Schauspieler mit dem ähnlichen Namen verbarg, sondern Charles de Vere, der Graf von Burford und Oxford. Einiges spricht dafür - u.a. dessen Hausbibel, in der sich auffallend viele Anstreichungen von Textpassagen befinden, die in Shakespeares Stücken wieder auftauchen (aber könnte er die nicht auch als Zuschauer nachgeschlagen und markiert haben?) -, anderes dagegen - u.a., daß besagter Graf schon anno 1604 das Zeitliche segnete (übrigens an Sifilis - er war schwul, s.o.), als ein großer Teil von Shakespeares Opus noch gar nicht geschrieben (oder bloß noch nicht aufgeführt? Und stimmt die Datierung überhaupt?) war. All das würde Dikigoros noch nicht restlos überzeugen, ebenso wenig, daß der Graf von Oxford einen Löwen im Wappen führte, der einen Speer hielt ("schüttelte"?) Aber nun hat jemand heraus gefunden, daß der Graf von Oxford seit 1586 vom Königshof jährlich 1.000 Pound Sterling erhielt. Das war damals ein kleines Vermögen, jedenfalls ein Vielfaches dessen, was ein einfacher Höfling - der de Vere offiziell war - zu erwarten hatte. Und es gibt eine Quelle, nach der auch "William Shakespeare" 1.000 Pound Sterling p.a. dafür erhielt, daß er zwei Theaterstücke pro Jahr verfaßte - Geld, das weder bei dem namensähnlichen Schauspieler noch in dessen Nachlaß jemals aufgetaucht ist und das dieser bei seinem Lebensstil auch schwerlich "verbraten" haben konnte - während der Graf regelmäßig ausgedehnte Reisen unternahm, und wie es der Zufall (?) wollte, ausgerechnet zu den Schauplätzen der Shakespear'schen Theaterstücken. Angesichts dessen schließt sich jetzt auch Dikigoros mit aller gebotenen Vorsicht dieser These an. Seinen Vorwurf, die Geschichte verfälscht zu haben, kann die mögliche Entdeckung der historischen Gestalt des "William Shakespeare" ohnehin weder mildern noch verschärfen.

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Aber Dikigoros will auch noch auf andere Leute eingehen, die Shakespeare das gleiche vorgeworfen haben - allerdings aus ganz anderen Gründen. (Seine eigenen Vorwürfe hat er sonst nirgends so vertreten gefunden.) Er hat sie sorgfältig geprüft und ist zu dem verblüffenden Ergebnis gelangt, daß sie allesamt unberechtigt sind. Und auch diesem Fänomen verdient ja einmal die Frage gewidmet zu werden: Warum? Warum werden Shakespeares tatsächliche Geschichts-Fälschungen heute vergessen oder vergeben, und warum hängt man ihm statt dessen welche an, die gar keine sind? Der Schlüssel scheint darin zu liegen, daß sich mit Shakespeare naturgemäß überwiegend Angelsachsen und Deutsche beschäftigen. Und drei seiner Stücke - die einstmals häufig gespielt wurden und sehr populär waren - rühren an drei große Tabus der (nicht nur, aber vor allem der englischen) Gegenwart: "Der Kaufmann von Venedig", "Othello" und "König Johann"; denn sie be-rühren ("betreffen" wäre zu viel gesagt) den Anti-Semitismus, den Rassismus und die große Lüge, auf die sich der britische Nationalstolz zu einem Gutteil aufbaut und die da lautet: "Noch nie nach der Landung der Normannen anno 1066 ist es einem ausländischen Invasoren gelungen, die britischen Inseln zu erobern."

Beginnen wir mit dem dritten. Das hat Shakespeare wahrscheinlich kurz vor oder kurz nach 1588 geschrieben, als die spanische Flotte versuchte, England zu erobern. [Der spanische König hieß damals zufällig (?) genauso wie der französische König in "König Johann": Pferdefreund.] Die Historiker glauben heute überwiegend, der Mythos, daß seit 1066 keine fremde Invasion mehr gelungen sei, wäre damals entstanden. Aber das ist nicht schlüssig. Wäre es so gewesen, dann hätte Shakespeare schon damals den "König Johann" schwerlich auf die Bühne bringen dürfen, denn der zeigt ja, wie dieser durch eine erfolgreiche Invasion der Franzosen gezwungen wird, den Thron für seinen Sohn zu räumen. Und überhaupt wäre eine solche Thematik zur Zeit der Tudors nicht opportun gewesen - wem hätte man denn nur hundert Jahre nach deren Machtergreifung erzählen wollen, daß sie nicht an der Spitze einer ausländischen Invasionsarmee standen, als sie England von Richard III. eroberten? Nein, dieses Märchen entstand viel später. Dikigoros würde nicht so weit gehen, auf Napoleon zu warten, dessen Flotte Lord Nelson vernichtete, bevor sie zur Invasion ansetzte, und erst recht nicht auf Hitler und seine verlorene Luftschlacht um England. Nein, die Wahrheit liegt wohl in der Mitte und macht die Geschichts-Fälschung besonders deutlich: Mitte des 17. Jahrhunderts hatten die Engländer ihren König einen Kopf kürzer gemacht und es zur Abwechslung von der Monarchie mal mit einer Militär-Diktatur unter Cromwell versucht. Der hatte allerdings auch versucht, sein Amt erblich zu machen, doch sein Sohn erwies sich als Versager. Also kam wieder ein Stuart auf den Thron, der nächste Jacob. Der war freilich wieder katholisch, und das war den Engländern auch nicht recht. Also verjagten sie ihn und holten statt dessen Wilhelm von Oranien ins Land, und zwar... richtig, an der Spitze einer ausländischen Invasions-Armee. "Glorreiche Revolution" nennen die Engländer bis heute dieses Ereignis aus dem Jahre 1688 unsinnigerweise. In der Folgezeit versuchten die Stuarts wiederholt, mit ausländischer (meist französischer) Hilfe, ihren Thron zurück zu erobern. Die Engländer stellten diese Versuche stets als "fremde Invasionen" dar; dabei war nichts weiter von der Wahrheit entfernt als das: Die Stuarts landeten stets in Schottland oder Nordirland (in Ulster leben keine Engländer, sondern Schotten, liebe Leser, das wird bei der heutigen Diskussion oft vergessen), und dort waren sie keine "Fremden", sondern die legitimen, einheimischen Herrscher. Fremde Invasoren waren vielmehr die Engländer, die Schottland seitdem unter der Fuchtel haben (bis heute, auch wenn inzwischen ein schottischer Premierminister auf den britischen Thron gelangt ist, der freilich kein Wort Schottisch mehr spricht und sich auch sonst ganz als Engländer fühlt). Langer Rede, kurzer Sinn: An dieser Geschichts-Fälschung ist Shakespeare völlig unschuldig; vielmehr wäre sein "König Johann" geeignet, sie zu zerstören; deshalb ist der seit 1940 - als die deutsche Invasion drohte - von den britischen Bühnen so gut wie verschwunden. (Glaubt doch nicht, liebe Leser, daß sich nicht auch 1940 - wie schon 1213, 1485 und 1688 - im Falle einer erfolgreichen Invasion Briten gefunden hätten, welche die siegreichen Invasoren "ins Land gerufen" hätten, um einen "bösen Diktator" zu beseitigen. Der amtierende König George VI. war ein schwachsinniger, stotternder Analfabet - das war allgemein bekannt -, und Edward VIII. wartete schon darauf, seinen Thron wieder zu besteigen, auf den zu verzichten man ihn aus vorgeschobenen privaten, aber tatsächlich politischen - er war heimlicher Hitler-Anhänger - Gründen gezwungen hatte; und ein Oswald Mosley hätte sich als Premierminister sicher auch nicht schlechter gemacht als ein Chamberlain oder ein Churchill.)

Othello, der "Mohr von Venedig", ist keine historische Person - jedenfalls keine, von der die Quellen wüßten (auch wenn es ein obskures venezianisches Manuskript geben soll, das gewisse "Forscher" auf 1566 datieren - Dikigoros überzeugt das nicht); und auch sonst liegt diesem Stück eigentlich kein konkretes Ereignis zugrunde, das Shakespeare hätte verfälschen können. (Das unterscheidet es von Marlowes "Barabas", mit dem es oft verglichen wird, der jedoch nicht in Venedig, sondern auf Malta spielt, das die Türken anno 1565 erfolglos belagert hatten.) Tatsächlich war es so, daß der türkische Sultan anno 1570 sagte: "Ich will Cypern erobern". Gesagt, getan: Der Türke kam, sah und siegte, folterte alle Venezianer zu Tode und übertrug die Verwaltung geschäftstüchtigen Juden. Da erhob sich kein Sturm, der seine Flotte zerstört und Cypern vor der Invasion bewahrt hätte (das Motiv hatte Shakespeare wahrscheinlich von der Zerstörung der spanischen Armada 1588 durch einen Sturm), so daß Othellos Reise militärisch überflüssig geworden wäre. [1571, in der Seeschlacht von Lepanto, mag der eine oder andere Mohr mit gekämpft haben, aber schwerlich als General, und ein Name ist uns nicht überliefert. Die christlichen Historiker feierten das damals als "großen Sieg", weil dabei die altmodischen türkischen Galeeren fast restlos versenkt wurden; aber er läßt sich viel eher mit dem "großen Sieg" der Japaner 1941 von Pearl Harbor vergleichen, weil dabei die altmodischen amerikanischen Schlachtschiffe fast restlos versenkt wurden - nicht aber die Flugzeugträger. Geholfen hat das den "großen Siegern" im 16. Jahrhundert ebenso wenig wie denen im 20., denn die Türken bauten schnell eine neue, modernere Flotte und konnten alle ihre Besitzungen im Mittelmeer halten, Cypern über 300 Jahre lang - dann sollten es sich die Engländer unter den Nagel reißen, aber das konnte Shakespeare noch nicht ahnen.] Und - ist das Stück "rassistisch", wie einige behaupten? Ist es gar ein Grund, Shakespeare von den Theaterspielplänen abzusetzen und aus den Lehrplänen der Schulen zu streichen, wie andere befürchten? Dikigoros hat da so seine Zweifel: Wie Shakespeare den alten Brabantio zeichnet, kommt es eigentlich gar nicht darauf an, welche Hautfarbe Othello hat: Wenn sich Desdemona einen anderen Bräutigam ausgesucht hätte, der nicht Venezianer, nicht von Adel, nicht wohlhabend und nicht mindestens Senator gewesen wäre, dann hätte ihr Vater den ebenso als "weißen Neger" abgelehnt wie den armen Othello - gegen den er ja gar nichts hatte, solange seine Tochter ihn nicht heiraten wollte, im Gegenteil! Und auch der Rat von Venedig ist nicht rassistisch: Als Brabantio Othello anzeigt, weil der seine Tochter "verhext" habe, wird er einstimmig frei gesprochen.

Wie kommt das Stück dann zu dem Vorwurf, es sei "rassistisch"? Nun, wir erfahren, daß Othello auch einige Fehler (gemacht) hat, keine besonders schweren oder gar charakterlichen Fehler, und eigentlich auch keine, die typisch für einen Mohren wären - oder doch? So hat er sich zum Beispiel bei der Liebeswerbung um Desdemona der Dienste eines Weißen bedient, des flotten Cassio (der übrigens in Venedig auch "Ausländer" ist, nämlich Fiorentiner). Zur Belohnung dafür hat er ihn zum General-Leutnant befördert, vor der Nase von Iago, der nach dem Senioritäts-Prinzip eigentlich "dran" gewesen wäre. So etwas macht böses Blut, besonders wenn der Übergangene tatsächlich objektiv besser ist als derjenige, den man ihm vor die Nase setzt, und wenn er sich bemüßigt fühlt, den Beweis dafür zu erbringen, und sei es im Wege der Rache. Iago ist schlau, Iago ist fähig, und Othello und Cassio stehen seiner Karriere im Weg - sie müssen weg. (Nebenbei verdächtigt Iago Othello noch - zu Unrecht - ein Verhältnis mit seiner eigenen Frau Emilia zu haben, aber das ist eigentlich ein überflüssiger Bestandteil des Plots.) Zunächst scheint Iago ganz plump vorzugehen: Er macht Cassio besoffen (merke: nicht alle Weißen sind trinkfest!), setzt einen agent provocateur auf ihn an, mit dem sich Cassio prompt duelliert und dabei im Suff einen Unbeteiligten verwundet. Daraufhin wird Cassio von Othello seines Kommandos enthoben. Iago - der kein Wässerchen trüben kann - rät Cassio, Desdomona um Hilfe zu bitten, was er auch prompt tut. Als die sich nun bei Othello tatsächlich für Cassio ins Zeug legt, redet Iago dem General ein, daß sie das nur tue, weil sie etwas mehr als nur Freundschaft für den schicken, jungen Burschen empfinde. Und das glaubt Othello so ohne weiteres? Das spricht ja nicht gerade für ihn, oder? Nun, liebe Leserinnen, so sind Männer nun mal; und es läßt sich ja nicht bestreiten, daß Iago gute Argumente vorbringt, die Othello nicht so einfach vom Tisch wischen kann: Er ist nur ein alter Soldat, Cassio dagegen ist jung, attraktiv und ihr Landsmann. Objektiv gesehen war sie dumm, ihn, den Mohren, zu heiraten; eigentlich hat sie es nur aus Dickköpfigkeit getan, weil ihr Vater dagegen war. Und nun hat sie sich halt eines besseren besonnen und korrigiert ihren Fehler... Zuerst will Othello dem verleumderischen Iago an die Gurgel gehen; aber dann beginnt das Gift der Eifersucht doch zu wirken, so weit, daß am Ende die läppische Geschichte mit dem "verlorenen" (d.h. Desdemona von Iagos Frau geklauten) Taschentuch genügt, um ihn von der Schuld seiner Frau und seines besten Freundes zu überzeugen: Er erstickt Desdemona mit einem Kopfkissen und läßt Cassio von einem gedungenen Mörder überfallen. Als der Schwindel heraus kommt, ist es schon zu spät. Othello stürzt sich in sein eigenes Schwert, und Iago wird - wenn das dem Zuschauer ein Trost ist - unter ausgesuchten Foltern hingerichtet. (Kein Wunder, daß die Türken kein Problem hatten, Cypern zu erobern, wenn die Venezianer so mit ihren tüchtigsten Soldaten umgingen!)

Die ebenso alberne wie überflüssige Geschichte mit dem Taschentuch verstellt dem einen oder anderen Zuschauer vielleicht den Blick auf das wesentliche Motiv Othellos: Er glaubt erkannt zu haben, daß Desdemona erkannt habe, daß sie eine schlechte Partie gemacht hat, d.h. daß sie einen Mohren statt eines Italieners geheiratet hat. Aber ist das Rassismus, liebe Leser? Wohl kaum. Die Aussage, daß Weiße am besten Weiße, Schwarze am besten Schwarze und Gelbe am besten Gelbe heiraten, ist eine Tatsachenfeststellung wie etwa die Aussage, daß man Reis am besten mit Stäbchen, Suppe am besten mit dem Löffel und Spaghetti am besten mit der Gabel ißt. (Gewiß, es geht auch anders; aber das erfordert ganz erhebliches Geschick und klappt deshalb nur in Einzelfällen: Man mag Spaghetti zur Not auch löffeln können; aber der Versuch, Suppe mit Gabel oder Stäbchen zu sich zu nehmen, wird in der Regel mißlingen.) Es ist ferner kein Rassismus, wenn man feststellt, daß Angehörige einer Rasse manche Dinge im Durchschnitt besser können als Angehörige einer anderen Rasse, daß z.B. "die" Schwarzen besser laufen und "die" Weißen besser saufen können als "die" Gelben (Ausnahmen bestätigen die Regel), denn damit ist ja über Wert oder Unwert dieser Eigenschaften nichts gesagt. (Man beachte das Shakespeare-Zitat in der siebten Zeile der Überschrift!) Aber selbst wenn man etwas darüber sagen wollte, wäre das noch kein Rassismus: Dikigoros macht keinen Hehl daraus, daß es ihm wertvoller erscheint, gut laufen als gut saufen zu können (er macht daraus jedoch kein Dogma; alle, die es umgekehrt sehen, mögen nach ihrer Façon selig werden); aber es gibt halt noch viel mehr Eigenschaften, die für die eine oder die andere Rasse "typisch" sind; und wenn er die unter dem Strich zusammen zählt, dann sind ihm Weiße und Gelbe im Durchschnitt doch lieber als Schwarze. (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.) Das mag man schon als "Rassismus" ansehen (obwohl es eher Geschmackssache ist), aber wenn, dann ist diese Form des Rassismus jedenfalls nicht verwerflich. Verwerflich wird es erst, wenn jemand allein der eigenen Rasse wertvolle Eigenschaften zubilligt und alle anderen Rassen für durch und durch minderwertig oder gar (lebens-)unwert hält und daraus womöglich den Schluß zieht, es gäbe der eigenen Rasse so etwas wie ein "Recht", die anderen auszurotten. Dieser rassistische Irrglaube ist in erster Linie bei Gelben verbreitet, in zweiter Linie bei Schwarzen (einer der ihren hat unlängst ein Buch mit dem Titel "Die Weißen denken zuviel" veröffentlicht, aus dem jenes Überlegenheitsgefühl skrupelloser Mörder spricht, die sich über Leute mokieren, die noch lange nachdenken, ob sie sich wohl verteidigen dürfen - oft, bis es zu spät ist) und nur noch bei ganz wenigen Weißen - zum Beispiel bei Juden und Arabern, den "semitischen" Brüdern -, und deshalb ist Dikigoros stolz darauf, ein nicht-semitischer Weißer zu sein, und er stört sich auch nicht daran, daß ihm manche das als "Anti-Semitismus" auslegen werden.

Exkurs. Was ist eigentlich "Anti-Semitismus", liebe Leser? Wenn Ihr da so genannte "Wissenschaftler" oder andere Keksperten fragt, werden Sie Euch einen Haufen Allgemeinplätzchen vorzugsweise aus deutschen Landen auftischen, die man ungefähr in dem Satz zusammen fassen kann: "Es gibt zwei Arten von Antisemitismus, der eine ist rassistischer Natur und es gibt ihn nur bei den bösen Nazi-Deutschen; bei allen anderen Völkern war oder ist er ausschließlich religiös begründet, d.h. ein Jude brauchte bloß zu konvertieren und war auf der sicheren Seite; außer bei den Arabern, aber bei denen ist es ja kein Anti-Semitismus, sondern Anti-Zionismus." Aha. Nun, liebe Leser, glaubt von all diesem Schrott kein Wort - es war nämlich genau umgekehrt. Was ist ein Rassist? Dikigoros könnte einer sein, denn er weiß um die Unterschiede zwischen den Rassen (Schwarze, Weiße und Gelbe - in dieser Reihenfolge sind sie übrigens entstanden - unterscheiden sich genetisch ganz erheblich voneinander), er akzeptiert und respektiert sie - und deshalb hält er es für falsch, sie verwischen zu wollen, etwa durch Misch-Ehen. Die Nazis aber waren keine Rassisten, sonst hätten sie die Juden ja als ihres gleichen akzeptieren müssen, da sie unzweifelhaft auch zur weißen Rasse gehören (wie übrigens auch die Araber - was sie um keinen Deut besser macht, wie Dikigoros findet). Nein, die Nazis kaprizierten sich auf die Unter-Rassen, wobei sie sich schmeichelten, zur "nordischen" Unterrasse zu gehören - etwa im Gegensatz zur "semitischen". (Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, daß gerade führende Nazi-Größen, wie Hitler, Hess oder Goebbels, bei objektiver Betrachten bestenfalls als "dinarid" hätten durch gehen können, aber keinesfalls als "nordisch"; der einzige Spitzen-Nazi, der groß, blond und blauäugig war, flink wie Wiesel, zäh wie Leder und hart wie Krupp-Stahl, intelligent, sportlich und skrupellos, war SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, und der war Jude, also nur Arier h.c. :-) Doch selbst da waren sie nicht konsequent, sonst hätten sie ja neben den Juden auch die Araber ablehnen müssen - aber wer war der beste Freund des Muftis von Jerusalem? Hitler... Und was steht in den Nürnberger Gesetzen, wer als Jude galt? Etwa wen der Gen-Test als Jude auswies? Nein, denn erstens gab es 1935 noch keine Gen-Tests, und zweitens hätte man genetisch Juden gar nicht von Arabern unterscheiden können - wie peinlich! Nein, als Jude galt, wer nicht vier getaufte Großeltern vorweisen konnte; und das Gesetz besagte ausdrücklich, daß auch eine Christin, die einen Juden geheiratet hatte und dabei zum jüdischen Glauben konvertiert war, abstammungsrechtlich als "Volljüdin" im Stammbaum zu gelten habe. (Dagegen galten die Kinder der jüdischen Urgroßmutter, die zum Christentum konvertiert war, um einen Nicht-Juden zu heiraten - was sie als Jüdin nach jüdischem Recht nicht hätte tun dürfen -, so sie nur getauft waren, als voll tauglich für den "Arier-Nachweis" :-) War das etwa ernst zu nehmender Rassismus? Wohl kaum.

Aber wie war es denn beim Judenhaß der anderen Völker? Spielte da der Glaube eine Rolle? Ganz im Gegenteil: Als 1492 die Spanier (und ein paar Jahre später auch die Portugiesen) zur ethnischen Säuberung der iberischen Halbinsel schritten, warfen sie die Araber und Juden konsequenterweise zusammen hinaus. "Ethnische Säuberung"? Gebraucht Dikigoros da nicht einen bösen Begriff, der gar nicht ins späte 15., sondern erst ins späte 20. Jahrhundert gehört? Mitnichten - damals ist er nämlich entstanden. Könnt Ihr Spanisch? Unter welchem Schlagwort wurde das Vertreibungs-Programm durchgeführt? "Limpieza de Fé [Sauberkeit des Glaubens]"? Nein - "Limpieza de sangre [Sauberkeit des Blutes]"! Noch Fragen? - Ja, aber die durften doch auch konvertieren und konnten dann bleiben, oder? - Von wegen, selbst die konvertierten "Marranen" (auch da wurden wieder Juden und Araber gleich genannt und behandelt) wurden gleich mit verjagt, da man ihnen unterstellte (vielfach wohl zu Recht - aber was blieb ihnen übrig?), daß sie nur zum Schein konvertiert waren. Sie landeten erst im Osmanischen Reich, in Konstantinopel, Odessa oder [Thes]Saloniki, und fluteten von dort als "Levantiner" langsam wieder zurück gen Westen. Im 16. Jahrhundert war die Hauptstadt des Judentums in Westeuropa - Venedig, und nun wissen wir auch schon, warum Shakespeare seinen "Kaufmann von Venedig" dort spielen läßt. Neuerdings ist die These aufgestellt worden, daß "Moor" mit "Mohr" ohnehin falsch übersetzt sei; Shakespeare habe sich Othello vermutlich nicht als Neger, sondern als Mauren oder Marranen vorgestellt; das ergebe sich auch daraus, daß er dessen Gegenspieler "Iago" genannt habe, nach St. Iago - heute "Santiago" geschrieben -, dem großen Gegenspieler der Mauren, dessen Name im Kampf gegen dieselben zum Schlachtruf der Christenheit avanciert war. Durchaus möglich, denn auch Othello war offenbar (konvertierter) Christ - und welcher Neger wäre das schon gewesen, bevor christliche Missionare im 19. Jahrhundert begannen, die Negerlein in Afrika massenweise zum einzig wahren Glauben zu bekehren? Und die dunkle Hautfarbe besagt ja nicht notwendigerweise etwas über die Rassenzugehörigkeit: Für einen Engländer des 16. Jahrhunderts wirkte ein "Maure" wahrscheinlich schon ziemlich "dark [dunkelhäutig]". Wer weiß, wenn die Qualität der Geschichtsschreibung so "voran" schreitet, wie sie es heuer tut, dann wird vielleicht in 400 Jahren jemand ein Drama schreiben über die Ermordung des "christlichen Mohren" Aldo Moro durch die "Rothäute" der Brigate Rosse, und es wird erst umfangreicher historischer Forschungen bedürfen um die These aufzustellen, daß da nur der Chef einer Mafiabande von den Mitgliedern einer anderen Mafiabande getötet wurde, die ebenso wenig christlich war wie seine eigene, und weiter nichts. Vielleicht fällt dann auch irgend jemandem auf, daß Shakespeare nirgends geschrieben hat, daß King Lear und seine Töchter weiße Hautfarbe hatten - also müssen sie wohl Neger gewesen sein. Was sonst? (Hatte nicht der später durch das Radiohörspiel "War of the Worlds [Krieg der Welten]" berühmt gewordene Orson Welles schon 1935 einen "Voodoo-Macbeth" inszeniert, der auf Haïti spielte, und alle Rollen mit Negern aus Harlem besetzt?) In 400 Jahren wird es auf den britischen Inseln schon längst keine Weißen mehr geben - aber das ist eine andere Geschichte.


NegerhäuptlingKönig Lear mit Tochter

Aber darf Dikigoros erst noch ganz kurz die Frage beantworten, was in Wahrheit hinter dem Judenhaß steckte, wenn nicht Rassismus oder Religiosität? Ganz einfach: Wo wurden die Judenn denn geduldet (nicht immer von der Bevölkerung, aber doch von der Obrigkeit, die sich wenigstens bemühte, sie vor den regelmäßig auftretenden spontanen "Pogromen" in Schutz zu nehmen - es gab dort jedenfalls keine Gesetze, die ihnen den Aufenthalt von Rechts wegen verboten hätten)? In Warschau, Krakau, Lemberg, Wien und all den anderen Ecken Ostmitteleuropas, wo sie arm waren, denn dort erregten sie keinen Neid. Im Westen dagegen, wo sie zu Wohlstand gekommen waren, mitunter sogar zu Reichtum (nein, nicht alle, aber einige wenige zu besonders großem, Neid erregendem Reichtum), da waren sie verhaßt; und was war verlockender, als große jüdische Banken und Handelshäuser zu enteignen und zu arisieren? Und wenn man dann Pleite gemacht hatte, durften sie wieder kommen und den Laden wieder aufbauen. So ist das Leben, und es ist nicht nur den Juden so gegangen. Darf Dikigoros das bei dieser Gelegenheit auch noch erwähnen? Glaubt doch nicht, daß Deutsche und Juden immer Feinde gewesen wäre, wie man Euch heute einzureden versucht. Vielmehr nannte man selbst das Ghetto von Venedig, als es anno 1516 eingerichtet wurde (übrigens auf Wunsch der Juden selber, die ihre Ruhe vor dem italienischen Diebesgesindel haben wollten), "Nazione Todesca [Viertel deutscher Nationalität]", und bis ins 20. Jahrhundert hinein sind Deutsche und Juden immer synonym in einen Topf geworfen und verfolgt worden. Die schlimmsten US-amerikanischen Pogrome gegen Aschkenasim und andere Deutsche fanden 1848 und 1917 statt - im ersteren Jahr wanderten besonders viele Deutsche ein, und im letzteren traten die USA gegen das Reich in den Ersten Weltkrieg ein; aber das ist eine andere Geschichte. Exkurs Ende.

Zurück zum "Kaufmann von Venedig": Gewisse Keksperten behaupten, daß Marlowe mit seinem "Barabas" lediglich den "Anti-Semitismus" aufs Korn nehmen wollte, während Shakespeare diesen mit seiner Geschichte um Shylock geradezu geschürt habe. Aber das stimmt so gar nicht - im Gegenteil: Während Marlowe bei Barabas erbarmungslos Verhaltensweisen aufdeckt, die "typisch jüdisch" sind, schildert Shakespeare die Schlechtigkeit und Grausamkeit einer Einzelperson - die ebenso gut ein nicht-jüdischer Geldverleiher sein könnte. (Sagt Porzia nicht: "Wer ist der Kaufmann hier, und wer der Jude?") Und davon mal ganz abgesehen sollte man die Sache mit dem "Anti-Semitismus" doch nicht zu hoch hängen. Zur Zeit Shakespeares und Marlowes gab es in England keinen Antisemitismus, konnte es gar keinen geben, denn es gab in England gar keine Juden. Die waren zwar anno 1066 mit Wilhelm dem Erboberer nach England gekommen (irgend jemand mußte die Invasion schließlich finanzieren, und das Geld der Juden war den frommen Christen nie zu schade - da heiligte der Zweck die Mittel!), aber schon 1290 des Landes verwiesen worden. (Was sehr praktisch für die Engländer war und ist, denn so konnten sie ein paar hundert Jahre später - und können es bis heute - auf diejenigen Völker, die das nicht getan haben, mit Fingern zeigen wegen "Diskriminierung" der Juden.) Erst nachdem Cromwell England Mitte des 17. Jahrhunderts in den Ruin gewirtschaftet hatte, ließen seine Nachfolger wieder Juden ins Land - wenn sie genügend Geld mit brachten, um die maroden Staatsfinanzen zu sanieren.

Exkurs. Da Dikigoros oben die These verworfen hat, daß Shakespeares mit King Lear auf ein konkretes Ereignis seiner unmittelbaren Vergangenheit anspielen wollte, will er auch noch kurz auf eine moderne These eingehen, die beim Kaufmann von Venedig ein gleiches versucht. Und seine Argumente sind wiederum die gleichen - zwingenden: Erstens haben der italienische Geldverleiher Shylock und der spanische Arzt López überhaupt nichts gemeinsam (es ist nicht einmal sicher, daß der letztere Jude war; er könnte genauso Katholik gewesen und als solcher in Ungnade gefallen sein); und zweitens hätte Shakespeare selbst, wenn es anders gewesen wäre, schwerlich gewagt, seine Königin öffentlich dafür zu kritisieren - und sei es auch nur indirekt durch eine an den Haaren herbei gezogene Parallele -, daß sie ihren Hofarzt einer Intrige geopfert hatte. Exkurs Ende.

* * * * *

Kommen wir zu der einen Ausnahme, die sich Dikigoros bis zum Schluß aufgehoben hat (wenn man mal vom Eingangszitat absieht :-), und die nicht in die Reihenfolge seiner persönlichen Chronik paßt, denn wie jeder Angehörige seiner Generation, der in Deutschland zur Schule gegangen ist und dort Englisch als Unterrichtsfach hatte, weiß, gab es in der Bundesrepublik Deutschland ein absolutes Pflichtstück von Shakespeare, das vom Lensing-Verlag in einer vereinfachten Ausgabe ad usum Delphini heraus gegeben wurde, für alle, denen die Originalsprache zu hoch war. Um die ging es ja auch nicht, sondern um den Inhalt. Nanu - was war denn daran so besonderes? Kannte man das nicht schon aus dem Geschichts-Unterricht? An den Iden des Märzes wird Caesar von einer Gruppe junger Senatoren um Brutus und Cassius ermordet, die befürchten, er könnte die edle Republik stürzen und nach der Alleinherrschaft als "Rex [König ]" streben. (Shakespeare hatte es mit den Königen, und gewisse Psycho-Analytiker haben versucht, sonst etwas daraus zu schließen; aber dem vermag Dikigoros nicht zu folgen.) Der Anschlag gelingt, doch das eigentlich Ziel nicht, denn Caesars Freund Marcus Antonius reißt die Macht an sich und besiegt im nachfolgenden Bürgerkrieg die Attentäter. Was macht Shakespeare aus dieser Geschichte? Nun, das bei ihm Übliche: Brutus zaudert vor dem Mord fast wie Hamlet: To kill or not to kill, das ist hier einmal mehr die Frage. Auch hier taucht ein Geist auf, diesmal halt der Geist Caesars, um der Handlung ihren Fortgang zu geben, usw. Aber was fanden die deutschen Nachkriegs-Politiker daran so bemerkenswert, daß es junge Gymnasiasten unbedingt gelesen haben müßten? Dem heutigen Leser mag diese Frage befremdlich erscheinen; aber unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war es in der BRD durchaus noch nicht ausgemacht, wie die Attentäter des 20. Juli 1944 moralisch zu bewerten seien. (Nein, sie unterfielen nicht der re-education; bei den Alliierten galten - und gelten sie z.T. noch heute - als feige Verräter, mit denen man nichts zu tun haben wollte.) Während sie heute offiziell als Helden gelten, und der Graf von Stauffenberg als "ehrenwerter Mann", so wie einst Brutus in Antonius' berühmt-berüchtigter Nachrufrede auf Caesar, war man nach dem Krieg sehr im Zwiespalt: Darf man seinen Eid brechen und, zumal mitten im Krieg, seinen Oberbefehlshaber ermorden, wenn sich das Kriegsglück der Gegenseite zuneigt und man glaubt, daß der Krieg ohnehin verloren sei und man damit seiner Seite noch höhere Verluste ersparen kann? Stauffenberg als zaudernder Gewissensmensch, der sich wie Brutus diese Frage stellt, machte sich natürlich gut - wo sonst in der Weltliteratur fand man eine so schöne, anspruchsvolle Parallele? Daß sowohl Stauffenberg als auch Brutus scheiterten und dieses Scheitern letztlich mit ihrem Leben zahlten, machte die Parallele zwischen diesen beiden Edelmännern doch nur noch augenfälliger. Und waren nicht auch Shakespeares Sympathien eindeutig auf Seiten der Attentäter? War der letztlich siegreiche Antonius nicht nur ein übler Demagoge? Mußte er nicht selber am Ende eingestehen, daß nie ein edlerer Mensch als Brutus war, ein echter Soldat, der nur aus den edelsten Motiven gehandelt hatte, kurzum: "Das war ein Mann!"

Ja, liebe Leser, das nimmt sich zumindest auf den ersten Blick gut aus: Caesar war auf dem Weg zur Diktatur (weshalb ihn der oben im Zusammenhang mit Othello erwähnte Orson Welles bereits 1935, also lange vor dem Attentat vom 20. Juli 1944, mit Hitler verglich und entsprechend auf die Bühne brachte), und die edlen Republikaner stellten sich ihm heldenhaft entgegen. Daß am Ende doch die Diktatur siegte, erst in Person des Antonius, dann - in der Fortsetzung - in Person des Octavian alias Augustus, war einfach Pech, oder, wenn man so will, "Schicksal". Warum hat Dikigoros dann oben geschrieben, daß er Stauffenberg eher mit Shakespeares Hamlet vergleichen würde als mit Shakespeares Brutus? Nun, weil einfach nichts zusammen paßt an dieser vermeintlichen Parallele: Abgesehen davon, daß der Attentäter Brutus den "Diktator" Caesar tötete, aber später Selbstmord beging, während der Attentäter Stauffenberg vom "Diktator" Hitler getötet wurde, der sich dann selber umbrachte, verdreht man auch Shakespeares Moral in ihr Gegenteil, wenn man ihm unterstellen will, daß er die Caesar-Attentäter nicht als Mörder, sondern als Helden der Republik zeichnen wollte. Das Motiv sollte Caesars "Ambition" sein, König zu werden? Aber auch Shakespeare lebte und schrieb unter einer Königin! Nie und nimmer hätte Julius Caesar die Zensur passiert, wenn es von den Zeitgenossen auch nur andeutungsweise als Rechtfertigung des Mordes an Caesar hätte [miß]verstanden werden können! Läßt Shakespeare nicht die Caesars Mörder von dessen Geist pisacken? Und läßt er nicht in der Schlußszene Antonius ausdrücklich sagen, daß die Verschwörer mit der einzigen Ausnahme des Brutus allesamt Schurken seien, die nicht aus Idealismus, sondern nur aus Neid auf Caesar gehandelt hatten? Nein, Shakespeare hätte sich bei dieser an den Haaren herbei gezogenen Parallele im Grabe umgedreht!

Und Caesar? Auch Shakespeare schrieb ja nur aus seinen Quellen ab; und zu seinen Lebzeiten - und noch lange danach - war sich die historische Forschung einig, daß Caesar tatsächlich nach der Alleinherrschaft strebte und daß die Attentäter die Republik verteidigen wollten. Doch seit den bahnbrechenden Forschungen des großen, vielleicht größten britischen Historikers des 20. Jahrhunderts, Ronald Syme (Dikigoros darf ihn doch als Briten bezeichnen, auch wenn er zufällig in Neuseeland geboren wurde - er lehrte in Oxford), die er 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, unter dem Titel "Die römische Revolution" veröffentlichte, wissen wir zweierlei: Caesar strebte keine Alleinherrschaft an, sondern allenfalls die Herrschaft seiner Clique; und die Attentäter strebten nicht das an, was wir heute unter "Republik" verstehen, sondern eben die Herrschaft ihrer Clique; beides waren kleine Adelscliquen - genauso wie der Kreis der Attentäter vom 20. Juli 1944 -, wobei Brutus & Co. tatsächlich den etwas älteren Adel repräsentierten, also, wenn man so will, das "bessere Recht" auf ihrer Seite hatten. Aber nun ist das mit dem Recht so eine Sache, liebe Leser. Nehmt mal an, ein oder mehrere Parlamentarier (das waren die Senatoren Brutus, Cassius und wie sie alle hießen, wenn man sie mal mit heutigen Positionen vergleichen will) gelangen zu der Auffassung, ein Kanzler (oder Consul) strebe nach der Alleinherrschaft und verletzte damit die Verfassung. So geschehen während der Kanzlerschaft des Herbert Frahm alias "Willy Brandt". Was taten Barzel & Co.? Sie nahmen Messer zur Hand, warteten die nächste Bundestags-Sitzung am 15. März 1972 ab und erstachen den Diktator, der Deutschlands Interessen verriet, eigenhändig - oder? Nein, das taten sie nicht, sondern sie stellten einen konstruktiven Mißtrauens-Antrag. Mit dem scheiterten sie zwar letztlich ebenso wie Brutus, Stauffenberg & Co., aber sie ersparten dem Land einen Bürgerkrieg, wie er zweifellos ausgebrochen wäre, wenn Stauffenberg, dieser Feigling, nicht vor der Detonation seiner Bombe davon gelaufen wäre, um sein bißchen verkrüppeltes Leben zu retten, sondern bis zum Schluß dabei geblieben wäre und Hitler notfalls eigenhändig umgebracht hätte. Wäre das besser gewesen? Oder moralischer? Schwer zu sagen - aber jedenfalls konsequenter. Geholfen hätte es freilich nichts; denn wie wir spätestens aus Churchills Memoiren wissen, hätten die Alliierten auch mit den Attentättern keinen Frieden geschlossen, sondern allenfalls ihre bedingungslose Kapitulation entgegen genommen (wozu die wiederum nicht bereit gewesen wären), da sie nicht gegen Hitler oder den National-Sozialismus Krieg führten, sondern gegen Deutschland. [Hitler wurde von ihnen bloß als Buhmann aufgebaut, um das eigene Volk bei der Stange zu halten, was ihnen bedeutend schwerer gefallen wäre, wenn Hitler einem Attentat zum Opfer gefallen wäre - Churchill bezeichnete ihn einmal cynisch als seinen "besten Verbündeten" gegen Deutschland.]

Und im Grunde genommen führen die Alliierten auch heute, rund 400 Jahre nach Shakespeare, noch immer ihren Krieg gegen Deutschland fort, halt mit so genannten "geistigen Waffen" - zu denen natürlich auch Neu-Interpretationen der Stücke Shakespeares zählen. Allen voran "moderne" amerikanische Regisseure haben dies in diversen, mehr oder weniger mißlungenen Verfilmungen versucht, noch einmal verstärkt in den 90er Jahren nach der "Wieder"-Vereinigung von BRD und DDR, die ursprünglich als Bedrohung empfunden wurde (ursprünglich, d.h. bevor man erkannte, daß sie Deutschland ruiniert hatte), so in "Othello", "Hamlet" und vor allem "Richard III von Richard Loncraine. In jenem Machwerk wird Richard als Verschnitt aus Kaiser Wilhelm II (mit verkrüppeltem linken Arm), Hitler (mit Schnurrbart) und Heydrich (in schwarzer SS-Generals-Uniform) interpretiert. Bezeichnend ist, daß dieser Schundstreifen zwar vergeblich für den "Oscar" nominiert wurde, aber auf der Berlinade immerhin den "Silbernen Bären" zuerkannt bekam - und das sicher nicht deshalb, weil etwa die Jury den Treppenwitz erkannt hätte, daß Richard III und Wilhelm II eigentlich nur eines gemeinsam hatten: die ungerechtfertigte Verunglimpfung vor der Geschichte.

"The rest is silence [Der Rest ist Schweigen]." (Hamlet V, 2)

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