Presse/ Medien

 

Neuere Entwicklungen bei der medizinischen Behandlung von Jehovas Zeugen
Osamu Muramoto
 
Western Journal of Medicine

 

Einleitung

Seit 1945 verkündet die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft (WTG), das religiöse Kontrollorgan der Zeugen Jehovas (JZ), all ihren Anhängern gegenüber die Doktrin, bei ihrer medizinischen Behandlung Blut und bestimmte Blutprodukte zu verweigern. Sie lehrt, dass das biblische Gebot „keine Seele unter euch soll Blut essen“ (3. Mose 17:12) und „enthaltet euch von Blut“ (Apostelgeschichte 15:29) bedeute, „überhaupt kein Blut in den Körper aufzunehmen“, einschließlich der medizinischen Verwendung von Blut. [1] In den vergangenen fünfzig Jahren brachte diese Lehre zahlreiche Herausforderungen bei der medizinischen Behandlung von JZ-Patienten mit sich, zuweilen auch tragische, verfrühte Todesfälle. Obgleich die Doktrin angeblich ein ewiggültiges Gesetz ist, wurde sie in letzter Zeit in größerem Umfang revidiert. In diesem Überblick möchte ich einige dieser Entwicklungen besprechen und darüber, welche Auswirkungen dies auf die medizinische Fürsorge der weltweit ungefähr 10 Millionen Anhänger hat, für die eine Behandlung mit Blut zu einem Problem werden kann.

 

Unterscheidung zwischen annehmbaren und abzulehnenden Behandlungsmethoden
Einer der verwirrendsten Aspekte für Ärzte, die Zeugen Jehovas behandeln, ist der, dass sie in Wirklichkeit trotz ihrer Einstellung, sich gänzlich von Blut zu enthalten, viele auf Blut beruhende Behandlungsmethoden akzeptieren. Da von diesem biblischen Gesetz gesagt wird, es gelte absolut, ist unklar, warum die WTG nicht einfach ihre Mitgliedern anweist, jede medizinische Verwendung von Blut zu verweigern. Auf der einen Seite lehrt sie, dass Gott, ungeachtet der Methode, jede Aufnahme von Blut in den Körper verbietet, sei es in der biblischen Vorzeit das Essen oder heute in der modernen Medizin in Form einer Infusion. Auf der anderen Seite hat sie peinlich genau die verschiedenen Methoden der Blutaufnahme bei medizinischen Verfahren aufgelistet und je nach Methode in eine von zwei Klassen - als annehmbar oder als nicht akzeptierbar - eingeteilt. Mit der Einführung immer neuerer auf Blut beruhender Behandlungsmethoden, wird eine solche Klassifizierung zu einer entmutigenden Aufgabe.

Tabelle 1 fasst die gegenwärtige Blutpolitik bezüglich verbotener und erlaubter Behandlungsmethoden zusammen. Tabelle 2 zeigt die komplexen Bedingungen auf, unter denen das gleiche oder ein ähnliches Material oder Verfahren annehmbar ist oder inakzeptabel wird. Die in der Tabelle enthaltenen Informationen wurden aus verschiedenen Wachtturm-Publikationen, einschließlich der Vorausverfügung sowie auch aus Artikeln von JZ-Ärzten, zusammengestellt. [2],[6] Für viele JZ ist es unmöglich, ein solch kompliziertes Regelwerk zu verstehen, geschweige denn die Regeln im Kopf zu behalten.

 

 

Diese Tatsachen veranlassten die WTG, in ihrer Zentrale den "Krankenhaus-Informationsdienst" (Hospital Information Service; HIS), der mit Public Relations - Aufgaben in Verbindung mit der Blutfrage betraut ist, zu gründen. Er beantwortet Anfragen hinsichtlich "blutloser" Behandlungsmethoden und ist zuständig für die Interpretation der Regeln und Bedingungen für Ärzte und Patienten. Der HIS befasst sich mit der medizinischen Literatur, empfiehlt verschiedene blutlose Behandlungsmethoden und kümmert sich um Adressen kooperativer Ärzte. Zusätzlich sind weltweit über 1 200 "Krankenhaus-Verbindungskomitees" (KVKs) eingerichtet, die sich aus ausgewählten Ältesten mit einer Spezialausbildung durch den HIS zusammensetzen. Ihre Mitglieder besuchen Krankenhäuser, um die Grundsätze der Blutpolitik vorzustellen. Sie bieten auf lokaler Ebene den gleichen Service wie der HIS und können nach Bedarf zwischen den JZ-Patienten und den Ärzten vermitteln.

Die Reformbewegung innerhalb der Zeugen Jehovas
Seit 1996 bringt eine wachsende Zahl von JZ, einschließlich einiger Mitglieder von KVKs, anonym ihre abweichende Ansicht in der Blutfrage zum Ausdruck. [10] Sie gründeten eine Gruppe mit der Bezeichnung Jehovas Zeugen für eine Reform in der Blutfrage [Associated Jehovah's Witnesses for Reform on Blood (AJWRB)] [11], [12] Sie setzen sich für eine Reform der Blutpolitik ein, da sie ihrer Ansicht nach an einem komplizierten, sich widersprechenden System von Regeln und Bedingungen leidet, deren Einhaltung ohne fundierte biblische Begründung strengstens erzwungen wird. Einige Mitglieder von KVKs traten aufgrund von Regeln, die in ihren Augen "pharisäerhaft" sind, zurück. Die WTG versucht sie als "Entfremdete" abzutun und sie aufgrund der Anonymität der AJWRB in Misskredit zu bringen.[13],[14] Gemäß dem AJWRB ist es jedoch für JZ nicht anders als anonym möglich, Kritik zu äußern oder von innen heraus Reformmaßnahmen vorzuschlagen, da eine solche öffentliche Meinungsäußerung mit nahezu absoluter Sicherheit zu einem Ausschluss führen würde. [12]

Das Vorhandensein dieser Reformbewegung bedeutet für Ärzte ein Bewusstwerden, dass es unter den einzelnen JZ, die lange Zeit als eine einheitliche religiöse Gruppe angesehen wurden, ein wachsendes Spektrum an Werten und Glaubensansichten gibt. Eine solche Vielfalt erfordert von den Ärzten, die vorgefertigte medizinische Vorausverfügung jedes Patienten genauer zu prüfen und mehr auf den individuellen Fall einzugehen.

Entscheidungsfreiheit bei der medizinischen Betreuung von JZ
Der Kampf um die Freiheit der Wahl, Bluttransfusionen abzulehnen, den die WTG seit vielen Jahren mit juristischen Instanzen und medizinischen Fachleuten führt, ist wohlbekannt; dennoch wird innerhalb der WTG den eigenen Mitgliedern die gleiche Entscheidungsfreiheit nicht zugestanden, nämlich Bluttransfusionen anzunehmen, ohne bestraft zu werden. Die Tatsache, dass genau die Freiheit, die von der WTG außerhalb der Organisation eingefordert wurde, innerhalb der Organisation verweigert wird, ist ein weiterer Hauptpunkt der Reformbemühungen des AJWRB. Jeder JZ, der offen und absichtlich eine medizinische Behandlung mit einer der verbotenen, auf Blut beruhenden Methoden erhält und seine Handlungsweise nicht vor einem "Rechtskomitee" bereut, ist der strengsten Sanktionsmaßnahme der Religion, der Exkommunikation oder dem "Gemeinschaftsentzug" ausgesetzt. Dies entspricht in den Augen der JZ einem Verrat an Gott und schließt ein Meiden der betreffenden Person ein, d. h. sie können keinen normalen Umgang und keine Gemeinschaft mehr mit der eigenen Familie oder mit langjährigen Freunden, die Mitglieder sind, haben. Viele ehemalige Mitglieder können das psychologische Trauma, das mit dem Verlassen der Religion verbunden ist, bezeugen.

Diese Strafmaßnahmen könnten sich bald ändern. Eine der wichtigsten Entwicklungen in der Blutpolitik der JZ in den vergangenen Jahren ist die öffentliche Vereinbarung, die 1998 zwischen der WTG und der bulgarischen Regierung vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte getroffen wurde. Die WTG stimmte zu, dass JZ in Bulgarien bezüglich der Verabreichung einer Bluttransfusion „eine freie Entscheidung treffen können“, wobei es „keine Kontrolle oder Sanktion von seiten der Vereinigung“ gibt. [15],[16] Dieser scheinbare Kompromiss erfolgte im Austausch gegen die offizielle Anerkennung von JZ als eine Religion in diesem Staat. Die WTG hält sich wegen dieser Versprechens einer "freien Entscheidung" in Bulgarien ihren Mitgliedern gegenüber sehr zurück, die einzige Reaktion war ein Brief und eine Pressefreigabe mit der Aussage, dass es in der Blutfrage keine Veränderung gegeben habe. [16a] Nichtsdestoweniger erklärt ein Vertreter der WTG inzwischen, indem er die Charta zitiert, die von der bulgarischen Regierung angenommen wurde, dass die WTG „keine Kontrolle über die freie Willensentscheidung der Gläubigen ausüben darf, sondern dass sie ihnen erlaubt, ihre Gewissensentscheidung in Übereinstimmung mit gottgemäßen biblischen Grundsätzen auszuüben.“ („may not exercise control over free will of believers but allows them to exercise their conscience consistent with godly Bible principles.“) Er stellt auch fest, dass die WTG keine „willkürliche Sanktionen in Verbindung mit der medizinischen Betreuung, die Jehovas Zeugen entsprechend ihrem Gewissen für sich selbst und ihre Kinder suchen, verhängt“. Ihm gemäß entspricht dies auch dem anerkannten Glauben der Zeugen Jehovas weltweit. [14]

Diese Aussagen scheinen der praktizierten und erzwungenen Politik des Ausschlusses und der Ächtung derjenigen, deren Gewissen eine Bluttransfusion zulässt und die ihre Entscheidung nicht bereuen, zu widersprechen. Gemäß dem AJWRB könnten diese Aussagen dahingehend ausgelegt werden, dass jedem Mitglied eine persönliche Gewissenentscheidung darüber erlaubt ist, welche Blutbestandteile bei einer medizinischen Behandlung annehmbar sind, da die „gottgemäßen biblischen Grundsätze“ darüber Stillschweigen bewahren, welches annehmbare Blutbestandteile sind und welche nicht. Auf der anderen Seite erlauben die Aussagen der WTG, weiterhin „nicht-willkürliche Sanktionen“ zu verhängen und „Kontrolle über die freie Willensentscheidung“ auszuüben. Wir sollten von seiten der WTG eine weitere Klarstellung erwarten, die diese Diskrepanz erklärt. In der Zwischenzeit ist dies ein Hinweis, dass JZ bald das Recht erhalten werden, ihre eigene Entscheidung bezüglich ihrer medizinischen Behandlung zu treffen, was eine Annahme oder eine Ablehnung von Blut ohne Kontrolle durch die Organisation einschließt.

Ethische und gesetzliche Belange der Blutkarte und der informierten Verweigerung
Der Gebrauch der "Blutkarte", einer scheckkartengroßen Anweisung, die von der WTG entworfen wurde und die JZ mit sich führen, wird kontrovers diskutiert. Die Karte hat den Zweck, die informierte Verweigerung von Blut für einen Notfall schriftlich festgehalten zu haben. Dennoch wird die Gültigkeit der Karte in Frage gestellt, insbesondere wenn ein JZ-Patient bewusstlos und heftig blutend in die Notaufnahme eingeliefert wird und die Blutkarte die einzige Willensäußerung ist. [17] Zwei Hauptgründe lassen die Gültigkeit der Blutkarte zweifelhaft erscheinen:

Erstens ist es unklar, ob eine solche Verfügung aufgrund einer spontanen und persönlichen Entscheidung unterschrieben wurde oder aus einer Verpflichtung heraus, als Mitglied die Regeln der Organisation zu befolgen. Jedes Jahr werden im Januar allen JZ neue Karten zur Unterschrift ausgebeben. Der Gruppenleiter stellt entsprechend seiner Anweisung sicher, dass jedes Mitglied die Karte während einer privaten Zusammenkunft unterschreibt. Eine solche Prozedur könnte aufgrund des starken Gruppenzwangs einen grossen Druck auf den einzelnen ausüben
[Stand: USA 1999; in Deutschland muss die Unterschrift notariell beglaubigt werden. Die Unterschrift ist über einen längeren Zeitraum gültig, wird aber in der Regel in einem separaten Feld auf der Karte jedes Jahr erneuert - Anm. d. Übers.].

Zweitens besteht ernster Anlass zu der Sorge, ob JZ über das Nutzen-Risiko-Verhältnis von blugestützten Behandlungsmethoden in angemessener Art und Weise aufgeklärt waren, als sie die Blutkarte unterschrieben. In ihren offiziellen Zeitschriften werden aus medizinischen Zeitschriften und der Presse Horrorstories über Behandlungen mit Blut dargestellt, aber sie enthielten noch nie einen Artikel, der den Nutzen von Bluttransfusionen gegen die Risiken objektiv abwägt. Solch eine voreingenommene Information lässt ernsthafte Zweifel an der Gültigkeit der informierten Verweigerung, wie sie auf der Blutkarte ausgedrückt wurde, aufkommen.

Wie Migden and Braen feststellte, [17] scheint der wirkliche Zweck der Blutkarte nicht der zu sein sicherzustellen, dass JZ eine informierte Entscheidung im Hinblick auf blutgestützte Behandlungsmethoden treffen, sondern dazu, um bei JZ eine Anwendung von Blut zu verhindern. Unter einer solch strikten organisatorischen Anweisung von seiten der WTG könnte die Autonomie der JZ-Patienten in Frage gestellt sein. In Anbetracht dieser Fakten schlussfolgerten Migden und Braen, dass eine Entscheidung, einem bewusstlosen erwachsenen JZ mit einem zunehmenden Blutverlust nach bestem Wissen und Gewissen eine Bluttransfusion zu verabreichen, gerechtfertigt ist, sofern der Patient nicht eine Vorausverfügung zur Verweigerung von Blut getroffen hat, die auf voller Information beruht und näherer Analyse standhält.

Angesicht solcher potentieller Probleme der Blutkarte legte die WTG in den letzten Jahren größeren Wert darauf, die volle Vorausverfügung für eine Verweigerung von Blut in Verbindung mit einer Vollmacht zur medizinischen Behandlung auszufüllen, die von der WTG für jeden Staat [USA; auch in D verwendet, d. Übers.] ausgearbeitet wurde. JZ werden ermuntert, diese Formulare auszufüllen und sie an ihre behandelnden Ärzte oder an das Krankenhaus für deren Akten zu senden. Die Formulare beinhalten juristische Hinweise für solche Richter und Krankenhausanwälte, die die gesetzliche Zulässigkeit der Blutpolitik in Frage stellen oder anfechten könnten. Die Formulare führen im einzelnen Alternativen zu Behandlungsmethoden mit Blut auf, die von der WTG gebilligt wurden, und enthalten die Belehrung, welche Behandlungsmethoden JZ unter keinen Umständen annehmen dürfen, auch nicht um ihr Leben zu retten. Die Formulare zählen auch die erlaubten Blutbestandteile und die Umstände, unter denen sie vorbehaltlich der Gewissensentscheidung des Einzelnen erlaubt sind, auf (siehe Tabelle 1 und 2). Die WTG ermuntert inzwischen JZ, auf der Blutkarte anzugeben, dass sie die Vorausverfügung ihres Staates ausgefüllt haben.

Der Umgang mit JZ in der Klinik
Wenn eine lebensbedrohliche Situation besteht und alternative blutlose Behandlungsmethoden einfach und ohne übermäßige Kosten oder Risiken zugänglich sind, dann sollte eine Behandlung von JZ-Patienten nicht anders als bei anderen Patienten erfolgen. Sie verweigern die übrigen Behandlungsmethoden keinesfalls, gehen im allgemeinen sehr gewissenhaft mit ihrer eigenen Gesundheit um und bekunden großen Respekt vor Ärzten.

Größere ethische Kontroversen entstehen, wenn es nur begrenzte oder gar keine Alternativen zu Behandlungen mit Blut oder Blutderivaten gibt. Solange die WTG nicht einfachere Regeln veröffentlicht und alle Entscheidungen über Behandlungsmethoden der Gewissensentscheidung des einzelnen überlässt, bleibt die Betreuung solcher JZ kompliziert. Es reicht jedoch nicht aus, entweder blind den vorgefertigten Anweisungen zu folgen oder eine Behandlung rundweg abzulehnen und den Patienten an ein anderes Krankenhaus zu verweisen.

Der Arzt sollte bei der privaten Konsultation den Glauben und das Verständnis des Patienten über das Nutzen-Risikoverhältnis sorgfältig besprechen. Einer religiösen Diskussion braucht man nicht aus dem Wege zu gehen, da die Kontrolle der Entscheidungen des Patienten durch die Organisation und seine religiöse Überzeugung untrennbar miteinander verbunden sind. [18]

Nur eine kleine Anzahl von JZ versteht die komplexen Regeln und Bedingungen der Blutpolitik ihrer eigenen Organisation. Aus diesem Grund empfehle ich als Hilfsmittel bei einer solchen Diskussion jedem Arzt oder Angehörigen der Heilberufe, der mit JZ-Patienten zu tun hat, eine kleine Broschüre mit dem Titel „Enthalten sich Jehovas Zeugen wirklich des Blutes?“ (Do Jehovah's Witnesses Really Abstain From Blood? [19] [z. Zt. nur in englisch erhältlich, in Deutsch auf Anfrage - d. Übers.], herausgegeben vom AJWRB. Ihre Verfasser sind selbst Zeugen Jehovas und darin werden die Fragen bezüglich der Blutpolitik präzise angesprochen. In komplizierten Fällen ist es auch wichtig, für eine begleitende ethische Beratung zu sorgen.

Was eine annehmbare und was eine unannehmbare Behandlung ist, sollte letztlich vom einzelnen Patienten in Verbindung mit dem Rat des behandelnden Arztes entschieden in werden. Einige JZ-Patienten delegieren ihre Entscheidung vielleicht an die WTG und beauftragen das KVK sich für ihre Belange einzusetzen. Andere sind vielleicht eigenständig genug, um eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der neuen Gesichtspunkte zu treffen.

Welche Entscheidung auch immer ein Patient trifft, es müssen besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um die Privatsphäre und die Vertraulichkeit dieser Entscheidung zu wahren. Die WTG veröffentlichte vor einiger Zeit in ihrer offiziellen Zeitschrift einen Artikel, der JZ, die im medizinischen Bereich arbeiten, ermunterte, vertrauliche medizinische Informationen ihrer Mitzeugen preiszugeben, die sich insgeheim von der WTG verbotene Behandlungsmethoden unterzogen haben. [20]

Notfallbehandlungen von ZJ-Patienten in lebensbedrohlichen Situationen und mit starkem anhaltenden Blutverlust bleiben weiterhin problematisch. Es verbleibt keine Zeit, eine informierte Zustimmung einzuholen, dass Blut verabreicht werden darf. Es sollte jegliche Anstrengung unternommen werden, den Patienten zu stabilisieren, so dass eine gültige und aktuelle informierte Zustimmung eingeholt werden kann. Falls der Patient nicht in der Lage ist, seine Zustimmung zum Ausdruck zu bringen und es keine Vorausverfügung gibt oder falls an der Gültigkeit der Blutkarte berechtigte Zweifel bestehen, können notfallmäßige Bluttransfusionen gegeben werden, bis der Patient außer Lebensgefahr ist. [17]

Mehrere Gründe sprechen dafür, eine solche Verhaltensweise zu unterstützen. Erstens ist es ein etablierter medizinisch-juristischer Grundsatz, dass es bei einem Notfall Ausnahmen zur Zustimmungsregelung gibt. Der Oberste Gerichtshof von Pennsylvanien, USA entschied, dass „ ... in einem Notfall, in dem eine sofortige Entscheidung getroffen werden muss, eine für medizinisch notwendig erachtete Behandlung nur durch eine aktuelle, bei vollem Bewusstsein gefällte Entscheidung des Patienten abgelehnt werden kann.“ [21] Zweitens sind ZJ, die im bewusstlosen Zustand eine Bluttransfusion erhalten haben, nicht den Rechtsverfahren oder Sanktionen der Religionsgemeinschaft ausgesetzt. Da es drittens, wie hier besprochen, am Horizont Anzeichen einer Veränderung der Blutpolitik zu sehen sind, müssen in der gegenwärtigen Situation unnötige Todesfälle aufgrund von Blutverlust verhindert werden.

Behandlung von Kindern
Die medizinische Behandlung von Kindern von JZ-Eltern sollte unbeeinflusst von der Religion der Eltern erfolgen. Wie das Committee of Bioethics of the American Academy of Pediatrics[USA] darlegte, stellt die verfassungsrechtliche Garantie der Religionsfreiheit keine Erlaubnis dar, Kindern durch religiöse Praktiken Schaden zuzufügen. [22] In Notfällen, in denen einem Kind ein Schaden droht, wenn ihm eine Behandlung mit Blut oder Blutprodukten vorenthalten wird, sollte die unmittelbare Gefahr abgewendet werden, was auch, falls notwendig, Behandlungsmethoden auf der Grundlage von Blut einschließt. Problematischer wird die Entscheidung, wenn es um „reife Minderjährige“ oder Jugendliche geht. Die geistige Reife jedes einzelnen Kindes ist unterschiedlich und genau so verhält es sich mit dem Verständnis und dem Eintreten für die Blutpolitik. Sofern irgendwelche ungelöste ethische oder juristische Fragen in bezug auf Kinder von JZ verbleiben, ist es am angemessensten, ein Gerichtsurteil zu erwirken, bevor weitere Maßnahmen getroffen werden.

Erklärung:
Die hierin dargestellten Meinungen und Ansichten stammen vom Autor und geben nicht notwendigerweise die Einstellung von Kaiser Permanente and Northwest Permanente P.C wider. Der Autor arbeitet seit 1997 als medizinischer Berater ehrenamtlich für AJWRB. Er war niemals ein Zeuge Jehovas.

Osamu Muramoto

Regional Ethics Council and Department of Neurology,
Kaiser Permanente Northwest Division, and Northwest Permanente P.C.,
Portland,
Oregon

Zuschriften sind zu richten an:

Dr Muramato
Kaiser East Interstate Office, 3414 N.W.
Kaiser Center Drive, Portland, OR 97227
[email protected]

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Quellen und Literaturangaben:

1. Du kannst für immer in einem Paradies auf der Erden leben. Brooklyn: Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania, 1989, S. 216.

2. Dixon JL, Smalley MG. Jehovah's Witnesses. The surgical/ethical challenge. JAMA 1981; 246:2471-2472.

3. Fragen von Lesern. Der Wachtturm, 1984, 15. Mai: 31.

4. Kerridge I, Lowe M, Seldon M, Enno A, Deveridge S. Clinical and ethical issues in the treatment of a Jehovah's Witness with acute myeloblastic leukemia. Arch Intern Med 1998; 157:1753-1757.

5. Muramoto O. Medical ethics in the treatment of Jehovah's Witnesses. Arch Intern Med 1998; 158:1155-1156.

6. Malak J Jehovah's Witnesses and medicine: an overview of beliefs and issues in their care. J Med Assoc Ga 1998; 87:322-327.

7. Fragen von Lesern. Der Wachtturm; 1997, 1. Feb.: 29.

8. Kanumilli V, Kaza R, Johnson C, Nowacki. Epidural blood patch for Jehovah's Witness patient. Anesth Analg 1993; 77:872-873.

9. Fragen von Lesern. Der Wachtturm; 1961 15. März:190.

10. Muramoto O. Bioethics of the refusal of blood by Jehovah's Witnesses: Part 1. Should bioethical deliberation consider dissidents' views? J Med Ethics 1998; 24:223-230.
[deutsche Übersetzung]

11. „New Light on Blood. Official site of The Associated Jehovah's Witnesses for Reform on Blood:“ http://www.ajwrb.org/. [deutsche Fassung siehe unter: http://www.geocities.com/athens/ithaca/6236/index.htm]

12. The Liberal Elder. Reply to Malyon on respecting the autonomy and motives of Jehovah's Witness patients. J Med Ethics (Submitted for publication).

13. Malyon D. Transfusion-free treatment of Jehovah's Witnesses: respecting the autonomous patient's rights. J Med Ethics 1998; 24:302-307.
[deutsche Übersetzung]

14. Malyon D. Transfusion-free treatment of Jehovah's Witnesses: respecting the autonomous patient's motives. J Med Ethics 1998; 24:376-381.
[deutsche Übersetzung]

15. Communique issued by the Secretary to the European Commission of Human Rights. INFORMATION NOTE No. 148 on the 276th Session of the European Commission of Human Rights. (Strasbourg, Monday 2 March-Friday 13 March 1998). http://194.250.50.201/eng/E276INFO.148.html.

16. Muramoto O. Jehovah's Witnesses and blood transfusions. Lancet 1998; 352:824.

16a. Wilcox P. Jehovah's Witnesses and blood transfusions. Lancet 1999; 353:757-758.

17. Migden DR, Braen GR. The Jehovah's Witness blood refusal card: ethical and medicolegal considerations for emergency physicians. Acad Emerg Med 1998; 5:815-824.

18. Muramoto O. Bioethics of the refusal of blood by Jehovah's Witnesses: Part 2. A novel approach based on rational non-interventional paternalism. J Med Ethics 1998; 24:295-301.
[deutsche Übersetzung]

19. Do Jehovah's Witnesses really abstain from blood? Boise: The Associated Jehovah's Witnesses for Reform on Blood. 1998 (available by writing to AJWRB, PO Box 190089 Boise, ID 83719-0089, or on-line at http://www.ajwrb.org/physicians/index.shtml).
Deutsche Fassung: zu erfragen beim Übersetzer

20. „Eine Zeit zum Reden“ - wann? Der Wachtturm; 1987 1. Sept:12.

21. Re Estate of Darrell Dorne, 534 A.2d 452 (Pa. 1987).

22. American Academy of Pediatrics Committee on Bioethics. Religious objections to medical care. Pediatrics 1997; 99:279-281.

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letzte Aktualisierung: 14. 8. 1998
Web-Adresse: http://www.geocities.com/athens/ithaca/6236/ethik5.htm

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