Karl Franz von Boos zu Waldeck


1. Die Familie von Boos zu Waldeck

Die Boos zu Waldecks waren eine alte rheinische Adelsfamilie, deren Stammsitz die Burg Waldeck im Hunsrück gewesen ist. Erstmals urkundlich erwähnt wurden 1242 vier Ritter von Waldeck mit Namen Heribert, Udo, Bosso und Winand, die ihren Besitz dem Kölner Erzbistum zum Lehen aufgetragen hatten. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts gelang es den Besitzern der Herrschaft, zu der neben der Burg noch einige umliegende Dörfer gehörten, die kölnische Oberherrschaft abzuschütteln. Seit dieser Zeit galten die Herrschaft und die Burg als reichsunmittelbar. Formal wurde der Freiherrentitel der Familie 1680 verliehen.

Die Boos zu Waldecks gehörten der niederrheinischen Reichsritterschaft an. Sie besaßen weitere Lehensgüter, die ihnen von den Erzbischöfen von Trier und den Pfalzgrafen verliehen wurden. Der wichtigste Besitz neben dem Stammburg war die Herrschaft Montfort in der Pfalz. 1426 wurde der erste Boos zu Waldeck mit ihr belehnt. Bei einer Erbteilung im Jahre 1659 zwischen den Brüdern Philipp Hartmann und Philipp Balthasar von Boos zu Waldeck wurde ersterem die Herrschaft Waldeck, dem zweiten die Herrschaft Montfort zugeteilt. Im pfälzischen Krieg wurde die Burg Waldeck 1688/89 von den Franzosen zerstört. Erst 1720 begann Wilhelm Lothar von Boos zu Waldeck mit dem Bau eines neuen Sommerschlosses. Die Familie hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Hauptwohnsitz nach Koblenz verlegt, wo sein einen großen Adelshof besaßen.

Nur ein Teil der zahlreichen Mitglieder der Familie lebte über die Jahrhunderte auf der Burg Waldeck. Viele Angehörige traten in den geistlichen Stand ein, andere suchten sich ein Betätigungsfeld auf den rheinischen Burgen und an den Fürstenhöfen. Erstes Ziel war dabei natürlich der Hof der Trierer Kurfürsten. Dort hatten die reichsunmittelbaren Adligen des Landes eine Art Monopolstellung bei der Besetzung der wichtigsten Hofämter. Eine größere Zahl von reinen Ehrenämtern war für sie reserviert und sicherte einträgliche Einnahmen. Die Adligen nahmen auch einen großen Teil der Offiziersstellen in der kurtrierischen Armee ein. Über eine entscheidende Position verfügten die Adligen auch in der Reichskirche. Der größte Teil der Kanonikate der verschiedenen Domkapitel wurde durch Mitglieder dieser Schicht besetzt.

Auch die Boos zu Waldecks bildeten dabei keine Ausnahme. Allein im Domkapitel von Trier kann man zwischen 1650 und 1800 sechs Angehörige dieser Familie finden. Am Trierer Hof spielten sie vor allem im 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Die Adligen heirateten vorwiegend innerhalb ihrer eigenen Schicht und stärkten so den Zusammenhalt der Gruppe. Sie sicherten ihre Stellung ab und gewährten sich gegenseitig Unterstützung.

Wilhelm Lothar von Boos zu Waldeck, gestorben 1763, war eine einflussreiche Persönlichkeit am Hof der Trierer Kurfürsten, vor allem unter Johann Philipp von Walderdorff. Er stand in kaiserlichen und kurtrierischen Diensten als Regierungsrat, Kämmerer, Oberamtmann in Zell und Balduinstein und als Oberstallmeister. Verheiratet war er mit Amalie Sophia Freiin von Hohenfeld, die ebenfalls aus einer heimischen reichsunmittelbaren Familie stammte. Gemeinsam hatten sie sechs Söhne, von denen fünf in den geistlichen Stand traten. Nur Ludwig Josef Wilhelm (1734 - 1813) sorgte für das Fortbestehen der Familie. Er folgte seinem Vater in den wichtigsten Ämtern, so wurde er nach dessen Tod zunächst Oberstallmeister am kurfürstlichen Hof, unter Clemens Wenzeslaus stieg er zum Oberhofmarschall auf. Er war der Verfasser eines Tagebuches, das das Leben am Hof von Franz Georg von Schönborn, unter dem er als adliger Kammerherr tätig war, und am Hof von Johann Philipp von Walderdorff schilderte. Außerdem berichtete er über das Hofleben unter Clemens Wenzeslaus und die Ereignisse in Koblenz unter französischer Herrschaft. Ludwig Josef Wilhelm war mit Sophia von Reifenberg verheiratet. Ihr Sohn wurde nach dem Kurfürsten Clemens Wenzeslaus getauft. 1790 wurde Ludwig Josef Wilhelm als Reichsgraf von Boos zu Waldeck in den Grafenstand erhoben. Als Folge der Revolutionskriege floh die Familie aus dem Rheinland, verlor ihre Güter und lebte fortan in Böhmen.

Friedrich Kasimir, gestorben 1781, ein Bruder Ludwig Josef Wilhelms, war Landkomtur des Deutschen Ordens der Ballei Lothringen und kurpfälzischer General der Kavallerie. Von 1773 - 1780 war er Rektor der Universität Trier. Der Bruder Franz Georg war unter Johann Philipp von Walderdorff Vizehof- und Reisemarschall. Später wurde er Domsänger in Hildesheim. Hugo Ferdinand, der 1792 starb, wurde 1740 als Domizellar ins Domkapitel von Trier aufgenommen. 1769 wurde er Kapitular, später nahm er den Posten als Scholaster und Chorbischof ein. Der jüngste Bruder Damian Hugo, gestorben 1787, gehörte den Domkapiteln von Hildesheim und Lüttich an. In Lüttich war er Domdechant. Einem weiteren Bruder, Karl Franz, gelang es unter der Regierung Johann Philipp von Walderdorffs großen Einfluss auf diesen zu gewinnen. Er war Domdechant im Trierer Domkapitel und Statthalter von Trier.

Die Familie von Boos zu Waldeck gehörte dem reichsunmittelbaren Adel an. Angehörige dieser Familie zog es an den Hof der Kurfürsten von Trier, so dass unter Johann Philipp von Walderdorff zeitweise drei von ihnen im Hofdienst tätig waren. Andere Verwandte fand man in größerer Zahl in den Domkapiteln der katholischen Bistümer. Die Familie verhielt sich konform mit anderen Adelsfamilien in dieser Zeit. Die Boos zu Waldecks waren reich und besaßen mehrere Güter. Ihren Hauptwohnsitz hatten sie in Koblenz, in der Nähe der Kurfürsten.

2. Karl Franz von Boos zu Waldeck

2.1. Karl Franz von Boos zu Waldeck als Mitglied des Trierer Domkapitels

Karl Franz von Boos zu Waldeck wurde 1730 als Domizellar zum Trierer Domkapitel zugelassen. Als Kapitular aufgenommen wurde er 1743. Vorher musste Karl Franz mindestens zwei Jahre an einer katholischen Universität studiert haben, denn dies gehörte zu den Voraussetzungen für den Eintritt in das Kapitel. Es ist mir nicht bekannt, wo er dieses Studium absolviert hat und ob er dabei einen akademischen Grad erworben hat. 1751 wurde Karl Franz vom Domkapitel zum Kantor gewählt. Der Kantor war ursprünglich für den Chorgesang zuständig, doch waren im 18. Jahrhundert die eigentlichen Aufgaben an Unterbeamte übergeben worden oder ganz überflüssig geworden. 1755 übernahm Boos zu Waldeck das Amt des Domdechanten von Johann Philipp von Walderdorff, der am 11.07.1754 zum Koadjutor von Franz Georg von Schönborn gewählt worden war. Bei dieser Wahl soll Karl Franz entscheidend zum Erfolg Walderdorffs beigetragen haben.

Als Domdechant war Karl Franz für die innere Verwaltung des Domkapitels zuständig. Er war verantwortlich für die Geschäfte des Domkapitels und führte den Vorsitz bei Versammlungen. Außerdem übte er die Gerichtsbarkeit über die Chorgeistlichkeit aus. Der Domdechant war zur ständigen Residenz in Trier verpflichtet, was Karl Franz aber nicht davon abhielt, oft nach Ehrenbreitstein zu reisen und den Kurfürsten auf dessen Jagdausflügen zu begleiten.

Boos zu Waldeck vertrat die Interessen des Domkapitels gegenüber dem Kurfürsten. In der Auseinandersetzung um den Abschluss eines Teilungsvertrages zwischen dem Kurfürstentum und Frankreich über Gebiete an der französisch-trierischen Grenze 1774 verweigerte das Domkapitel 1778 seine Zustimmung. Es erhielt dabei Rückendeckung vom Wiener Hof. Boos zu Waldeck wurde als Abgesandter des Domkapitels nach Koblenz geschickt, um die dortigen Unterlagen einzusehen und den Einspruch des Domkapitels zu vertreten. Das Domkapitel war besonders besorgt, weil einige Güter des Kapitels durch den Austausch unter französische Staatshoheit gelangt wären. Im November 1774 kam es zu Verhandlungen zwischen einer Delegation des Domkapitels, dessen Leiter Boos zu Waldeck war, und der Regierung. Die Verhandlungen endeten ohne Ergebnis, letztlich musste das Domkapitel dem Vertrag aber doch zustimmen. Es lehnte aber ausdrücklich jede Verantwortung für ihn ab.

2.2. Karl Franz von Boos zu Waldeck als Statthalter von Trier

Karl Franz von Boos zu Waldeck wurde von Kurfürst Franz Georg von Schönborn am 18.04.1755 zum Statthalter von Trier ernannt. Er folgte auch in diesem Amt Johann Philipp von Walderdorff. Karl Franz soll sich in seiner Amtszeit um die Abstellung eingerissener Missstände in der Verwaltung der Stadt bemüht haben. Er forderte eine völlige Neuordnung des städtischen Ökonomiewesens und versuchte, die Finanzen auf eine solidere Basis zu stellen. Die Rechnungen sollten genau überprüft werden. Er verlangte eine größere Sparsamkeit bei öffentlichen Ausgaben.
Er sorgte sich um eine Verbesserung des Gesundheitswesens und der öffentlichen Hygiene, zum Beispiel setzte er sich für eine Visitation von Apotheken und für eine bessere Straßenreinigung ein.

Anlässlich des Regierungsantritts von Johann Philipp von Walderdorff besuchte dieser Trier. Auf seiner Reise von Koblenz nach Trier wurde er von Boos zu Waldeck begleitet. In Trier führte er den Kurfürsten zu dessen dortigen Palast und wies auf seinen schlechten Zustand hin. Er gab damit den Anstoß für den Bau eines neuen kurfürstlichen Palastes in den folgenden Jahren, von dem allerdings nur der Südflügel fertig gestellt wurde. Der Trierer Palast wurde unter Clemens Wenzeslaus kaum noch benutzt. Boos zu Waldeck war für seinen Zustand verantwortlich und berichtete, dass keine Möbel mehr in ihm vorhanden seien, die gut genug wären, um in den kurfürstlichen Zimmern aufgestellt zu werden. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Vernachlässigung Triers, ihrer früheren Residenz und Hauptstadt, durch die Kurfürsten im 18. Jahrhundert.

Karl Franz von Boos zu Waldeck war bis zu seinem Tod am 24.03.1776 Statthalter von Trier. In seinem Testament setzte er das Trierer Banthusseminar, das für die Ausbildung von Klerikern zuständig war, zu seinem Universalerben ein. Er drückte damit auch seine Verbundenheit mit Trier aus.

2.3. Karl Franz von Boos zu Waldecks Stellung am Hof des Kurfürsten Johann Philipp von Walderdorff

Johann Philipp von Walderdorff verdankte seine Wahl zum Erzbischof zu einem großen Teil dem Einfluss von Karl Franz von Boos zu Waldeck. Dementsprechend belohnte er ihn auch. Er machte ihn zu seinem wichtigsten Berater und Vertrauten und setzte ihn an die Spitze der Regierung. Boos zu Waldeck wurde zum mächtigsten Mann am Hof. Er wurde von seinen Gegnern sehr negativ beurteilt, so schilderte ihn Jakob Georg von Spangenberg als zynisch-kalten Machtpolitiker, als "violent und verschlagen". Spangenberg und Boos zu Waldeck waren erbitterte Gegner. Spangenberg versuchte, den Einfluss von Boos zu Waldeck zu brechen. Auch in den Briefen von Johann Anton von Pergen, dem österreichischen Gesandten beim kurrheinischen Kreis, kam Boos zu Waldeck sehr schlecht weg. Er wird als intrigant, hochmütig und eigennützig beschrieben. Er habe den Kurfürsten vollkommen in seiner Hand, tyrannisiere ihn und halte ihn davon ab, zugunsten des Landes aktiv zu werden und mit Leuten, die ihm helfen wollen, in Kontakt zu treten. Boos zu Waldeck verfolge nur seine eigenen Ziele und schrecke auch nicht davor zurück, das Land diesen zu opfern.

Der Koblenzer Offizial Kaspar Anton Radermacher nannte ihn "il grande diabolo". Er warf ihm vor, sein Vermögen durch Geldgier, Käuflichkeit und Erpressung erworben zu haben. Er übe nicht nur über den schwachen Kurfürsten, sondern auch über die Kapitulare den verderblichsten Einfluss aus. Der Nuntius Lucini machte seinen Nachfolger Caprana auf den Einfluss Boos zu Waldecks aufmerksam. Er beschrieb ihn als Lieblingsminister des Kurfürsten, als dessen Herrn des Herzen. Seine Lebensführung laufe allen Ansprüchen des Anstandes und der Religion zuwider. Tatsächlich hatte Boos zu Waldeck von einer Konkubine, mit der er in der Dechanei in Trier zusammenwohnte, mehrere Kinder.

Lucini fürchtete den Verlust der Religion in der Diözese Trier, falls Boos zu Waldeck zum Kurfürsten gewählt würde. Die Berichte über Boos zu Waldeck sind durch die Angst und das Missfallen über seine Wahlabsichten gefärbt.
Boos zu Waldeck war 1766/67 einer von mehreren Kandidaten als Koadjutor für Johann Philipp von Walderdorff. Sein Hauptkonkurrent war Clemens Wenzeslaus von Sachsen, daneben rechnete sich noch der Dompropst Karl Freiherr Breidbach von Bürresheim gute Chancen aus. Gegen die Kandidatur von Boos zu Waldeck bildete sich eine breite Allianz, die über Koblenz und Wien bis nach Rom reichte. Selbst Papst Clemens XII. hatte in zwei Briefen an das Domkapitel Stellung gegen ihn bezogen. Nuntius Caprana wurde beauftragt, die Pläne von Boos zu Waldeck zu durchkreuzen. Boos zu Waldeck musste bei soviel Widerstand davon ausgehen, weder von Rom noch von Wien, selbst wenn er gewählt würde, bei seiner schlechten Reputation, anerkannt zu werden. Sächsische Vertreter traten an Boos zu Waldeck heran, um ihn auf die Seite von Clemens Wenzeslaus zu ziehen. Zu diesem Schritt war er schließlich bereit und verzichtete auf seine Kandidatur. Als Gegenleistung verlangte er die Beibehaltung seiner Ämter als Statthalter von Trier und Domdechant sowie "angemessene Convenienzen" für seine Freunde. Außerdem erhielt er eine jährliche Rente über 1.000 Taler, die von Österreich gezahlt wurde. Boos zu Waldeck war es nicht gelungen, die höchste Stufe auf der Karriereleiter zu erklimmen.

Karl Franz von Boos zu Waldeck stammte aus einer einflussreichen adligen Familie, die im Kurfürstentum Trier ihren Hauptsitz hatte. Mehrere Mitglieder der Familie standen im Dienst der Kurfürsten von Trier, andere fanden eine Versorgung in den Domkapiteln der Reichskirche. Besonders unter Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff, der aus derselben sozialen Schicht wie die Boos zu Waldecks stammte, war ihr Einfluss groß. Drei Familienmitglieder waren am Hof aktiv, dazu kam noch Karl Franz von Boos zu Waldeck als maßgebender Vertrauter des Kurfürsten.

Er verdankte diese Vertrauensstellung vor allem seiner guten persönlichen Beziehung zu Walderdorff. Sie saßen viele Jahre gemeinsam im Domkapitel und einer hatte den anderen bei dessen Aufstieg unterstützt. Walderdorff schuldete Boos zu Waldeck Dankbarkeit. Er muss aber auch gern mit ihm zusammen gewesen sein und seinen Ratschlägen vertraut haben. Sie waren beide Freunde einer heiteren Lebensart, trotz ihres geistlichen Standes, und gingen gerne auf die Jagd. Die besondere Ehrerbietung, die Walderdorff der Familie Boos zu Waldeck entgegenbrachte, zeigte sich darin, dass er ihr einen Partikel des Heiligen Rocks, der sich bei einer Ausstellung 1765 abgelöst hatte, schenkte.

Karl Franz von Boos zu Waldeck nutzte seine Stellung zu seinen Gunsten aus und versuchte, seinen Reichtum zu mehren. Er stand bei den ausländischen Mächten in schlechtem Ansehen, vielleicht aber nur weil seine Politik ihren Plänen entgegenlief. Er profitierte davon, dass Walderdorff ein relativ schwacher Kurfürst und leicht beeinflussbar war. Als Vorbild konnte er aufgrund seines Lebenswandels nicht dienen, aber er wurde als großzügig beschrieben, so gab er der Stadt Trier in Notzeiten ein Darlehen über 2.000 Taler und hinterließ sein gesamtes Vermögen nicht seiner Familie, sondern dem Banthusseminar in Trier.


Literatur:




Diese Seite wurde von Gudrun Schönfeld ([email protected]) erstellt.






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