GIFT IM HERZEN UND IM HIRN . . .
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Elizabeth Taylor als Kleopatra VII. von Ägypten

(und Rex Harrison als C. I. Caesar und Richard Burton als Marc Anton)
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JOSEPH L. MANKIEWICZ: CLEOPATRA

[Filmplakat 1963]

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite:
Die [un]schöne Welt der Illusionen)
(FORTSETZUNG VON TEIL I)

Zurück zum Film. Der kluge Mann sorgt vor - so auch Caesar. Alsbald rückt ein Entsatzheer an und haut ihn raus. Er hält Gericht über den Farao und seine Ratgeber und macht Kleopátra zur Alleinherrscherin - und zu seiner Geliebten. Sie wird von ihm schwanger und wälzt gemeinsam mit ihm Zukunftspläne, die in der Kurzfassung leider wieder der Schere zum Opfer gefallen sind. Leider, weil sie zeigen sollen, daß diese Pläne ganz alleine von Kleopátra ausgehen - während Caesar als alter, erfahrener Mann eher skeptisch bleibt: Er solle in die Fußstapfen Alexanders des Großen treten, drängt sie ihn, und die Welt unterwerfen: Ein Volk, ein Reich, ein Führer, pardon: "One world, one nation, one people [eine Welt, ein Staat, ein Volk]!" Schwachsinn, bei dem Caesar mit Recht skeptisch bleibt? Gewiß, aber so dachte es sich Alexander in der Tat mit seinen verrückten Mischehen, die er per Massenhochzeiten organisierte; und ganz auszurotten sind solche Flausen ja bis heute nicht. Freilich glaubt Dikigoros nicht, daß ausgerechnet Kleopátra, jenes Produkt einer generationenlangen Inzucht, solche Gedanken hegte; er glaubt nicht mal, daß Caesarion Caesars Sohn war - wahrscheinlich hatte Kleopátra ihn sich noch von ihrem Bruder und Mitfarao machen lassen. Warum hat Caesar ihn dann anerkannt? Pardon, liebe Leser, wie kommt Ihr denn darauf? Ach so, im Film tut er das ja noch in Alexandria, bevor er nach Rom zurück kehrt. Aber das ist ein Märchen: Caesarion wurde erst nach Caesars Abreise aus Ägypten geboren, und er hat ihn nie offiziell anerkannt (wie es auch keinen offiziellen Beleg gibt, daß er Kleopátra geheiratet hat - und sei es nur nach ägyptischem Ritus). Und wenn er es doch getan hätte? Dann hätte man dafür Verständnis haben müssen: Für einen Mann wie Caesar war es eine persönliche Tragödie, keinen männlichen Erben zu haben, ja eigentlich überhaupt keinen, denn aus erster Ehe - mit Cinnas Tochter - hatte er nur eine Tochter gehabt, und die war wie gesagt gestorben; seine zweite Frau Pompeia - Sullas Enkelin - und seine dritte Frau Calpurnia - die er erst ein Jahr vor Farsalos geheiratet hatte - war kinderlos; und daß er jenen krummen Hund von Großneffen namens Octavian adoptiert hatte, war nur ein schwacher Trost. Halt, da war doch noch etwas: Brutus. Ja, der war sein leiblicher Sohn; jeder wußte, daß Caesar ein Verhältnis mit dessen Mutter Servilia gehabt hatte - sie war seine erste und wahrscheinlich einzige große Liebe, die er geradezu vergöttert hatte, und das in aller Öffentlichkeit. Der Ärger war nur, daß ihr Mann ein Spielverderber war und Brutus einfach als seinen eigenen Sohn anerkannte. (Aber nur, um Caesar zu ärgern; zu tun haben wollte er mit dem Kuckucksei nichts und schob es ab zu seinem Schwager Servilius, der den Bastard seiner Schwester wohl oder übel adoptierte.) Nach römischem Recht - der Vaterschaftstest war noch nicht erfunden - galt man als Kind dessen, der die Vaterschaft anerkannte, und das erste Recht zu einem solchen Anerkenntnis hatte nun mal der Ehemann der Mutter. Caesar sollte also von seinem eigenen, einzigen Sohn ermordet werden, und seine letzten Worte waren wohl nicht von ungefähr: "Auch Du, mein Sohn Brutus?!"

[von Brutus geprägte goldene Gedenkmünze...] [... auf die Ermordung seines natürlichen Vaters Caesar an den Iden des März]

Aber Dikigoros hat vorgegriffen. Während Caesar noch in Alexandria bei Kleopátra ist, hat Marcus Antonius seinen ersten Liveauftritt im Film: Er sucht Calpurnia auf, um sie möglichst schonend auf die ägyptische "Nebenfrau" ihres Mannes vorzubereiten - und deren Sohn Caesarion. Aber sie weiß schon bescheid und reagiert halbwegs gelassen: Sie füllt Antonius ordentlich mit Alkohol ab und schickt ihn so in den Senat, vor dem bereits einige Abgeordnete gute Gespräche führen. Der brave Cicero ("Kikero" gesprochen, nicht "Tsitsero" - er wurde so genannt nach der großen Warze auf seiner Nase, die an eine Kichererbse erinnerte :-) sorgt sich um die Republik - will Caesar etwa das Königtum wieder einführen und die segensreiche parlamentarische Demokratie abschaffen? Ja ja, die römische Republik, Vorbild für all die schönen Demokratien unserer Zeit... Ihr müßt sie Euch als eine Art Mehrfamilien-Oligarchie vorstellen: Der Hochadel, die "Nobiles" (inzwischen längst nicht mehr nur "Patrizier", sondern auch "Plebeier" - nicht zu verwechseln mit der Masse des Volkes, der Plebs, die Ihr doch bitte nicht immer "Pläpps" aussprechen wollt, liebe deutsche Leser - das "e" ist geschlossen, und das "b" ist weich!), stellten die Inhaber der wichtigsten Staatsämter, wobei die Amtsdauer auf jeweils ein Jahr beschränkt war. (Ihr meint, das sei doch gut, da es der Korruption vorgebeugt habe? Ihr irrt - je kürzer die Amtszeit, desto mehr ist der Beamte darauf bedacht, sich möglichst schnell zu bereichern!) Wer Glück hatte und bis zum Consul aufstieg, konnte hinterher Proconsul werden und bekam dann eine Provinz zur persönlichen Ausbeutung. Wer Pech hatte, kam als abgehalfterter Politiker a.D. ins Opa-Parlament ("Senat") nach Rom, so wie er heute ins EurOpa-Parlament nach Brüssel kommt. Und so ist es nicht verwunderlich, daß dessen Größe immer mehr anschwoll - bis zu Sullas Zeiten waren es 300 Sesselpupser, seitdem 600, die sich in Regierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung einmischten. (Anwesend war freilich - wie heute - immer nur ein Bruchteil, das stellt Mankiewicz durchaus richtig dar :-) Große Reden wurden zum Fenster hinaus gehalten - manchmal sogar gedruckt und so der Nachwelt erhalten, wie die Ciceros. Aber die wirklich wichtigen Enscheidungen wurden im stillen Kämmerlein ausgekungelt - auch wie heute. Ihr glaubt doch nicht, daß die Senatoren über den Sturz des Kanzlers, pardon über die Ermordung Caesars, in offener Debatte diskutierten? Eben. Und umgekehrt? Trat irgendjemand offen auf und sagte: Wir müssen diesen verdammten Parlamentarismus mit seiner korrupten Klüngelwirtschaft endlich abschaffen und eine neue, vernünftige Regierungsform einführen? Wer so dachte, hielt jedenfalls erstmal schön den Mund. Und einer dachte mit Sicherheit schon so: der junge Octavian, der hier seinen ersten Filmauftritt hat. Wenn Dikigoros oben Caesar mit Stalin und Mao Tse-tung verglichen hat - mit wem aus dem 20. Jahrhundert will er dann Marcus Antonius und Octavian vergleichen? Der letztere fällt ihm leichter: Körperlich nicht gerade ein kraftstrotzender Prachtkerl, hätte er doch gerne seine Volksgenossen so gesehen. Er war Rassist, verbot Mischehen und erschwerte Einbürgerungen - die Römer waren schließlich das Herrenvolk und sollten es auch bleiben. (Die Hebung der Geburtenziffer war ihm ein besonderes Anliegen; er hätte wohl auch das Mutterkreuz eingeführt, wenn das Kreuz als Symbol schon erfunden gewesen wäre - aber die Christen seiner Zeit gebrauchten als solches noch den Fisch.) Bei Versorgungsengpässen ließ er Sklaven und andere Ausländer aus Rom deportieren - sollten die doch als erste [ver]hungern. Er selber war Vegetarier (aß bevorzugt trocken Brot und Weintrauben), förderte das Theater (Kino und Fernsehen gab es noch nicht), ließ die bis dahin schönsten Olympischen Spiele aller Zeiten ausrichten und viele großartige Gebäude bauen (und die Vorläufer der Autobahnen). Mit Fremdsprachen hatte er es nicht so sehr - im Gegensatz zu seinem Großonkel Caesar sprach er nichtmal ordentlich Griechisch -; seine Devise lautet vielmehr: "Römer sprich Römisch!" Erinnert Euch das alles an jemanden? Eben - und genauso wie der wäre auch Augustus geendet, wenn er nicht das Glück gehabt hätte, daß damals Amerika noch nicht entdeckt war, daß in Britannien kein Churchill saß (Kirchhügel gab es noch nicht) und in Georgien kein Stalin (der Stahl war noch nicht erfunden; das römische Schwert war aus Gußeisen). Und in Rom? Ach wißt Ihr, liebe Leser, die Römer waren damals - wie die Deutschen 1933 -, nach so vielen Jahren des Hungers, der Not und der Straßenkämpfe bereit, jeden zu akzeptieren, der ihnen wieder Brot und Spiele (nein, nicht Freiheit und Brot - das war später) und vor allem Ruhe und Ordnung brachte, egal mit welchen Mitteln - wollt Ihr ihnen das verdenken?

[Exkurs. Derjenige, von dem eben die Rede war, teilte Dikigoros' Auffassung nicht; er verstand sich vielmehr als neuer Periklís, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt: Er selber sah wohl nur die ihm angenehmen Parallelen - Periklís war Rassist (seine Rassengesetze standen denen von Nürnberg in nichts nach, waren im Gegenteil noch viel strenger), ein großer Baumeister und ein großer Redner (wiewohl der Ehrentitel "Đämagωgós", den ihm die Athener verliehen, damals noch eine andere Bedeutung hatte als "Demagoge" heute, nämlich "Volksführer"). Aber durch sein Bündnis mit Kérkyra (Korfu) gegen Sparta beschwor er den Peloponnesischen Krieg herauf, an dessen Ende sowohl Athen als auch Sparta ihre Reiche verloren, und dessen Sieger eine ganze andere, überseeische Macht war, nämlich die Vereinigten Staaten von Persien. Exkurs Ende.]

[Richard Burton als Marcus Antonius]

Marcus Antonius ist schwieriger. Seine Biografen behaupten zwar, daß er seinem Namen alle Ehre gemacht habe ("Antonius" ist die lateinische Form des griechischen "Adonis") und aussah wie eine Statue des Hercules (das ist die lateinische Form des griechischen "Rehakles", pardon "Härakläs [Ruhm der (Göttermutter) Hära]"). Nun, auf seinen Körper mag das zugetroffen haben. [Er trug bevorzugt Mini, nicht nur den Waffenrock, sondern auch die Toga stets hoch gerafft, damit jeder (und jede :-) seine schönen, muskulösen Oberschenkel sehen konnte, deshalb war es eine schlechte Idee von Mankiewicz, ihm einen General auf seine flapsige Bemerkung, nackt sehe eine Königin auch nicht anders aus als andere Frauen, erwidern zu lassen, daß ein Feldherr nackt auch nicht anders aussehe als andere Soldaten.] Aber sein Gesicht war ausweislich der erhaltenen Münzprägungen das eines fetten, verlebten Säufers; das Denkmal, das Arthur Strasser - wohl in Anlehnung an die Büste im Budapester Museum der schönen Künste - für die Weltausstellung von 1900 in Paris schuf (heute steht es in Vindobona, pardon in Wien) kommt ihm wahrscheinlich recht nahe - jedenfalls viel näher als das des ranken und schlanken Richard Burton, wie Mankiewicz ihn im schnittigen Zweispänner bei Calpurnia vorfahren läßt. Vielleicht erinnerte er Kleopátra an ihren Vater? Dikigoros erinnert er am ehesten an einen anderen Italiener, der sein Glück auch im östlichen Mittelmeerraum suchte und jämmerlich scheiterte; doch das ist im Vergleich mit den anderen Parallelen etwas weit hergeholt, und Dikigoros besteht nicht darauf; wenn jemand eine bessere Idee hat, läßt er sich gerne belehren.

[Antώnios avtokratωr (Selbstherrscher - der Titel, den später die 
russischen Tsaren übernehmen sollten)] [Büste des Antonius im Museum der schönen Künste, Budapest] [Denkmal auf Marc Anton von Arthur Strasser, Wien]

Aber Dikigoros hat schon wieder vorgegriffen. Noch lebt Caesar, noch regiert er Rom. "Regiert"? Nein, dieses Wort hätten die Römer nicht gebraucht, denn es kommt von "Rex", König. Und daß irgend ein Herrscher, egal mit welcher Machtfülle ausgestattet, sich "Rex" nennen könnte, das war so undenkbar, als wenn sich heute irgend ein Herrscher, egal mit welcher Machtfülle ausgestattet, "Führer und Reichskanzler" nennen würde - es war Anáthema. [Insofern ist es besonders pikant, daß Caesars Rolle ausgerechnet mit einem Schauspieler namens "Rex" besetzt wurde. Und da wir gerade beim Thema sind: Es wäre auch undenkbar, einem englischen König den Vornamen des Schauspielers zu geben, der den Marcus Antonius spielt: Zwar gelten alle drei Richards als große Feldherren, Richard Löwenherz aus unerfindlichen Gründen sogar als großer Herrscher, aber Richard III wurde von der Tudor'schen Propaganda in einem solchen Maße zum "Teufel in Menschengestalt" verzerrt wie es erst wieder im 20. Jahrhundert mit Wilhelm II und Hitler geschehen sollte, und das wirkt bis heute fort.] Doch nun hat der Senat Caesar endlich zum "Dictator" (das ist wörtlich der, "der das Sagen hat") und zum Imperator ernannt - auf Lebenszeit! Wo ist da bitte noch der Unterschied? Das fragt sich im Film auch Kleopátra, als sie im fernen Alexandria diese Nachricht erhält. General Rufus versucht, es ihr behutsam zu erklären, aber sie ist nicht zu bremsen - schließlich hat sie drei Jahre darauf gewartet, Caesar wieder zu sehen - und bricht sogleich nach Rom auf. Im Film gönnt Mankiewicz ihr (und dem kleinen Caesarion) aus diesem Anlaß einen pompösen Auftritt dortselbst, der jeden Triumfzug in den Schatten stellt. Und der Pöbel, pardon das Volk jubelt ihr zu.


Aber ach, liebe Leser, Kleopátras Einzug in Rom - den Juan Sánchez de Toro auf seiner Webseite Kinoparadies "die beeindruckendste Szene der Filmgeschichte" genannt hat - ist von Mankiewicz frei erfunden. [Oder jedenfalls fast. Es sollte einige Jahre später tatsächlich einen vergleichbaren Triumfzug Kleopátras geben; aber da war Caesar schon tot, und er fand auch nicht in Rom statt, sondern in Alexandria, nach einem Rachefeldzug Antonius' gegen die Armenier, die ihm bei seinem Partherfeldzug in den Rücken gefallen waren und so seine Niederlage verursacht hatten; Antonius führte die armenische Königsfamilie nackt in Ketten mit und präsentierte sie so der Kleopátra, die hoch auf einem Thron saß, der dem im Film nahe gekommen sein dürfte - ein Schauspiel, das sie nie vergessen sollte, zumal die gefangenen Royals sich weigerten, sie als Göttin anzubeten und dafür in aller Öffentlichkeit ordentlich ausgepeitscht wurden. Warum Mankiewicz diese - entschärfte - Szene zeitlich so weit nach vorn und räumlich so weit nach Westen verschoben hat? Dikigoros weiß es nicht. Vielleicht wollte er die imposantesten Szenen einfach nur etwas ausgewogener verteilen; vielleicht scheute er sich auch, den Armenienfeldzug zu erwähnen - die Armenier in den USA waren ja gerade dabei, sich ihr eigenes Shoa-business aufzubauen; und die Behandlung, die Antonius ihren Vorfahren hatte angedeihen lassen, war sicher nicht viel besser als die der Türken anderthalb Generationen zuvor, und das war nicht die einzige Parallele, denn beide Male hatten die Armenier unzweifelhaft einen Verrat begangen, der diese Behandlung heraus forderte, einmal am Osmanischen Reich, das im Krieg gegen das Tsarenreich stand, einmal am Römischen Reich, das im Krieg gegen die Parther stand. Die Hintergründe des letzteren sind schwer zu durchschauen, denn eigentlich waren die Armenier und die Perser einander nie so recht grün, auch wenn die ersteren noch keine Christen und die letzteren noch keine Muslime waren; man kann nicht ausschließen, daß Octavian seine Finger mit im Spiel hatte, um Antonius ins Verderben zu führen.] Frei erfunden ist wie gesagt auch Caesars Ehe mit Kleopátra; selbst wenn eine solche nach ägyptischem Ritus geschlossen worden wäre, dann wäre sie nach römischem Recht unwirksam gewesen; deshalb brachte Caesar die Kleopátra schön unauffällig auf einem Gut außerhalb der Stadt Rom unter - mitsamt ihrem jüngeren Bruder, den sie nach dem Ableben des älteren geheiratet hatte - und hütete sich auch, sie mit irgendwelchen Politikern zusammen zu bringen. Sie, das machtlose Pro-forma-Oberhaupt eines römischen Vasallenstaates, hatte in Rom etwa so viel zu bestellen wie es Angela Merkel in Washington hätte, wenn sie dorthin zöge. (Warum ging sie dann überhaupt hin? Dikigoros weiß es nicht, und er kennt auch keinen Historiker, der diese Frage mal ernsthaft gestellt, geschweige denn beantwortet hätte - es ist ja so viel einfacher, alles mit "Liebe" zu erklären.) Wie dem auch sei; es nahen die Iden des März. (Der Monat hieß schon so - er war nämlich nach Mars, dem römischen Kriegsgott, benannt.) Kleopátra war bei der Ermordung Caesars durch Brutus, Cassius & Co. nicht zugegen - wie löst man dieses Problem als guter Regisseur? Fälscht man die Geschichte so dreist, daß man Kleopátra zur Abgeordneten macht und das alles im Senat mit erleben läßt? Nein, das hätte ihm denn doch niemand abgenommen. Aber im heiligen Feuer der Wahrsagerin kann Kleopátra doch eine Vision gehabt haben, in der sie das alles vor sich sah? Na klar, gesagt, getan - und sehr eindrucksvoll. Kleopátra zieht die Konsequenzen, verläßt Rom - von Marcus Antonius persönlich verabschiedet - und nimmt mit Caesarion das nächste Schiff zurück nach Ägypten. Ende Teil I. [Mankiewicz erspart uns die komplizierten Auseinandersetzungen zwischen Caesars Mördern, pardon Attentätern (oder doch Mördern? Schließt sich das eigentlich aus?) und seinen Erben; im Film klafft hier eine Lücke von zweieinhalb Jahren - auch in der Langfassung, die wie gesagt nur um Dialoge und Motive gekürzt wurde, nicht um Fakten. Respektieren wir das - der Film ist schließlich aus Kleopátras Sicht gedreht - und belassen es dabei.]

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Griechenland, Oktober 42 v.C., Filippi. Marc Anton betritt das Zelt des Octavian, der im Bett liegt: "Die Schlacht ist gewonnen, jetzt wirst du dich sicher gleich wieder gesund fühlen," pflaumt er ihn an; damit will Mankiewicz andeuten, daß sich Octavian vor dem persönlichen Einsatz in der Schlacht gedrückt habe. [Da tut er ihm Unrecht. Er hatte schon mit gekämpft, wenngleich ziemlich stümperhaft. Doch auch Antonius hatte sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. (Er hätte einen erstklassigen Stabsfeldwebel abgegeben, aber der Posten eines Strategen - griechisches Wort für General - war ihm mehrere Nummern zu groß.) Sie hatten nur Glück, daß die beiden Oberkommandierenden auf der Gegenseite noch unfähiger waren. Die Doppelschlacht von Filippi muß eine der verrücktesten der Weltgeschichte gewesen sein, irgendwo zwischen Lützen 1632 und Torgau 1760 anzusiedeln. Zunächst schlug Antonius den Cassius und Brutus den Octavian. Daraufhin beging Cassius, der glaubte, daß alles verloren sei, Selbstmord. Nach einigen Tagen Pause folgte der zweite Gang, an dessen Ende Brutus glaubte, daß alles verloren sei und ebenfalls Selbstmord beging - damit war dann in der Tat alles verloren für die Sache der "Republik" oder genauer gesagt die des anti-caesarianischen Senats.] Aber trotz ihrer deutlichen Antipathien schließen Antonius und Octavian ein neues Triumvirat (zusammen mit Lepidus, der freilich im Film nicht auftaucht), deren wichtigstes Ergebnis die geografische Machtverteilung ist: Octiavian bekommt den Westen, Antonius den Osten. (Lepidus bekommt den Süden - Afrika -, dort stört er niemanden :-)

Palästina, 41 v.C.: Antonius ist mit seinem Heer angerückt und wünscht seine Vasallin Kleopátra zu sehen. (Ja ja, liebe Leser, offiziell war Ägypten kein Vasall Roms, sondern dessen souveräner Verbündeter; aber nach offizieller Lesart war auch die DDR ein souveräner Verbündeter der Sowjet-Union, und die BRD ist ein souveräner Verbündeter der USA; Kleopátra, pardon Angela, wäre zutiefst empört, wenn man ihr etwas anderes, womöglich gar die traurige Wahrheit, erzählen würde :-) Nach einigen - für die Diplomatie nicht nur der Antike typischen - Streitigkeiten um Ort und Zeit einigen sie sich auf Tarsos als Jahrmarkt der Eitelkeiten. Kleopátra hat ihren großen Auftritt als Göttin Isis (oder Afrođítä?), Antonius gibt den Điónysos (freilich nur in der Realität, denn die Szene ist - anders als die in Rom - historisch bezeugt; bei Mankiewicz beschränkt sich die Show auf Liz Taylor, pardon auf Kleopátra - Antonius bleibt ganz "normal"). Die beiden sind schwer von einander beeindruckt, gestehen sich ihre Liebe und werden ein Paar. So weit, so gut. Leider bringen Kleopátras Spione bald schlechte Nachrichten aus Rom: Octavian reißt immer mehr Macht an sich; ein neuer Bürgerkrieg droht; Antonius muß dringend nach dem Rechten sehen. Zu diesem Zweck reist er denn auch ab, und Kleopátra harrt einmal mehr der Dinge und Nachrichten, die da kommen sollen. Als sie kommen, sind sie höchst unerfreulich: Antonius hat sich in Brundisium mit Octavians Schwester Octavia vermählt! (Mankiewicz führt uns die Besprechung, in der Octavian beschließt, sie zu verheiraten, kurz vor, sie bleibt bewußt farb- und eindruckslos.) Kleopátra kocht vor Wut ob so viel Treulosigkeit; und als Antonius nach dem vermurksten Parther-Feldzug (s.o. - Mankiewicz hat ihn wie gesagt ausgelassen) wieder bei ihr aufkreuzt, läßt sie ihn das deutlich spüren und stellt ihre Bedingungen für eine Versöhnung: Abtretung Cyperns, Palästinas, pardon Syriens und diverser anderer Gebiete in Afrika und Nahost. Antonius gibt sich verzweifelt: Das kann er doch gar nicht - schließlich sind das römische Gebiete! Aber am Ende ändert er seine Meinung doch - eigentlich hat ja Caesar diese Gebiete einst erobert, und als formaler Herrscher über sie soll ja sein Sohn Caesarion eingesetzt werden - warum also nicht? Und von Octavia läßt er sich brav wieder scheiden. Nun kocht in Rom Octavian seinerseits vor Wut; und er beginnt, den Senat systematisch gegen Ralph Anton, pardon, gegen Marc Anton aufzuhetzen. [Dikigoros ist da ein falscher Name in die Tastatur gerutscht, weil er gerade an eine ebenso infame, pardon eine des Octavian würdige Hetzkampagne denken muß, die von linken Medien gegen den Betreiber einer umfangreichen historischen Webpräsenz betrieben wird, die zwar nicht von römischen "Schutzgebieten" in der Antike handelt, sondern von deutschen "Schutzgebieten" im Kaiserreich, die aber mehr Zugriffe hat als all die politisch-korrekten Webseiten der Bundesregierung zusammen, insbesondere der Ergüsse des "Deutschen Historischen Museums", dessen "Lebendiges virtuelles Museum Online" eigens zum Zwecke der Volksverdummung geschaffen wurde... Entschuldigt bitte die Verwechslung.]

Aber da hat Mankiewicz etwas zu sehr mit dem Zeitraffer gearbeitet; und anders als bei den zweieinhalb Jahren zwischen Caesars Tod (beachtet bitte Dikigoros' strikt neutrale Ausdrucksweise :-) und der Schlacht von Filippi handelt es sich jetzt um wesentliche Fakten, von denen auch Kleopátra gewußt haben muß, die wir also nicht schlabbern dürfen, wenn wir uns ein zutreffendes Bild von ihr machen wollen. Bei der Aufteilung der Interessensfären zwischen den Triumviren war Italien ausgeklammert worden, genauer gesagt sollte es "gemeinsam" verwaltet werden, zum einen von Octavianus - der in Rom blieb -, zum anderen von Marcus Antonius' jüngerem Bruder Lucius Antonius als zweitem Consul und seiner - Marcus'! - Ehefrau Fulvia. Wie, Ihr wußtet gar nicht, daß Marcus Antonius verheiratet war? (Mankiewicz wußte es offenbar auch nicht, ebenso wenig "seine" Cleopatra - oder jedenfalls regte sie sich darüber nicht auf und forderte ihn keineswegs auf, sich von Fulvia scheiden zu lassen.) Im Ernst: Antonius war Ende 40 - glaubt Ihr, der hätte bis dahin als Mönch gelebt? (Fulvia sah das übrigens ebenso wenig eng: Unmittelbar bevor er nach Ägypten reiste, hatte ihr Mann ein Verhältnis mit einer gewissen Glafyra, der er dafür das "Königreich" Kappadokien schenkte - das sie zusammen mit ihrem Sohn Caearion, pardon, ihrem Sohn Archailaios Sisinn, regierte. Na und? Regte das irgend jemanden auf? Vielleicht den Senat in Rom, weil Antonius doch römische Gebiete "verschenkte"? I wo - nicht die Bohne!) Fulvia und Octavian waren einander spinnefeind, und dafür gab es jede Menge guter Gründe. Der wichtigste aus Fulvias Sicht war, daß sie seine Schwiegermutter a.D. war: Sie hatte ihm ihre Tochter aus erster Ehe aufs Auge gedrückt - ein noch nicht mannbares Kind -, und er hatte sie mit bestem Dank und unberührt wieder zurück geschickt, nebst Scheidungsbrief (s.u.). So etwas vergißt eine Frau nicht; und deshalb geben manche Historiker der unversöhnlichen Fulvia die subjektive Schuld am Wiederausbruch des Bürgerkriegs. Aber dafür gab es auch andere, objektive Gründe, und an denen trug Octavian die Schuld - wenn man denn mit den Maßstäben von "Schuld" und "Unschuld" messen will, denn er steckte in einer Zwickmühle: Er sollte die Bürgerkriegsveteranen - rund 100.000 Mann - entlassen und irgendwie versorgen. Von Rechts wegen hatten sie alle Anspruch auf ein Stück eigenes Land - aber der Staat hatte keine 100.000 Reichserbhöfe frei, und Octavian konnte sie sich auch nicht aus den Rippen schneiden. Woher also nehmen und nicht stehlen? Die Frage ist falsch gestellt, liebe Leser, denn es gab nur eine Alternative zum Stehlen: Rauben! Octavian enteignete einfach 100.000 Bauern - und die klagten Fulvia ihr Leid, die diese Willkür nicht hinnehmen wollte - voilà, schon haben wir erneut Bürgerkrieg. Die Soldaten fluchten: Sie wollten nach Hause; aber ihr Zuhause sollten sie sich erst mit der Waffe in der Hand - und unter erneutem Einsatz ihres Lebens - erobern.

In dieser Situation landete Antonius in Brundisium (dem heutigen Brindisi) und schnitt Octavian auch noch von der Getreidezufuhr ab (die eh im Argen lag, weil sich der Sohn des Pompeius auf Sizilien festgesetzt hatte und von dort eine Seeblockade zwischen Italien und Nordafrika, der Kornkammer Roms, aufgezogen hatte). Was nun? Octavian befand sich in einer verzweifelten Lage - eigentlich hätte er kapitulieren und auf die Gnade des Siegers hoffen müssen. Dem Antonius seine Schwester als Preis für den Frieden anbieten? Aber die war erstens keine besonders attraktive Partie (sie war schon Witwe, also Gebrauchtware), und zweitens war Antonius doch, wie wir eben gesehen haben, schon (bzw. noch :-) verheiratet, mit Fulvia. Hm... Konnte man da nicht ein wenig nachhelfen? Ihr werdet es nicht glauben, liebe Leser, aber just in diesem Moment starb Fulvia aus unbekannten Gründen eines natürlichen Todes. Glaubt Ihr das? Zumal wenn Ihr wißt, daß die Geschichte jener Jahre von den Kreaturen des Augustus (wie sich Octavian später nennen sollte) nieder geschrieben wurde? Ja, glaubt Ihr denn, was heute über die Vorgeschichte, die Geschichte und die Nachgeschichte des Zweiten Weltkriegs in den Geschichtsbüchern steht? Dann ist Euch nicht zu helfen, pardon, Dikigoros wollte sagen: Dann dürft Ihr selbstredend auch glauben - wie alle staatlich besoldeten Historiker -, daß Fulvia gerade zur rechten Zeit rein zufällig eines natürlichen Todes starb. (Immerhin war sie schon über 30, litt also vermutlich bereits an Altersschwäche :-) Damit nicht genug: Als Antonius sich anschickte, militärisch gegen Octavian vorzugehen, begannen auch seine Soldaten zu murren - besonders die älteren Dienstgrade: Sie hatten die Schnauze gestrichen voll von sage und schreibe 48 Jahren Bürgerkrieg (seit 88 v.C., mit kurzen Unterbrechungen, die aber auch keine Friedenszeiten waren, sondern ausgefüllt mit auswärtigen Kriegen), drohten offen mit Meuterei und zwangen so die beiden Streithähne, sich zu arrangieren. Zu diesem Arrangement gehörte auch die Heirat zwischen Antonius und Octavia, und so schlecht war die ja nun auch nicht, wie Kleopátra sie im Film macht, als sie behauptet, sie ginge vor lauter Tugendhaftigket sogar voll bekleidet ins Bett: Immerhin war sie fast 20 Jahre jünger als Antonius und schenkte ihm drei Kinder. (Daß es allesamt "nur" Mädchen waren, war ihr persönliches Pech - und seines, und das ganz Roms. Der Dichter Vergilius hatte, als Octavia schwanger wurde, in Erwartung eines Sohnes schon ein Gedicht auf den kommenden Messias und ein Goldenes Zeitalter voll Glück und Frieden geschrieben - das später die Christen auf ihren komischen Heiligen aus Nazareth ummünzen sollten, ebenso wie aus der Propaganda des Augustus die Behauptung, der "filius Divi [Sohn Gottes]" und unter dessen Stern geboren zu sein, bloß daß sie das statt auf den [ver]göttlich[t]en Caesar auf den jüdischen Gott Jahwe bezogen und den Stern kurzerhand nach Bethlehem versetzten :-) Daß sich Kleopátra über jene Ehe so viel mehr echauffiert haben sollte als über die mit Fulvia ist indes schwerlich glaubhaft - und ihre Forderung nach "Abtretung" einiger Randprovinzen an Ägypten dürfte damit herzlich wenig zu tun gehabt haben.

Dennoch wurde diese Abtretung bald zum propagandistischen Hauptstreitpunkt zwischen Antonius und Octavian - und zwischen den Historikern. Als Dikigoros anfing zu studieren, belegte er auch ein paar Semester alte Geschichte, obwohl er kein Altgriechisch (und damals noch nicht mal Neugriechisch) verstand, die Quellen also nicht im Original lesen konnte. Seine Kommilitonen auch nicht - aber die machten es einfach zu plump, schrieben mehr oder weniger wörtlich aus den deutschen Übersetzungen ab, die ihre Professoren natürlich auch kannten und den Schwindel gleich bemerkten. Dikigoros eignete sich dagegen kurz die Grundzüge der griechischen Syntax an (das war nicht besonders schwierig, wenn man schon mehrere andere Fremdsprachen beherrschte), nahm sich die englischen Ausgaben vor - die ohnehin besser waren als die deutschen - und übersetzte sie mit pseudo-griechischer Syntax ins Deutsche, besser als jeder deutsche Direkt-übersetzer. (Verzeiht ihm seine Unbescheidenheit, wenn er an dieser Aussage auch nach vielen Jahrzehnten noch festhält :-) Seine Professoren - darunter so verdiente alte Nazis, pardon Humanisten (schließt sich das eigentlich aus?) wie der selige Johnny Straub - waren begeistert ob seiner vermeintlichen Griechisch-Kenntnisse und meinten, er müßte unbedingt Historiker werden. Aber Dikigoros las nicht nur den Pflichtstoff, sondern auch andere Bücher englisch-sprachiger Historiker, die in Deutschland weitgehend unbekannt waren (und sind). Die Lektüre eines jener Werke wurde für ihn zum Schlüssel-Erlebnis: Der als Professor im britischen Oxford lehrende Neuseeländer Ronald Syme schrieb über "Die Römische Revolution" Dinge, die alles über den Haufen warfen, was man an deutschen Schulen und Universitäten an banalem Zeug lehrte (und lehrt). Und plötzlich begriff Dikigoros, daß das, was den Studenten da als offizielle "Geschichte" vorgesetzt wurde (und wird), entgehen dem Namen nicht das war, "was geschehen ist", sondern nichts weiter als eine groß angelegte Fälschung mit dem Zweck der politischen Verdummung - und zwar nicht nur der antiken Geschichte, sondern auch der mittelalterlichen und erst recht der neuzeitlichen. Er brach sein Geschichts-Studium ab, wurde Jurist und betreibt fortan historische Studien nur noch zu seinem Privat-Vergnügen. Ronald Syme hat das Werk, mit dem er berühmt (und in gewissen Kreisen berüchtigt :-) wurde, zum Glück bereits 1939 verfaßt und veröffentlicht - kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs; danach wäre ein solches Werk aus politischen Gründen nicht mehr opportun gewesen, nirgendwo mehr auf der Welt, vor allem nicht in den so genannten "Demokratien" und "Republiken". (Den Rest seines Forscherlebens sollte Syme historischen Biografien der großen Entdeckungsreisenden widmen, womit er unerreicht geblieben ist - die einzigen, die es noch nicht gemerkt haben, sind die Deutschen; jedenfalls ist bis heute keine einzige seiner zwei Dutzend Biografien ins Deutsche übersetzt worden.) Er räumte auf mit all den dümmlichen Klischees über die römische Republik im allgemeinen und über Caesar, Antonius und Octavian (alias Augustus) im besonderen - und über Kleopátra. Die hohe Politik, wie Syme sie beschreibt (und das, ohne die Geschehnisse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu kennen!) besteht darin, den politischen Gegner zu verunglimpfen. Da ist freilich zu differenzieren: Der innenpolitische Gegner muß klein gemacht werden, zu einem erbärmlichen Wicht, der dumm und faul, korrupt und feige, gefräßig und versoffen ist, der seine Frau betrügt und auf Staatskosten nach Cypern oder Alexandria reist, um dort mit einer Königin herum zu huren (notfalls tut es auch eine Gräfin auf Mallorca :-).

[groß - schlank - blond] [Mussolini mit seiner Geliebten Clara Petacci] [der - noch anderweitig verheiratete - Verteidigungsminister
Rudolf Scharping ('Turtel-Rudi') im Anflug auf Mallorca, um seine Freundin, Gräfin Kristina Pilati, zu beglücken - 
selbstverständlich per Dienstreise im Bw-Jet auf Steuerzahlerkosten]

Dagegen muß der außenpolitische Gegner, und wenn er noch so unbedeutend ist, zu einem Popanz aufgeblasen werden, zum großen Böse-Wicht schlecht hin hoch stilisiert, der den Weltfrieden gefährdet, weil er womöglich die Weltherrschaft anstrebt: Muhammar al-Gaddafi, Idi Amin, Saddam Hussein, Manuel Noriega, Aidit, Slobodan Milosevic, Usamā bin Lādin... Nein, Dikigoros behauptet nicht, daß das alles Engel (gewesen) seien - im Gegenteil; aber mit der Einstellung eines Engels kann man nun mal keine Politik machen (in Baģdād ebenso wenig wie in Babylon - aber das ist eine andere Geschichte); und der geneigte Leser glaubt doch nicht im Ernst, daß diese Zwerge dem "Weltfrieden" mehr hätten versetzen können als ein paar Nadelstiche, wenn sie sich nicht auf ihre Völker hätten stützen können, die mehr oder weniger geschlossen hinter ihnen standen? Wie kombiniert man nun diese beiden Vorgehensweisen? Eigentlich gar nicht, denn es ist äußerst schwierig und setzt äußerste Leichtgläubigkeit der (Welt-)Öffentlichkeit voraus, einen zum Wicht geschrumpften innenpolitischen Gegner mit einem zum Super-Bösewicht aufgemotzten außenpolitischen Feind auf ein- und denselben Steckbrief bzw. auf ein- und dieselbe Abschußliste zu setzen. Doch die Propaganda-Maschinerie des Augustus schaffte es (so wie es die Propaganda Wilsons im Ersten Weltkrieg mit den "Hunnen" Kaiser Wilhelms und der deutschen Minderheit in den USA schaffte, so wie es die Propaganda Goebbels' mit den sefardischen Juden in den Regierungen der Alliierten und den Aschkenasim in Mittel- und Osteuropa schaffte, und so wie es die Propaganda Roosevelts mit den Japanern in Nippon und den Nisei in den USA schaffte). Syme reißt die verlogene Fassade der römischen Republik ein, um uns zu zeigen, was sich dahinter abspielte, und warum es um sie nicht schade war - und das konnte (und kann) nur zu leicht als Apologetik derjenigen Politiker verstanden werden, die sich in den 1930er Jahren anschickten, die hohlen Fassaden der Demokratien einzureißen und an ihrer Stelle autoritäre Systeme zu errichten. (Ist Euch das neutral genug ausgedrückt, liebe Gutmenschen? Beachtet bitte, daß Dikigoros nicht "mißverstanden" schreibt; aber er schreibt auch nicht einseitig von "gewollten Parallelen zum Aufkommen des Fascismus", wie es die Macher von Wikipedia tun; er glaubt nämlich, daß jene Parallelen noch viel stärker auf gewisse heutige Systeme zutreffen, egal unter welcher Flagge sie segeln. Es gibt viele Augustusse, pardon Augusti, und viele Augustinen in der heutigen Politik - nur daß sie noch schlechter regieren als Octavian und die Person, mit der Dikigoros hier eine gewollte Parallele gezogen hat...)

Wie Syme schlüssig dargelegt hat, war die Zuweisung einiger Gebiete im östlichen Mittelmeer an Ägypten kein "Verschleudern römischer Gebiete" von Antonius an Kleopátra, sondern lediglich eine - durchaus nicht unvernünftige - PerestrojkaRestrukturierung der von Rom abhängigen Vasallenstaaten dortselbst. Da wurde nichts verschenkt, sondern nur die Verwaltungszuständigkeit ein klein wenig verlagert; und was Antonius mit seinem Privatvermögen machte - sei es bei Lebzeiten, sei es nach seinem Tode -, das war, wie schon der Name sagt, seine Privatsache! Alles andere sind Propagandalügen Octavians und seiner "Historiker". Das ist indes nicht der Grund, weshalb Syme den heutigen "Historikern" so peinlich ist. Stein des Anstoßes ist vielmehr das 19. Kapitel ("Antonius im Osten"), wo es um die Ursachen des Krieges zwischen Octavian und Antonius geht und um ihre Verdrehung im Nachhinein. Man braucht nur "das römische Imperium" durch "das britische Empire" und "Ägypten" durch "Deutschland" zu ersetzen, und man kann den Text fast 1:1 für eine "Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs" verwenden. Sein Fazit: Es gab nicht den geringsten stichhaltigen Grund für Rom, Ägypten anzugreifen, denn letzteres bedrohte das Imperium in keinster Weise. [Nachtrag: Es gab auch nicht den geringsten stichhaltigen Grund für die Angelsachsen, anno 2003 den Irak anzugreifen, denn der bedrohte sie nicht nur nicht, sondern lieferte ihnen brav Erdöl zu Vorzugspreisen, hielt außenpolitisch den Iran in Schach und innenpolisch die kurdischen und schi'itischen Extremisten; in Saddāms Reich - dem einzigen nicht-klerikalen Staat der arabischen Welt - konnte sogar die christliche Minderheit halbwegs unbehelligt leben; aber das nur nebenbei.] Wohlgemerkt: Man konnte Syme dafür nicht als "Kriegsverbrecher" hinrichten oder sonstwie belangen, denn er schrieb ja vor Kriegsausbruch und konnte nicht hellsehen - es brauchte sich also niemand von denen, die nach 1945 die Geschichte umschrieben, direkt angesprochen zu fühlen, und dennoch... Was war gleich der Vorwand für die Kriegserklärung Großbritanniens und Frankreichs an Deutschland? Daß Hitler ihren Vasallenstaat Polen - oder jedenfalls dessen größten Teil - an Stalin verschenkt hatte? Nein, das Zusatzprotokoll zum "Hitler-Stalin-Pakt" (der offiziell nur ein Nichtangriffsabkommen war) existierte ja in der alliierten Geschichtsschreibung Jahrzehnte lang gar nicht. Deshalb gab es auch keinen Grund für die Briten und Franzosen, der Sowjet-Union den Krieg zu erklären, als die Rote Armee ebenfalls in Polen einrückte - wieso denn? Die Sowjets kamen doch - wie Stalin versicherte (und seine heutigen Epigonen noch immer versichern :-) - nur als "Befreier"! Was lernen wir daraus? Etwa, daß der Polenfeldzug nur ein Vorwand für die Briten war (die den Krieg gegen Deutschland, wie wir heute wissen, bereits im Januar 1939 - also lange vor der Selbstauflösung der Tschecho-Slowakei, der Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren" und der Forderung nach einer exterritorialen Autobahn durch den von Polen besetzten westpreußischen "Korridor" - in einer geheimen Kabinettssitzung beschlossen hatten, ebenso wie sie 1914 längst vor dem deutschen Einmarsch in Belgien beschlossen hatten, den "Huns" in den Rücken zu fallen)? Was war gleich der Vorwand für die Kriegserklärung Octavians an Antonius? Daß er den römischen Vasallenstaat Palästina - oder jedenfalls dessen größten Teil - an Kleopátra verschenkt hatte? Nein, dagegen hatte sich Herodes, der Duodezfürst von Judäa (der übrigens kein Jude, sondern Idumäer - also Araber, wenn Ihr so wollt "Palästinenser" - war, weshalb er bis heute in der jüdischen Geschichtsschreibung eine grottenschlechte Kritik hat :-), mit Erfolg gewehrt. (So wie sich die britische Mandatsverwaltng in Palästina mit Erfolg gegen das Ha'avara-Abkommen zwischen den Nazis und den Zionisten wehrte, wonach die ersteren den letzteren die Ausreise nach Palästina finanzierten. Am 1. September 1939 wurden die Grenzen Palästinas für deutsche Juden und andere "feindliche Ausländer" dicht gemacht - aber das ist eine andere Geschichte.) Was lernen wir daraus? Daß es wohl doch um jenes famose Testament des Antonius ging, dessen Verlesung durch Octavian im römischen Senat uns Mankiewicz so eindrucksvoll vor Augen führt? Tja, es wird wohl so gewesen sein; und daraus lernen wir wiederum, wie dumm und irrational nicht nur die Plebs, sondern auch die ach-so-klugen (?) und vernünftigen (?) Senatoren auf Testamente reagieren können - letztere freilich mit ungleich schwerer wiegenden Folgen.

Seit Shakespeare sind wir gewohnt, die öffentliche Verlesung des Testaments des gerade ermordeten Caesars durch Marcus Antonius als eine Schlüsselszene der römischen Geschichte anzusehen. Mankiewicz tut das nicht (er läßt sie nur einmal kurz durch Kleopátra erwähnen) - und er hat Recht, zumal Antonius gar nicht daran dachte, sich daran zu halten. Caesars Vermögen an Octavian aushändigen? Dafür hatte er, Antonious, doch eine viel bessere Verwendung... (Vergessen wir nicht, daß der historische Octavian ursprünglich auf Seiten des Senats stand, also derjenigen, die erst später, im Nachhinein, zu "Mördern" Caesars erklärt wurden; bis dahin galten sie als mindestens so ehrenwert wie die Attentäter vom 20. Juli 1944! Und auch Octavian ließ sich erst später von Antonius bzw. von dessen Freund, dem Milliardär Lepidus, kaufen!) Und wen scherte schon die Augenblicksstimmung des wankelmütigen Pöbels? Ob er den nun für oder gegen Caesars ehrenvolles Begräbnis beschwatzte, war letztlich einerlei. Ganz anders die Verlesung von Antonius' Testaments vor dem Senat, vor allem des letzten Passus. Die Erbeinsetzung der Kinder Kleopátras als Titular-Könige eines leicht erweiterten Ägyptens war wie gesagt kein wirklicher Grund zur Aufregung. Aber dann kam das dicke Ende: Antonius wollte nach seinem Tode in Alexandria begraben werden, Seite an Seite mit seiner Frau Kleopátra (von Octavia - die ihm immerhin drei Töchter geboren hatte - hatte er sich inzwischen scheiden lassen, genauer gesagt die Scheidung verkündet; das ging damals noch leichter, etwa wie heute im Islam: der Mann brauchte der Frau bloß einen Scheidungsbrief zu schicken), nicht in seiner Heimat Rom! Na und, werdet Ihr, liebe vaterlandslose Gesellen fragen, ist das nicht völlig unerheblich? Das mögt Ihr so sehen (Dikigoros sieht es ebenso :-); aber die alten Römer waren da ganz anderer Ansicht: Das schlug doch dem Faß den Boden aus - das war unrömisch! (Wie unrömisch es war, das bei den Vestalinnen hinterlegte Testament eines noch Lebenden gewaltsam aus dem Tempel zu entwenden und das Siegel zu erbrechen, fragte offenbar niemand - jedenfalls nicht bei Mankiewicz.) "Krieg! Krieg! Krieg!" brüllt die Quasselbude unisono (von denen muß ja niemand mehr selber mit ins Feld ziehen!), genauer: "Krieg gegen Antonius!" Aber das will Octavian gar nicht - er will keinen erneuten Bürgerkrieg, sondern es soll vielmehr ein Krieg gegen Ägypten sein! Da trifft es sich gut, daß gerade Kleopátras getreuer Ratgeber Sosigenes in Rom weilt (in "Friedensmission", versteht sich :-). "Dort steht der wahre Feind Roms!" ruft Octavian, schnappt sich den heiligen Speer (wo immer er den plötzlich her hat - lag der immer im Senat herum?) und erlegt den wehrlosen alten Mann mit einem Volltreffer in die Brust: "Der Senat hat einstimmig den Krieg gegen Ägypten beschlossen!" ruft Octavian. Und das Volk jubelt, wie im August 1914...

Halt, liebe Leser, es ist wieder an der Zeit, eine kurze Pause einzulegen. Wer war Sosigenes? Im Film ist er von Anfang an dabei, klärt die junge Kleopátra u.a. über Caesars Epilepsie auf und stirbt am Ende wie gesehen als Martyrer für den Frieden in Rom. Tatsächlich wissen wir so gut wie gar nichts über ihn, außer daß er es gewesen sein soll, der die allgemein Caesar zugeschriebene ("julianische") Kalender-Reform zustande brachte. Er war Wissenschaftler, kein Diplomat, und er wäre bestimmt nicht in politischer Mission nach Rom geschickt worden. Und wenn doch, dann hätte sich Octavian schwerlich die Mühe gemacht, ihn eigenhändig mit dem Speer zu erlegen. Ja, Mühe, denn Octavian war körperlich schwerlich zu einem solchen Wurf in der Lage, jedenfalls nicht entsprechend traininert. [Der römische Wurfspeer ("pilum") des 1. Jahrhunderts v.C. war ein Ungetüm von 2 m Länge und 2 kg Gewicht, und selbst ein geübter Legionär konnte ihn allenfalls 20 m weit werfen. Weiter - bis zu 70 m - flog die leichtere Ausführung mit Schleuderschlaufe ("lancea" - daher kommt das deutsche Wort "Lanze", das italienische Wort "lanciare" - und die Automarke "Lancia" :-), aber eine solche war offenbar hier nicht dran. Und überhaupt war die "hasta sacra" - welche die Römer wohl von den Etruskern oder Sabinern übernommen hatten - kein heiliger Speer (auch wenn es im "kleinen Stowasser" fälschlich so steht :-), sondern ein heiliger Spieß; die Hasta - seit den Latinerkriegen nicht mehr zur Standard-Ausrüstung des römischen Heers gehörend - war ein kurzes, klobiges Ding, mit dem man gar nicht richtig werfen konnte, typische Waffe eines Volksaufgebots aus wehrpflichtigen Bauern, ähnlich wie die dreizackige Mistgabel, die als "tridens" dem Gotte Neptun heilig war.] Auch die Senatssitzung spielte sich in Wahrheit ganz anders ab als bei Mankiewicz: Zwar verlas Octavian tatsächlich Marc Antons Testament, aber das Echo des Senats darauf war gespalten: Rund die Hälfte der Senatoren (angeblich sogar exakt die Hälfte: 300) sah darin jedenfalls keinen Grund für eine Kriegserklärung, weder an Antonius noch an Ägypten, ebenso wenig die beiden Consuln. Aber Octavian hatte das Militär (und den Pöbel, pardon das Volk) auf seiner Seite: Er vertrieb die Consuln und den halben Senat gewaltsam aus Rom und ergriff die Macht - das war ein glatter Staatsstreich. [Dikigoros verwendet dieses Wort wohlgemerkt ganz neutral, ebenso wie "Machtergreifung" u.a. Begriffe, die andere bisweilen auf- oder abwertend gebrauchen. Seinerseits ist damit keinerlei Werturteil für oder gegen den Staat, den Staatsstreich oder seine Macher verbunden. Es gibt Staaten, die man getrost streichen kann - und wenn man Syme glauben darf, dann zählte die römische "Republik" jener Tage dazu. Die Frage ist nur, ob das, was die An-, pardon Staatsstreicher an ihre Stelle setzen, eine Verbesserung darstellt. Das kann man halt im voraus nie so genau wissen - und im nachhinein will man es manchmal gar nicht mehr wissen.]

Griechenland, September 31 v.C. Vor Kap Agde (auf Griechisch Anaktorion - später Aktion - , auf Lateinisch Actium), unweit der Grenze zwischen den römischen (SPQR = "sono pazzi questi romani", pardon, "senat populusque romanum") Provinzen Macedonia und Achaia, sammeln sich die Bürgerkriegsparteien zum Entscheidungskampf. Gegen den Rat seiner Generäle beschließt Antonius, obwohl er 200.000 Mann Fußtruppen hat, mit 20.000 Mann zur See anzugreifen, und zwar nicht einfach die römische Flotte, sondern ganz gezielt das Flaggschiff des Octavian, in der Hoffnung, diesen dort zu erwischen - dann wäre der Krieg gewonnen. Er bricht auch durch und erobert das Flagschiff - aber Octavian ist nicht drauf, und nun macht Admiral Agrippa, der die Gegenseite kommandiert, die Falle zu und schneidet ihn ab. Kleopátra läßt die griechische Flotte wenden und fährt mit ihr zurück nach Ägypten, gefolgt von Antonius, dem es gelungen ist, auf einem kleinen Segler zu entkommen. Nun sitzen sie wieder in Alexandria wie die begossenen Pudel und harren der Dinge (und der Personen, vor allem Octavians und seiner Truppen :-), die da kommen sollen. Soweit die gekürzte Fassung, die sich über die Motive der Handelnden nicht weiter ausläßt. Der Langfassung entnehmen wird folgendes: Kleopátra glaubte, daß Antonious bei dem Versuch, Octavian zu stellen, umgekommen sei und daß keine Hoffnung mehr bestehe, deshalb ist sie nach Ägypten zurück gesegelt; aber Antonius - der sie wirklich liebte - glaubte, daß sie ihn aus persönlichen Gründen verlassen habe und ist deshalb so völlig niedergeschlagen, daß er seine Truppen mitten in der Schlacht im Stich läßt und ihr hinterher fährt.

Halt, liebe Leser, es ist erneut Zeit für eine Denkpause. Über den Verlauf der Schlacht von Actium wissen wir sehr wenig; aber wir wollen versuchen, anhand des wenigen, das wir wissen, auch dem Antonius Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Warum entschied er sich für die See- und gegen die Feldschlacht? Gegenfrage: Wart Ihr mal vor Ort? Wenn nicht, macht doch bei Gelegenheit mal Urlaub auf Levkás (oder, wie es heute auf Pidgin-Griechisch heißt, "Levkáđa", aber nicht "Lefkas", wie manche deutsche Touristen schreiben - die dort zum Glück rar sind, obwohl es viel billiger ist als etwa auf Korfu). [Für Schwule und Lesben ist das übrigens moralische Pflicht (fast wie die Pilgerreise eines Muslims nach Mekka), denn dort - nicht auf Léswos - soll sich die berühmte ßapfóo (so nannte man sie dort; in ihrem Heimatdialekt - dem Aiolischen - hieß sie "Psápfa"; bloß "Sappho" hieß sie zu Lebzeiten nie und nirgends :-) in ihr Schwert, pardon von den Klippen gestürzt und so den Tod gefunden haben.] Angesichts der heutigen Verhältnisse auf dem Balkan werdet Ihr wahrscheinlich per Flugzeug anreisen und in Préwesa (bitte nicht mit "v" transkribieren, wie das neuerdings Mode geworden ist, es schreibt sich auf Griechisch auch heute noch mit einem "beta/wita"!) landen. Legt dort einfach mal einen Tag Pause ein und nehmt Euch die Zeit, runter zum Hafen zu gehen, statt den Touristen zu folgen, die gedankenlos in die andere Richtung fahren, um die Ruinen von Nikopolis zu besichtigen, das Octavian nach seinem Sieg erbauen ließ. (Übrigens als Konzentrationslager für Deportierte aus ganz Hellas - Dikigoros hat den Vergleich oben nicht umsonst gewählt. Aber davon erzählt man Euch heuer nichts mehr, nur daß es ein schönes Bad gab, vermutlich auch Duschen, und sogar ein Orchester, wie in Auschwitz.) Dort habt Ihr einen prima Blick nach Süden auf Kap Agde am gegenüber liegenden Ufer. Und rechts (westlich) davon fand die große Seeschlacht statt.

Oder, wenn Euch das zu umständlich ist, werft wenigstens einen Blick auf die Karte: Oberstabsfeldwebel Antonius hatte sich mit Actium so ziemlich die ungünstigste Ecke weit und breit ausgesucht, in die er sein Heer manövrieren konnte (das, nebenbei bemerkt, nach Dezimierung durch Hunger und Seuchen eher 100.000 als 200.000 Mann gezählt haben dürfte, von denen ein großer Teil nicht nur kampfunwillig, sondern auch kampfunfähig war) - die reinste Mausefalle: Im Süden lagen die Salzsümpfe, im Osten der Golf vom Ambrakia (beides für Fußsoldaten unüberwindliche Hindernisse), im Norden blockierte Octavians Heer die schmale Landzunge, und im Westen hatte seine Flotte (die der des Antonius fast 2:1 überlegen war - Mankiewicz behauptet fälschlich das Gegenteil) den Sack dicht gemacht. Im Film sieht es so aus, als stünde die letztere im Norden und die von Antonius und Kleopátra im Süden und greife nach Norden an, und nach dem fehl geschlagenen Angriff auf Octavian persönlich hätten sich Kleopátra und Marc Anton einfach nach Süden "zurück gezogen". Aber so war es nicht: Antonius stand vielmehr im Nordosten und mußte versuchen, die Blockade irgendwie zu durchbrechen. Mit dem Heer war das aussichtslos, zumal sich Octavian auf sein Flaggschiff zurück gezogen hatte (um seinerseits jederzeit entweichen zu können :-). Es gab nur eine vernünftige Strategie, und die in zwei Alternativen: Einschiffung der letzten kampfkräftigen 20.000 Mann und mit ihnen entweder nach Westen anzugreifen, um nach Italien überzusetzen und Rom zu erobern (was wahrscheinlich kampflos gegangen wäre), oder aber nach Norden, um Antonius und Agrippa - die dort standen - persönlich zu erwischen, denn eines war klar: Die Legionäre beider Seiten hatten die Schnauze vom Krieg noch voller - wenn das überhaupt möglich war - als neun Jahre zuvor in Brundisium; und welcher Oberbefehlshaber auch immer als erster fallen würde - seine Truppen würden sofort zu seinem siegreichen Konkurrenten übergehen, damit der verfluchte Krieg endlich, endlich zuende ginge. Was tat Antonius? Das wissen wir eben nicht. Wir wissen nur, daß er Octavian nicht erwischt hat - aber ob er es überhaupt versucht hat, ob er es vor allem so stümperhaft versucht hat wie im Film, wissen wir nicht. Es scheint, daß er im Zentrum von Octavians Flotte durchbrach - wo ein gewisser Arruntius (der im Film nicht auftaucht) das Kommando führte - und damit zumindest einen taktischen Erfolg errang. Und dann? Eigentlich hätte er sich nun nach Norden wenden können/sollen/müssen, um Octavian und Agrippa platt zu machen; aber nichts dergleichen geschah. Warum nicht? Wir können nur Rätsel raten. Ist es möglich, daß Kleopátra ihre Schiffe im Augenblick des greifbaren Sieges aus dem Kampf zog und durch die von Antonius geschaffene Lücke nach Südwesten ausbrach? Ja, das ist gut möglich, und die meisten Historiker sind heute der Meinung, daß sie längst in geheimen Verhandlungen mit Octavian stand und Antonius verriet - der nach schweren Verlusten an eigenen Schiffen nicht mehr alleine weiter kämpfen konnte und ihr notgedrungen nach Ägypten folgen mußte. Wenn das so war, zeugt das von Octavians brillanter Hinhaltetaktik gegenüber Kleopátra, denn er dürfte schon damals nicht das geringste Interesse daran gehabt haben, mit ihr zusammen zu gehen - weder politisch noch militärisch noch privat noch sonst irgendwie. Damit war der Krieg entschieden: Antonius' Landtruppen liefen ohne einen Schwertstreich geschlossen zu Octavian über - und ihnen gegenüber hielt er Wort: er schickte sie unbehelligt nach Hause. Noch ein Wort zu Agrippa: Er war durchaus nicht der bärbeißige alte Haudegen, als den ihn uns Mankiewicz präsentiert, sondern ein eleganter junger Mann in Octavians Alter (die beiden waren Jugendfreunde) - als Caesar anno 48 in Alexandria landete, drückte er noch die Schulbank (wenn er nicht einen eigenen Hauslehrer hatte :-); und ob er wirklich ein so genialer Admiral war, wissen wir nicht - zwar hatte er die Söhne des Pompeius (die unter die Seeräuber gegangen waren) besiegt, aber dieser Sieg beruhte wohl hauptsächlich auf massiver materieller Überlegenheit. Auch die Schlacht von Actium gewann nicht er, sondern Antonius verlor sie ganz ohne sein Zutun.

Exkurs. Also Verrat?!? Es gibt Leute, die behaupten, daß alle großen Schlachten der Weltgeschichte durch Verrat entschieden worden seien. Aber da wäre Dikigoros vorsichtig, denn dann müßte man zum einen "Verrat" und zum anderen "entscheiden" sehr weit definieren. Mag sein, daß bei vielen, vielleicht bei fast allen wichtigen Schlachten Verrat im Spiel war; aber... Wenn jemand den Aufmarsch- bzw. Schlachtplan des Gegners kennt, ist das sicher ein Vorteil; doch ein fähiger Feldherr wird das rechtzeitig bemerken und seinen Plan entsprechend umstellen. Und in vielen Schlachten fliehen Teile eines Heeres oder einer Flotte - das ist Feigheit, aber ist es auch Verrat? Und ist es immer entscheidend? (Oder wird nicht in den meisten Fällen erst geflohen, wenn/weil die Entscheidung schon gefallen ist?) Es gibt nur ganz wenige große Schlachten der Weltgeschichte, die wirklich durch militärischen Verrat im engeren Sinne entschieden wurden, nämlich durch das Überlaufen von Truppenteilen mitten in der Schlacht zum Gegner, die dort gegen ihre bisherigen Kameraden weiter kämpften - was Kleopátras Schiffe unzweifelhaft nicht taten -, wie die von Tannenberg 1410, die von Bosworth 1485 und die von Leipzig 1813, um nur die bekanntesten Beispiele zu nennen. Aber auch da hätten es die Überläufer weit von sich gewiesen, "Verräter" zu sein, sondern immer eine gute Ausrede, pardon, einen guten Grund gefunden für ihr Handeln. Hatte der deutsche Orden die Kulmer Ritterschaft nicht schlechter behandelt als sie es vom polnischen König erwarten durfte? War Richard III nicht ein böser Mensch, den man unbedingt beseitigen mußte? Nun, diese Fragen beantwortet Dikigoros an anderer Stelle; hier würde er nur die Gegenfrage stellen: "Warum seid ihr dann nicht von Anfang an offen auf die andere Seite gegangen und habt dort mitgekämpft?" Im letzten Fall wäre das dagegen schlecht möglich gewesen, denn die armen Sachsen, die Napoleon zwangsgepreßt hatte, konnten vorher nicht weglaufen und die Seiten wechseln - es wäre ihr sicherer Tod gewesen. Erst mitten in der "Völkerschlacht" sahen sie plötzlich die Chance, ihre Kanonen umzudrehen und sie gegen die Franzosen zu richten - das war kein Verrat, denn sie schuldeten Napoleon keinerlei Loyalität! Um ein Haar wäre es zwei Jahre später zum größten Treppenwitz der Geschichte des 19. Jahrhunderts gekommen, denn den Sachsen wurde ihr entscheidender Seitenwechsel 1813 übel gedankt: Auf dem Wiener "Friedens"-Kongreß wurden sie als Feinde behandelt, ihr Land geteilt und die nördliche Hälfte Preußen zugeschlagen - das hätte ihnen Napoleon nie und nimmer angetan! Als der letztere von Elba zurück kehrte, marschierten die Alliierten wieder gen Frankreich, die sächsischen Truppen - nun plötzlich wieder als Verbündete gut - zusammen mit den preußischen. Wenige Tage vor Waterloo meuterten diese Narren und griffen die Preußen an - statt damit bis zur Schlacht zu warten und dann mitten im Gefecht die Seite zu wechseln! Napoleon hätte trotz der strategischen und taktischen Fehler, die er und sein unfähiger Marschall Ney - auch so einer, der wie Antonius bestenfalls zum Stabsfeldwebel taugte - begingen, die Schlacht und den Krieg gewonnen, und die Weltgeschichte hätte einen anderen Verlauf genommen, vermutlich mit einer Neuauflage des sächsisch-polnischen Großreichs. So aber wurden die meuternden Sachsen entwaffnet und unter Bewachung nach Hause geschickt; und die Preußen siegten bei Waterloo. [Das hätten sie übrigens auch getan, wenn General Bourmont - ein alter Royalist und Bourbone, also auch kein Verräter, denn er schuldete Napoleon keine Loylität! - nicht zu ihnen übergelaufen wäre, denn seinem Beispiel folgten bloß ein paar nichtsnutzige Generalstabs-Offiziere, aber kein einziger französischer Soldat.] Und hätten Wellingtons Truppen - überwiegend Hannoveraner, Braunschweiger und Angehörige der "deutschen Legion" - geahnt, daß die Preußen mit ihren Ländern bald noch viel radikaler verfahren sollten als mit Sachsen, dann hätten womöglich auch sie bei Waterloo die Seiten gewechselt. Und - wäre das Verrat gewesen? Exkurs Ende.

Zurück zum Film. Octavian steht mit seinem Heer vor Alexandria. Antonius reitet ihm entgegen, fordert ihn vergeblich zum Zweikampf (das ist historisch verbürgt) und versucht dann ebenso vergeblich, den Heldentod im Kampf zu sterben - aber niemand hebt das Schwert gegen ihn. Wieder zurück in Alexandria erzählt ihm Apollodorus, daß Kleopátra Selbstmord begangen habe (dabei hat sie sich nur in ihrem künftigen Grabmal verschanzt); daraufhin begeht Antonius Selbstmord. Kleopátra empfängt Octavian, macht sich keine Illusionen mehr über ihre Herrschaft in Ägypten, bittet nur um das Leben ihres Sohnes Caesarion - das ihr Octavian verspricht, im Gegenzug für ihre Bereitschaft, ihn "nach Rom zu begleiten" - womit freilich kein Auftritt gemeint ist wie ihn uns Mankiewicz zwei Stunden zuvor gezeigt hat, sondern eine Zurschaustellung, nackt und in Ketten hinter Octavians Triumfwagen, wie Kleopátra genau weiß. Sie denkt also gar nicht daran, ihr Versprechen zu halten, sondern läßt sich von ihrer Dienerin ein Feigenkörbchen bringen, in dem Giftschlangen stecken. Sie hält die Hand hinein, und das wars dann. Der Vorhang fällt, das Kinopublikum ist erlöst.

Ernst zu nehmende Historiker meinen, daß Apollodorus bei seiner Fehlinformation über Kleopátras Selbstmord gegenüber Antonius nicht aus eigenem Antrieb handelte, sondern vielmehr im Auftrag seiner Faraonin - wenn dem so war (und einiges spricht dafür), dann hat sie spätestens da Antonius verraten und alles auf die Karte Octavian gesetzt. Dumm von ihr? Na klar, aber inzwischen war es so oder so zu spät; bei Actium hätte sie noch auf Antonius setzen können - und müssen; jetzt hatte sie ausgespielt, egal was noch im Skat lag, sie hatte keine Trümpfe mehr auf der Hand. Wir wissen das, denn im Rückblick sind wie klüger. Ob sie es auch wußte? Wie dumm oder wie klug war Kleopátra? Es gibt ein - nicht nur unter Männern - weit verbreitetes Vorurteil, daß eine schöne Frau dumm sein müsse und eine kluge Frau häßlich. Daran mag soviel richtig sein, daß eine schöne Frau es nicht unbedingt nötig hat, ihren Intellekt auszubilden (aber was hat Bildung mit Klugheit zu tun? Zu dieser Frage schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr) und daß eine kluge Frau ihr Haupt-Augenmerk nicht unbedingt auf Äußerlichkeiten richtet, die dumme Männer (und Frauen :-) mit "Schönheit" verwechseln. Aber zwingend ist diese Verknüpfung nicht - sonst müßte Kleopátra eine wahre Intelligenzbestie gewesen sein.

Laßt Euch nicht von den Jungmädchenbüsten täuschen, die Euch gewisse Museums-Direktoren in Berlin, London oder Neapel als ihre Ebenbilder zu verkaufen suchen - niemand weiß wirklich, wen die darstellen sollten. Nehmt einfach nur die zeitgenössischen Münzportraits zum Maßstab; und wenngleich man annehmen darf, daß auch die ihr noch schmeicheln, so sieht sie da doch - mit den despektierlichen Worten Fernaus - eher aus "wie ein wetterfester Beduinenscheich" denn wie eine attraktive Frau.

Nachtrag. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts grub eine SpinnerinArchäologin namens Hilke Thür ein bereits 1906 in Ephesos gefundenes Skelett wieder aus, das sich einem ca. 2.000 Jahre alten weiblichen Teenager zuordnen ließ. Evreká - das mußte doch wohl Arsinoe IV sein, eine Schwester von Kleopátra VII. (Wieso? Nun, es war immerhin ein imposantes Grab, und das hätte man doch nicht für irgendeinen anderen, unbedeutenden Teenager errichtet, oder?) Der Schädel fehlte zwar, aber mit etwas Fantasie ließ sich einer modellieren. Und wenn manfrau schon einen Schädel hatte, konnte manfrau doch auch gleich Muskeln und Gesichtshaut hinzu erfinden. Gesagt, getan, Caroline Wilkinson, eine britische "Anthropologin", war behilflich. Und weil manfrau doch politisch korrekt sein wollte, mußte es eine "Afrikanerin" sein - so etwas ergibt sich aus der Schädelform, wie schon die Nazis wußten. Nun wissen es die Historiker[innen] und wir - Dank Hilke Thür und Caroline Wilkinson, es geht doch nichts über Quotenfrauen in der "Wissenschaft"! - also endlich ganz genau: Caesar und Antonius fanden Kleopátra so anziehend, weil sie keine Makedonin, sondern Afrikanerin war - sie waren offenbar frühe Gutmenschen, die keine Rassenvorurteile hatten! So, liebe Leser, wird heutzutage "wissenschaftliche" Forschung betrieben - dann doch lieber ein Hollywood-Film, der verfälscht die Geschichte im Zweifel weniger stark! Nachtrag Ende.

Etwas besser sah Elizabeth Taylor denn doch noch aus - sonst wäre ein Mann wie Richard Burton, der damals viele Frauen hätte haben können (und ja auch schon anderweitig verheiratet war, als er sein Verhältnis mit ihr begann - wie Caesar und Antonius, als sie ihr Verhältnis mit Kleopátra begannen :-) wohl nicht auf sie herein gefallen - und schon gar nicht gleich zweimal. Man könnte meinen, sie hätten sich gesucht und gefunden wie Kleopátra und Marc Anton, mit denen sie so viele schlechte Eigenschaften teilten - vor allem ihren Alkoholismus. (Tabak kannte man in der Antike noch nicht.) Dennoch gehen die Parallelen zwischen historischen Vorbildern und Schauspielern nicht annähernd so weit wie wir sie später bei Romy Schneider und Kaiserin Elisabeth alias Sisi bzw. Karl Heinz Böhm und Kaiser Franz Joseph kennen lernen werden. Ihre schauspielerischen Leistungen waren, wie schon eingangs angedeutet, eher mager - da ist sich Dikigoros mit den meisten Kritikern einig. Aber wir werden einige andere Beispiele kennen lernen, die ihn in seiner These bestärken, daß gerade solche Schauspieler[innen] auf ihre Rollen besonders prägend wirken, die im Grunde genommen nur sich selber spielen, wie Richard Burton den jähzornigen Haudrauf mit dem für notorische Säufer typischen Wechsel zwischen euforischen und depressiven Fasen. (Ob das dem historischen Antonius gerecht wird ist eine andere Frage; Mankiewicz hat ihn jedenfalls - in Anlehnung an die politische Propaganda und Geschichtsschreibung des Augustus - so sehen und zeichnen wollen, und das ist ihm voll und ganz gelungen.) Und wie Liz Taylor die herrsch- und immer eifersüchtige hysterische Frau, die sich erfolglos durch ihre Liebe zu Männern definieren will. (Auch da stellt sich die Frage nach der historischen Kleopátra - aber die Antwort ist die gleiche: Mankiewicz wollte sie so sehen...) Bei Rex Harrison mag das weniger evident sein; aber Dikigoros muß gestehen, daß er sich, seit er den Film gesehen hat, den späten Caesar zumindest äußerlich immer ein wenig wie ihn vorgestellt hat - was auch daran liegen mag, daß er ihn in keiner anderen historischen Rolle kennt (außer der des syāmesischen Königs Mongkut in "Anna und der König von Siam" - aber darüber schreibt er an anderer Stelle).

Wenn Dikigoros eingangs geschrieben hat, daß keine Frau der Antike die Nachwelt so sehr fasziniert habe wie Kleopátra, dann muß er das jetzt präzisieren. Er hat oben bewußt nicht geschrieben, daß ihr Leben die Nachwelt so gefesselt habe; denn ein Gutteil jener Faszination ging und geht vielmehr von ihrem Tode aus (wie das so ist - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr) bzw. dessen geheimnisvollen Umständen. Bis heute wissen wir nur, daß Octavian nach seiner Rückkehr nach Rom (er ließ statt der lebenden Kleopátra eine Statue von ihr im Triumfzug mitführen) durch seinen Marionetten-Senat als offizielle Version verkünden ließ, daß sie sich durch einen Schlangenbiß selber habe töten lassen. [Als Motiv gab schon ein gewisser Horaz - über den Dikigoros an anderer Stelle mehr schreibt - in seiner 37. Ode ("Nunc est bibendum [Nun sei getrunken]...") an, sie habe sich die Schande des Triumfzugs ersparen wollen.] Ob in den Hals, in die Brust oder in die Hand, ist nicht überliefert und bis heute Gegenstand ebenso lebhafter wie müßiger Diskussionen. (Klickt den Link trotzdem an, liebe Leser; er ist es wenn nicht des Textes, so doch der Bilder wegen wert.) Manche meinen auch, daß sie sich das Schlangengift irgendwie anders (z.B. versteckt in einer hohlen Haarnadel) beigebracht habe, weil es wohl doch schwierig gewesen wäre, lebende Schlangen in ihr Verlies - sie war schließlich in römischer Gefangenschaft und gut bewacht - einzuschmuggeln. Aber wer so spekuliert, macht sich falsche Vorstellungen von der Unterbringung und Behandlung römischer Gefangener. [Die Rheinwiesen bei Remagen und die Folterkeller von Nürnberg haben nicht erst die US-Amerikaner erfunden, auch wenn Ihr, liebe ältere Leser, die Ihr die "Befreiung" von 1945 noch mit erlebt und überlebt hat, das glauben mögt.] Bei Mankiewicz darf sich Kleopátra weiterhin mehr oder weniger frei in ihren eigenen Gemächern bewegen, mitsamt ihren Dienerinnen. In Wahrheit dürfte sie sich mehr oder weniger nackt und angekettet in einem Kerker befunden und keinerlei Möglichkeit gehabt haben, Selbstmord zu begehen - wenn Octavian sie denn hätte am Leben lassen wollen. Und Nadeln im Haar dürfte sie auch keine mehr gehabt haben, allenfalls in anderen Körperteilen; bei den alten Römern war es üblich, Gefangene beiderlei Geschlechts ordentlich zu foltern (jawohl, ordentlich im Sinne von ordnungsgemäß, vom "Carnifex [Hackfleischmacher]" höchstpersönlich; und Jungfrauen wurden zuvor von demselben ordentlich vergewaltigt, weil das Gesetz es verbot, Jungfrauen zu foltern und hinzurichten, da war man ganz korrekt, wie auch heute im Iran :-), zumal wenn man etwas von ihnen wissen wollte. (Im Film fragt Octavian die Kleopátra nur ganz beiläufig, wo denn Caesarion abgeblieben sei, aber sie verrät es ihm nicht; dennoch erwischt er ihn später - wie wohl?) Das - nicht irgend ein besonderes Ehrgefühl, wie bei den alten Japanern, oder die Angst, auf einem Triumfzug mitgeführt zu werden - war der Grund, weshalb geschlagene Generäle, die keine Chance mehr sahen, die Seiten zu wechseln, es so oft vorzogen, sich in ihr Schwert zu stürzen! Wenn Ihr mal in London wart, liebe Leser, dann habt Ihr vielleicht am Ufer der Themse einen Obelisk aus der Zeit Kleopátras stehen sehen, den die Briten - in vielerlei Hinsicht die geistigen Erben der Alten Römer, die sich auch mit der Folter sicher besser auskennen als die meisten anderen Völker der Welt - im 19. Jahrhundert aus ihrer damaligen Kolonie Ägypten gestohlen haben und dem sie einen bezeichnenden Namen gaben: "Cleopatra's needle [Kleopátras Nadel]"; er ähnelt halt in ihren Augen dem Gerät, das Ihr unten rechts abgebildet seht, wie es früher beim Verhör zur "Wahrheitsfindung" in Gebrauch war und ursprünglich "Judas cradle" hieß (eine Bezeichnung, die heute aus Gründen der politischen Korrektheit nicht mehr verwendet wird - die Juden könnten sich ja auf den Schlips getreten fühlen; Kleopátra kann sich dagegen nicht mehr beklagen :-).

[die Fantasie des Künstlers: Kleopátra mit Dienerinnen und Giftschlange - Gemälde von Cagnacci] [Noch eine Fantasie: Plastik von Edmunda Lewis] [diese Darstellung dürfte der Wahrheit näher kommen]

Noch ein Nachtrag. Anno 2010 durfte ein Haufen Schwachköpfeeine Gruppe hoch-kompetenter Wissenschaftler (u.a. ein auf Kleopátra spezialisierter Althistoriker und ein auf Toxikologie spezialisierter Rechtsmediziner) ihre neuesten MutmaßungenErkenntisse zum Tode der Kleopátra im BRDDR-Staatssender ZDF breit treten: Danach starb die Königin nicht an Schlangengift, sondern an einem Schierlingsbecher, eventuell zu einem "Cocktail" (sic!) gemischt mit Herrenhut und/oder Schlafmohn. Und der "Beweis" für diese bahnbrechende These - Ergebnis Jahre langer Forschungs-"Arbeit" mit Millionen-Aufwand, u.a. vor Ort in Ägypten? Ganz einfach: Schon Sokrates hatte den Schierlingsbecher genommen, also mußte Kleopátra das wohl auch getan haben. So weit ist es also mit der historischen "Wissenschaft" in der BRDDR gekommen! So etwas hätte sich doch jeder Sextaner ausdenken können, in wesentlich kürzerer Zeit und mit null Kostenaufwand; denn daß es kein Schlangenbiß war, hätte er binnen 5-10 Minuten bei Dikigoros nachlesen können, und das mit Sokrates hätte er auch so gewußt. Allerdings hätte die Erkenntnis, daß zwischen dem einen und dem anderen Punkt kein wie auch immer gearteten zwingender Zusammenhang besteht, den Sextaner wohl letztlich davon abgehalten, diese seine These in die Welt hinaus zu posaunen; denn sie stempelt jeden, der sie vor und nach dem 1. April ernsthaft zu vertreten sucht, zum Volltrottel. (Dikigoros würde nicht mal die Hand dafür ins SchlangenkörbchenFeuer legen, daß Kleopátra jemals von Sokrates gehört hatte, geschweige denn, daß sie ihm hätte nacheifern wollen - sie hätte sicher nicht wie ein Verbrecher sterben wollen.) Nachtrag Ende.

Die Vermutung, Kleopátra hätte Octavian lebend mehr genützt als tot, geht von falschen - neuzeitlichen - Vorstellungen aus. Wozu denn? Zum Triumfzug? Octavian war ungefähr so eitel wie der, mit dem ihn Dikigoros oben verglichen hat, der ja auch am liebsten in einem einfachen Uniformrock herum lief. (Prunkvoll waren - beim einen wie beim anderen - allein die Triumfzüge :-). Für das, was er mit Ägypten vorhatte - nämlich, es sich als private Kolonie unter den Nagel zu reißen wie knapp 2.000 Jahre später König Leopold von Belgien ein anderes afrikanisches Land, den Kongo - wäre sie lebend ein ständiges Damokles-Schwert gewesen. Nein, sie mußte sterben, ebenso wie ihr Sohn Caesarion (den Octavian ja auch nicht mit nach Rom zum Triumfzug nahm, sondern "auf der Flucht erschießen", pardon erdrosseln ließ - eine damals weit verbreitete Hinrichtungsart, bei der man das Opfer noch beliebig lange quälen konnte), und wie Antonius' Kinder aus erster Ehe mit Fulvia. (Die Töchter aus seiner Ehe mit Octavia ließ er natürlich am Leben; was mit den Kindern Kleopátras und Antonius' geschah? Die kommen im Film nicht vor, also braucht Dikigoros über sie nicht nachzudenken - ist wohl auch besser so, denn wenn man Syme glauben darf, wurde beide erst auf Octavians Triumfzug mit geschleppt; danach verschwand der Sohn spurlos, und die Tochter "verheiratete" Octavian mit dem Führer seiner nubischen Hilfstruppen, den er zum Häuptling von Mauretanien machte, d.h. sie wanderte in seinen Harem; für ein zum RassenbewußtseinRassismus erzogenes römisch-makedonisches Mädchen war das sicher weit schlimmer als der Tod.) Gegenüber den Leichen war Octavian nicht nachtragend: Er ließ Antonius und Kleopátra gemeinsam in ihrem Grabmal beerdigen - ganz wie es das Testament des ersteren vorgesehen hatte -, und sei es nur, um die Römer auch über ihren Tod hinaus zu erinnern, wie "unrömisch" sie waren...

* * * * *

Anno 1999 wurde die Geschichte wieder mal verfilmt (in Marokko, an selber Stelle wie "Lawrence of Arabia"), von Franc Roddam, mit Leonor Varela als Kleopátra, Timothy Dalton (alias James Bond :-) als Caesar und Billy Zane als Marc Anton, mit mehr personellem, materiellem und vor allem finanziellem Aufwand als alle bisherigen Verfilmungen zusammen; und es wurde sogar in der Klatschpresse lanciert, daß Leonor Varela und Billy Zane - wie einst Liz Taylor und Richard Burton - ein Paar geworden seien. Dennoch hinterließ das alles beim Kinopublikum keinen bleibenden Eindruck - heute ist dieses Remake schon so gut wie vergessen, ebenso die Klamotte "Asterix - Mission Kleopatra" von 2002 mit dem alternden Softporno-Sternchen Monica Belluci (die bei den Dreharbeiten so alt war wie die historische Kleopátra, als sie Octavian gegenüber trat :-) in der Titelrolle; und Dikigoros wagt mal die Prognose, daß es auch allen weiteren Versuchen, das von Mankiewicz gemalte Bild "umzuprägen", so ergehen wird.

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