DAS HERZ DES LÖWEN
. . . und die Wahrheit des Glaubens
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Henry Wilcoxon als Richard I von England
. . . und Ian Keith als Sultan Salāh-äd-Dīn
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CECIL B. DEMILLE: THE CRUSADES

[Poster] [Poster nachcoloriert]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

(von Filmen, Schauspielern und ihren [Vor-]Bildern)

Angesichts der Überschrift ahnen fleißige Leser von Dikigoros' "Reisen durch die Vergangenheit" sicher schon, daß es hier nicht ohne eine sprachgeschichtliche Einleitung abgehen wird. (Und, schlimmer noch: Es wird darüber hinaus mehrere Exkurse zum Thema "Sprache[n]" geben - dieses Kapitel ist also nur etwas für Hartgesottene :-) Jedes Kind, nicht nur in England, und nicht nur, wenn es im Geschichts-Unterricht besonders gut aufgepaßt hat, wird schon einmal von Richard Löwenherz gehört haben, dem tapferen König von England, der in den Zweiten Weltkrieg, pardon in den Dritten Kreuzzug zog, um Palästina von den bösen Nazis, pardon, von den bösen Heiden zu befreien. Ebenso von seinem feigen, hinterlistigen, schwachen Bruder Johann Ohneland, der während seiner Abwesenheit die Herrschaft an sich zu reißen versuchte, sie aber dann an die Barone verlor. (Nein, liebe Historiker und Keksperten für Verfassungsrecht, nicht an "das Volk"; denn die "Magna Charta" mag alles mögliche gewesen sein, aber bestimmt keine demokratische Verfassung, auch wenn Ihr das Jahrhunderte lang - und noch zu Dikigoros' Studienzeiten - behauptet habt. Habt Ihr sie überhaupt jemals gelesen?) Zu allem Überfluß verfolgte er auch noch den edlen Waldläufer Robin Hood, wie alle Kinogänger wissen. (Freilich nur die, denn der historische Robin Hood - wenn es den denn überhaupt gegeben hat - lebte einige Jahrhunderte später :-) Ja, der Löwe gilt als tapfer, und wer ohne Land ist, der muß feige sein. Im Mittelalter sahen die Menschen das freilich anders: ihnen galt der Löwe als grausam; und nicht anders war Richards Beiname "[The] Lionheart" oder "[The] Lion-hearted" denn auch gemeint. (Vergeßt das alberne Märchen, das manche Pseudo-Historiker verbreiten, Richard habe seinen Beinamen schon als Baby erhalten, da er bei seiner Geburt gebrüllt habe "wie ein Löwe" - kein Löwe brüllt bei seiner Geburt; und kein Mensch brüllt bei seiner Geburt wie ein Löwe :-) Die Briten sind sich selber nicht ganz einig, wie sie ihn übersetzen sollen; im Original lautete er - von den sizilianischen Normannen geprägt, die ebenso wie die englischen Normannen Alt-Französisch sprachen - "Cœur de Lion"; die eingeborenen Sizilianer sagten "Corleone" und benannten sogar ein kleines Dorf nach ihm (dessen Name durch die Verfilmung von Mario Puzos Roman "The Godfather [Der Pate]" - der fiktiven Lebensgeschichte des Don Vito Corleone - in den USA heute bekannter sein dürfte als die englische Version). Richard selber sprach kein Englisch, verbrachte in seinem Leben insgesamt nur ca. sechs Monate in England, obwohl er formell zehn Jahre lang dessen König war. Tatsächlich war er jedoch Angeviner; seine Muttersprache war wahrscheinlich Okzitanisch, denn seine Mutter war Eleonore von Aquitanien - aber das ist eine andere Geschichte.)

[Richard Löwenherz] [Richards englisches Wappenschild - noch ohne das blaue Andreaskreuz der Schotten, mit dem es gut 600 Jahre später zum 'Union Jack' verschmolzen werden sollte] [Henry Wilcoxon als Richard Löwenherz]

[Exkurs. Der Löwe galt als grausam, weil einige Dummköpfe, pardon Naturforscher in ihrer Oberflächlichkeit noch bis ins 20. Jahrhundert glaubten, daß er seine eigenen Kinder fräße. Das Gegenteil ist richtig: Ein Löwe steht unter höchstem Fortpflanzungsstreß; er ist in der Regel nur 2-3 Jahre stark genug, um einen Harem zu erkämpfen und erfolgreich zu verteidigen, dann wird er einem jüngeren, stärkeren Nachfolger unterliegen, und das zumeist mit tödlichem Ausgang, denn er wird seine Jungen bis zum letzten Atemzug verteidigen - eben weil er nur so wenig Zeit hat, welche zu machen. Umgekehrt wird der Eroberer eines Harems alles daran setzen, die Jungen seines Feindes und Vorgängers zu töten, denn es ist ja nicht seine Erbmasse, und die Weibchen müssen schnell wieder schwanger werden können - von ihm selber. Mag sein, daß die Natur grausam ist, aber der Löwe ist es nicht - kein männliches Säugetier kümmert sich derart aufopferungsvoll um seinen Nachwuchs wie der Löwe, und im Gegensatz etwa zum äffischen und menschlichen Männchen läßt er sich keine Kuckuckseier unterschieben. Exkurs Ende.]

[Saladin, einzige zeitgenössische Darstellung] [Saladin, spätere - historisch falsche - Darstellung. Die Rüstungen aus geschmiedeten Panzerplatten gab es noch nicht, sonst wären die nur als Hieb-, nicht aber als Stichwaffen zu gebrauchenden Krummschwerter wirkungslos gewesen; damals trugen die Ritter auf beiden Seiten nur Kettenhemden] [noch spätere Darstellung] [Ian Keith als Saladin mit Loretta Young als Berengaria in 'The Crusades']

Jedes Kind kennt auch Richards Gegenspieler, den großen Sultan Saladin - oder glaubt ihn zumindest zu kennen, und wenn es ihn nur mit Aladin (dem mit der Wunderlampe) der Märchen aus tausendundeiner Nacht verwechselt, wie der letzte deutsche Kaiser Wilhelm. Auch andere deutsche "Kenner" kennen in der Regel nicht mal seinen richtigen Namen, Yūssuf Ibn Ayūb [Josef Ayubssohn]), und von seinem Beinamen nicht mal die richtige Aussprache - sie betonen ihn durchweg auf der einzigen Silbe, die unbetont ist, nämlich der ersten -, geschweige denn dessen Bedeutung. "Saladin" (das "S" im Anlaut ist scharf, etwa wie ein deutsches "ß", ebenso wie das "S" in Sultan - bitte auf der zweiten Silbe betonen, also "ßultán ßaláhdin") ist eine fränkische Verballhornung von "Salāh äd-Dīn", Wahrheit [im Sinne von Richtigkeit] - oder Güte [im Sinne von Qualität] - des Glaubens [im Sinne von Religion, also des Islām]. Zum Trost: Selbst diejenigen, die Saladin nicht mit Aladin verwechseln, die seinen Namen kennen und richtig aussprechen, wissen über sein Äußeres meist ebenso viel wie die anderen, nämlich gar nichts - das liegt wohl an dem islamischen Verbot, Menschen abzubilden. Links oben seht Ihr die einzige mutmaßlich echte Darstellung. Nach zeitgenössischen Beschreibungen ähnelte er jedenfalls Ian Keith, der ihn im Film darstellt (rechts oben), in keiner Weise, vielmehr war er ein kleiner, dicklicher Einäugiger; aber schon gut 200 Jahre nach seinem Tode stellte man ihn sich ganz anders vor, wie Ihr auf den beiden Bildern in der Mitte seht. Und was weiß man von seinen Taten? War er nicht der große Einiger aller arabischer Stämme, der sie erfolgreich gen Jerusalem führte? Nein, ebenso wenig wie er groß war, war er der Einiger irgendwelcher arabischer Stämme - die Araber hatten zu seiner Zeit im Nahen Osten so gut wie gar nichts zu bestellen. Aber war er nicht ach-so-weise, daß er sich mit den christlichen Kreuzrittern kampflos darauf einigte, daß die Anhänger aller Religionen friedlich miteinander im Heiligen Land leben konnten? Sollte uns das nicht gerade in der heutigen Zeit ein leuchtendes Vorbild sein? Ist er es vielleicht sogar schon?

Seine Herkunft liegt im Dunkeln. Geboren wurde er in Mesopotamien, dem Land "zwischen den Flüssen" [das bedeutet der griechische Name wörtlich] Evfrátis und Tigris, in einem kleinen Kaff in der Nähe von Täkrīt am Tigris, ca. 150 km nordwestlich von der berühmten Metropole Baģdād [Gartenstadt, Stadt der Gärten], welche die Menschen früher in einem Maße faszinierte wie nicht einmal Rom und Byzanz, oder später London, Paris und New York. (Noch im 20. Jahrhundert war "Der Dieb von Bagdad" ein beliebtes Filmsujet, und auch einige der Regisseure, die Euch Dikigoros in anderen Kapiteln dieser "Reise durch die Vergangenheit" vorstellt, wie Raoul Walsh und Alexander Korda, haben sich daran versucht, aber das nur am Rande.) Sein Vater ist unbekannt (böse Zungen sollten später behaupten, es sei ein Kurde gewesen); seine Mutter war Witwe, als sie ihn gebar - etwas weiter südlich, bei den Schi'iten, hätte sie dafür gesteinigt werden können. (Er hat das nie vergessen; viele "tolerante" Menschen sind das nicht aus ehrlicher Überzeugung, sondern entweder, weil sie ihrer Religion gleichgültig gegenüber stehen, wie die meisten Westler heutzutage, oder aber weil sie sie insgeheim hassen.) Er wollte einen weltlichen Staat, obwohl er sich formell zum Islām sunnitischer Konfession bekannte. [Macht Euch bitte einmal klar, liebe Leser, wie revolutionär "modern" das damals war - nicht nur in den Augen der Muslime, sondern auch in denen der Christen; und in anderen Religionen, vom Hinduismus bis zum Shintōismus, wäre es ebenso undenkbar gewesen, weltliche von religiöser Herrschaft zu trennen.] Sein "Vater" war in Wirklichkeit sein Stiefvater, und um seine Erziehung kümmerte sich, wie das in solchen Fällen üblich ist, sein Onkel mütterlicherseits. Schon in jungen Jahren war er in Mord und Totschlag verwickelt, weshalb er außer Landes fliehen mußte; erst nach Syrien, dann nach Ägypten. Als es in seiner Heimat zum Umsturz kam, kehrte er zurück, erst als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, dann als Staatsoberhaupt. Er nannte sich "der Löwe von Baģdād" (böse Zungen machten daraus "der Baulöwe von Bagdad" :-); und seine Feinde nannten ihn einen grausamen Diktator.

Kommt Euch diese Biografie bekannt vor, liebe Leser? Soll sie auch. Vor allem, wenn Ihr zu denen zählt, die ständig mit diesem aberwitzigen Unsinn berieselt werden, Saddam Hussein habe als Vorbilder Hitler und Stalin gehabt (oder gar Nebukadnezar und Hammurabi von Babylon - bloß weil er ein paar von deren alten Palästen ausbuddeln und rekonstruieren ließ :-). Richtig ist, daß er nie ein anderes Vorbild gehabt hat als Saladin, dessen Lebenslauf so verblüffend mit seinem eigenen überein stimmt. [Ja, liebe "Zeithistoriker", die Ihr Eure und Eurer Fachrichtung Daseinsberechtigung alleine aus der "Bewältigung" der Geschichte des National-Sozialismus bezieht und daher alles und jeden mit Hitler und den Nazis in Verbindung bringen müßt, Dikigoros weiß wohl, daß sich die Ba'ath-Partei (bitte mit einem schönen Hiatus zwischen den beiden "a" aussprechen, und das "th" wie im Englischen, als stimmlosen Zischlaut, nicht wie ein deutsches aspiriertes "t"!) stets als nationalistisch, sozialistisch und anti-marxistisch bezeichnet hat, daß unter ihren frühesten Anhängern viele enttäuschte Beteiligte des anti-alliierten Aufstands von 1941 waren, und daß man ihr politisches Ziel, Wahda, durchaus mit "Volksgemeinschaft" übersetzen kann; aber wie nannte sich ihr Gründer, ein gewisser Bitār? Adolf? Falsch. Saladin? Richtig. "Ba'ath" bedeutet übrigens nicht "Wiedergeburt", wie man bisweilen liest (vor allem bei den Franzosen, die es meist mit "renaissance" übersetzen) - daran glauben nur die Hindus -, sondern "Wiederauferstehung", denn daran glauben die Muslime ebenso wie die Christen (hier ist es allerdings im politischen Sinne gemeint, etwa wie das italienische "risorgimento").] Das soll kein Werturteil sein; aber entweder war Saladin nicht ganz der edle Ritter (und Mensch), als den ihn einige - selbst christliche - Schreiberlinge dargestellt haben (vor allem der treudeutsche Sesselpupser Lessing in "Nathan der Weise"; Lessing, der nie im Nahen Osten war, keinen einzigen richtigen Juden kannte - sein Zechkumpan Moses Mendelssohn, der Erfinder der "Haskala", wurde von jedem anständigen Juden als Verräter betrachtet - und keinen einzigen richtigen Araber), oder aber Saddam war nicht ganz der Teufel, als den die Amis ihn an die Wand stellten, pardon - sie haben ihn ja von ihren willfährigen Marionetten nicht an die Wand stellen, sondern an die Decke hängen lassen - malten. Aber hier will Dikigoros die Parallelen einstweilen enden lassen, denn das Zweistromland war damals noch nicht geteilt, d.h. das heutige Kuwait gehörte ebenso dazu wie der heutige Irak; die USA gab es noch nicht, denn die Europäer hatten Amerika noch nicht für sich entdeckt - obwohl die Vorfahren der Normannen wohl schon mal von Grönland aus hin gekommen waren, ohne es zu merken (ein Ereignis, das Marcus Nispel ein Menschenalter nach "The Crusades" in "Pathfinder" ebenso fantasievoll wie brutal inszeniert hat). Aber die Mannen aus dem Norden hatten auch so genug zu erobern: Im Westen die nach ihnen benannte Normandie (und von dort aus England), im Süden Sizilien, im Osten das nach einem ihrer Stämme benannte Rūsland (wo sie Kiew gründeten - doch das ist eine andere Geschichte).

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Längerer Exkurs, den Leser, die nur am Orient, nicht aber an den Normannen interessiert sind (obwohl die an fast allen Kreuzzügen beteiligt waren; vergeßt nicht, daß auch Richard Löwenherz einer war, kein Engländer - was DeMille leider nicht hinreichend deutlich macht), getrost überspringen können. Dikigoros hat sich nie aufraffen können, im Rahmen seiner "Reisen durch die Vergangenheit" ein Kapitel "Vom Nordkap bis Sizilien" zu schreiben über die Reise, die er im verregneten Sommer 1980 auf den Spuren der Normannen unternommen hat; deshalb will er darüber hier ein paar Worte verlieren. Es wäre ein allzu böser Bericht geworden, denn seine Erinnerungen kreisen allzu sehr um die ständig durchnäßten Klamotten, um die Regenschleier, durch die man selbst die interessantesten Sehenswürdigkeiten kaum noch wahr nehmen konnte, und um die unsympathischen Nachfahren der Nordmänner. Seht Ihr, liebe Leser, Rassenmischmasch ist das eine Extrem, das sicher von Übel ist; aber das andere Extrem - Jahrhunderte langes Abwandern der tüchtigsten Männer ins Ausland, wo ihre Erbmasse sich in fremden Völkern verliert, und zuhause permanente Endogamie (auf Deutsch: Inzucht) - ist um nichts besser. Man braucht ja nicht unbedingt - wie es die Schweden getan haben - 'zigtausende Schwarze aus Afrika und der Karibik ins Land zu holen, weil die eigenen, ständig besoffenen Männer keinen mehr hoch bekommen bei ihren unterkühlten Blondinen; aber wenn Ihr Euch die heutigen Norweger anschaut... die kann man nicht mal mehr in der Pfeife rauchen, so degeneriert und minderwertig sind sie. (Und das schreibt Dikigoros durchaus nicht als bloße Retour-Kutsche auf deren Deutschenhaß - dem er sich relativ unproblematisch entziehen konnte, indem er sich, als er das einmal spitz hatte, als Amerikaner ausgab.) Was ist nur aus dem Volk geworden, den unternehmungslustigen Pionieren des Reisens, den klugen Organisatoren und Staatsmännern, den kühnen Kriegern und genialen Feldherren? Wie viele große Norweger des 20. Jahrhunderts fallen Euch ein? Hamsun, Nansen und Amundsen waren Kinder des 19. Jahrhunderts, ebenso Nansens bester Freund und Weggefährte, der 1945 von seinen eigenen Landsleuten ermordet wurde und seitdem nicht mehr genannt werden darf (die Norweger haben sogar den Buchstaben "Q" aus ihrem Alfabet gestrichen, damit er nicht mal mehr geschrieben werden kann :-), da er ein Freund der Deutschen war (weit mehr noch als Hamsun, dem das auch jede Menge Ärger einbrachte); und Thor Heyerdahl war mit Verlaub ein liebenswerter Narr. (Dikigoros darf das schreiben - wobei er nie so herzlos wäre wie die meisten seiner Landsleute, die ihn penetrant einen Toren aus dem Bettental nennen; er spricht ihn vielmehr richtig "Tuur Härdaal" aus :-) Gescheiterte Abenteurer waren sie allesamt. Nordmänner? Nordmännchen! [Der Letzte Wikinger war kein Norweger, sondern ein Däne: König Frederik IX, Marineoffizier mit Leib und Seele, am ganzen wettergebränten, kampfgestählten Körper tätowiert wie ein Pirat, der es jederzeit mit Richard Löwenherz von England hätte aufnehmen können; aber er starb 1972, und seine Tochter und Nachfolgerin heiratete ein Gräflein aus Frankreich, und ihr ältester Sohn eine Australierin (oder Neuseeländerin?), die von einem schottischen Waldschrat abstammte; damit waren die Wikinger auch in Dänemark endgültig ausgestorben... Dikigoros steht mit dieser Auffassung übrigens nicht alleine. Jemand, der Skandinavien im selben Jahr bereiste und anschließend ein Buch darüber schrieb, drückte es etwas höflicher, aber nicht weniger pointiert aus: "Im Norden Europas sind die Zeiten der harten Männer vorbei. Die Nachfahren der Wikinger sind in den ewigen Jagdgründen verschwunden. Sie führen ein gespensterhaft unwirkliches Leben nur noch in Werbespots für Wodka und Knäckebrot."] Glaubt Ihr, daß sich in der Sprache eines Volkes seine Seele, sein Aufstieg und Niedergang wiederspiegeln? Dikigoros tut es. Als die Nordmannen ihren Siegeszug um die Welt begannen, blies ihnen der Wind gewaltig in die Segel; während sie zur See fuhren, tranken sie Bier und dachten an die Heimat. Wenn Ihr diesen Satz in modernes Norwegisch übersetzen wolltet, würde er etwa wie folgt lauten: "Als die Nurmannen ihren Sie'eszug um die Welt beginnten, blaste ihnen der Wind waldi in die Se'el; während sie zur See fahrten, tri'kten sie Öl und denkten an die He'm." Aber die Norweger haben mehr verloren als nur ein paar starke Verbformen und Konsonanten. Obwohl Dikigoros das meiste von den Grundzügen der nordgermanischen Sprache[n] (eigentlich ist es ja ein- und dieselbe, nur in verschiedenen Dialekten und Schreibvarianten), die er sich damals kurz aneignete, längst vergessen hat, wird er einen Satz für immer im Gedächtnis behalten, mit dem eine der ersten Lektionen des alten Langenscheidt-Lehrbuchs "Norwegisch für Anfänger" begann (nein, im Deutschen ist es noch nicht so weit, daß man "beginnte" sagen könnte :-): "Vi var heldige", wörtlich: "Wir waren Helden." Auf welche "Heldentat" der Sprecher da Bezug nimmt (und zwar ganz ernsthaft)? Er und sein Kollege haben sich einen Sitzplatz im Vorortbus erobert! Gewiß, die offizielle Bedeutung jenes Satzes wird mit "Wir waren erfolgreich" wieder gegeben; aber die Wendung - und ihre Ver-wendung - lassen tief blicken auf den tiefen Fall der Nor[d]mannen. Und was Sizilien anbelangt, so findet darüber gerade eine aufwendige Ausstellung statt...

Nein, keine "aufwändige" Ausstellung, denn erstens befinden sich die Exponate nicht alle an, geschweige denn auf den Wänden, und zweitens ist es ein Kennzeichen der germanischen Sprachen, verschiedene Wortformen eines Stammes durch Ablaut zu unterscheiden; wenn man dagegen immer den selben Vokal verwendet - nicht verwändet -, d.h. auf den Ablaut verzichtet, dann geht die Unterscheidungskraft verloren und man landet dort, wo die Norweger mit ihrer Sprache heute sind! Aber da Dikigoros so darauf herum hackt und so böse Schlüsse daraus zieht, will er gerechterweise auch anmerken, daß die Norweger einige Wörter bis heute bewahrt haben, die den Deutschen verloren gegangen sind. Dikigoros' Eltern haben zwar untereinander und mit ihren Kindern grundsätzlich nur Hochdeutsch gesprochen - sonst würden ihm sicher noch mehr Beispiele einfallen -; aber an einige Ausnahmen aus seiner Kindheit erinnert er sich doch: Sein Vater hätte einen Jumper nie als "Pull-over" bezeichnet (geschweige denn als "Pullohwa") Büxen nie als "Hosen", einen Anorak nie als "Parka", eine Grütze nie als "Brei", eine Brause nie als "Limonade" (und eine Dusche nie als "Brause" :-), eine Box nie als "Dose" - die bekam man beim Apotheker - oder als "Büchse" - damit ging man auf die Pirsch (nein, nicht auf die Yacht, mit der fuhr man zur See :-). Den "Kaffee" - der swatt und söt sein mußte, nicht "schwarz" und "süß" - hätte er nie auf der 2. Silbe betont, geschweige denn "Café" geschrieben. [Das Café war das "Kaffeehus" - auch auf der 1. Silbe betont -, und die Bedienung hieß "Kellner", nicht "Ober" (den gabs beim Doppelkopp oder - geschlagen - aufm Kuchen :-); aber Urs trank ihn ja zuhause bei Muttern.] Und obwohl er selber meist "Hering" sagte, wußte er auch noch, was ein "Sild" ist, wie jeder anständige Norddeutsche. Das Wort "kucken" oder "gucken" - auf Sächsisch gar "guggen" -, die Verballhornung von "kieken", hörte Dikigoros zum ersten Mal, als sie ins Rheinland zogen. (Und da wir gerade beim Sächsischen waren: Die doofen Ossis glauben ja, daß ihr Wort "deli" die Abkürzung von "delikat[essen]" sei; in Wahrheit haben die MäcPoms das vom nordgermanischen "deilig" übernommen - das ebenso gesprochen wird und von je her diese Bedeutung hatte, während das romanische "delikat" ursprünglich "heikel" oder "zerbrechlich" bedeutete :-) Und wenn Dikigoros eben geschrieben hat, daß man die heutigen Norweger nicht mal mehr in der Pfeife rauchen könne - wäre Urs Raucher gewesen, dann hätte er sich nicht eine "klajnä Pfajfä" gestopft, sondern eine lütte Pipe, wenngleich es in einer Großstadt wie Hamburg nicht mehr so arg gemütlich zuging und die einst allgegenwärtigen Seemanns-Pipen allmählich vom Markt verdrängt wurden durch die Glimmstengel (nein, nicht "Kippen" - das sind Hühner :-), die damals nur ein paar Penninge (nein, nicht "Pfännigä"!) kosteten und schneller aufgeraucht waren, also besser in die zunehmende Hektik paßten, die Urs so haßte. [Dikigoros erinnert sich nur an einen einzigen "anti-semitischen" Satz, den sein Vater je gebrauchte - dafür aber regelmäßig -, und der lautete: "Nur keine jüdische Hast!" (Aber sein Lieblings-Weihnachtslied - er nannte es schon so, obwohl er manchmal noch "Julfest" statt "Weihnachten" und "Weise" statt "Lied" sagte - war "Tochter Zion freue Dich" :-) Er machte alles langsam, sorgfältig; sein Wahlspruch war: "Lütti man tid!" - Klingt das nicht viel schöner als "Laß dir mal Zeit"?] À propos: Kein echter Hamburger hätte damals die Rush-tid (mit langem "i"!) als "Rasch-aua" bezeichnet (da ging es doch eben nicht mehr rasch voran, so ein Unfug hätte ja in den Ohren weh getan, aua!), auch nicht als "Stoß-tsajt" (geschweige denn als "Schtoß-tsajt", wie die Deppen im Süden sagen). Aber die Tid, pardon, die Tsajt vergeht, und mit ihr so viele schöne alte Wörter. (Und Namen, die eine Bedeutung hatten: In Dikigoros' Generation gab es noch Menschen, die z.B. Astrid, Birgit, Dagmar, Erika, Gertrud, Gudrun, Harald, Helga, Ingeborg, Ingrid oder Olaf hießen - waren diese "nordischen" Namen nicht viel schöner als so nichtssagende germenglische Abkürzungen wie "Angie", "Anja", "Ben", "Nadja" oder "Tom", mit denen die Leute heutzutage herum laufen?) Ihr fragt, ob es nicht ziemlich egal sei, welche Wörter man gebraucht, wenn sie nur den gleichen Nutzen haben? Seit wann ist Dikigoros sentimental? Aber gerade das mit dem gleichen Nutzen bezweifelt er. Er ist z.B. schon damit aufgewachsen, daß das Eckige, in welches das Runde beim Fußballspiel muß, mit einem Begriff bezeichnet wird, der gleich doppelt verwechslungsfähig ist, nämlich zum einen mit der Eingangspforte, zum anderen mit den Narren, die ihn verwenden. In der Heimat von Dikigoros' Mutter sagt man dagegen "Goal", wie fast überall sonst auf der Welt, außer... in Skandinavien und - früher - in Norddeutschland. Wenn Ihr Euch für Sportgeschichte interessiert, dann kennt Ihr sicher das Telegramm, in dem ein Vertreter der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Dezember 1898 nach ihrem ersten Länderspielsieg in Paris seiner Majestät in Potsdam "unterthänigst" die "gehorsamste Mittheilung" unterbreitete, daß sie "einen Sieg von 7:0 Malen errungen" hatte, "mit Gut und Blut für Kaiser und Reich..." (Ein Sieg übrigens, den der DFB untertänigst aus seiner offiziellen Länderspiel-Statistik gestrichen hat - obwohl sogar der spätere FIFA-Generalsekretär Ivo Schricker persönlich mitspielte. Warum? Offiziell, weil der "Deutsche Fußball- und Cricket-Bund", wie er ursprünglich hieß, damals noch gar nicht gegründet war, also eine echte National-Mannschaft mit 11 Deutschen antrat, keine DFB-Auswahl mit sonstwas; der wahre Grund ist aber, daß die Franzosen diese Niederlage nicht anerkennen wollen. Warum? Aus dem umgekehrten Grund, weil sie nämlich damals mit 11... nein, nicht mit 11 Negern und/oder Arabern Afrikanern gespielt hatten, wie heute, sondern mit 11 - weißen - Engländern! Ein ordentlicher Franzose spielte kein "Socker" oder "Association football", sondern "Rugby" :-) Auf Norwegisch heißt das Fußballtor bis heute "Mål", und Dikigoros fände es nützlich, wenn das auch auf Deutsch noch so wäre, auch wenn er darob keinen Kreuzzug führen würde, wie so manche Möchtegern-Retter der deutschen Sprache, die damit nur das Gegenteil erreichen - aber das ist eine andere Geschichte.

Also, eine aufwendige Ausstellung findet gerade statt, die den (Unter-)Titel "von Odysseus bis Garibaldi" trägt. Da Dikigoros aber sowohl über Odysseus als auch über Garibaldi an anderer Stelle schreibt, kann er sich das hier ersparen. Exkurs Ende.

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Wie dem auch sei, im Hochmittelalter griffen die Normannen gar nach "Outremer [Übersee]" aus - ins "Heilige Land" der Philister, das heute nach ihnen "Palästina" genannt wird - oder auch nicht. (Der Begriff schloß auch diejenigen Länder ein, die heute "Israel", "Libanon" und "Syrien" genannt werden.) Die berühmteste - wenngleich nicht die größte - Stadt jenes Gebiets war Hierosolym[am] (über die Vokale kann man trefflich streiten, wie immer bei hebräischen Wörtern, weil sie nicht mit geschrieben wurden; heute sagt man im Westen "Jerusalem"). Die Christen hatten es ein rundes Jahrhundert zuvor erobert - übrigens nicht von den Arabern, sondern von den Türken. Aber über die Geschichte der Kreuzfahrer und Kreuzfahrten schreibt Dikigoros an anderer Stelle, woraus der geneigte Leser schließen kann, daß es ihm hier um etwas anderes geht. Notwendigerweise, denn auch Cecil DeMille ging es schwerlich um die historische Wahrheit, als er 1935 "The Crusades" drehte.

[Normannenstaaten] [Ihr seht den Zusammenhang zwischen den beiden Bildern nicht, liebe Leser? Wenn Ihr es noch nicht wußtet: George W. Bush ist norwegischer Abstammung!]

Aber wem geht es schon um die Wahrheit? Nicht wahr, in Nahost geht es nur darum, Friede, Freiheit und Demokratie wieder herzustellen, nicht etwa um Erdöl - auch wenn es das dort zufällig gibt und den größten Weltwirtschaftsfaktor ausmacht. (Aber wenn man das den braven NATO-Soldaten sagen würde, dann würden die womöglich nicht mitmachen wollen. Für Friede, Freiheit und Demokratie kämpfen sie gerne, aber doch nicht für den Profit der Erdöl-Konzerne! Wenn man den britischen Soldaten, die man ab 1914 nach Flandern, Gallipoli und in den Irak schickte, gesagt hätte, daß der britische Außenminister schon seit 1903, als der Bau der deutsch-türkischen Bagdad-Bahn begann, Hände ringend nach einem Vorwand suchte, um einen Krieg gegen das Deutsche und das Osmanische Reich vom Zaun zu brechen, weil diese Bahn britische Handels-Interessen gefährdete... Aber sie kämpften gerne, wenn man ihnen erzählte, daß es darum ging, die deutschen "Hunnen" daran zu hindern, noch mehr belgische Babies am Spieß zu braten und aufzufressen!) Und auf den Kreuzzügen ging es - auf beiden Seiten - nur darum, freien Zugang für den wahren, d.h. den eigenen Glauben zu den Heiligen Stätten zu gewinnen - auch wenn der Weg dorthin zufällig über Byzantion (das, liebe deutsche Leser, von den Griechen schon damals "Wisá[n]dion" ausgesprochen wurde, mit weichem "s"; die Normannen sagten "Mikelgård", große, mächtige Stadt) führte, das alte Konstantinopolis ("Kosta[n]dinópoli") und heutige Istanbul ("Stámbul" gesprochen, wie bei Charly May ganz richtig nachzulesen), den damals größten Umschlagplatz der Weltwirtschaft. (Aber wenn man das den Rittern Christi, die das Kreuz nahmen, gesagt hätte, dann hätten die womöglich nicht mitmachen wollen. Für die Freiheit des Pilger-Tourismus zum Grabe Jesu kämpften sie gerne, aber nicht für den Profit der Pfeffersäcke!) Aber schreibt Dikigoros sonst nicht immer, daß es auf den kleinen Mann gar nicht ankomme, sondern vielmehr auf die führenden Persönlichkeiten, die ihn auf Reisen schicken, sprich in den Krieg hetzen? Wohl wahr, und deshalb wollen wir uns auch deren edle Motive gleich mal etwas näher anschauen. Den ersten Kreuzzug, seine Vorläufer und Nachwehen können wir dabei außer Acht lassen; den führten hauptsächlich adelige Habenichtse an, die zuhause nichts zu erben hatten und sich deshalb ein Stück vom Heiligen Land unter den Nagel reißen wollten, wie Godefroy de Bouillon [Gutfried von der Fleischbrühe - nein, liebe französische Historiker, das ist keine Verballhornung von Boulogne, auch wenn Ihr das krampfhaft behauptet; es gibt wirklich einen Ort in Belgien, der so heißt; und die Fleischbrühe wird auch nicht etwa so genannt, weil man die Leiche des Guten damals zu einer solchen verkochte - er wurde vielmehr am Stück begraben, nachdem er jämmerlich an Tyfus verreckt war].

[Barbarossa mit seinen Söhnen] [Barbarossa als Kreuzfahrer] [Barbarossa ertrinkt im Salef - aus der Sächsischen Weltchronik]

Auf den Kreuzzügen danach war es anders: Schon den (erfolglosen) zweiten bestritten der deutsche und der französische König, und auf dem dritten nahm gar der alte Kaiser, Freddy Rotbart, pardon Friedrich Barbarossa, höchstpersönlich das Kreuz; allerdings ersoff er unterwegs in Anatolien. [Er war übrigens derjenige, der als Fleischbrühe endete, weil man seine Leiche schlecht konserviert hatte - in billigem Essig -, so daß sie unterwegs anfing zu faulen; und man wollte doch wenigstens die Knochen heil bis nach Jerusalem bringen, woraus dann freilich auch nichts werden sollte - aber das nur am Rande. Nicht viel besser sollte es seinem Sohn HeinoHeini ergehen, der am Sumpffieber verreckte, noch ehe er richtig aufgebrochen war, weil es in Italien noch keinen Mussolini gab, der die Sümpfe trocken gelegt hätte.] Aber bleiben wir beim Titelhelden: Richard Löwenherz, durch glückliche Umstände, d.h. durch das Unglück seiner beiden älteren Brüder Guilleaume [Willi] und Henry (beide starben an rätselhaften Krankheiten, der erstere mit drei, der letztere mit 28 Jahren) Erbe des Thrones von England, verfolgte damals schon das, was man später "imperiale" Politik nennen sollte: Er wäre der letzte gewesen, der für den Pilgerrummel und die Heiligen Stätten nur einen Penny gegeben hätte; aber unterwegs gab es viel interessantere Orte zu besetzen - die England mit Unterbrechungen bis ins 20. Jahrhundert behalten sollte: Kreta, Rhodos und Cypern, wo er Berengaria von Navarra heiratete (in Lemesós [Limassol] soll es bis heute eine Fish- and Chips-Bude mit dem Namen "Richard & Berengaria" geben, für britische Touristen :-) - ein Ereignis, das DeMille nach Marseille verlegt, und aus dem er den Dreh- und Angelpunkt seines Films macht: kein Historienschinken ohne Liebesgeschichte!

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