SEIN  LETZTES  KOMMANDO

"You furnish the pictures, I'll furnish the war"*
"TO CHANGE OUR COUNTRY'S STORY"**
"You can take glory with you when it is time for you to go"***
*Sie besorgen die Bilder, ich besorge den Krieg **die Geschichte unseres Landes zu ändern
***Du kannst den Ruhm mit Dir ins Grab nehmen, wenn Deine Zeit kommt um zu geh'n!

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Errol Flynn als "General" George Armstrong Custer

RAOUL WALSH: THEY DIED WITH THEIR BOOTS ON* (1941)
*Sie starben in ihren Stiefeln (will meinen: auf dem Schlachtfeld)

[Filmplakat: They Died with Their Boots On]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

(von Filmen, Schauspielern und ihren [Vor-]Bildern)

(Fortsetzung von Teil I)

Tatsächlich? Natürlich nicht, liebe Leser, sonst wäre es ja kein Kriegspropaganda-Film, erst recht kein guter! Nun beginnt die Story erst richtig, und sie beginnt schlecht: Welcher gute, anständige Mann - und erst recht welcher gute, anständige Amerikaner - kann es schon ertragen, im faulen Frieden zu leben, solange er irgendwo auf der Welt mit der Waffe in der Hand zum Ruhme des Vaterlandes kämpfen und sterben könnte? Eben, keiner. [Nur ein paar schlechte, unanständige Amerikaner, wie dieser Charles Lindbergh - immerhin Oberst der Reserve - und die anderen Friedenstreiber vom "America First Committee", wollten partout keinen Krieg gegen Deutschland, Italien und Japan anfangen; aber just um solche Weicheier zu diskreditieren und die 75% der US-Bevölkerung, die deutscher, schwedischer, irischer, italienischer, japanischer oder spanisch-mexikanischer Abstammung waren, für die gute Sache zu gewinnen - die sie bis dahin irrigerweise für eine schlechte Sache gehalten hatten, obwohl sie doch schon immer (und seit der "Quarantäne-Rede" von 1937 sogar erklärtermaßen) das Herzensanliegen ihres braven Präsisdenten Roosevelt war -, wurde dieser schöne Film ja gedreht!] Und so bekommt es auch dem Berufssoldaten aus Berufung Custer ganz und gar nicht, daß er aus der Armee entlassen worden ist (als Hauptmann der Reserve - alles andere war ja nur ein Rang auf Zeit). Darob todunglücklich beginnt er, seinen Kummer in Alkohol zu ersäufen, während seine leidgeprüfte Frau kinderlos, dafür mit einem Dutzend Pferden und zwei Dutzend Hunden (Custer war ein großer Reiter und Hunde-Freund), zu Hause sitzt und statt ihres in den Bars herum hängenden Mannes Trübsal bläst. Eines Tages kommt Besuch: Scharf (wer sonst?) und sein Vater - ein vor Geld stinkender Kapitalist - wollen eine Eisenbahnlinie nach Westen bauen und suchen einen Frühstücks-Direktor für ihre "Stock-Promotion", d.h. jemanden, der die Werbetrommel für ihre Aktien-Gesellschaft rührt. Wer wäre da besser geeignet als der Kriegsheld Custer? Aber der fragt zurück: "Und was sind diese Aktien eigentlich wert?" - "So lange sie keine Dividende abwerfen gar nichts," sagt Scharf ganz nüchtern (als wüßte er schon, daß all diese Gesellschaften einmal Pleite machen werden), "aber wir würden Ihnen ein schönes Gehalt zahlen, damit Sie nicht weiter Ihrer Frau auf der Tasche liegen müssen." Custer daraufhin kalt: "Meine Herren, ich bin bereit, alles aufs Spiel zu setzen, einschließlich meines Lebens, bis auf eines: meinen Namen." (Im Deutschen hätte er auch "meinen Ruhm" sagen können; aber im Englischen hätte "my glory" irgendwie komisch geklungen.) Dann wirft er sie hinaus - gute Amerikaner machen sich eben nichts aus Geld, sondern handeln stets nur aus edleren Motiven!

Aber Amerikanerinnen denken - bei aller Liebe zu Ehemann und Vaterland - manchmal doch etwas materialistischerrealistischer, so auch Libbie: "10.000 Dollar im Jahr? Davon hätte man eine Menge Zwiebeln kaufen können - wo wir doch 5 Hunde und 11 Pferde füttern müssen." (Für den Film wurden die Zahlen etwas verringert, um sie glaubhafter zu machen; heute hätte man sie wahrscheinlich auf 2 Hunde und maximal 2 Pferde reduziert :-) Heimlich reist sie nach Washington und bekniet General Scott, ihrem Mann wieder ein Kommando zu geben. Auch der kann ihm freilich nicht mehr verschaffen als eine wenig lukrative Planstelle: Oberstleutnant in Ft. Lincoln, Nebraska. Das ist der Arsch der Welt, am Rande des Indianergebiets, vor den "Schwarzen Bergen" (die Amerikaner sagen dazu "Black Hills"; genauer wäre "Schwarz-Gebirge", also das, was die Italiener "Montenegro" nennen). Doch Custer ist begeistert und nimmt ohne zu zögern an; und ebenso ohne zu zögern folgt ihm Libbie in die Wildnis, begleitet von "California Joe", einem alten Kauz, der so heißt, weil er schon seit dem Großen Goldrausch immer mal nach Kalifornien wollte - freilich ohne Erfolg. Im Fort trifft Custer Leutnant Butler wieder und macht den schon vergessenen Song "Garry Owen" zur Regiments-Hymne. Dabei spricht er Worte, die so schön sind, daß sie aus "Mein Kampf" stammen könnten: "Nun brauchen wir nur noch hart zu kämpfen und notfalls in unseren Stiefeln zu sterben. Denn Soldaten kommen und gehen und sterben. Aber das Regiment lebt fort, weil es eine eigene, unsterbliche Seele hat..." Hört der geneigte Leser da zwischen den Zeilen den Satz mit schwingen: "... denn die Fahne ist mehr als der Tod? Ja, Dikigoros hört ihn auch... Seine Großmutter - eine einfache Frau, die sicher noch nie von Genetik gehört hatte -, pflegte auf solche Sprüche nur zu sagen: "So ein Unsinn, man lebt doch in seinen Kindern und Kindeskindern weiter!" Aber Custer (der keine Kinder und auch sonst keine Verwandte hat - jedenfalls im Film, zur historischen Wahrheit kommen wir später) sieht das anders. Wie dem auch sei, er macht aus einem Haufen versoffener Rekruten eine erstklassige Antiterror-Einheit (auch er selber gewöhnt sich das Trinken ab, zumal er damit seinem alten Feind Scharf - der die Lizenz zum Schnapsbrennen hat - das Geschäft verderben kann), die mit wachsendem Erfolg gegen die Indianer zu Felde zieht. Endlich schließen die Indianer Frieden, unter ihrem Häuptling Crazy Horse. (Der wird gespielt von Anthony Quinn, der tatsächlich ein halber Indianer war, aus Chihuahua/Mexiko - auch wenn ihn die meisten Deutschen für einen Griechen halten, weil er mal den "Alexis Zorbás" gespielt hat.) Was die meisten deutschen Zuschauer wohl nicht mit bekommen: Da wird ein regulärer Friedensvertrag zwischen zwei souveränen Nationen geschlossen, den Weißen und dem Volk der Sioux (das spricht sich übrigens "ßjú", da es aus dem Französischen kommt) - niemand kommt damals auf die Idee, die rassenfremden Indianer als "Amerikaner" anzusehen! (Auch das Neger-Problem klammert der Film aus: Schwarze gibt es nur als Bedienung im Restaurant und als Haussklaven.) Die Indianer bekommen ihre Reservate, ein paar tausend Quadratkilometer um die "Schwarzen Berge" (etwas größer als das historische Montenegro auf dem fernen Balkan), die Weißen den schlappen Rest von Nordamerika. Nun ist aber endlich Friede, Freude, Eierkuchen - oder?

Nein, liebe Leser, immer noch nicht. Schuld sind - natürlich - wieder die bösen Deutschen und Italiener, diese ewigen Kriegstreiber und Unruhestifter, wiederum in Gestalt von Scharf und Romulus. Der letztere ist inzwischen Sonder-Kommissar für Indianer-Angelegenheiten geworden - Scharf senior hat ihm diesen Posten im korrupten Washington gekauft, denn ihre Eisenbahn-Aktiengesellschaft steht vor der Pleite, und dagegen muß man ja etwas tun: "Wenn wir eine Bahnlinie durch die Schwarzen Berge bauen könnten, wären wir saniert," meint Scharf. "Warum tun wir's nicht?" fragt sein Vater. "Custer hindert uns daran." - "Der kann vielleicht einzelne hindern, aber wenn große Massen von Siedlern kämen?" - "Ja, aber warum sollten sie?" - "Wir setzen einfach das Gerücht in die Welt, in den Schwarzen Bergen sei Gold gefunden worden." - "Sehr gut, und um Custer kümmere ich mich." Gesagt, getan: Scharf gibt Freibier aus - oder auch härtere Sachen, das wird nicht ganz klar -, und als der Sonderbeauftragte zur Inspektion ins Fort kommt, trifft er dort auf einen versoffenen Sauhaufen, was Custer derart in Rage versetzt, daß er Scharf vor allen Augen die schon gewohnte Tracht Prügel verabreicht und auch noch Romulus an den Kragen geht. Das genügt, um ihn seines Kommandos zu entheben und nach Washington zu zitieren, wo er vors Kriegsgericht gestellt werden soll. Unterdessen strömen die Goldsucher in die Schwarzen Berge, die Indianer rüsten zum Gegenschlag. Nun wird die Geschichte reichlich verworren und unlogisch: Custer will nun doch gegen die Indianer kämpfen (obwohl er ja eigentlich verpflichtet gewesen wäre, ihr Reservat gegen die Weißen zu schützen - so stand es jedenfalls in dem Vertrag) und antichambriert zunächst bei seinem alten Freund und Gönner Sheridan; aber der läßt ihn mit den Worten abblitzen: "Selbst wenn ich da etwas machen könnte, täte ich es nicht. Warum wollen Sie für diese Regierung Ihr Leben aufs Spiel setzen? You owe them nothing [Sie schulden denen gar nichts]!" Also geht Custer ausgerechnet zu Präsident Grant, seinem persönlichen Todfeind (wieso er das ist, wird freilich im Film nicht ganz klar - aber diese Feindschaft ist historisch), und erwirkt von ihm - von Ex-General zu Ex-General - seine Wiedereinsetzung.

Ja, das scheint unlogisch, und auch Dikigoros hat erst nach längerem Nachdenken die perfide Logik dieser Schlüsselszene begriffen: Die Regierung, allen voran der Präsident, ist korrupt; sie handelt treulos gegenüber den Indianern; sie hetzt ihre eigenen Soldaten in einen ungerechten Krieg und in einen sinnlosen Tod. All das weiß Custer nur zu gut ("die Siebte wird für ein schmutziges Geschäft geopfert" - ja, er sagt "geopfert [sacrificed]", nicht "verheizt", gebraucht also das religiöse Wort, das eigentlich Martyrern vorbehalten ist!); und dennoch, oder gerade deshalb... Die Regierung, allen voran der Präsident, ist korrupt. Roosevelt und sein in den Schlüssel-Positionen mit Juden besetztes Kabinett sind eine Verbrecherbande - das glaubt mittlerweile die Mehrheit aller billig und gerecht denkenden Amerikaner: Die wollen uns in einen Krieg hetzen gegen unsere Vorfahren, die Deutschen, denen wir schon einmal in den Rücken gefallen sind zum Schaden aller, und gegen die Japaner, die uns auch nichts getan haben. (Die japanisch-stämmigen "Nisei" sind die Musterbürger der USA - wenn sie nur nicht so furchtbar tüchtig wären, die sind ja fast noch schlimmer als die Deutschen!) Nein, denen schulden wir gar nichts... Hier setzt nun die Propaganda meisterhaft ein: "Right or wrong, my country (Recht oder Unrecht, [es ist] mein Land)" soll der US-Admiral Stefan Decatur im letzten Krieg gegen die Briten anno 1812 gesagt haben (nach ihm heißt heute u.a. ein Vorort des von Sherman im Sezessionskrieg zerstörten Atlanta), und nach diesem Satz handelt (auch wenn er unausgesprochen bleibt) der Held des Films, und damit wird er zum Vorbild für jeden guten, patriotischen US-Bürger!

Zurück in Ft. Lincoln bereitet Custer alles vor für "sein letztes Kommando" (so der Film-Titel in der deutschen Version), macht seiner Frau, die düstere Vorahnungen von seinem Tode hat, erst noch Mut und verabschiedet sich dann von ihr in einer rührseligen Szene (die viele, vor allem weibliche Zuschauer, die nicht kapiert haben, worum es eigentlich geht, für die schönste des ganzen Films halten) mit den Worten: "Mit Ihnen durchs Leben zu gehen, Madame (er siezt seine Frau, wie das damals noch selbstverständlich ist in höheren Kreisen - nur der deutsche Übersetzer hat es nicht bemerkt; das "Du [thou]" ist der englischen Sprache heuer verloren gegangen; aber im 19. Jahrhundert machte man den Unterschied noch), ist ein wundervolles Erlebnis gewesen." (Nein, liebe Leser, im Englischen bedeutet das Perfekt - "has been" - nicht, daß damit alles vorbei ist; es erstreckt sich auch auf die Gegenwart - etwa wie das deutsche "war schon immer" - und läßt die Möglichkeit offen, daß es in Zukunft weiter so bleibt.) Custer nimmt auch Scharf mit in den Heldentod, indem er ihn unter den Tisch trinkt und besoffen auf einen Fourage-Wagen lädt.

Am Abend vor der Schlacht versucht Custer noch, seinen beiden Spezi's California Joe und Butler diesen Heldentod zu ersparen, indem er sie mit einem Abschiedsbrief an seine Frau zurück ins Fort schickt. Daraufhin hält ihm Butler eine Standpauke, die zur zweiten Schlüsselszene des Films wird: "Sie müssen ja nicht ganz bei Trost sein, in einer solchen Lage Ihren Adjutanten als Postboten zu vergeuden." - "Wir stehen einer zehnfachen Übermacht gegenüber. Ich will nicht, daß ausgerechnet Sie bei diesem schmutzigen Geschäft mit drauf gehen." - "Warum ausgerechnet ich nicht?" - "Weil Sie kein Amerikaner sind, sondern Engländer." Aus dem Mund eines australischen Schauspielers, der selber Untertan der britischen Krone ist und kaum richtig Amerikanisch spricht - was freilich dem deutschen Zuschauer nicht weiter auffällt, ebenso wenig, daß auch der gute alte General Winfield Scott ein dezidiert britisches Englisch spricht, nicht etwa amerikanisches, ganz im Gegensatz zu Taipe und Sharp - klingt das eher ulkig als überzeugend; entsprechend fällt auch Butlers Antwort - vorgetragen zu den majestätischen Klängen von "God Save the King" als Hintergrundmusik - aus: "Kein Amerikaner? Was glaubt ihr verdammten Yankees eigentlich, wer ihr seid? Die einzigen richtigen Amerikaner sitzen jenseits des Flusses und tragen Federn im Haar. Suchen Sie sich gefälligst einen anderen Briefträger."

Exkurs. Die einzig "echten Amerikaner"? Keine Angst, liebe Leser, Dikigoros will hier nicht noch einmal die Diskussion um den Kennewick Man aufrollen - das tut er an anderer Stelle. Nein, er will ganz einfach fragen, wer zu den "echten Amerikanern" nicht im Sinne von "Ureinwohner Amerikas", sondern im Sinne des Regisseurs, also im Sinne von "echten US-Bürgern" zählt, und woran man das in diesem Film festmachen kann. An der Abstammung? Natürlich nicht, denn die USA sind ja ein Einwandererland; wenn es darum ginge, hätte selbst ein Roosevelt Schwierigkeiten gehabt, "sein" Land in den Zweiten Weltkrieg zu hetzen, denn den ca. 25% "Amerikanern" englischer, französischer, jüdischer, polnischer und russischer Abstammung standen ca. 75% "Amerikaner" deutscher, irischer, italienischer, schwedischer, spanischer, indianischer, afrikanischer und asiatischer Abstammung gegenüber; wenn man die alle hätte ausschließen wollen - oder gar in Konzentrationslager stecken, wie die "Amerikaner" japanischer Abstammung... Woran zeigte sich also, wer ein "echter Amerikaner" war? "Good clean Americans who abide by the law, stick up for liberty and support the war" (Albert Hammond in einem bekannten Song)? Falsch, nicht an der Kenntnis der Nationalhymne - erstens könnte die jeder relativ leicht erlernen, und zweitens kennen die wenigsten US-Bürger alle Strofen von "The Star Spangled Banner", so wie die wenigsten BRD-Bürger alle Strofen des "Deutschlandliedes" kennen, die wenigstens RF-Bürger alle Strofen der "Marseillaise" usw. Nein, die richtige Antwort lautet: an der Sprache. Wer die beherrscht - nicht notwendigerweise akzentfrei, aber mit allen idiomatischen Redewendungen und Redensarten -, der gehört dazu, wer nicht, der nicht. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte sehr: Für "Ich habe einen Bärenhunger" kann man zwar theoretisch sagen: "I am as hungry as a bear"; jeder wird das verstehen, aber es verrät die deutsche Abstammung bzw. Muttersprache - der "echte" Amerikaner sagt: "I could eat a horse [Ich könnte ein Pferd essen]" , so wie er statt "Da lachen ja die Hühner" sagt: "That gives a horse a laugh [Da lacht ja ein Pferd]". Und, um auf den Film zurück zu kommen: Wer nur die deutsche Fassung des Films kennt, kann so etwas unmöglich festzustellen (aber dafür schreibt Dikigoros diese Seite ja :-); wer dagegen die englische Fassung sieht und das Amerikanische als Muttersprache hat, der merkt schon an einer der ersten Szenen, daß Romulus Taipe nicht dazu gehört: Als der frisch gebackene Kadett Custer nach Westpoint kommt, spielt ihm Sharp gleich einen bösen Streich, indem er ihn im Zimmer von Major Taipe unterbringt. Als der (Taipe) ihn (Custer) dort antrifft, wie er (Custer) sich mitsamt seinen Hunden auf seinem (Taipes) Bett herum lümmelt, bekommt er (Taipe) einen mittleren Tobsuchtsanfall, worauf Custer im Brustton der Überzeugung meint: "Aber dieses Quartier wurde mir doch zugewiesen!" - "Das ist mein Quartier, wer hat Ihnen das zugewiesen? Wie lautet sein Name?" fragt Taipe. Da dämmert es Custer plötzlich, daß Sharp ihn herein gelegt hat; aber statt ihn zu "verpetzen", knirscht er nur: "Mud." - "Mud? Hier in Westpoint gibt es niemanden mit Namen Mud," gibt Taipe wütend zurück, "ich werde Sie auf Ihren Geisteszustand untersuchen lassen!" Was soll das, liebe Leser? Nun, es soll uns zeigen, daß Taipe eine "typisch amerikanische" Redewendung offenbar nicht kennt, nämlich: "His name is Mud." Wenn Ihr ins Wörterbuch schaut, dann werdet Ihr sie dort nicht finden (sondern nur die Übersetzung für "mud [Matsch, Schlamm, Dreck, Scheiße]") - man kennt sie eben (dann ist man ein guter, echter Amerikaner) oder man kennt sie nicht (dann nicht :-). Sie bedeutet soviel wie "Der hat ausgeschissen [denn ich werde ihn fertig machen]"; und Custer greift denn auch den bösen Sharp beim nächsten Appell an, worauf er beinahe von der Akademie verwiesen worden wäre - wenn der brave Colonel Sheridan nicht beide Augen zugedrückt hätte. Taipe aber, der Custers Antwort als Namensnennung mißversteht, ist damit in den Augen der "echten Amerikaner" unter den Zuschauer bereits als nicht dazugehörig entlarvt. Exkurs Ende? Nein, noch nicht ganz. Wenn Ihr im Internet googelt, dann werdet Ihr eine andere - falsche - Erklärung für diese Redewendung finden: Der Lincoln-Attentäter wurde 1865 von einem Arzt namens Mudd behandelt, der daraufhin zum Tode wegen "Verschwörung" verurteilt wurde - obwohl er nachweislich nicht nur unbeteiligt, sondern auch unwissend war, was die Person seines Patienten und dessen Tat anbelangte. Einige makabre Spaßvögel mögen die Redewendung auch auf diesen Justizmord angewendet haben; aber sie ist viel älter als das Lincoln-Attentat und könnte deshalb tatsächlich schon vor Ausbruch des Sezessionskriegs in Westpoint gebraucht worden sein. So, jetzt ist der Exkurs beendet.

Zurück zum Little Big Horn. Nun begreift endlich auch Custer: Briten und Amerikaner sitzen im selben Boot, und auch California Joe lehnt es ab, dieses zu verlassen, obwohl ihm klar ist, daß er nun wohl nie mehr nach Kalifornien kommen wird. Bleibt noch Scharf, der inzwischen aus seinem Rausch aufgewacht ist. Custer stellt ihn vor die Alternative: "Entweder Sie bleiben hier, oder Sie kommen mit uns." (Ja, liebe Leser, auch Bösewichter bekommen im Krieg eine Bewährungschance, vorzugsweise bei Himmelfahrts-Kommandos - aber das war und ist in allen Armeen der Welt so.) - "Sie wollen mich hier alleine zurück lassen? Wo sind wir überhaupt?" - "Am Little Big Horn." - "Also mitten im Indianer-Gebiet, das ist Mord!" - "Dann reiten Sie also mit uns?" - "Wohin?" - "Zur Hölle oder zum Ruhm, Scharf, es kommt auf den Standpunkt an." Ach, welch ein schöner Satz - wenn er nicht falsch wäre; Dikigoros ist zumindest davon überzeugt, daß nur diejenigen dauerhaften Ruhm - was immer der wert sein mag, s.u. - ernten, die dafür durch die Hölle gegangen und dort geblieben sind; aber das ist eine andere Geschichte.

[die Schlacht am Little Big Horn, wie Lieschen Müller sie sich vorstellte]

Dann reiten sie los, treffen auf die Indianer, und dabei unterläuft Walsh & Co. die einzige Schwäche im Film: Sie haben versehentlich eine kurze - in der deutschen Version mit Recht getilgte - Szene hinein geschnitten, in der sich Indianer in einem Sonnenblumenfeld verstecken. (Es war damals üblich, Szenen aus einmal gedrehten Filmen in anderen wieder zu verwenden; die Seeräuber-Szenen aus Errol Flynns ersten Filmen sind immer wieder in andere eingebaut worden; und auch die Reiter-Attacken aus der Schlacht von Hannover tauchen in vielen späteren Western wieder auf; irgendwelche Anspielungen sind nicht ersichtlich, in Dakota gibt es keine Sonnenblumenfelder, und Walsh kann auch Dikigoros' Reisebericht Sonnenblumen und Schwarzer Ginster noch nicht gelesen haben, der erst ein halbes Jahrhundet später entstehen sollte, bleibt also nur ein Regiefehler.) Wie dem auch sei, zum Abschluß gibt es ein glorreiches Gemetzel, bei dem alle Weißen drauf gehen, pardon, den Heldentod sterben, wobei sie reichlich Indianer mitnehmen - was ja der Sinn der Sache, des heldenmütigen Opfers war. Scharfs letzte Worte sind: "Vielleicht hatten Sie doch Recht mit... Glory."

[Exkurs. Hatte er, liebe Leser? Meint Ihr wirklich? Dann will Euch Dikigoros mal erzählen, was er persönlich davon hält: Es mag viele gute und noch mehr schlechte Gründe geben, Kriege zu führen: Haß, Mißgunst und Neid auf tüchtigere Nachbarvölker, bei denen man reiche Beute zu machen hofft; religiöse und andere ideologische Motive... Aber der niederste Beweggrund, in einen Krieg zu ziehen, sei es als Staatsoberhaupt, sei es als General oder als einfacher Landser, ist die Ruhmsucht - mit ihr wird die Grenze vom Soldaten zum Mörder überschritten. Körperlich und/oder geistig minderwertige Menschen haben aus Ruhmsucht Kriege geführt, um ihre Minderwertigkeits-Komplexe zu kompensieren: Friedrich "der Große" wollte seinen Namen dereinst in den Geschichtsbüchern lesen; Napoleon Bonaparte gierte nach "gloire", und Custer nach "glory". Und - hat es sich gelohnt? Für wen? Und wie lange? Von Friedrich II liest man heute nichts mehr in den Geschichtsbüchern, Custer gilt als Verbrecher, und Napoleon... nun, daß man den noch nicht demontiert hat, spricht gegen die Franzosen, aber das soll hier nicht unser Thema sein. Ruhm hält nur solange an, wie die Wirkung der - vermeintlich - großen Taten, auf die er sich gründet, anhält. Das Kolonialreich, das Friedrich von Preußen den Briten - die ihm den Beinamen "der Große" verpaßten und seinen Ruhm verbreiteten - erobern half, ist verloren gegangen (und selbst die einstige National-Hymne "Land of Hope and Glory" ist heute vergessen, da der Text in allzu peinlichem Widerspruch zur real existierenden Wirklichkeit steht), ebenso Schlesien den Preußen; der - scheinbar gelungene - Versuch Custers (und anderer Generäle), die Indianer auszurotten, ist nachträglich gescheitert; und je mehr andere, die man an ihrer Stelle ins Land geholt oder gelassen hat, überhand nehmen, desto mehr breitet sich in den USA die Erkenntnis aus, daß man das falsche Schwein geschlachtet hat. Vergeßt also den Ruhm, liebe Leser - für den lohnt es sich weder zu sterben noch zu töten. Aber vergeßt auch nicht, daß dies eine absolute Mindermeinung ist: Schon die alten Griechen und Römer hielten das Streben nach Ruhm nicht für den niedrigsten, sondern vielmehr für den höchsten Grund, um Kriege anzuzetteln. Und daß die US-Amerikaner ausgerechnet diesen Pro-Kriegsfilm in die Kinos brachten, ist auch bezeichnend: Zwar hatte die Roosevelt-Administration dem Volk schon genügend andere Gründe dargelegt, weshalb sie unbedingt in den Krieg eintreten müsse - gegen Deutschland und Italien aus ideologischen, gegen Japan aus solchen des Rassenhasses -, aber das reichte offenbar noch nicht. Also appellierte man an die Ruhmsucht. Pervers? Pervers und dumm. Warum? Weil meist die einen - die Dummen - ihren Kopf dafür hinhalten müssen, daß die anderen - die Cleveren - diesen Ruhm einsacken können. Exkurs Ende.]

Wie dem auch sei, Custer fällt als letzter, da er seine Munition verschossen hat, aufrecht stehend mit dem blanken Säbel in der Faust neben der im Wind flatternden Regimentsfahne, die bekanntlich mehr ist als der Tod. Glorreicherweise wird er von keinem geringeren als Häuptling Crazy Horse höchst persönlich erschossen - mit einem der modernen Winchester-Gewehre, die der geldgierige Scharf den Indianern zuvor verkauft hatte.

Nachdem sich der Rauch verzogen hat, widerfährt am Ende doch noch allen Gerechtigkeit: General Sheridan tröstet sich mit dem Gedanken, daß nur durch den Heldentod von Custer und seiner 7. Kavallerie die Vernichtung der ganzen amerikanischen West-Armee und die Ausrottung aller Siedler in den "Schwarzen Bergen" verhindert wurde. Libbie verliest den Abschiedsbrief ihres Mannes - der alles genau so voraus gesehen hat -, daraufhin wird Custer rehabilitiert und als Martyrer zum Nationalhelden, Romulus tritt "freiwillig" zurück, Scharf senior (der ob des Todes seines Sohnes ein gebrochener Mann ist) mottet das Eisenbahn-Projekt ein, und die Indianer erhalten ihr Land zurück. Ende. Inzwischen müßte eigentlich auch der letzte Zuschauer gemerkt haben, daß das alles erstunken und erlogen ist - oder? Nein, der Trick liegt gerade in der Dreistigkeit: Das kann man sich doch gar nicht alles ausdenken...

Kann man doch, liebe Leser, man muß bloß die Lügen geschickt in ein paar Halbwahrheiten verpacken (oder, wie Dikigoros zu sagen pflegt: "mit der Wahrheit lügen"), damit die mensonge, pardon message richtig rüber kommt. Fangen wir mal von vorne an: Ja, Custer war ein schlechter Kadett, der keinerlei Sinn für Taktik besaß - seine Parole war stets: "Ran an den Feind, dorthin, wo die Kanonen donnern." Aber damit war er in "guter" Gesellschaft. Schlachten wurden damals immer nach dem gleichen Schema geführt: Die Verteidiger verschanzten sich hinter ihrer Artillerie. Die Angreifer versuchten, den Raum zwischen ihren eigenen Stellungen und denen des Gegners durch eine schnelle Attacke - möglichst mit Pferden - zu überwinden, die Kanoniere mit dem blanken Säbel nieder zu machen und die Geschütze umzudrehen, um sie im Rücken der - dann fliehenden - Infanterie des Gegners einzusetzen. Wenn das klappte, war es gut; wenn es schief ging war die Schlacht verloren. Nun war das weniger selbstmörderisch als man auf den ersten Blick meinen könnte; denn die Vorläufer des Maschinengewehrs waren zwar schon erfunden (in den Nordstaaten von R. J. Gatlin, in den Südstaaten von R. S. Williams), aber erst vereinzelt im Einsatz; und Schußfolge und Treffsicherheit der herkömmlichen Geschütze - Artillerie ebenso wie Handfeuerwaffen - war noch nicht allzu hoch; gute Reiter - und zu denen zählten Leute wie Custer oder auf der anderen Seite Stewart zweifellos - konnten, zumal wenn sie den Überraschungs-Effekt ausnutzten, mit dieser Methode durchaus Erfolge erzielen.

[Laßt Euch, liebe Errol-Flynn-fans, nicht durch den 1936 gedrehten Film "The Charge of the Light Brigade" narren, seit dem die meisten Kinogänger glauben, schon im Krim-Krieg seien Reiter-Attacken wie die auf Balaklawa 1854 sinnlos geworden. (Die Angriffs-Szene diente übrigens als Vorbild für die Angriffs-Szenen bei Hannover im Custer-Film, obwohl der Regisseur ein anderer war, nämlich Michael Curtiz.) Nein, das war nur ein besonders schlecht geführter Angriff, der im übrigen nicht halb so katastrofal endete wie es das berühmte Gedicht von Tennyson glauben machen will: Die Verluste betrugen gerade mal 156 Mann - von 673 -, und der Angriff war sogar erfolgreich, d.h. die britischen Reiter kamen bis zu den gegnerischen Kanonen durch; sie verloren die Schlacht durch... eine Gegenattacke der russischen Kavallerie! Und noch im deutsch-französischen Krieg rettete 1870 ein ganz ähnliches Husarenstück bei Thronville - Kindern des Kaiserreichs als " die Reiterattacke der Brigade Bredow" bekannt - den Preußen die Schlacht von Vionville und Mars-la-Tour. Ja, auch da schienen den Zeitgenossen die Verluste relativ hoch, aber das lag daran, daß früher die Kriegsverluste durch echte Kampfhandlungen in der Regel viel geringer waren als die durch Hunger, Krankheiten, Erfrierungen, Desertionen usw. Vor dem Zeitalter der "Volkskriege" verbot der Ehrencodex der Berufssoldaten das Töten der Gegner ohnehin, wenn nicht ausnahmsweise ein zwingender Grund dafür vorlag. Die gepreßten Muschiks des 18. Jahrhunderts schossen nur aufeinander, wenn hinter ihnen die eigenen Feldgendarmen standen und drohten, andernfalls sie zu erschießen. Napoléon Bonaparte verlor im Rußlandfeldzug - also schon im 19. Jahrhundert - nur ca. 5% seiner Truppen durch Kampfhandlungen, ca. 15% brachte er zurück, die restlichen 80% hatten sich sonstwie "verflüchtigt". Selbst der Erste Weltkrieg brachte entgegen weit verbreiteter Ansicht keine statistische Wende, wenn man die oft verschwiegenen Opfer der "Spanischen Grippe" als Folge der Aufrechterhaltung der Lebensmittel- und Medikamenten-Blockade durch die Briten 1918/19 mit zählt, und die kleineren Kriege danach schon gar nicht. Im Chaco-Krieg war Munition fast so knapp wie Verpflegung, d.h. die Wahrscheinlichkeit, von einer gegnerischen Kugel getroffen zu werden, war eher gering; aber im südamerikanischen Dschungel gab es ja noch andere Möglichkeiten zu sterben. Die Statistik "kippte" erst, als man begann, die Morde an wehrlosen Zivilisten, von den gezielten Bombardements auf unverteidigte Wohnviertel bis zu Tieffliegerangriffen auf einzelne, unbewaffnete Frauen und Kinder, wie sie die Alliierten vor allem in der Endfase des Zweiten Weltkriegs praktizierten, als Opfer von "Kampfhandlungen" zu zählen, ebenso wie die Millionen in alliierten Lagern verreckten Kriegsgefangenen - da half es auch nichts, die von den Deutschen im Kampf getöteten Partisanen aus dieser Statistik heraus zu nehmen und sie statt dessen unter "Mordopfer" zu führen.]

Anders sah die Sache freilich aus, wenn man das gleiche die Infanterie mit aufgepflanztem Bajonett im Laufschritt versuchen ließ, wie es noch im siebenjährigen Krieg üblich, aber schon in den Napoleonischen Kriegen meist schief gegangen war - dafür waren die Kanonen inzwischen zu gut, vor allem zu weitreichend (dadurch wurde der Anlaufsweg länger). Ihr meint, das sei doch für Amerikaner ziemlich weit weg gewesen? Mag sein; aber zu Napoleons Zeiten war ja nicht nur in Europa Krieg, sondern auch in Amerika - zwischen Großbritannien und den USA; und drei seiner Schlachten zeigen geradezu exemplarisch auf, welche Entwicklung diese Taktik letztlich nehmen mußte: Anfang Juli 1814 siegte Scott - damals bereits Brigadegeneral - bei Chippewa noch mit einem derartigen Infanteriesturm gegen die Briten; nur drei Wochen später versuchte er das gleiche bei Lundy's Lane noch einmal, und es ging beinahe schief; nach hohen Verlusten - Scott wurde selber schwer verwundet - endete die Schlacht bei Einbruch der Dunkelheit unentschieden, wie auch der Krieg im Dezember 1814 durch einen Friedensschluß im fernen Europa, was sich jedoch mangels Youtube und Twitters nicht gleich überall herum sprach, jedenfalls nicht bis nach New Orleans, wo ein ehrgeiziger englischer General noch im Januar 1815 versuchte, die gut verschanzten Amerikaner mit stürmender Infanterie anzugreifen. Verluste: rund 2.000 Briten, 24 Amerikaner. Diese "battle of New Orleans" kannte damals jeder, und jeder gelernte Offizier mußte sie auch knapp 50 Jahre später noch kennen. Dennoch versuchten es einige alte Narren - wie eben Scott und auf der anderen Seite Lee - noch einmal. Die Nordstaaten lösten den VersagerVeteranen Scott bald ab und schickten ihn in den längst verdienten Ruhestand; die Südstaaten dagegen hielten an ihrem "Helden" Lee fest und verloren den Krieg, denn Lee verheizte seine besten Infanterie-Truppen nach genau dieser irrsinnigen Methode bei Gettysburg. (Ja, liebe Lee-fans, er konnte nicht ahnen, daß die Nordstaaten bei Gettysburg ihre gesamte Artillerie-Reserve zusammen gezogen hatten - wirklich nicht? Wo blieb die Aufklärung? -, die dort ein prächtiges Schußfeld hatte, und daß die jungen Artilleristen - zumeist deutsche Einwanderer - bis zur letzten Kugel kämpften und sich eher im Nahkampf nieder machen ließen als - wie das sonst üblich war - auszubüchsenabzurücken, sobald die gegnerische Infanterie auf Gewehrschußweite heran gekommen war. Aber auch ohne das wäre es allenfalls ein Pyrrhos-Sieg für Lee geworden.) Nach diesem Aderlaß - der die USA allein mehr Tote kostete als beide Weltkriege des 20. Jahrhunderts - war die Kampfkraft der Südstaaten-Armeen gebrochen. Und da wir gerade bei der Demontage vermeintlicher Helden und Vorbilder sind: Wem wollte Custer - im Film und tatsächlich - nacheifern? Dem französischen Marschall Murat, dem "König der Kavallerie", dessen Bild er sich als erstes ins Zimmer hängt. Nun war der eitle Fatz - der stets mit einem Tigerfell herumlief und -ritt - allerdings alles andere als das, sondern nur "König von Neapel" von Napoleons Gnaden und ein eher mittelmäßiger Kavallerieführer. Seine strategischen und taktischen Fehler kosteten Napoleon Portugal (und um ein Haar auch Spanien), und auf dem verlustreichen Rückzug aus Rußland floh er feige nach Ostpreußen, während Marschall Ney - mit dem Säbel in der Faust (Vorbild für das Ende der Schlachtszene in "Sein letztes Kommando"?) und einem Regiment junger Rekruten aus Hessen und Württemberg, das zuletzt noch aus 60 Mann bestand - die Nachhut der "Grande Armée" bildete und Napoleons A... rettete. Doch Ney war Deutscher - Saarländer -, also ein Böser, und Murat war Franzose - Gascogner -, also ein Guter; so sehen es die Franzosen bis heute, und so mußten es damals auch die US-Amerikaner sehen.

* * * * *

Längerer Exkurs und Nachtrag. Ein Leser hat Dikigoros gemailt, daß es doch auch im Ersten Weltkrieg noch Bajonett-Angriffe der Infanterie auf Artillerie-Stellungen gegeben habe, z.B. bei Langemarck... Das paßt zwar eigentlich nicht so richtig, da sich Dikigoros hier auf erfolgreiche oder zumindest einigermaßen erfolgversprechende Angriffe dieser Art beschränken wollte. Aber da "Langemarck" offenbar nicht auszurotten ist - erst als falscher Helden-Mythos, und jetzt als falsches Antikriegs-Schlagwort - will er auch dazu ein paar Worte verlieren. (Eilige Leser mögen diesen und die beiden folgenden Absätze überspringen; sie tragen nichts zum Verständnis des Films bei; und zu allem Überfluß hat sich Dikigoros nicht verkneifen können, wieder ein Stück aus seiner Familiengeschichte einzufügen, was manche Leser als langweilig empfinden werden.) Bei Langemarck - oder genauer gesagt beim Nachbarort Bixschote - versuchten im November 1914 deutsche Reserve-Regimenter einen von den Briten und Franzosen gehaltenen Hügel zu stürmen und fielen dabei in Scharen. Man liest oft, das habe daran gelegen, daß dies ungediente Freiwillige - überwiegend Gymnasiasten und Studenten, die sich direkt von der Schulbank bzw. aus dem Hörsaal gemeldet hatten, also die vermeintliche "geistige Elite" - gewesen seien, die aus freien Stücken und mit dem "Deutschlandlied" auf den Lippen los gerannt seien; aber das ist nicht wahr. Auch noch so gut ausgebildete Truppen hätten bei diesem irrsinnigen Angriff ähnliche Verluste erlitten, denn auf der Gegenseite standen ja nicht irgendwelche altmodischen Kanonen, die nach jedem Schuß neu geladen werden mußten und die man in der Zwischenzeit hätte unterlaufen können, sondern moderne Maschinengewehre, u.a. das vorzügliche Vickers Modell 1912, dessen Vorgänger bereits 1904/05 im russisch-japanischen Krieg eingesetzt worden war und - wie jeder Militär in Europa wußte oder wissen mußte - die Japaner beim Infanterie-Angriff auf Port Arthur, vor allem auf einen Hügel davor, der in etwa die Ausmaße des Hügels vor Langemarck hatte - rund 60.000 Tote gekostet hatte (aber das ist eine andere Geschichte). Und von einem "Vorwärtsstürmen" konnte auch keine Rede sein, denn der Boden war tief und matschig, so daß man nur im Schritt-Tempo vorwärts kam - da hätte nicht mal der alte Fritz 150 Jahre zuvor seine Soldaten ins Feuer marschieren lassen! Unter diesen Umständen war es eine geradezu verbrecherische Dummheit, diesen Angriff zu befehlen; und es spricht nicht für, sondern gegen diese "Elite", daß sie sich gehorsam wie eine Hammelherde zur Schlachtbank treiben ließ. Und "Langemarck" war ja nur die Spitze vom Eisberg. Ihr wollt nicht glauben, liebe Leser, daß dieser Angriff tatsächlich so befohlen wurde, sondern glaubt weiter an das Märchen vom "freiwilligen Losstürmen"? Dann will Euch Dikigoros mal etwas aus der Chronik des Regiments seines Großvaters zum Besten geben, eines Buches, das in der BRDDR bis heute verboten ist, was jammerschade ist, da es kaum eine bessere Anti-Kriegs-Lektüre gibt (selbst dann, wenn man nicht wie Dikigoros in seinem Exemplar die handschriftlichen Randbemerkungen seines Großvaters hat, auf die er im nächsten Absatz noch zurück kommen wird). Am 8. September 1914 stand das Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 an der Straße zwischen Fère Champenoise und Normée, bei einem Ort, der in deutschen Geschichtsbüchern gar nicht als der einer Schlacht geführt wird (für die sind das alles bloß Ausläufer der "Marne-Schlacht"), nämlich Écury-le-repos, das seinem makabren Namen alle Ehre machen sollte, denn viele Soldaten fanden dort tatsächlich ihre letzte "Ruhe", wenn man das denn so nennen darf. Dikigoros läßt es keine Ruhe, es versetzt ihn vielmehr in Wut und Empörung, wenn er einen solchen Tagesbefehl liest: "Meine Herren! Um uns der vernichtenden feindlichen Artillerie-Wirkung zu entziehen, ist ein allgemeiner Bajonettangriff befohlen. Die Spielleute vor die Front, Seitengewehr aufgepflanzt, keine Patrone im Lauf. [Das Regiment hatte sich verschossen, Anm. Dikigoros] Ich wünsche einen guten Erfolg." Dazu den salbungsvollen Kommentar des Herausgebers: "Ja - dieser Sturm durch die kümmerliche Kiefernheide im Zwielicht des sinkenden Mondes und der langsam herauf dämmernden Morgenröte sollte eines der größten Erlebnisse werden, das je einer deutschen Truppe im ganzen Kriege beschieden war. Keiner, der ihn überlebt hat, kann ihn bis zu seinem Lebensende vergessen!" Nein, Dikigoros' Großvater hat ihn nie vergessen. Er war einer jener "Spielleute", die vor der Front weg laufen durften, nur bewaffnet mit seiner Querflöte (die sich heute ebenso im Besitz seines Enkels befindet wie der Reservistenstock mit der Aufschrift "Reserve hat Ruh", den er sich drei Monate zuvor voreilig gekauft hatte, denn am 30.06.1914 sollte seine Dienstzeit eigentlich zuende gehen), und dennoch wie durch ein Wunder überlebte. Dikigoros hat ja bereits an anderer Stelle geschrieben, daß er einer von nur 7 (sieben!) Mannschafts-Dienstgraden des ursprünglichen Regiments war, die den Ersten Weltkrieg überlebten. (Das Regiment wurde im Verlauf des Krieges zahlenmäßig zweimal komplett neu aufgestellt. Auf dem offiziellen Foto der "Wiedersehensfeier" von 1936 stehen immerhin 35 Mann - die übrigen hätten inzwischen auch eines "natürlichen" Todes gestorben sein können, denn Krieg, Hungersnot, Krankheiten und harte Maloche ließen die Menschen früh altern; sie sahen allesamt aus wie Greise -; aber Urs ließ ein Extra-Foto mit jenen 7 Mann nebst 2 Uffzen a.D. anfertigen, auf das er handschriftlich kritzelte: "Das sind die, die schon im August 1914 dabei waren!") Und Dikigoros hat dort auch angedeutet, daß sein Großvater einen vermutlich einmaligen Rekord aufgestellt hat - freilich einen von denen, die niemand verzeichnet und von denen auch niemand wissen will: Er dürfte der einzige Soldat sein, der den Ersten Weltkrieg vom ersten bis zum letzten Tag mitgemacht hat, zumeist an vorderster Front (an der Marne, bei Gorlice-Tarnow, bei Lemberg, bei Arras, in der Champagne, an der Somme, bei Riga und last not least in der "großen Schlacht von Frankreich" 1918) ohne ein einziges Mal belobigt (geschweige denn mit Orden ausgezeichnet) befördert oder verwundet zu werden. (Aber er holte sich bei Kriegsende Tbc, deren Folgen er sein Leben lang nicht mehr richtig los wurde; das war vielleicht schlimmer als so mancher "Heimatschuß", der wieder ausheilte.) Nein, er war kein Feigling und kein Deserteur, er tat mit zusammen gebissenen Zähnen seine Pflicht, aber keinen Handschlag mehr, und achtete immer schön darauf, heil durch zu kommen. Das ist legitim und, wenn man weiß, daß jener selbstmörderische Bajonett-Angriff von Écury die erste Schlacht war, die er erlebte, auch nachvollziehbar.

Und, um auch das noch nachzutragen: Infanterie gegen MG-Stellungen zu jagen - sei es nun im November oder im September - war umso verbrecherischer, als bereits am 12. August 1914, fast zu Beginn der Kampfhandlungen, der Versuch gescheitert war, dies mit Kavallerie zu tun: Bei einem Kaff namens Haelen hatte sich eine Handvoll belgischer MG-Schützen verschanzt; und den Deutschen fiel nichts Besseres ein, als zwei berittene Regimenter - die mecklenburgischen Dragoner-Regimenter Nr. 17 und Nr. 18 - eine Lanzen- und Säbel-Attacke nach der anderen reiten zu lassen, in vollem Galopp über freies Feld - Kommandeur an der Spitze vorweg, wie Custer bei Hannover. Aber anders als im Film gab es kein Happy-end: Am Abend waren die beiden Regimenter nicht mehr. (Die Männer wären zu ersetzen gewesen, nicht aber die 600 gefallenen - oder verwundeten und danach notgeschlachteten - Pferde.) Und, lernte die deutsche Führung wenigstens etwas daraus? Nicht die Bohne, wie wir gesehen haben: Wenn keine Pferde mehr da waren, schickte man die Soldaten halt zu Fuß ins MG-Feuer, fertig. Und die Belgier feiern die Schlacht von Haelen bis heute als ihren größten militärischen Sieg im 20. Jahrhundert, wobei sie allerdings verschweigen, daß sie ihn bloß der Dummheit der Deutschen zu verdanken hatten. Auf allen bildlichen Darstellungen sind überdies die Maschinengewehre durch simple Karabiner ersetzt - wenn sie damit zwei komplette Regimenter ausradiert hätten, wäre das in der Tat ein Heldenstück gewesen, das freilich an ein Wunder gegrenzt hätte.

Zurück zur Chronik des Alexander-Regiments mit den Anmerkungen von Dikigoros' Großvater: Was sie so wertvoll macht, sind nicht die bloßen Kriegsereignisse - die lassen sich so oder ähnlich auch anderswo nachlesen. Doch dies ist ja eine Seite über Persönlichkeiten der Geschichte, von denen man sich gemeinhin ein falsches Bild macht; und das muß ja nicht nur im Kino geschehen. Seht Ihr, manchmal hat es durchaus etwas für sich, "nur" Paradesoldat zu sein; denn wenn man als solcher die Augen offen hält, kann man dabei mancher dieser Persönlichkeiten in die ihren schauen und sich von ihnen ein eigenes Bild machen, das vielleicht zutreffender ist als alles, was sich gewisse "Historiker" aus staubigen Akten irgendwelcher Archive zusammen reimen. Habt Ihr vielleicht auch mal gelesen, daß Tsar Nikolaj II ein ach-so-braver Mann gewesen sei, der gar keinen Krieg gegen Deutschland gewollt habe, nur von seinen bösen Beratern - allen voran einem gewissen Rasputin - dazu gedrängt wurde und schließlich als "Martyrer" starb? Die Russen von heute wollen es glauben - jedenfalls wählten sie ihn Ende des 20. Jahrhunderts zu ihrem größten Staatsmann aller Zeiten. Und auch der Herausgeber der besagten Regiments-Chronik glaubte es offenbar, denn er schrieb: "Am 23. Mai 1913 war zum letzten Mal der Zar unser Gast, ein freundlicher, schüchterner, ehrlicher aber schwacher Mann, schutzlos in einer widerlichen Umgebung... Man hatte damals schon das Gefühl, als wenn man den Zaren bedauern müsse. Er war ein unglücklicher Monarch, der von seinen nächsten Ratgebern Schritt für Schritt in das grauenvoll endende Unheil hinein gedrängt wurde." Wollt Ihr wissen, was Dikigoros' Großvater hinter "Gast," handschriftlich eingefügt hat, über all das Gesülze vom freundlichen, schüchternen, ehrlichen Mann? "der mit brutalem, menschenverachtenden Blick die Front abschritt!" (Und wie wir heute wissen, war dieser spontane Eindruck richtig: Es war Nikolaj, der 1914 gegen die dringenden Warnungen seiner Berater - einschließlich des späteren Sündenbocks Rasputin - die Mobilmachung und damit den Kriegsausbruch voran trieb.) Oder über den Geburtstag von Kaiser Wilhelm 1917? Zuerst die Regiments-Chronik: "Am 27. Januar wurde in altgewohnter Weise Kaisers Geburtstag gefeiert: Regiments-Appell mit Verteilung von Auszeichnungen, Vorbeimarsch in Zügen, wobei die Regiments-Musik wegen der strengen Kälte leider nicht spielen konnte, und am Abend Kompanie-Feiern." Dann die Randbemerkungen, kurz und bündig: "Miese Verpflegung (Dörrgemüse)" und "-17° Cels." Oder zum "Heldentod" einer Gefechts-Ordonnanz von Oberst Kundt (was, den kennt Ihr nicht, liebe Leser? Dann lest mal hier), die angeblich "beim Sprung über das Trichterfeld tödlich getroffen" wurde: "wurde durch den Sehschlitz getroffen" (hinter dem er sich offenbar versteckt hatte). Oder seine Korrekturen beschönigender Halbwahrheiten, wenn da z.B. nichtssagend von "einer französischen Luftüberlegenheit" die Rede ist: "22 feindliche Fesselballons gegen keinen einzigen von uns". Bei einem anderen besonders heldenhaften, sprich gescheiterten Angriff fügte er in den Satz: "Zahlreiche Flieger begleiteten den Angriff und schossen mit MG" nur ein Wort ein - hinter zahlreiche: "feindliche!" Und am Ende der mörderischen Kämpfe am "Chemin des Dames" (bei denen er als Essensträger zu den Schützengräben eingesetzt wurde, über den berüchtigten Knüppeldamm) verliert er nur einen Satz: "Ich kam durch!" Wen wundert es da noch, daß der Name von Dikigoros' Großvater in jener Regiments-Chronik - die durchaus auch die "Heldentaten" von Mannschafts-Dienstgraden verzeichnete - kein einziges Mal erwähnt wurde? Jedenfalls nicht sein damaliger Name. Dikigoros hat ja bereits an anderer Stelle geschrieben, daß sein Großvater ihn nach dem Krieg änderte, und dabei die Vermutung geäußert, daß er dies getan habe, weil ihm der Vorname zu jüdisch und der Nachname zu polnisch klang, aber sich immer etwas gewundert, denn eigentlich war Leo/Lew/Löw doch gar kein echter jüdischer Name, sondern zumal in der Zusammensetzung Leonhard - auf diesen Namen war sein Großvater getauft - echt germanisch. Und der Nachname war nicht polnisch, sondern preußisch - wie viele preußische Namen endeten doch auf "-ow"! Aber als Dikigoros das schrieb, hatte er jene Regiments-Chronik noch nicht gelesen, denn sein Vater hielt sie bis zu seinem Tode unter Verschluß; und darin steht sein neuer Name, als der seines Zugführers, der den "Heldentod" starb, und dieser Name ist unterstrichen. (Sonst wäre er Dikigoros nicht aufgefallen, es sind ihrer allzu viele - sein Großvater hat bei jedem, den er persönlich kannte, die genaueren Todesumstände dazu geschrieben.) Er hat also den Namen jenes Toten angenommen, warum und weshalb blieb sein Geheimnis, das auch Dikigoros im Nachhinein nicht mehr zu lüften vermag. Dennoch mißt er den Erinnerungen seines Großvaters einen höheren Quellenwert bei als der offiziellen Geschichtsschreibung, auch und gerade da, wo sie mit dieser im Widerspruch steht. Er erwähnt das deshalb noch einmal ausdrücklich, weil es offenbar längst nicht mehr die Regel ist. Im Mai 2012 veröffentlichte das linke Wochenblatt DIE ZEIT die Besprechung eines Buches, das ein dummer Junge"junger Historiker" namens Moritz Pfeiffer (mit 3 f, wie in Rühmanns Feuerzangenbowle :-) verbrochen hatte: "Opas Krieg". Jene Pfeife, pardon jener Pfeiffer "prüfte" die Aussagen seines Großvaters anhand der offiziellen Geschichtsbücher nach, und da stand alles ganz anders geschrieben; und da bekanntlich die Parteidie amtliche Geschichtsschreibung immer Recht hat, mußte sich Opa wohl geirrt haben; und er kam zu dem politisch-korrekten Schluß, daß sein Großvater nur ein blöder Nazi war, der die falsche "Einstellung" hatte und folglich alles ganz falsch sah. Entschuldigt, liebe Gutmenschen, wenn Dikigoros es sich nicht so einfach macht. Längerer Exkurs und Nachtrag Ende.

* * * * *

Wie war das nun mit Custer? Der war in der regulären Armee der Nordstaaten ein Jahr Leutnant, dann wurde er zum Hauptmann befördert und Ordonnanz-Offizier bei General McClellan (Scotts Nachfolger). Als für die Michigan-Brigade (einen Haufen Freiwilliger mit einer Art Pfadfinder-Status) ein Kommandeur gesucht wurde, erinnerte man sich daran, daß Custer aus Michigan kam. Da es im Moment niemand anderen gab, wurde er temporär zum Brigadier dieser Hilfstruppen gemacht. Als solcher kämpfte er tatsächlich erfolgreich bei Hannover - aber für den Ausgang der Schlacht von Gettysburg war das schwerlich entscheidend. (Tatsächlich gewann er jene Schlacht auch nicht alleine: Nachdem er drei seiner vier Michigan-Regimenter verheizt hatte, gelang der neuerliche Angriff mit dem letzten nur deshalb, weil inzwischen beträchtliche Verstärkungen angerückt waren, die das ursprüngliche Kräfteverhältnis - etwa 3:5 zu Gunsten der Südstaaten - umgekehrt hatten. Aber jene Verstärkungen waren Deutsche aus Pennsylvania; und das konnte man dem Publikum eines Propagandafilms gegen Deutschland ja schlecht verraten. Und das galt nicht nur anno 1941. Als eine Gruppe Custer-fans 2007 den Film "The Horses of Gettysburg" drehte, war dieser Punkt noch immer tabu.) In späteren Schlachten entwickelte Custer ein beachtliches Kriegsglück und erhielt daraufhin zeitweilig auch das Kommando über reguläre Truppen bis hinauf zur Division mit dem "temporary rank" erst eines Brigade-Generals, dann sogar eines General-Majors. Das, liebe Leser, ist ein wesentlicher Unterschied zwischen der amerikanischen und z.B. der deutschen Armee: Wenn in den USA ein Hauptmann eine Brigade befehligt, wird er zum "Brigade-General auf Zeit" ernannt und enthält den entsprechenden Sold; in Deutschland bleibt er dagegen Hauptmann - hat es, zumal im Zweiten Weltkrieg, alles gegeben. [Allerdings hatten jene deutschen "Brigaden" gegen Kriegsende oft nur noch die Stärke von Kompanien.] Wenn in den USA ein Fuhrunternehmer zum Wehrdienst eingezogen wird, gibt man ihm den "temporary rank" eines Obersten und macht ihn zum Kommandeur eines Nachschub-Regiments. In Deutschland lernt man denselben Mann vielleicht - wenn er Glück hat - für den Küchendienst an; wenn er Pech hat, verheizt man ihn als Schütze Arsch im nächsten Gefecht. Deshalb, pflegte Dikigoros' Vater zu sagen, haben die Amerikaner den Krieg gewonnen; und auch wenn mancher Leser das für überzogen halten mag: es war vielleicht nicht der einzige Grund, aber sicher einer von vielen. (Ihr glaubt das nicht, liebe Leser? Kapriziert Euch bitte nicht auf Fuhrunternehmer. 1939 wurden auch Fysiker und Chemiker, die gerade in Sachen Kernspaltung forschten, als "Schütze Arsch" eingezogen; Deutschland hätte sonst 1940 - oder spätestens 1941 - Atombomben haben können, und aus dem vergleichweise kleinen europäischen Konflikt wäre wohl nie ein Weltkrieg geworden.)

Mitten im Krieg - nicht erst nach Kriegsende - fuhr Custer nach Hause und heiratete seine Libbie. Das war kein Genesungsurlaub eines Verwundeten - Custer wurde nie verwundet und hielt sich mit der Zeit für unverwundbar, was ihn in seiner Tollkühnheit noch bestärkt haben mag -, sondern ein ganz normaler Besuch. Und wenn er denn verwundet geworden wäre, so hätte es wohl in Wahrheit ganz anders ausgesehen als im Film: Die meisten Verwundeten verreckten noch auf dem Schlachtfeld, der Rest starb nach stümperhaften medizinischen Maßnahmen an Wundbrand oder sonst etwas - nur eine verschwindende Minderheit überlebte, meist als Krüppel. Und ein General hätte viel zu tun gehabt, wenn er jeden verwundeten Leutnant persönlich im Lazarett besucht hätte, Sheridan gleich gar - der hatte ganz andere Sorgen: Er war einer der größten Kriegsverbrecher des 19. Jahrhunderts, im Gegensatz etwa zu dem armen Südstaaten-Hauptmann Wirz - einem der wenigen Deutsch-Schweizer, die auf Seiten der Konföderierten kämpften -, den die Nordstaaten nach dem Krieg dazu erklärten und aufs Schafott brachten, um von ihren eigenen ungeheuren Kriegsverbrechen abzulenken, u.a. ihrer Verweigerung des Gefangenen-Austausches und ihrer Hunger-Blockade gegen die Südstaaten, den beiden Haupt-Ursachen für die Zustände in Andersonville, und dem nach dem Zweiten Weltkrieg ein Schmierfink namens MacKinlay Kantor ein niederträchtiges Schandmal als eine Art "KZ-Kommandant von Andersonville" setzte, zu einer Zeit, als längst allgemein bekannt und anerkannt war, daß die Vorwürfe gegen ihn haltlos gewesen waren. (Aber das ist eine andere Geschichte.) In den Kriegsgefangenen-Lagern der Nordstaaten ging es viel schlimmer zu (und zwar ohne eigene Not), und für die Kriegsgefangenen-Lager der Amerikaner nach 1945 galt das erst recht; dort sollten mehr deutsche Gefangene verrecken als im ganzen Sezessionskrieg auf beiden Seiten zusammen umgekommen waren. (Dikigoros erwähnt das nur noch einmal, damit Ihr nicht glaubt, er hätte oben mit "alliierten Lagern" bloß sowjet-russische gemeint.)

Halt, was schreibt Dikigoros denn da? Hat er etwa im Geschichts-Unterricht nicht aufgepaßt und Gustaf mit Gasthof verwechselt? War der größte Kriegsverbrecher der Nordstaaten nicht General Sherman? Und der zweitgrößte General Grant? Als solche sind sie jedenfalls ins amerikanische Geschichts-Bewußtsein eingegangen - spätestens seit Margaret Mitchell in "Vom Winde verweht" eingehend beschrieben hat, wie Sherman Atlanta zerstörte (und später, auf seinem "Zug zum Meer" durch Georgia und Carolina, auch noch andere Städte, vor allem das unverteidigte Columbia und Savannah). Benannten nicht die Amerikaner in diesem Bewußtsein im Zweiten Weltkrieg nach ihm ihre Panzer, die Mitteleuropa das gleiche Schicksal bereiten sollten? Und war Grant nicht der Erfinder der berüchtigten "Anaconda", jenes Heerwurms aus Schwarzen und weißen Landstreichern, der sich den Mississippi entlang durch die Südstaaten schlängelte und alles verwüstete, was ihm unter die Schuppen kam? Tja, liebe Leser, so hat Dikigoros das auch mal gelernt; aber mit Geschichts-Legenden ist das bekanntlich so eine Sache - je falscher sie sind, desto hartnäckiger scheinen sie sich zu halten. Also mal der Reihe nach:

Sherman - West-Point-Absolvent, aber nach dem Mexiko-Krieg als Hauptmann entlassen, danach verkrachter Rechtsanwalt - verdankte seine Karriere im Sezessions-Krieg wie Custer einem Quereinstieg über die mehr oder weniger erfolgreiche Führung von Freiwilligen-Truppen (ihm - nicht Custer - gelang das Husarenstück mit der Brücke bei Bull Run) und der Sympathie des Oberbefehlshabers Grant. Der schickte ihn nach Atlanta, das er eroberte und zerstörte - freilich nicht im Laufe der Kampfhandlungen bei der Eroberung, sondern beim Abzug zwei Monate später - was ihn in ein schlechtes Licht gesetzt hat. Aber diese Zerstörung war militärisch geboten, denn Atlanta war der zentrale Ausgangs- und Knotenpunkt für das gesamte Eisenbahnnetz der Südstaaten. Ursprünglich war es nur der Endpunkt ("Terminus" - so sein erster Name) einer Bahnlinie von Tennessee nach Georgia, die dessen Gouverneur, ein gewisser Wilson Lumpkin, hatte bauen lassen. Dieser Gouverneur hatte eine Tochter namens Marta Atlanta, und als aus dem Bahnhof allmählich ein Dorf wurde, wurde es nach ihr "Martasville" benannt, und als aus dem Dorf gar eine Stadt wurde, wurde sie nach ihr "Atlanta" benannt. (So berichtet es jedenfalls der Volksmund, und dem ist Dikigoros geneigt zu glauben. Von offizieller Seite wurde und wird das zwar bis heute bestritten, danach erfolgte die Namensgebung angeblich nach der Eisenbahngesellschaft; aber die hieß gar nicht "Western & Atlanta", sondern "Western & Atlantic", das ist also ein Märchen.) Zu Beginn des Sezessions-Krieges hatte das Städtchen ca. 8.000 Einwohner; als Sherman es eroberte, war ihre Zahl durch Kriegsflüchtlinge auf etwa das Zweieinhalbfache angewachsen. (Dies, liebe Feinde der USA, ist aber auch die einzige Parallele zu Dresden, die Ihr so gerne zieht; vergeßt den Rest!) Die meisten von ihnen überlebten die Zerstörung, denn Shemans Befehl lautete dahin gehend, nur militärische und Versorgungs-Einrichtungen zu zerstören, Zivilbevölkerung, Wohnhäuser und Kirchen aber zu verschonen. (Wie illusorisch ein solcher Befehl sein kann, wenn eine Stadt überwiegend aus Holz erbaut ist und ein Feuersturm ausbricht, steht auf einem anderen Blatt. Aber im Gegensatz etwa zu Dresden wurde Atlanta gar nicht vollständig zerstört; ein Teil des Stadtkerns - "Little Five Points", mit seinen Lazaretten, - blieb heil.) Columbia wiederum hat nicht Sherman zerstört, sondern der abziehende Südstaaten-General Hampton, damit es dem Gegner nicht in die Hände fiel. Savannah schließlich wurde - abgesehen von den voraus gegangenen Kampfhandlungen - gar nicht weiter zerstört. Shermans zu milde (!) Behandlung kapitulierender Südstaaten-Truppen hätte ihn fast die Karriere gekostet - Kriegsminister Stanton trat für eine Politik der harten Hand ein. (Jawohl, das wurde als "Politik" betrachtet, und Sherman wurde gerüffelt, weil er es gewagt habe, sich in diese "höhere Politik" einzumischen, die ihn als Militär nichts anginge! Dabei war er so ziemlich der einzige Nordstaaten-General - den Südstaaten-Offizieren wurden nach Kriegsende alle politischen Rechte, also auch das aktive und passive Wahlrecht, genommen - der nie versuchte, in die Politik zu gehen.) Seine Freiwilligen-Truppen waren in der Tat Sauhaufen, deren Disziplin äußerst mangelhaft war - "Sherman's bummers [Shermans Bumser]" nannte man sie, wegen der vielen Vergewaltigungen. (Dagegen ist es ein unbewiesenes Gerücht, daß das amerikanische Wort für Nutte [Hooker] auf die Marketenderinnen in den Truppen des gleichnamigen Generals zurück geht.) Wenn man Sherman etwas vorwerfen konnte, dann daß er auch seinen eigenen Truppen gegenüber zu milde war; aber hätte er Marodeure und Vergewaltiger an die Wand gestellt, hätte ihn das mit einiger Sicherheit sein Kommando gekostet, und ein Schlimmerer wäre an seine Stelle getreten. Er wurde übrigens unter Stantons Nachfolger noch Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte und starb als Pensionär eines natürlichen Todes.

General Ulysses [Odysseus] S. Grant - der bald McClellans Nachfolger wurde - hat die "Anaconda" nicht erfunden; das war vielmehr eine Erfindung seines Vor-vorgängers, des im Film ach so gut(mütig)en alten Generals Winfield Scott - der hatte den Plan längst vor Kriegsausbruch in der Schreibtisch-Schublade liegen, und Grant war lediglich der Ausführende. Gewiß, auch das war eine üble Sache, aber ebenso militärisch geboten wie die Zerstörung Atlantas: Über den Hafen New Orleans, den Mississippi hinauf, lief gut 50% des Nachschubs der Südstaaten (er ist noch heute der zweitgrößte Hafen der USA - aber das ist eine andere Geschichte); und Vicksburg war eine beim damaligen Stand der Waffentechnik militärisch nicht einnehmbare Festung, die sich nur aushungern ließ - und zu diesem Zweck wurde halt das ganze umliegende Land verwüstet. (Übrigens genierten sich die US-Amerikaner nicht, knapp anderthalb Jahrhunderte später wieder eine Militär-Operation nach jener würgenden Schlange zu benennen, am anderen Ende der Welt, an den Füßen des Hindukusch - freilich ohne vergleichbaren Erfolg.) Grant wurde vier Jahre nach dem Krieg tatsächlich US-Präsident - einer der wenigen Fakten im zweiten Teil des Films, die stimmen. Über die Frage, ob er sich gegen eine lebende Legende wie Custer im Wahlkampf hätte durchsetzen können, will Dikigoros hier keine Spekulationen anstellen. Gegen die des toten Custer wäre er wohl chancenlos gewesen - aber der konnte ja nicht mehr kandidieren. Ob Custer ein (noch) schlechterer Präsident gewesen wäre als Grant? Kaum denkbar. Grant war als solcher schlimmer als Andrew Jackson und Abraham Lincoln zusammen und überhaupt der schlechteste US-Präsident vor Franklin Delano Roosevelt. Im Gegensatz zu Lincolns Nachfolger (und seinem eigenen Vorgänger) Johnson war Grant gegenüber den Südstaaten unversöhnlich und führte den Krieg gegen sie mit seinen Besatzungstruppen praktisch noch einmal, um ihn vollends zu ruinieren - aber nicht nur den Süden, sondern die ganzen USA: Die Wirtschaftskrise, die 1869 begann und 1873 mit dem Zusammenbruch des amerikanischen Bankensystems ihren Höhepunkt fand, war schlimmer als die, die im Oktober 1929 begann (und von der ersteren den Namen "Schwarzer Freitag" für ihren Ausgangspunkt übernehmen sollte). [Ob sie auch schlimmer war als die, die im Oktober 2008 begann, ist noch nicht abzusehen. Wahrscheinlich nicht.] Und im Gegensatz zu Roosevelt kam Grant nicht auf die Idee, die Depression durch einen clever eingefädelten Weltkrieg zu überwinden. Nach seiner Amtszeit als Präsident machte er zusammen mit anderen krummen Hunden eine Schwindelbank auf, die in betrügerischem Konkurs endete; und seine viel gerühmten "Memoiren" ließ er - der erstens ein halber Analfabet und zweitens infolge seiner Freß-, Sauf- und Nikotinsucht längst unheilbar an Herzverfettung, Leberzirrhose und Kehlkopfkrebs erkrankt und schon deshalb gar nicht in der Lage war, so etwas selber zu schreiben - von Mark Twain verfassen. (Daß Grant außerdem ein "Nigger-lover" und ein "Anti-Semit" war erwähnt Dikigoros nur am Rande - das sind Punkte, mit denen sich andere genügend auseinander gesetzt haben.)

[Sheridan]

Doch nun zu Sheridan. Der war meilenweit davon entfernt, jemals Kommandeur der Kadettenanstalt West Point zu sein. (Das war zu Custers Zeit der berühmte Robert E. Lee, Sohn des Helden im Unabhängigkeits-Krieg gegen die Briten, des Kavallerie-Generals 'Light Horse' Harry Lee - der im Film nur kurz erwähnt wird - und später Oberbefehlshaber der Südstaaten-Armee. Er war einer der besten Absolventen aller Zeiten - worauf sich sein unverdienter Ruhm vor allem gründete - auf mehr aber auch nicht. Als OB in einem mit moderner Waffentechnik geführten Krieg war er wie gesagt völlig fehl am Platze; seine überholte Strategie und Taktik machten ihn zum Hauptschuldigen an der Niederlage der Südstaaten - alle ihre fähigeren Generäle waren früh gefallen, nur diese Niete blieb ihnen bis zuletzt erhalten.) Sheridan war vielmehr die eine Ausnahme, die sogar noch Custer in den Schatten stellte: der schlechteste Absolvent aller Zeiten. Der erste Teil des Films erzählt weitgehend nicht die Geschichte des historischen Custer, sondern unter seinem Namen die des historischen Sheridan: Weil er einen anderen Kadetten angegriffen hatte, flog er sogar vorübergehend von der Akademie und brauchte insgesamt fünf Jahre, bis er sein Leutnants-Patent erhielt. Und Leutnant blieb er bis zum Ausbruch des Sezessions-Krieges, d.h. weitere acht Jahre - damit dürfte er der bis dahin erfolgloseste Berufsoffizier der USA mit West-Point-Abschluß gewesen sein. (Man konnte - und kann bis heute - in der U.S. Army auch ohne Kadetten-Ausbildung in die Offiziersränge aufsteigen; die Karriere führt dann aber in der Regel nicht allzu weit nach oben. Ausnahmen - wie die von Colin Powell, der ebenfalls den Quereinstieg über die Pfadfinder schaffte und bis zum Oberbefehlshaber und Außen-Minister aufsteigen sollte - bestätigen diese Regel.) Hätte Sheridan also Custer bei Bull Run getroffen (wo er nie gewesen ist), dann wäre das nicht ein Treffen des Leutnants mit seinem General gewesen, sondern eines zweier gleich erfolgloser Leutnants. Doch dann stieg Sheridan ebenso schnell und auf ebensolche Art und Weise wie Custer und Sherman auf: als Führer von Freiwilligen-Verbänden, die später in die reguläre Armee übernommen wurden. (Er war Oberst in der Michigan-Brigade, als Custer deren Brigade-General war - also sein Untergebener, nicht umgekehrt.) Allerdings wurde Sheridan nicht "aus Versehen" zum Brigade-General befördert, sondern für besondere Verdienste ganz spezieller Art: Er machte das einst blühende Shenandoah-Tal in Virginia - Ziel der ersten deutschen Einwanderungswelle im 17. Jahrhundert unter dem Hamburger Arzt Johann Lederer) zur Wüste - und die Weisung dazu hatte er von niemandem, sein Befehl lautete lediglich, es militärisch zu erobern. Aber er verfuhr nach dem Satz: "Wir kämpfen nicht gegen die feindliche Armee, sondern gegen die feindliche Bevölkerung; wir müssen sie alle, alt oder jung, arm oder reich, den Krieg spüren lassen." (Mit dieser seiner Einstellung hätte er auch einen ausgezeichneten - im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich dem von "hoch dekorierten" - Airforce-General im Zweiten Weltkrieg abgeben können!) Er hinterließ nicht nur "verbrannte Erde", sondern er sorgte dafür, daß jeder nicht direkt getötete Zivilist aus der Gegend, die er heim gesucht hatte, spätestens in ein paar Wochen verhungerte. So war er in Wahrheit, der edle Phil Sheridan - die einzige Figur im Film, die uneingeschränkt positiv, ja makellos dargestellt wird!

Darf Dikigoros Euch, liebe Leser, zu einer kleinen Reise in die Gegenwart einladen? Atlanta und Savannah sind schöner wieder aufgebaut worden als sie jemals vor dem Sezessions-Krieg waren - das kann er Euch aus eigener Anschauung versichern -, und wenn Ihr entlang der Interstate Highways 55 und 16 Grants "Anaconda" und Shermans "Zug zum Meer" folgt, dann werdet Ihr dort heute blühende Landschaften sehen. (Nein, nicht wie Birnes Werk in Ossiland - wirklich blühende Landschaften!) Nicht umsonst ist das Stadtwappen von Atlanta ein Fönix, der aus der Asche aufsteigt. Little Five Points ist zwar untergegangen, aber anders als andere historische Stadtkerne: Es wurde zum "Underground Atlanta", über und um den herum sich heute die Wolkenkratzer erheben, ein unterirdischer Stadtteil mit Geschäften, Kneipen und - der Metrostation. Eine Bahnlinie gibt es zwar nicht mehr (nur der berühmte "Zero Mile Post" - der Punkt Null der Eisenbahnlinie - steht noch), aber dafür eine Untergrundbahn, die man wieder nach der schon erwähnten Gouverneurstochter Marta benannt hat - oder würdet Ihr im Ernst der offiziellen Version Glauben schenken, das sei die Abkürzung für "Metropolitan Atlanta Rapid Transit Authority [Behörde für den großstädtischen schnellen Durchgangsverkehr Atlantas]"? Das ist nun wirklich an den Haaren herbei gezogen! Aber nun fahrt bitte einmal ins Shenandoah Valley. Nein, nicht in den heutigen "Shenandoah National Park" - der liegt gut 50 km weiter südöstlich. Auch nicht die Interstate 81 entlang - die verläuft ca. 20 km südöstlich vom einst blühendsten Tal Nordamerikas; und die Bundesstraße 259 liegt etwa ebenso weit entfernt im Westen (obwohl auch Namen wie "Lost River" und "Lost City" nicht gerade einladend klingen - es gibt diese Orte wenigstens noch). Aber dazwischen, zwischen Mount Clifton und Mount Olive, ist buchstäblich - nichts. Es ist bis heute eine gespenstische Wüste im ursprünglichen Sinne des Wortes: ver-wüstetes Land, in dem es aussieht wie einst im Zonenrandgebiet, pardon an der Staatsgrenze West der DDR. Und diese Parallele zieht Dikigoros nicht von ungefähr: Nach dem Sezessions-Krieg wurde Preußen, pardon Virginia, der Gründungs- und Kernstaat nicht nur der Südstaaten, sondern der Vereinigten Staaten von Amerika überhaupt, in zwei Staaten geteilt: in West-Virginia und in [Ost-]Virginia. Und die Grenze verläuft bis heute... mitten durchs Shenandoah Valley. Damit nicht genug: Virginia ist bis heute der ärmste Flächenstaat der USA, nur übertroffen vom Distrikt der Bundeshauptstadt Washington, die einst aus seinem Gebiet heraus getrennt wurde, ähnlich wie Brandenburg, der Kernstaat Preußens, bis heute der ärmste Flächenstaat der Bananen-, pardon Bundes-Republik Deutschland ist, nur übertroffen vom Stadtstaat der Bundeshauptstadt Berlin, die einst aus seinem Gebiet heraus getrennt wurde.

Exkurs. Fiel das dem amerikanischen Publikum eigentlich nicht auf, daß der ganze Plot des Films historisch auf so wackeligen Füßen stand? Das ist eine gute Frage, die man nicht einfach mit der Gegenfrage beantworten kann: Woher denn? Selbst wenn man unterstellt, daß die Mehrheit der Kinogänger dumm, ungebildet und leicht zu manipulieren war - nur ein Jahr zuvor war ein Streifen in die Filmtheater gekommen, der fast in der selben Zeit - den 1850er Jahren - spielte, mit den selben Personen und sogar überwiegend den selben Schauspieler[inne]n: Olivia de Havilland und Errol Flynn in den Hauptrollen - letzterer freilich als J.E.B. Stuart, den späteren Kavallerie-General der Südstaaten. Custer spielt hier nur die dritte Geige (außerdem wird er vom späteren US-Präsidenten Ronald Reagan zwar nett, aber so farblos dargestellt, daß er nicht personenprägend im Sinne dieser "Reise durch die Vergangenheit" wirken konnte), als Mit-Kadett Stuarts (und Sheridans!) unter Lee in Westpoint und als Nebenbuhler um die Hauptdarstellerin. "Santa Fé Trail" heißt der Film, aber er spielt nicht in New Mexico, sondern in Kentucky, jenem Bundesstaat, mitten durch den der Streit zwischen den "Sklavenhaltern" und den "Abolitionisten" schnitt, geschürt vor allem von John Brown, den heute jedes Kind aus dem Lied "Glory, Glory, Halleluja" kennt, das die Soldaten der Nordstaaten 1861 zu ihrem Kriegssong machten, weil sie ja offiziell die Befreiung der Negersklaven auf ihre Fahnen geschrieben hatten. "Santa Fé Trail" stellt das alles ganz anders - und wohl wahrheitsgetreuer - dar: John Brown als fundamentalistischen Christen, als alttestamentarischen Fanatiker, der die Schwarzen aufhetzt und mehr entführt als befreit ("Wer soll uns denn jetzt Unterkunft und Verpflegung geben?" fragt einer), die viel lieber im patriarchalischen Abhängigkeits-Verhältnis zu ihren weißen Herren geblieben wären. (Überdies hängt man ihm noch die Schuld am Bürgerkrieg an, weil er aus der kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen Nordstaatlern und Südstaatlern erst Haß gemacht habe, der zur Sezession und zum großen bewaffneten Konflikt führte - aber das dürfte doch etwas überzogen sein). Doch die Hauptsache ist etwas anderes, nämlich der Grundtenor des Films: "In politische Fragen, wie Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten, sollte man sich nicht einmischen, schon gar nicht mit Gewalt (John Brown überfällt mit seiner bewaffneten Bande Trecks, zerstört Farmen und Dörfer und macht sich so zum Kriminellen); die regeln sich schon alle irgendwann mal von selber, und viel vernünftiger, als es jeder Krieg tun könnte." Das war im Jahre 1940 die ganz überwiegende Meinung der amerikanischen Wählerschaft, und die Botschaft war ganz klar: sie bezog sich auf den europäischen (noch nicht Welt-!) Krieg zwischen den "rassistischen" Nazis und den "antirassistischen" Westmächten. (Wobei die Sympathien des Regisseurs Michael Curtiz eindeutig bei ersteren lagen. Er läßt einen der "Guten" sagen, nachdem Stuart, Custer & Co. gerade einen Überfall der Abolitionisten auf einen Treck abgewehrt und Browns Banditen in die Flucht geschlagen haben: "Diese Abreibung, die wir den Nigger-lovern verpaßt haben, war das beste, das ich erlebt habe, seit wir die Indianer platt gemacht haben.") Kein Wunder, daß das - nachdem der Kriegstreiber Roosevelt die Präsidentschaftswahlen mit der Lüge gewonnen hatte, er wolle die USA aus dem Zweiten Weltkrieg heraus halten - Curtiz letzter Film mit den großen Stars war. "Santa Fé Trail" war ab sofort nicht mehr opportun, und er verschwand in der Versenkung, in den USA sowieso, im Ausland erst recht, und in den Feindstaaten für immer. Erst im Jahre 1994 sollte eine stark zensierte, pardon bearbeitete deutsche Fassung auf den Markt kommen, die man fast auf "politisch korrekt" getrimmt hat, indem man John Brown als ehrenwerten Mann im "Land der Gottlosen" darstellt, der durchaus das Richtige will, sich halt nur ein wenig in der Wahl seiner Mittel vergriffen hat; aber alles in gutem Glauben an Gott, den Herrn, der eigentlich alle Menschen gleich machen wollte, sich halt nur ein wenig in der Wahl ihrer Hautfarben vergriffen hat. Als solcher ist er denn ja auch in die Geschichte eingegangen. Exkurs Ende.

Zurück zu "They Died With Their Boots On" - wo waren wir gleich stehen geblieben? Bei Custers Heirat. Sein Verhältnis zu Libbie Bacon war tatsächlich noch viel rührender als im Film: Die beiden waren sich nicht zufällig in West Point über den Weg gelaufen (diese Episode stammt vielmehr aus der Lebensgeschichte des US-Generals George Smith Patton - der seine Laufbahn ebenfalls als Kavallerie-Offizier begann und erst später zu den Panzern wechselte), sondern es war eine Jugendliebe - mehr noch, eine "Puppy Love". Sie kannten sich schon als kleine Kinder, aber sie konnten zusammen nicht kommen, denn Libbie war die einzige Tochter des reichsten und einflußreichsten Mannes am Ort, während Custer aus "kleinbürgerlichen" Verhältnissen, der "lower middle class", stammte. Aber nicht nur deshalb war Richter Bacon gegen diese Heirat seiner Tochter: Berufssoldaten lebten gefährlich, und er wollte nicht, daß Libbie früh Witwe wurde. (Er sollte Recht behalten und seine Tochter 57 Jahre, fast zwei Drittel ihres langen Lebens, Witwe sein - aber das mit zu erleben sollte ihm erspart bleiben.) Nach dem Bürgerkrieg wurden die Temporary Ranks widerrufen (Custer war regulär noch immer Hauptmann - mehr konnte er nach nur vier Jahren im Einsatz nicht erwarten) und die überflüssigen, pardon überzähligen Soldaten (zu denen auch Custer zählte) entlassen. An die 300.000 Mann wurden auf einen Schlag arbeitslos, und wer sonst nichts gelernt hatte, konnte sehen wo er blieb - wenn er nicht gerade eine gute Partie mit einer reichen Erbin gemacht hatte, wie Custer. Aber das tröstete ihn überhaupt nicht; er - der bis dahin Abstinenzler gewesen sein soll - begann, seinen Kummer in Alkohol zu ersäufen. Hier endet freilich die wenigstens teilweise Übereinstimmung von Film und historischer Wahrheit; was nun folgt, ist eine Reihe geschickter Lügen zu Propaganda-Zwecken.

Custer wurde nicht direkt nach Ft. Lincoln versetzt, sondern als Charakter-Major, pardon -General ("brevet general") konnte er froh sein, im Range eines Oberstleutnants (was ja für einen Mittzwanziger so schlecht gar nicht war) in der Armee bleiben zu dürfen, und sei es auch auf einigen eher unattraktiven Posten - auf denen er sich denn auch ganz und gar nicht bewährte: Er mußte tatsächlich Infanterie-Rekruten ausbilden, und er behandelte sie so schlecht, daß seine Verluste durch Fahnenflucht (im Schnitt 40% gegenüber "nur" 30% bei anderen Einheiten) die durch Kampfhandlungen bei weitem überwogen. Auch er selber verabsentierte sich einmal unerlaubt von der Truppe, um Libby zu besuchen (die, anders als im Film, durchaus nicht sofort mit ihm ging, sondern vorerst in ihrem schönen, ererbten Elternhaus in Monroe blieb). All das trug ihm ein Disziplinarverfahren und eine einjährige Suspendierung vom Dienst ein; und damit begann die Fase des untätigen Herumlungerns, die der Film gleich ans Ende des Bürgerkriegs verlegt und einer ganz regulären Demobilisierung zuschreibt. Nicht eine Intervention Libby's bei irgendwelchen "big shots" (geschweige denn beim längst verstorbenen Winfield Scott) brachte ihn zurück, sondern die cynische Erkenntnis der Generäle Grant, Sheridan und Sherman, daß man auf solch einen erfahrenen Mann im Kampf gegen die Indianer einfach nicht verzichten konnte. Dieser Kampf wurde mit der gleichen Brutalität geführt wie der Bürgerkrieg zwischen den Weißen der Nord- und Südstaaten, und zwar wiederum auf Betreiben General Sheridans, von dem auch der Satz stammen soll: "Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer." (Ja, liebe Leser, er ließ das später dementieren - er habe nur gesagt: "Die einzigen guten Indianer, die ich kannte, waren tot." Dikigoros war nicht dabei; aber er neigt dazu, der vom Volksmund überlieferten ersten Version zu glauben - sie paßt einfach zu gut auf Sheridan, um nicht von ihm zu sein, und zu gut auf die Amerikaner im allgemeinen, die vier bzw. sieben Jahrzehnte später ja auch nach dem Motto handelten: "Nur ein toter Hunne ist ein guter Hunne" bzw. "Nur ein toter Nazi-Deutscher ist ein guter Nazi-Deutscher".) Custer war also insoweit nur Befehlsempfänger. Die Indianer (für die Brutalität im übrigen auch kein Fremdwort war - sie kämpften ebenfalls vorzugsweise gegen die Zivilbevölkerung) hatten Pech, daß sie meist auf Seiten der "rebellischen" Südstaaten gestanden (und manchmal auch mit gekämpft) hatten; die Union hatte also nun einen weiteren Vorwand, pardon Grund, gegen sie vorzugehen. Auch der gute Präsident Theodor Roosevelt, der so viel Mitleid mit kleinen Bären hatte, daß man die Plüsch-Bären nach ihm "Teddy" nannte, hätte nichts dabei gefunden, etwa Häuptling "Klein-Bär" eigenhändig umzubringen. Von ihm stammt der Spruch (und im Gegensatz zu Sheridan stand er dazu, ohne Dementi): "Ich denke zwar nicht, daß nur tote Indianer gute Indianer sind, aber ich glaube, daß das auf 90% von ihnen zutrifft, und die übrigen 10% will ich mir lieber nicht zu genau ansehen."

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Die oben erwähnte Besonderheit des völkerrechtlichen Vertrages von 1868 zwischen zwei Nationen ist übrigens im Film zutreffend dargestellt - nur die Einzelheiten sind falsch. Richtig ist, daß bereits im Jahre 1831 der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten geurteilt hatte: "Indianer sind keine amerikanischen Staatsbürger; sie genießen nicht die Privilegien der Verfassung, sind auch nicht an Pflichten und Gesetze dieser Verfassung gebunden. Sie sind binnenländisch abhängige Nationen, bilden aber keine fremden Staatswesen, sondern nur sozialpolitisch unabhängige Gesellschaftsgruppen." Aha. (Das mußte selbst Dikigoros als gelernter Jurist zweimal lesen, um es zu verstehen.) Falsch ist, daß Crazy Horse diesen Vertrag geschlossen hätte. Zunächst einmal hieß der junge Führer der Oglala-Teton (das war ein Stamm des Sioux-Volkes, so wie die Ostmärker oder Preußen deutsche Stämme sind, pardon waren) gar nicht so. Gewiß, auch Dikigoros ist ein Freund des Übersetzens fremdsprachiger Ausdrücke, weil das in der Regel zum Verständnis beiträgt - allerdings nur, wenn die Übersetzung richtig ist, und hier ist sie schlicht falsch: Tashunkä-Witko heißt nicht "Närrisches Pferd", sondern vielmehr "Pferde-Narr". Shunkä (der erste Laut spricht sich nicht wie ein englisches "sh" oder wie ein deutsches "sch", sondern ungefähr wie ein japanisches "sh", also - für deutsche Leser - fast wie ein "s" gefolgt von einem weichen "ch"; der letzte Laut wird manchmal als "a", manchmal als "e" wieder gegeben, spricht sich aber wie ein deutsches "ä") bedeutet Wolf, und als die Sioux das ihnen bis zur Ankunft der Spanier unbekannte Pferd sahen, nannten sie es einfach Ta'shunkä (das "t" wird aspiriert gesprochen, wie im Deutschen, und hinter dem "a" hört man bisweilen noch einen Hauchlaut; deshalb schreiben einige die erste Silbe auch "Thah"), "Groß-Wolf", auf Alt-Germanisch Atha-Ulf, woraus später "Adolf" wurde. Witko (der erste Laut spricht sich wie ein englisches "double-u", der zweite wie ein deutsches "i", weshalb er im Englischen manchmal auch als "e" geschrieben wird) bedeutet Narr. "Aber die Sioux hießen doch richtig gar nicht so, das ist der Name, den ihnen die Franzosen gaben, richtig hießen sie vielmehr Dakota..." schrieb Dikigoros einer seiner Leser zu einer anderen "Reise durch die Vergangenheit". Aber das ist ein Irrtum: Die Sioux hießen tatsächlich so; es ist halt nur die französische Schreibweise, denn die Indianer hatten keine eigene Schriftsprache. Und wie der Name "Dakota" zustande kam, das erzählt Dikigoros gleich, etwas weiter unten.

Zurück zum Vertrag von 1868: Natürlich schloß den auf Seiten der Sioux nicht irgend ein kleiner Heerführer wie Adolf der Narr, sondern ein erfahrener alter Häuptling: "Red Cloud (Rote Wolke - richtiger: Rotwolke)", der sich das als einziger leisten konnte, da er ein sehr erfolgreicher Krieger gewesen war - ihm konnte niemand Feigheit vor dem Feind vorwerfen! Nachdem Rotwolke unterschrieben hatte, ging er ins Reservat und setzte sich zur Ruhe; Crazy Horse wurde sein Nachfolger als Oberbefehlshaber der Sioux-Truppen. Er hatte den Vertrag nicht unterschrieben, ebenso wenig ein gewisser Hunkpapa-Häuptling mit Namen Tatankä-Yotan(k)ä, den die Amerikaner aus unerfindlichen Gründen mit "Sitting Bull" übersetzen. (Nein, liebe Leser, die Version des Vertrages, die heute im Internet herum schwirrt, ist eine "Transkription", in der mehrere Fälschungen vorgenommen worden sind, u.a. durch Einfügen des Namens "Sitting Bull"; daß der nicht unterschrieben hat ist sonst in allen Quellen unstreitig!) Im Nachhinein hat man ihm das als "Weigerung" ausgelegt, aber vielleicht war es ihm einfach nur peinlich, ein Kreuz machen zu müssen, weil er nicht lesen und schreiben konnte? Hat schon mal einer der geneigten Leser einen sitzenden Büffel gesehen? Dikigoros auch nicht... Was das hier soll, da er doch im Film gar nicht vorkommt? Geduld, liebe Leser, Geduld. Als Custer nach Ft. Lincoln kam, wurde er formell nicht Fort-Kommandant, sondern nur dessen Stellvertreter. Da sich der eigentliche Kommandant jedoch meist anderswo aufhielt, führte Custer de facto das 7. Kavallerie-Regiment, und er verstand es, daraus ein Geschäft zu machen. Nicht der böse Deutsche Scharf, sondern Custer selber war es, der einen schwunghaften Handel mit Alkohol und Gewehren aufzog, und seine liebe Verwandschaft - er hatte reichlich Brüder und Vettern, die er als Strohmänner einsetzen konnte. Auch "California Joe" war alles andere als der harmlose alte Scout, der nur zum Witzereißen mit gekommen war: Er war es, der zusammen mit Custer und Sheridan die Sache mit dem Goldfund in den Schwarzen Bergen ausheckte und die Geschichte in den Zeitungen, vor allem der "Bismarck Tribune", unterbrachte. (Es wurde tatsächlich etwas Gold dort gefunden, aber längst nicht so viel, daß es einen neuen Goldrausch wie einige Jahre zuvor den von Kalifornien gerechtfertigt hätte) Und es war auch kein Scharf, sondern Custer selber, der eine Schwindel-Gesellschaft, die "Custer Park Mining Company", gründete und die Aktionäre übers Ohr haute.

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Es muß also andere Gründe für Custers neuerliche Abberufung gegeben haben als die im Film vorgeschobenen, als er sich von Sharf, dem er seine Alkohol-Lizenz versaut hat, zu einem Angriff auf Romulus provozieren läßt. Das ist eine ziemlich undurchsichtige Angelegenheit, liebe Leser, die auch Dikigoros nicht ganz durchschaut. Tatsache ist wohl, daß Custer tatsächlich nach Washington reiste und dort beim Kongreß über die schlechte Behandlung der Indianer Klage führte, daraufhin als "Nestbeschmutzer" abgesetzt wurde, sich dann aber doch irgendwie wieder mit dem Kriegsministerium arrangierte und zurück an die Front geschickt wurde. Hatte er umgelernt? War es nur Taktik, weil er bei den nächsten Präsidentschafts-Wahlen kandidieren wollte und dafür erst einen schönen Skandal und dann eine neue Heldentat brauchte (die alten aus dem Sezessionskrieg lagen immerhin schon elf Jahre zurück), mit der er auch noch beweisen konnte, daß er trotz persönlicher Skrupel - right or wrong, my country - zur gemeinsamen Sache stand? Wir wissen es nicht, und den lobhudelnden Schriften seiner Witwe dürfen wir gerade in diesem Punkt am allerwenigsten glauben.

Exkurs. Bitte unterschätzt nicht die Rolle, welche Custers Witwe bei der Glorifizierung ihres Mannes gespielt hat. Es gab viele Gefallene im Sezessions-Krieg und in den Kämpfen gegen die Indianer, und viele waren bessere Soldaten, Offiziere und Generäle als Custer - aber fast alle sind sie mehr oder weniger vergessen, weil keiner von ihnen eine Hinterbliebene vom Schlage einer Libby hatte. In den zweiten Hällfte des 19. Jahrhunderts lag die Propaganda noch nicht allein in den Händen der Staaten, sondern auch engagierte Privatpersonen konnten es schaffen, jemanden berühmt zu machen - und das beschränkte sich durchaus nicht auf "Kriegshelden". Wenn Ihr mal einige von Custers berühmtesten Zeitgenossen nehmen wollt: Friedrich Nietzsche hatte, als er 1889 in geistiger Umnachtung versank, von seinen filosofischen Werken im Durchschnitt weniger als 100 Exemplare verkauft, und ohne seine Schwester Elisabeth wären er und sein Werk wohl ein paar Jahre später vergessen gewesen. Aber die begann prompt die Werbetrommel zu rühren; und als sie 1935 starb, hatte sie nicht nur aus dem Zettelkasten, den sie im Nachlaß ihres Bruders gefunden hatte, einen Millionenseller gemacht (dem sie den Namen Der Wille zur Macht gab), sondern auch die Verkaufszahlen seiner einstigen Ladenhüter in schwindelnde Höhen getrieben - im Ersten Weltkrieg trugen hunderttausende deutsche Soldaten, auch wenn sie filosofisch völlig unbeschlagen waren, Also sprach Zarathustra im Tornister - neben Goethes Faust. Die Bilder des Malers und Pleitegeiers van Gogh verkauften sich Jahrzehnte lang - wenn überhaupt - nur für'n Appel und 'n Ei. Als jedoch seine geschäftstüchtige Schwägerin das Marketing in die Hand nahm erzielten sie erst Hunderttausende, später sogar Millionen. Auch Richard Wagner wäre wohl mitsamt seinen schwierig bis unmöglich aufzuführenden Werken wenige Jahre nach seinem Tode vergessen gewesen, wenn nicht seine Witwe Cosima anstelle von Wagners völlig unfähigem Sohn Siegfried die Zügel der "Bayreuther Festspiele" fest in die Hand genommen und sie zu einem Unternehmen mit Weltgeltung ausgebaut hätte. Ach, Ihr meint, liebe Leser (vor allem liebe männliche Leser :-), das sei alles nur zweitrangig, in erster Linie hätten doch einmal die Leistungen der Männer da sein müssen, ohne die auch die tüchtigste Frau keinen Mythos hätte schaffen können? Täuscht Euch nicht - aus irgend einer Mücke kann man immer einen Elefanten machen; und notfalls schafft frau auch diese Mücke noch selber. Darf er Euch ganz vorsichtig daran erinnern, daß Das Kapital größtenteils nicht von Charly Murx, pardon Karl Marx geschrieben wurde, sondern von seiner Tochter Tussy? Und daß die "Relativitätsleere", pardon, "-lehre", jene Ausgeburt an Schwachsinn, ohne die der Hochstapler Albern Einstein wohl sein Lebtag Posteingangs-Sortierer beim Schweizer Patentamt geblieben wäre, nicht von ihm stammte, sondern von seiner Frau Mileva? Exkurs Ende.

Aber eines ist richtig: Die Frauen brauchten irgend einen Aufhänger für den Mythos, den sie um "ihre" Männer schufen; und im Falle Custers war das halt vor allem die Schlacht am "Little Big Horn [Kleinen Großhorn]" (wer mag sich diesen idiotischen Namen ausgedacht haben?) vom Sommer 1876, aus der im Laufe der Generationen eine Saga wurde, die sich über die ganze Welt verbreitete. Als Dikigoros ein Kind war, stellte die Firma Hausser - die früher Zinn- und später "Elastolin [Hartplastik]"-Soldaten des Siebenjährigen Krieges, der Reichswehr und der Wehrmacht gefertigt hatte - Figuren her, die Trapper und Indianer, Cowboys und US-Soldaten darstellten: der Nordstaaten und der Südstaaten aus dem Sezessions-Krieg, und natürlich auch der berühmten Kavallerie aus den Indianer-Kriegen.

Ihr Prunkstück aber - darauf hatten die amerikanischen Besatzer, pardon Befreier bestanden - war das Spiel "Die Schlacht am Little Bighorn", und die wurde da genau so dargestellt wie sich Lieschen Müller im Kino eine heroïsche, offene Feldschlacht vorstellte: Eine weite Ebene, viele Indianer auf Pferden, und in der Mitte die heldenhaften Blaujacken in einer nicht vorhandenen Wagenburg, die sich rundum verteidigen und nach Stunden heldenhafter Gegenwehr bis zur letzten Patrone mit fliegenden Fahnen untergehen, alle Mann, wie sich das gehört. Was kann man schon machen, wenn auf der Gegenseite mehr Männer und mehr Gewehre sind als auf der eigenen? Vergeßt es, liebe Leser, vergeßt es. Custer befehligte ein Regiment, das überwiegend aus unausgebildeten Rekruten bestand; sein Vorgesetzter, der Regiments-Kommandeur, glänzte wie gesagt die meiste Zeit durch Abwesenheit, und seine Unterführer waren entweder die reinsten Vollidioten, die wie er selber strafversetzt waren an den Arsch der Welt, oder "Shavetails", die direkt von der Militär-Akademie kamen. Custer wurde von einem Trupp Indianer abgefangen, als er gerade mit einem Haufen in Kompanie-Stärke - gut 200 Mann - ihr Dorf angreifen wollte, zog sich aber rechtzeitig zurück auf einen Hügel, in der Hoffnung, daß bald Entsatz würde, um ihn raus zu hauen - Major Reno und Captain Benthien waren mit ca. 600 Mann in der Nähe. Aber sie kamen nicht, und Custers Leute konnte ihre Stellung auch nicht halten, denn nun kam ein Faktor zum Tragen, an den man dabei nur selten denkt: die Bewaffnung.

[die legendäre Winchester] [der legendäre Colt 'Peacemaker']
[Der Säbel der Nordstaaten-Kavallerie im Sezessionskrieg]

In der ursprünglichen Fassung dieser Seite hatte Dikigoros an dieser Stelle geschrieben: "Man darf die waffentechnische Überlegenheit der Weißen gegenüber den Indianern nicht überschätzen: Gewehre und Pistolen waren damals noch äußerst unzuverlässige Waffen. Der "Peacemaker" aus der von Samuel Colt gegründeten Fabrik (Colt selber war schon vierzehn Jahre zuvor gestorben - als Multimillionär), der erste für Patronen geeignete - und daher schnell nachladbare - Revolver, war zwar schon seit drei Jahren auf dem Markt, ebenso ein hervorragendes neues Repetier-Gewehr, die Winchester '73; aber die Armee war noch überwiegend mit alten Perkussions-Revolvern vom Typ "Army 1860" ausgerüstet, von dem sie sich fast 200.000 Exemplare hatte andrehen lassen, und mit alten Karabinern. Selbst wenn die Feuerwaffen funktionierten, war die Treffsicherheit von Pistolen über 20 m und von Gewehren über 100 m Distanz damals noch lausig; und wenn man mehrere Schüsse schnell nacheinander abfeuerte, wurde der Lauf heiß und man konnte sie nur noch als Schlagstock benutzen. (Die Kavallerie hatte nicht mal Bajonette für ihre Karabiner - sie sollte ja mit dem Säbel kämpfen!) Dagegen konnte ein guter Speerwerfer ziemlich zielgenau über 40 m werfen - also doppelt wo weit wie eine Pistole traf -, und mit Pfeil und Bogen kam man auf die gleiche Reichweite wie damalige Gewehre, bei größerer Treffsicherheit. Entscheidend war jedoch, daß die Indianer (die übrigens nicht hoch zu Roß einher geprescht kamen, wie im Film, sondern sich zu Fuß anschlichen) ihre Waffen als Steilfeuer-Geschütze einsetzen konnten: Sie erledigten Custer und seine Leute nicht im Nahkampf, wie z.T. im Film, sondern praktisch im Fernduell, mit Pfeilen, die in die Höhe geschossen wurden und sich im richtigen Augenblick nach unten senkten, ohne einen einzigen Mann eigener Verluste; in dreißig Minuten war alles vorbei - eine mehr als jämmerliche Blamage für die Weißen. Der Verdienst für diesen leichten Sieg gebührte Adolf dem Narren; Springender Büffel saß - wie es sein englischer Name 'Sitting Bull' sagt - auf seinem Hintern, sah aus sicherer Entfernung zu und wartete ab, bis es ans Verteilen der Beute ging."

Diese Darstellung bedarf einiger Korrekturen. Über die Schlacht am Little Big Horn gibt es keine zuverlässigen Quellen, sondern nur einander mehr oder weniger widersprechende Aussagen indianischer Teilnehmer, die z.T. erst Jahre später gemacht wurden; Dikigoros hatte sich diejenige zu eigen gemacht, die ihm am glaubhaftesten erschien. Nachdem aber das gesamte Schlachtfeld nochmals mit modernsten Methoden umgepflügt, jede Patronenhülse eingehend untersucht und entsprechenden Waffen und ihren mutmaßlichen Trägern zugeordnet worden ist, kann an dieser Darstellung nicht länger festgehalten werden. Vorab eine kleine Formalie: Die US-Kavallerie war nicht mit alten, sondern mit nagelneuen, aber veralteten Karabinern ausgerüstet, nämlich dem Springfield-Modell 1873; und auch von den Indianern hatten einige wohl Gewehre, allerdings nicht wie im Film die moderne Winchester, sondern den älteren - Winnetou-Lesern als Waffe Old Shatterhands wohl bekannten - Henry-Stutzen. Wo lagen die Unterschiede, und warum entschieden sich die beiden Seiten jeweils für die eine oder andere Waffe? Nun, das US-Kriegsministerium entschied sich gegen die Winchester und für die Springfield, weil die erstere nur eine Reichweite von ca. 200 y (ca. 180 m) hatte - das war ihm zu wenig. Das Springfield-Gewehr hatte dagegen eine Reichweite von 1.000 y - jedenfalls auf dem Papier und in der Ausführung für die Infanterie; für die Kavallerie war der Rückstoß dieser Waffe zu stark, man hatte Angst, daß die Reiter beim Schießen vom Pferd fallen könnten. (Eine völlig unbegründete Sorge, die sich nur jemand am Schreibtisch machen konnte, der selber noch nie im Feld gestanden hatte; denn in der Regel kämpfte die Kavallerie, wenn sie ritt, lediglich mit dem Säbel; ansonsten - wie im Film - abgesessen. Auch die Indianer setzten ihre Gewehre - anders als im Film - nicht vom Sattel aus ein.) Deshalb bekam sie den Springfield-Karabiner mit verkürztem Lauf, der nur 600 y weit reichte, aber immerhin noch dreimal so weit wie die Winchester (und der Henry-Stutzen). Das war ein nachvollziehbares Argument, denn wer seinen Gegner abschießen kann, lange bevor der zurück schießen kann, ist sicher im Vorteil. Es ist also Blödsinn, wenn Custer im Film Sharp vorwirft, den Indianern Gewehre zu verkaufen, "die unseren an Reichweite überlegen sind" - es war genau umgekehrt: Die alten Henry-Stutzen galten eben nicht als militär-taugliche Bewaffnung, sondern als Jagdgewehre, und die Jagd war den Indianer ja nicht verboten. Und überhaupt haben es die USA noch nie so eng gesehen mit Waffenverkäufen an potentielle Feinde. Denkt doch mal an die jüngste Vergangenheit, liebe Leser: Die Regierung Reagan verkaufte Waffen - wohlgemerkt keine bloßen Schießgewehre! - an das Mullah-Regime im Iran und an die Taliben in Afģānistān; die Regierung Bush verkaufte Waffen an Saddam Hussein im Irak, und die Regierung Obama verkaufte Waffen an die mexikanischen Drogen-Kartelle (in den BRDDR-Medien wurde das tot geschwiegen, aber in den USA war es ein Mordsskandal, als das heraus kam - googelt mal ein wenig unter "fast and furious". (Die meisten Zivilisten dachten übrigens anders als das Militär; sie ließen die Springfield links liegen und kauften lieber die Winchester. Warum? Na, denkt doch mal praktisch, liebe Leser. Wer von Euch kann denn mit bloßem Auge - Zielfernrohre gab es noch nicht - 900 m weit so gut sehen, daß er mit dem Gewehr eine Zielscheibe trifft? Eben. Dikigoros kann es auch nicht; er ist froh, wenn er - wohlgemerkt mit Brille - ein Ziel in 180 m Entfernung halbwegs genau ausmachen kann. Der theoretische Vorteil der Springfield-Gewehre war also in der Praxis herzlich wenig wert, zumal die Indianer ja nicht in dichten Schlachtreihen anzurücken pflegten, wo man nur ungefähr drauf zu halten brauchte, sondern als Einzelkämpfer.)

[Springfield-Gewehr und -Karabiner]

[Wer sich nicht mit der Erklärung zufrieden geben will, daß die Ausrüstung der U.S. Army mit veralteten Waffen lediglich darauf zurück zu führen war, daß sich ein paar ahnungslose Schreibtisch-Hengste versehentlich falsche Sorgen gemacht hatten, dem empfiehlt Dikigoros den im allgemeinen gut recherchierten Tatsachen-Roman "Dynasty of Death (Dynastie des Todes)" von Taylor Caldwell (auf Deutsch unter dem Titel "Einst wird kommen der Tag" erschienen, der soviel unverfänglicher klingt - wenn man nicht weiß, daß es sich um ein Zitat aus der Ilias des Hómeros handelt, das den Untergang Troias ankündet :-), ab Kapitel 45. Er will das hier nicht vertiefen, sondern nur so viel bemerken, daß er die Autorin - nicht nur wegen dieses einen "Romans" - in seine Sammlung der großen Schriftsteller aufgenommen hätte, wenn er diese nicht auf Chronisten des 20. Jahrhunderts beschränkt hätte. Ob man ihr in diesem speziellen Punkt Glauben schenkt darf, mag jeder Leser für sich selber entscheiden.]

Auch die Indianer dachten anders: Sie verließen sich darauf, so weit heran zu kommen, daß sie den Henry-Stutzen einsetzen konnten - was in offener Feldschlacht nicht gegangen wäre, aber die gab es hier wie gesagt nicht, es wurde um einen (oder mehrere?) Hügel gekämpft. Und in diesem Falle war der Henry-Stutzen dem Springfield-Karabiner haushoch überlegen: Der letztere mußte nach jedem Schuß einzeln nachgeladen werden - nicht weiter schlimm, wenn der Gegner noch 900 m weit weg ist, wohl aber, wenn er einem fast schon gegenüber steht. (Eine schnellere Schußfolge wäre aber auch gar nicht möglich gewesen, sonst hätten sich die Kupfer-Patronen in dem erhitzten Lauf verzogen und ihn verstopft - was sie auch so noch oft genug taten, und dann s.o. in Sachen Schlagstock; erst nach der Schlacht am Little Big Horn kam jemand auf die Idee, statt dessen Messing-Patronen einzusetzen, bei denen dieses Problem nicht bestand.) Dagegen faßte der Henry-Stutzen ein Magazin mit 16 Patronen, das in ca. 40 sec. leer geschossen werden konnte, ein vernichtendes Schnellfeuer. Die Bewaffnung war also tatsächlich entscheidend, allerdings anders als Dikigoros das ursprünglich geschrieben hatte. Dann gilt es noch nachzutragen, daß wohl auch die Indianer Verluste hatten, und daß der Kampf auch länger als 30 Minuten gedauert haben muß; gleichwohl bleibt es dabei, daß die Schlacht eine jämmerliche Blamage für die USA war, wenngleich sie weit weniger bedeutend war als sie die Propagandisten des 19. Jahrhunderts - und in deren Kielwasser Raoul Walsh - im Nachhinein gemacht haben. Von der Propaganda hat letztlich nur Custers "Glorie" profitiert; denn als bloßer "Bürgerkriegsheld" wäre er wohl ebenso der Vergessenheit anheim gefallen wie (fast) alle anderen Generäle der Kämpfe von 1861-65.

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Noch ein paar Worte zu den Nebenrollen: General Scott hatte längst das Zeitliche gesegnet, als er im Film Custer noch die Planstelle in Ft. Lincoln besorgte. Einen Ned Sharp gab es zwar nicht, aber der Name kommt nicht von ungefähr: Um dem Publikum glaubhaft zu machen, daß nicht Custer selber, sondern jemand anders Gewehre an die Indianer verkaufte, wählte man einen Namen, der einst ebenso bekannt war wie "Colt": Sharp's Karabiner aus der Harpers-Ferry-Waffenfabrik in Virginia waren spätestens seit dem Überfall durch John Brown (s.o.) in aller Munde; auch Sharp's Muskete und Sharp's Rifle waren damals weit verbreitete Waffen (allein die Armee hatte fast 100.000 Stück gekauft). Also war es glaubhaft, daß ein gewisser Sharp sie vertrieb, und so kam der eine Bösewicht zu seinem Namen. Den anderen Bösewicht hat es ebenso wenig gegeben. Was ihm der Film unterstellt, als Sonder-Kommissar für Indianer-Angelegenheiten getan zu haben, ist eine Verunglimpfung des damaligen Inhabers jenes Amtes: Donehogawa, ein Häuptling der Seneca (der sich auf Englisch "Ely Parker" nannte) tat sein Bestes, die verfahrene Situation zu retten - wenn auch vergeblich. Einen Leutnant Butler gab es tatsächlich; er war schon vor Hannover dabei - ob freilich er es war, der Custer auf die Idee brachte, "Garry Owen" zur Regiments-Hymne zu machen, entzieht sich Dikigoros' Kenntnis. California Joe gab es wie gesagt auch; er nahm die Gelegenheit wahr, sich vor der Schlacht am Little Big Horn aus dem Staube zu machen (ob als Briefträger oder wie sonst wissen wir nicht), schaffte es immerhin bis nach Nevada (den Nachbarstaat Kaliforniens) und wurde dort bei einem Revolver-Duëll erschossen - um welches Modell es sich handelte entzieht sich ebenfalls Dikigoros' Kenntnis; aber das dürfte auch von untergeordneter Bedeutung sein.

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Und die Indianer? Ach, die waren ja auch noch da - aber nicht mehr lange, jedenfalls nicht in den "Schwarzen Bergen". Tashunkä-Witko wurde ein Jahr später als "Kriegsverbrecher" verhaftet und "auf der Flucht erschossen" (oder erstochen, das wird aus den Quellen nicht ganz klar; am Ende hatte er jedenfalls eine Kugel und ein Bajonett im Bauch - merkwürdige Stelle, wenn man "auf der Flucht" ist); die Sioux aber wurden aus ihrer Heimat vertrieben, der Name Preußen, pardon, da ist Dikigoros eine Zeile aus einer anderen "Reise durch die Vergangenheit" in die Tastatur gerutscht, Montenegro wird ausgelöscht für alle Zeiten, und das Volk der Sioux muß sich fortan nach einem Schimpfwort nennen, das ihm seine feindlichen Nachbarn verpaßt haben: "Da'kota (Groß-Verbrecher)" - und manche Leute meinen heute tatsächlich, das sei ihr "richtiger" Name, und seine Bedeutung sei "gute Verbündete" (nein, liebe Leser, nur böse Zungen würden behaupten, daß das doch ein- und dasselbe sei, wenn sie gute Verbündete der Amerikaner sind - honni soit qui mal y pense!), wohingegen "Sioux" die Verballhornung eines feindlichen Schimpfwortes sei, das "kleine Nazis", pardon "kleine Schlangen" bedeutete. Ja, liebe Leser, das war der Preis für den Friedensvertrag, denn der besagte u.a., daß die Kinder der "guten Verbündeten" auf amerikanische Schulen gehen und dort die englische Sprache statt ihrer eigenen erlernen mußten - nach ein, zwei Generationen, als die paar, die den Krieg und die Gefangenen-Vernichtungslager, pardon Reservationen, noch selber miterlebt (und überlebt) hatten, ausgestorben waren, konnte man ihren tumpen Nachfahren alles erzählen, und sei es der größte Schwachsinn, von den angeblichen Verbrechen ihrer Eltern und Großeltern ebenso wie von den angeblichen Wohltaten ihrer Vertreiber und Besatzer, pardon Befreier - sie glaubten und schluckten alles brav. Kunststück: Die Sprachen ihrer einstigen Nachbarn und Feinde sind inzwischen ausgestorben - wer will also heute noch nachprüfen, was die Namensgeber ursprünglichen mit "Sioux" bzw. "Da'kota" meinten? Man ist sich ja nicht mal einig, ob das nun die Chippenway waren oder die Ojibwa oder die Algonquin. (Nein, liebe Ethnologen, die Ojibwa mögen ein Stamm vom Volk der Algonquin sein - aber glaubt Ihr denn, im Holländischen hätten alle Wörter die gleiche Bedeutung wie ihre Namensvettern im Deutschen? Merkwürdige Einstellung - schaut mal bei Gelegenheit ins Wörterbuch, was die Holländer unter "merkwaardig" verstehen!) Wahrscheinlich glaubten sie auch, daß "La'kota" und "Na'kota" nicht "mittlere" bzw. "kleinere Verbrecher" hieß, sondern so etwas wie "weniger gute" bzw. "schlechte Verbündete"...

Im Ernst, liebe Leser, Dikigoros hat tatsächlich Webseiten von vermeintlichen Nachkommen der Sioux gefunden, auf denen die abenteuerliche These vertreten wird, das seien drei verschiedene Sprachen, die sich dadurch unterschieden, daß statt eines "d" ein "l" bzw. ein "n" gesprochen werde. Selbst wenn es so wäre, dann wären das keine unterschiedlichen Sprachen, nicht einmal unterschiedliche Dialekte, sondern allenfalls verschiedene Aussprachen; und über die Volks- oder auch nur Stammes-Zugehörigkeit würden sie gleich gar nichts aussagen. (Auch wenn "Kleiner Elch", von dem Dikigoros einen großen Teil seiner Informationen über die Sioux bezogen hat, das nicht wahr haben will. Gehören denn diejenigen Hamburger, die mit Stulpstiefeln über'n spitzen Stein stolpern, einem anderen Volk oder Stamm an als diejenigen, die das nicht tun?) Aber es ist gar nicht so. Nehmen wir zum Beispiel ein Wort, das wir schon kennen: Pferd müßte nach dieser famosen These auf Dakota "ta-shudkä", auf Lakota "ta-shulkä" und nur auf Nakota "ta-shunkä" heißen. Tatsächlich benutzen alle drei Dialekte die gleichen Wörter, aber halt andere Sinnbilder: Auf Dakota heißt das Pferd wie gesagt "ta-shunkä [großer Wolf]", auf Lakota hingegen "shunkä wakan [Wolf, der merkwürdig ist] - und nun kann Dikigoros ja auch verraten, was das holländische "merkwaardig" bedeutet: "bemerkenswert", also etwas, von dem man besonders überzeugt ist - und deshalb des (Be-)Merkens für würdig hält -, mithin genau das Gegenteil des deutschen "merkwürdig", das bekanntlich etwas meint, woran man besonders stark zweifelt. Zurück zu den Sioux-Dialekten: Der einzige Unterschied im Lautbestand, also der Aussprache, besteht darin, daß das "sh" in Lakota etwas mehr zum "s-h" als zum "s-ch" gesprochen wird als in Dakota. (Über "Nakota" kann Dikigoros nichts sagen; er bezweifelt aber, daß es dort wesentlich anders ist.)

Darf Dikigoros an dieser Stelle einen kleinen Exkurs über die Geschichte der Sioux einflechten? (Nur damit er nicht in den Verdacht gerät, er wolle hier das Märchen von der Alleinschuld der bösen Weißen und der Unschuld der armen Indianer verbreiten, die ausschließlich Opfer gewesen seien - das waren sie ebenso wenig wie die Deutschen, zu denen Dikigoros gleich ein paar Parallelen ziehen wird; wer sich nicht für Indianer interessiert möge diesen und die beiden folgenden Absätze überspringen.) Die Sioux waren das, was man in Europa einen Staatenbund oder Bundesstaat genannt hätte - eigentlich beides oder besser gesagt keines von beidem. Vielleicht träfe es am ehesten ein Vergleich mit den Gruppen der germanischen Völkerwanderung im 5. Jahrhundert n.C., wie z.B. den Vandalen oder Goten, die ja auch aus mehreren Völkern und Stämmen zusammen gewürfelt waren und unter ähnlichen Verhältnissen lebten. Ihren Kern, so zu sagen den Bundesstaat, bildeten drei blutsverwandte Stämme: die Santee (das spricht sich "ßanti") mit vier "Lagerfeuer" genannten Großfamilien, die "Dakota" sprachen, die Yankton (das spricht sich "Janktun", mit einem Hauch von "h" hinter dem "J"), zwei Großfamilien, die "Nakota" sprachen, und die Teton, die "Lakota" sprachen. (Dennoch spricht sich das "Titun", nicht etwa "Titul"!) Letztere gliederten sich in sieben "Lagerfeuer": die Oglala, die Sicangu ("verbrannte Schenkel", denn im Gegensatz zu den meisten anderen Stämmen, die sich "nur" tätowierten, zogen sie das "Branding" vor - daher auch ihr französischer Name "Brulés"), die Hunkpapa, die Hohwoju, die Sihasapa (Schwarzfüße = Black Feet), die O'ohenumpa und die Itazipco. Von diesen sieben Großfamilien wurde der Lakota-Begriff "Oceti Sakowin (Siebenfeuer)" später mißverständlicherweise auf das ganze Volk der Sioux übertragen, vielleicht, weil alle durch die Schlacht am Little Big Horn bekannt gewordenen Sioux "Lakota" sprechende Teton-Indianer waren? Wie dem auch sei, die drei Haupt-Stämme der Sioux hatten sich mit zwei weiteren, allenfalls entfernt verwandten Stämmen, den Arapaho und den Cheyenne, zu einer Art "Staatenbund" zusammen geschlossen.

Als sie den ersten Europäern begegneten, also im 17. Jahrhundert - saßen sie an den großen Seen; dort bauten sie Mais und Wildreis an, fingen Fischchen und erlegten ab und zu auch mal ein unvorsichtiges Bison; aber an die großen Herden hätten sie sich damals noch nicht heran gewagt, da sie noch zu Fuß jagen mußten. Im 18. Jahrhundert wurden sie durch die Objiwa (und die Franzosen) von dort vertrieben. Sie wanderten gen Westen und vertrieben ihrerseits die alteingesessenen Crow- und Pawnee-Indianer aus dem heutigen Nord- und Süd-Dakota. Die "Schwarzen Berge" waren also alles andere als das ureigenste "heilige Land" der Sioux, in dessen Erde "ihre Vorväter ruhten", wie es der Film glauben machen will; sie hatten es vielmehr selber erst vor rund hundert Jahren ihren Vorgängern mit Gewalt abgenommen. In den Great Plains liefen damals große Mustang-Herden herum (es waren verwilderte Nachkommen entlaufener Pferde, welche die Spanier im 17. Jahrhundert mit nach Amerika gebracht hatten); die Sioux lernten, sie einzufangen und zu reiten, und damit begaben sie sich auf die Bisonjagd, allerdings weniger zur Nahrungsbeschaffung als aus purer Lust am Reiten und Töten. (Sie waren gewissermaßen die geistigen Urgroßväter jener halbstarken "Easy Riders" und "Hell's Angels", die zwei Jahrhunderte später auf ihren Feuerstühlen Amerikas Straßen unsicher machen sollten.) Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Yankees aus dem Osten kamen, hatten die Indianer die meisten Bisonherden schon ausgerottet. (Nur Carl-May-Leser glauben noch an Märchen, in denen etwas anderes behauptet wird, aber dazu schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr.)

Der erste Streit mit den Weißen entzündete sich nicht am Eisenbahn-, sondern am Straßenbau - worunter man sich freilich noch keine gepflasterten Wege vorstellen darf, sondern nur mehr oder minder (un-)befestigte Staubpisten. Die Sioux stimmten dem im ersten Vertrag von Laramie 1851 zu. Erst der zweite Vertrag von Laramie (der von 1868, um den es im Film geht) betraf den Eisenbahnbau - auch dem stimmten die Sioux zu. Erst infolge der Schlacht am Little Big Horn wurden 1877 die Schwarzen Berge enteignet - dafür (und für die Einweisung in Konzentrationslager, pardon "Reservate") wurde im dritten Vertrag von Laramie 1882 eine Entschädigung festgesetzt, die freilich nie gezahlt wurde, weder in bar noch in den zugesagten Lebensmittel-Lieferungen. Nie? Nein, liebe Leser, 1980 (!) wurde der darum geführte Prozeß endlich dem Grunde nach entschieden, und nach mehreren weiteren Jahren des Prozessierens erhielten die Sioux am Ende, d.h. nach über hundert Jahren, 40 Millionen US-$ Entschädigung zuzüglich 120 Millionen US-$ rückständiger Zinsen, was schwerlich dem wahren Wert der abgetretenen Gebiete entspricht - um das festzustellen braucht man kein Mathematiker zu sein. Aber wieviel Entschädigung haben denn andere Völker bekommen, die mit Gewalt aus Gebieten vertrieben wurden, auf die sie - durch Jahrhunderte lange Kultivierungsarbeit - mehr Rechte hatten als die Sioux auf die Great Plains? Exkurs Ende.

Zurück zu den Schäden, die man mit Geld nicht wieder gut machen kann. Die meisten heutigen Nachkommen der Sioux - ca. 120.000 - haben das Verdikt der Geschichte angenommen, als "Dakota" o.ä. herum zu laufen. Nur eine kleine, radikale Minderheit, einige unverbesserliche Nationalisten, nennen sich neuerdings wieder "Sioux" und haben sogar 1991 einen eigenen Staat ausgerufen, die "Confederacy of the Black Hills (Bundesstaat der Schwarzen Berge)" - aber schon der provokante Name (der an die "konföderierten" Südstaaten des Bürgerkriegs erinnert und wohl auch bewußt erinnern soll) sorgt dafür, daß weder die USA noch irgendein anderer Staat der Welt sie anerkennen wird. Mit den paar Krakelern wird man schon fertig werden... Zum Trost für die "Dakota": Es gibt Leute, die meinen, daß auch die Deutschen sich nach dem Zweiten Weltkrieg am besten gleich in "Groß-Verbrecher" umbenannt hätten, wenn sie sich denn für alle Zeiten so behandeln lassen wollen, obwohl sie doch so "gute Verbündete" der USA sind! Schließlich hatten letztere ja auch erreicht, daß sich die Japaner nach dem Krieg in "Jahaner" umbenannten ("Nihon-jin" statt Nippon-jin). Das Land der Sioux aber wurde in zwei Staaten aufgeteilt und ebenfalls umbenannt, in Bundesrepublik, pardon Bundesstaat Nord-Dakota und Bundesstaat Süd-Dakota (nein, liebe Leser, das waren nicht die Ostmärker; Dikigoros will hier keine falschen Parallelen ziehen - es gibt schließlich genug echte!), und so heißen sie bis heute. Nur ein Angehöriger jenes leidgeprüften Volkes kam mit heiler Haut davon - fürs erste jedenfalls - und machte sogar noch ein Geschäft daraus: "Sitting Bull" trat dem Zirkus von "Buffalo Bill" Cody bei und gab dort eine Nummer zum besten, wonach er 1868 den Vertrag von Laramie geschlossen und acht Jahre später die Schlacht am Little Big Horn gewonnen habe - schon damals begann also die Geschichtsklitterung! Aber über "Buffalo Bill", seinen Zirkus und das weitere Schicksal von "Sitting Bull" schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr. Hier sei nur kurz erwähnt, daß Custer von seiner Witwe in unerschütterlicher Liebe über den Tod hinaus glorifiziert wurde - hier greift selbst Dikigoros zum Fremdwort, da es mit "glory" verwandt ist. Libbie nannte sich fortan "Mrs. George Armstrong Custer". (Nein, liebe Leser[innen], nicht weil das damals so üblich gewesen wäre in den USA - das wurde erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für ein paar Jahrzehnte Mode -, sie hatte sich vielmehr auch noch während ihrer Ehe als "Miss Libbie" anreden lassen.) Sie war die Schöpferin des Custer-Mythos, und wenigstens das Denkmal, das der Film ihr gesetzt hat, ist berechtigt.

Zurück zum Film. 1980 kam - nach fast vier Jahrzehnten - endlich eine vollständige deutsche Fassung auf den Markt, über die Dikigoros auch noch ein paar Worte verlieren muß: Erst einmal ist beim stümperhaften Wiedereinfügen der heraus geschnittenen Teile die im Original so meisterlich untergelegte Filmmusik vermurkst worden; die dort geradezu wagneresk anmutenden Leitmotive (vor allem für die "Bösen" Scharf und Romulus - aber auch für Custer, dessen Leitmotiv entfernt an das von Wagners Parsifals erinnert) stehen nun entweder an der falschen Stelle, oder sie gehen ganz verloren. Dann hat man zwar neu synchronisiert (noch einmal - aber kaum besser - 1998), aber mit dem alten Text und seinen z.T. haarsträubenden Übersetzungsfehlern. Gewiß, einige Feinheiten kann man in der Übersetzung nicht wiedergeben, z.B. das geradezu antike Versmaß einiger Sätze, so wenn Custer und Scharf beim Besäufnis über Ruhm und Geld filosofieren: "Here's to money, and long may she jingle," sagt Scharf (Trochäus-2xDaktylus-Trochäus). Der Übersetzer macht daraus plump: "Auf gute Geschäfte." Mag ja sein, erwidert Custer, aber etwas spreche doch für den Ruhm: "You can take glory with you, when it is time for you to go [Du kannst Ruhm mit ins Grab nehmen, wenn deine Zeit gekommen ist]". (Das ist eine Anspielung auf Frank Capra's Film "You can't take it with you" von 1937 [den Trizonesiern, pardon, damals noch Bizonesiern 1946 unter dem Titel "Lebenskünstler" vorgeführt], die damals jeder Amerikaner verstand: Geld kann man nicht mit ins Grab nehmen - wohl aber Ruhm. Das ist, mit Verlaub, ziemlich egoïstisch gedacht, und noch dazu ziemlich kurzsichtig; denn Geld kann man vererben - soweit einem nicht das Finanzamt mit der Erbschaftssteuer dazwischen kommt -, Ruhm nicht. Den können einem vielmehr - wie gerade der Fall Custer zeigt - ein paar Schmierfinken mit ein paar Federstrichen binnen kürzester Zeit nehmen, und aus einem "Helden" einen "Verbrecher" machen - und umgekehrt.) Die des Englischen mächtigen Leser mögen sich diesen Satz einmal im Original laut vorlesen und auf der Zunge zergehen lassen - er ist eine der stärksten poëtischen Leistungen der angelsächsischen Filmgeschichte und wirkt dennoch völlig ungekünstelt; er kann ohne weiteres als - wenngleich etwas altertümelnde - Umgangssprache durch gehen (in welcher der ganze Film gehalten ist - schließlich spielt er Mitte des 19. Jahrhunderts.) Dikigoros würde sich dieses Distichon auf sein Grab setzen lassen, wenn er denn je berühmt würde (was unwahrscheinlich ist, da er nicht bereit wäre, um des bloßen Ruhmes Willen vorzeitig ins Gras zu beißen :-) Wie platt und gestelzt klingt es dagegen in der deutschen Fassung: "Der Ruhm begleitet dich, wenn du abberufen wirst." Oder der Satz: "And a train won't wait but a woman will." (2x Anapäst+Iambus - schade, daß Altfilologen meist kein Englisch können.) Oder: "The greater the odds, the greater the glory" - so viel eindrucksvoller und poëtischer als sein deutsches Pendant "viel Feind, viel Ehr'"...

Und der berühmte Abschiedssatz: "Walking through life with you, Ma'm..." ist gar im Versmaß von "Wanderer kommst du nach Sparta..." geschrieben! (Aber das ist eine andere Geschichte. Gut ein Jahr nach der Premiere des Films in den USA sollte jenseits des Atlantiks ein anderer hoher Militär dieses Gedicht zitieren und sich mit dem Gedanken trösten, daß nur durch den Heldentod von Custer, pardon Paulus - er wollte nicht glauben, daß der einfach so kapituliert hatte, um am Leben zu bleiben - und seiner 6. Armee von 200.000 Mann die ganze deutsche Herresgruppe Süd von zwei Millionen Mann vor der Vernichtung bewahrt wurde... Aber lassen wir das, die Parallele hinkt, denn Sheridan hatte Unrecht, während Göring ausnahmsweise mal Recht hatte - so verdammt traurig das auch sein mag; Dikigoros' Vater entkam dem Desaster damals nur knapp, freilich nicht als Briefträger, sondern in einem Lazarett-Flugzeug.) Daß all das auf der Strecke bleibt, ist fast unvermeidlich, also verzeihlich - anderes nicht: So bleibt Gesungenes und Geschriebenes grundsätzlich unübersetzt, z.B. der bereits erwähnte Vertrag zwischen den Amerikanern und den Indianern, oder der Song "Garry Owen", so daß die meisten deutschen Zuschauer wahrscheinlich gar nicht merken, daß sich dessen Text zwischen der Kneipenszene in Michigan und der Einführung als Regiments-Hymne verändert hat: "... to change our country's story [die Geschichte unseres Landes zu ändern]" heißt es programmatisch am Ende der ersten Strofe. Nein, damit ist nicht die "ethnische Säuberung" von den Indianern gemeint - die würde ja nicht zu dem verlogenen, pardon versöhnlichen Tenor am Ende des Films passen. Dieser Satz (der im Original-Text nicht vorkommt) ist vielmehr auf die Situation der Vereinigten Staaten im Jahre 1941 gemünzt, und seinen geistigen Vätern ist es dann ja auch tatsächlich gelungen, die Geschichte nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern der ganzen Welt zu ändern - und damit nicht nur die zweite, sondern auch die dritte Zeile der Überschrift zu erfüllen.

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Nachtrag. Knapp 127 Jahre nach dem Schlacht am Kleinen Großhorn beschloß wieder jemand, die Geschichte seines Landes zu ändern; und das 7. Kavallerie-Regiment (das man inzwischen nicht etwa nach Custer benannt hatte, sondern ausgerechnet nach Crazy Horse) war wieder dabei. Es ging zwar nicht mehr gegen Indianer, sondern gegen Araber, nicht mehr um Gold, sondern um Öl (was manche Leute auch als "schmutziges Geschäft" bezeichneten, nicht nur, weil man sich damit eher die Finger dreckig machte), die U.S.-Kavallerie ritt auch nicht mehr auf Pferden, sondern auf Panzern, und die Szene spielte nicht mehr an einem kleinen Fluß im Wilden Westen, sondern an einem der größten Flüsse im Nahen Osten, nach dem der Irak von den alten Griechen einst "Mesopotamien [Land zwischen den Flüssen]" und von den Deutschen "Zweistromland" (der andere war der Tigris) genannt wurde. Die Anfangs-Offensive der Amerikaner hatte sich schon wenige Kilometer hinter der Grenze fest gefahren, vor Basra und Umm Qasr; und die Straßen nach Bagdad waren vermient. Da schickte ein tapferer General die 7th Cavalry zur Umgehung durch die Wüste gen Norden. Am Evfrátis ["Euphrat"], 80 km vor Bagdad, wurden sie "geopfert". Aber die Amerikaner nahmen furchtbare Rache an den Irakern, wie einst an den Indianern und an den Deutschen: Nein, sie wurden ebenso wenig ausgerottet wie die letzteren; sie kamen nur (nachdem man ihre Armeen geschlagen, ihr Land besetzt, die Statue ihres Diktators in der Hauptstadt erst mit einer amerikanischen Flagge verhüllt und sie dann umgestürzt hatte, "leaving just empty boots [bloß leere Stiefel zurück lassend]", wie es der CNN-Reporter ausdrückte, wobei er die Eisenstangen übersehen haben muß, die wie abgehackte Beinprothesen aus ihnen heraus ragten) unter ihre Stiefel - und die waren ein paar gute Nummern größer.

[ein Denkmal wird verhüllt]
[ein Denkmal wird gestürzt]
[zurück bleiben leere Stiefel]
kleine Stiefel
[big boots]
große Stiefel

Wie es der Zufall so will, kam just im selben Jahr ein weiterer Film über Custer in die Kinos: "Son of the Morning Star [Sohn des Morgensterns]", von Mike Robe. Na und? Was ist daran so bemerkenswert? Doch sicher nicht der farblose Gary Cole, der keine Minute in der Lage war, das Bild Custers auf sich zu prägen. Aber vielleicht sollte er das gar nicht? Was dann? In dem halben Jahrhundert nach "They Died With Their Boots On" war es mit Custers Ansehen immer weiter bergab gegangen, und das war nicht zuletzt die Schuld, pardon das Verdienst mehrerer anderer Filme, die in jener Zeit über ihn gedreht wurden. (Der letzte, in dem er positiv weg kam, war 1967 "The Legend of Custer" von Norman Foster, der ob dieser positiven Züge bereits von der Kritik fürchterlich verrissen wurde, so daß Wayne Maunder, der die Titelrolle spielte, froh sein durfte, bald wieder vergessen zu sein.) Am Ende war Custer nur noch ein größenwahnsinniger Verbrecher und Völkermörder an den armen Indianern. Und dann kam die Wende - und mit einer solchen Geschicklichkeit, daß sie auch einem Raoul Walsh zur Ehre gereicht hätte. Vordergründig geht es gar nicht politisch korrekter: Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicher zweier Frauen geschildert, einer Indianerin und der guten Mrs. Custer. Nein, es wird nichts verharmlost; aber die Indianer waren eben auch nicht ohne, sie nahmen den Siedlern den notwendigen Lebensraum im Westen weg, enthielten ihnen die Bodenschätze vor, mit denen sie doch - im Gegensatz zu den Amerikanern - gar nichts anfangen konnten, und waren auch sonst ziemlich blutrünstig. Gewiß, im Krieg traf es auch "unschuldige" Frauen und Kinder - aber das ist eben der Preis für den Sieg der guten Sache.

[Son of the Morning Star] [Frankreich und Deutschland stehen hinter uns... unglücklicherweise!]

Wenn man ein wenig genauer hinschaut, begegnet man fast den gleichen Klischees und Geschichtsklitterungen wie im Kriegspropagandafilm von 1940: Wieder fallen Custer und seine Männer vom 7. Kavallerie-Regiment in "offener Feldschlacht", und wieder ist Verrat im Spiel: Major Marco Reno - typischer Italiener oder typischer Franzose? - und Hauptmann Friedrich-Wilhelm Benthien - typischer Deutscher - lassen Custer bewußt im Stich, weil sie persönliche Differenzen mit ihm haben. (Übrigens eine Version, die inzwischen von vielen US-amerikanischen Historikern vertreten wird; alle entgegen stehenden Ergebnisse der im 19. Jahrhundert durchgeführten Untersuchungen und Prozesse seien durch falsche Zeugenaussagen zustande gekommen.) Wer würde da nicht an die bösen Franzosen und Deutschen denken, die den im Felde, pardon im Wüstensande unbesiegten Amerikanern im Golfkrieg so schmählich einen Dolchstoß in den Rücken versetzt haben? Aber es half alles nichts: Diesmal schlug der erhoffte Ruhm des siegreichen Golfkriegers viel schneller - in nur wenigen Jahren - ins Gegenteil um: Am Ende seiner Amtszeit galt George W. Bush iun. nicht mehr als Held, sondern als Verbrecher, der einen ungerechten Krieg geführt und auch sonst alles falsch gemacht hatte, was man nur falsch machen konnte, und dem man nichts sehnlicher gewünscht hätte, als daß er in seinen Stiefeln gestorben wäre - je eher, desto besser.


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