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Bioethik der Verweigerung von Bluttransfusionen bei Zeugen Jehovas: Teil 2.
Ein neuer Ansatz, gestützt auf eine rationale Politik der Patientenbetreuung ohne Einmischung in seine Entscheidung [rational non-interventional paternalism]
Osamu Muramoto Kaiser Permanente, Northwest Division und Northwest Permanente PC, Oregon, USA
 
Journal of Medical Ethics Volume 24:Seite 295-301

 

Zusammenfassung

Die meisten Ärzte sind sich im Umgang mit Zeugen Jehovas (ZJ), die Behandlungen mit Blut oder Blutprodukten ablehnen, nicht sicher, ob sie eine wie auch immer geartete Verpflichtung haben, ihre Patienten aufzuklären, was die Blutdoktrin selbst anbelangt. Oftmals sind sie der Überzeugung, dass sie ohne nachzufragen dem Wunsch des Patienten entsprechen müssen, sofern der Patient seinen Wunsch auf religiöse Überzeugungen stützt. In jüngerer Vergangenheit entstand für einige besorgte Ärzte durch Diskussionen von Dissidenten und Reformern über moralisch fragwürdige Praktiken der ZJ-Organisation ein ethisches Dilemma, was die "passive" Unterstützung dieser Doktrin anbelangt. In diesem Artikel, dem Teil 2, schlage ich vor, dass Ärzte die Fehlinformation und die irrationalen Ansichten, die mit der Blutdoktrin verknüpft sind, mit den ZJ-Patienten besprechen, indem sie Fragen aufwerfen, die zu einer neuen Sichtweise führen können. Ein Treffen - streng vertraulich und ohne Zwang auszuüben - sollte abgehalten werden, doch nach diesem Treffen sollte die Entscheidung des Patienten voll und ganz respektiert werden (Politik der Nichteinmischung). Eine rationale Beratung, die auf neuen Informationen und einem neuen Standpunkt beruht, könnte es einem bestimmten Personenkreis unter den ZJ ermöglichen, eine wahrhaft gut informierte, eigenständige und rationale Entscheidung zu treffen.
(Journal of Medical Ethics 1998;24:295-301)

1. Einleitung

Im Begleitartikel, Teil 1 1 , hatte ich vorgeschlagen, dass Ärzte, die in Verbindung mit der Behandlung von Patienten, die Zeugen Jehovas sind (im folgenden "ZJ" genannt) und Blutprodukte ablehnen, mit einem ethischen Dilemma konfrontiert sind, nicht nur den offiziellen Standpunkt der kontrollierenden religiösen Organisation (Wachtturm Bibel- und Traktat- Gesellschaft, im folgenden "WTG") in Betracht ziehen sollten, sondern auch die Ansichten zur Blutfrage, die von Dissidenten und Reformern stammen, sorgfältig erwägen sollten. Ein wachsender Berg an Beweismaterial, geliefert von gegenwärtigen und ehemaligen Mitgliedern und untermauert durch Publikationen der WTG selbst, deutet darauf hin, dass unethische Praktiken, wie die Weitergabe vertraulicher Informationen von ZJ-Patienten offiziell befürwortet werden. Gemäß den Dissidenten gründet sich die Doktrin auf Ungereimtheiten und widersprüchlichen Lehren und Regeln, darüber hinaus werden Zeugen Jehovas falsch informiert und absichtlich von korrekten Informationen und rationalem Überlegen abgehalten. Sofern sie nicht nur sehr lose mit den ZJ verbunden sind, sind sie sich über die Folgen, organisatorische Regeln zu verletzen, wohl bewusst und auch dass in ihr Privatleben Einblick genommen werden kann. Es ist deswegen wahrscheinlich, dass die Grundsätze der freien Entscheidung und der informierten Zustimmung (oder Verweigerung) gefährdet sein können. Der kritische Blickwinkel, den Dissidenten und Reformer eingebracht haben, legt nahe, dass die bisherige Haltung des medizinischen Fachpersonals, das die Blutdoktrin generell unterstützt, von uns überdacht werden sollte.

Vor kurzem stellte Savulescu 2 die Haltung von Ärzten, die die Entscheidung von Patienten, akzeptieren, ohne ihr eigenes moralisches Urteilsvermögen ins Spiel zu bringen, in Frage. Er schlug das Konzept einer "rationalen Politik der Patientenbetreuung ohne Einmischung in seine Entscheidung" [im Original: rational non-interventional paternalism] vor, ein Konzept, das Ärzten empfiehlt, sich konkrete Vorstellungen zu machen, was das Beste für das Wohl des Patienten ist und dies mit den Patienten rational zu besprechen. Diese Vorgehensweise bei ethischen Entscheidungen behält die traditionelle Verpflichtung der Ärzte bei, eine zentrale Rolle bei der Entscheidung zu spielen, was für den Patienten nach Abwägen aller Für und Wider das Beste ist, aber sie lehnt es ab, den Patienten zu zwingen, diesem Vorschlag Folge leisten zu müssen. Erst vor kurzem vertraten Savulescu und Momeyer den Standpunkt, dass eine informierte Zustimmung zu einer Behandlung auf rationalen Glaubensgrundsätzen gegründet sein sollte. Sie benutzten den Fall der Verweigerung von Bluttransfusionen durch ZJ als ein Beispiel einer Entscheidung, die auf irrationale Glaubenslehren gegründet ist. Ihre Argumentation führte weiter aus, dass Ärzte, sofern sie die Autonomie eines Patienten respektieren und dem Patienten helfen sollten, rational auszuwählen und zu handeln, nicht nur Informationen liefern dürfen, sondern sich auch um das theoretische vernünftige Handeln ihrer Patienten kümmern müssen. Sie schlugen vor, dass Ärzte als "kritische Erzieher" vorgehen sollten und schlussfolgerten, dass das Versäumnis eines Arztes danach zu handeln letztendlich so gesehen werden muss, als ob der Arzt den Patienten einem Autonomie-zerstörenden theoretischen irrationalen Glauben überlässt.

In diesem Artikel will ich diese Überlegung erweitern und vorschlagen, dass das medizinische Fachpersonal sich mit den inhärenten Fehlern und Ungereimtheiten der Blutdoktrin vertraut macht und dadurch ZJ-Patienten mit neuen Gesichtspunkten und rationalen Überlegungen versorgt, indem sie einige wenige einfache Fragen stellen, die, ohne sich direkt einzumischen oder äußeren Druck auszuüben, besprochen werden können. Diese Fragen mögen es den Patienten ermöglichen, ihre Doktrin von einer anderen Warte aus zu sehen und sie mögen ihnen die Chance geben, eine besser informierte, selbständige und rationale Entscheidung zu treffen.

2. Das ethische Dilemma

Zeugen Jehovas, die als Patienten lebensrettende Bluttransfusionen verweigern, können nicht nur irrational sein, so wie es Savulescu und Momeyer 3 erörtert haben, sondern sie können auch, wie Dissidenten und Reformer gemäß direkter Kenntnisse und eigener Erfahrung vorgelegt haben, falsch informiert, fehlgeleitet und in einem gewissen Mass gezwungen worden sein. Wenn Ärzte die Hintergründe der Blutdoktrin kennen und wie sie durchgesetzt wird, dann stehen sie vor der folgenden Frage: Sollten wir diese Informationen ignorieren und die Entscheidung des Patienten respektieren, ohne Rücksicht darauf, wie irrational und fehlgeleitet er/ sie uns erscheinen mag oder sollten wir eine in die Tiefe gehende Diskussion anstreben, um ihn zu einer rationalen und wirklich eigenständigen Entscheidung zu ermutigen? Ich befürworte, dass der letztere Weg eingeschlagen werden sollte, soweit es die Umstände erlauben. Ärzte mögen nicht in der Lage sein, die Stichhaltigkeit religiöser Lehren in einem endgültigen Sinn zu beurteilen, aber sie sollten trotzdem die Vernünftigkeit und ethische Vertretbarkeit der Entscheidungen, die ihre Patienten fällen, untersuchen. Zuerst werde ich Gründe diskutieren, warum Ärzte dem weiter nachgehen sollten.

SIND ZJ WIRKLICH "INFORMIERT?"
Es ist anerkannte Praxis, die Verfahrens- und Behandlungsweisen mit den Patienten zu besprechen und auf den Nutzen, die Risiken und Alternativen hinzuweisen, so dass eine informierte Zustimmung zu der Behandlung erhalten werden kann. Aus dem Wunsch heraus, die eigene Entscheidung des Patienten und seine Privatsphäre nicht zu verletzen bzw. in diesem Fall die religiöse Selbstbestimmung, ist es nicht üblich, die Grundlage der Entscheidung des Patienten zu hinterfragen. Die Frage, die ich hier stellen will, ist, ob wir die Entscheidung eines Patienten unwidersprochen hinnehmen sollen, wenn es Anzeichen gibt, dass sie sich auf Fehlinformationen oder eine Einschränkung der zugänglichen Informationen durch versteckten oder in manchen Fällen auch offenen Zwang gründet.

HABEN ZJ WIRKLICH DIE MÖGLICHKEIT "SELBSTÄNDIG ZU ENTSCHEIDEN"?
Können ZJ wirklich autonome Entscheidungen treffen? Es gibt eine beträchtliche Anzahl von Dokumenten, die zeigen, dass ZJ psychologischem Druck ausgesetzt sein können, wie es auch in Teil 1 gezeigt wurde. Wenn wir vermuten, dass ein Patient unter einem solchen Zwang der Zustimmung steht, sollten wir diese Möglichkeit einfach ignorieren und in den Wunsch des Patienten/ der Patientin einwilligen? Ich denke, dass eine solche Haltung unter dem Mäntelchen der Pseudoautonomie an eine sträflichen Vernachlässigung des Patienten grenzt.

FÖRDERT DIE BERATUNG MIT KIRCHEN(WTG)-VERTRETERN DIE PATIENTENAUTONOMIE?
Es ist für ZJ und die sie behandelnden Ärzte üblich, sich mit Kirchenvertretern und Mitgliedern des Krankenhaus-Verbindungskomitees zu beraten und wegen der Blutdoktrin Anleitung darüber zu erhalten, was dabei erlaubt und was verboten ist. Eine solche Beratung wird auch durch die schon lange etablierten Richtlinien für Bluttransfusionen empfohlen. 4 Kann der Arzt, indem er solche Hilfen in Anspruch nimmt, zugunsten der Doktrin voreingenommen werden und seine Entscheidung mehr auf die Verfahrensweise der WTG stützen als auf das, was für den Schutz des Lebens und der Gesundheit seines Patienten erforderlich ist? Wie kann eine solche Beratung eine selbständige Entscheidung des Patienten fördern, wenn die Regeln der Organisation dem Komitee überhaupt keinen Spielraum lassen, so dass der Patient auf jeden Fall Blut verweigern muss, und der Arzt immer ohne Blut behandeln muss?

Die Entscheidung eines Arztes, wenn sie sich einzig und allein auf die Information der Kirche stützt, wird ethisch fragwürdig, wenn es Anlass zu ernstliche Bedenken gegen die ethische Qualität der Kirche selbst gibt. Nach verschiedenen Berichten übten in vielen Fällen die Ältesten der Kirchenorganisation Druck auf die Patienten aus, sich der Blutpolitik zu unterwerfen und bewirkten damit oft, dass eine frühere Entscheidung revidiert wurde.5-9 Dürfen wir eine Entscheidung nach einer Beratung mit einem solchen "Ratgeber" als eigenständig betrachten, vor allem angesichts der Informationseinschränkung und den Zwang ausübenden Praktiken dieser Religion?

KÖNNEN RATIONALE ÜBERLEGUNGEN DIE ANSICHT EINES PATIENTEN VERÄNDERN?
Es gibt Berichte mit anekdotenhaftem Charakter, nach denen Individuen, die in verwirrtem Zustand Entscheidungen getroffen hatten, nach einer Diskussion mit medizinischen Fachpersonal ihre Meinung geändert haben. 6 10-12 Nicht alle Personen, die einer religiösen Organisation angehören, beugen sich auch den entsprechenden Lehren. Wenn ZJ sich immer identisch verhalten würden, so wären ihre Wünsche, ihre Glaubensgrundsätze und Antworten alle aufgrund der Lehren und offiziellen Veröffentlichungen bekannt und berechenbar, und es gäbe keine Notwendigkeit, Überlegungen zur Blutfrage anzustellen. Und doch stehen viele Entscheidungen von Ärzten, die sich um ZJ kümmern, bereits von vornherein schon fest. Die meisten Ärzte verwenden wenig Zeit darauf, die Entscheidung eines Patienten und die Umstände, unter denen er dazu gelangt ist, zu hinterfragen. Einzelne Menschen unterscheiden sich jedoch in ihrer Hingabe an und ihrer Interpretation der WTG-Politik. Bestimmte Behandlungsmethoden sind für den einen ZJ annehmbar, für den anderen nicht. 13 14 Einige ZJ haben gemischte Gefühle oder sind sogar bereit, sich eine Behandlung, die auf Blut basiert, aufzwingen zu lassen, solange es offiziell so aussieht, als ob es gegen ihren Wunsch erfolgt sei. 15 Einige ZJ sind bereit, Blut anzunehmen, wenn ihnen völlige Vertraulichkeit zugesichert wird. 16 Solche Fälle zeigen, dass Ärzte durch das Versäumnis, den Ansichten des einzelnen ZJ nachzuspüren, zu unnötigen Todesfällen bei ZJ beitragen können, wohingegen rationale Überlegungen, abgestimmt auf den Einzelfall, Leben retten können.

KANN EIN UNWIDERBRINGLICHER VERLUST AN MENSCHENLEBEN GERECHTFERTIGT WERDEN, WENN MAN DAS WIDERSPRÜCHLICHE LEHRSYSTEM DER ZJ IN BETRACHT ZIEHT?
Die grundlegende Lehre über Blut besteht zwar schon seit 40 Jahren, aber viele Einzelheiten haben sich, wie in Teil 1 gezeigt, im Lauf der Zeit erheblich gewandelt. Es gab mehrmals eine völlige Abkehr von Lehren über lebensrettende medizinischen Behandlungsmethoden wie z. B. Organtransplantationen und die Genehmigung bestimmter Blutbestandteile. Sollten Ärzte diesen potentiell instabilen ideologischen Untergrund ignorieren und untätig dabeistehen, während ein Patient stirbt?

ÄRZTE KÖNNTEN UNBEABSICHTIGT IRRATIONALE UND UNETHISCHE PRAKTIKEN UNTERSTÜTZEN; WENN SIE ENTSCHEIDUNGEN VON ZJ-PATIENTEN BEDINGUNGSLOS UNTERSTÜTZEN
Die Entscheidungen von Patienten zu respektieren und ihre Glaubensgrundsätze zu unterstützen, wenn diese offenkundig widersprüchliche Überlegungen aufweisen, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Könnten "wohlwollende Ärzte" unbeabsichtigt die Sache der Kirche, die vielleicht für die meisten Ärzte moralisch abstoßende Praktiken enthält, begünstigen, indem sie die Bitte eines ZJ um heroische Bemühungen unterstützen? Ärzte haben die Tendenz, sich auf eine eng begrenzte Rolle zu beschränken und bleiben dabei gerne innerhalb des Rahmens der Patientenautonomie und der religiösen Freiheit. Diese passive Rolle oder das einseitige Bemühen, dem Patienten mit einer "blutlosen" Behandlung entgegenzukommen, hat die Behandlung von ZJ jedoch weiter "standardisiert", ohne große Rücksicht auf die ethische Frage in Verbindung mit der Entscheidungsfindung des Patienten zu nehmen.
Einige Ärzte glauben, dass einige der teuren, intensiven und hochtechnologischen Alternativen effizienter eingesetzt werden könnten.17 18 Für sie ist die Verteilung begrenzter Ressourcen für medizinische Behandlungen ein genauso wichtiges ethisches Prinzip wie es Autonomie und religiöse Freiheit sind.

3. Ein Vorschlag zum Umgang mit ZJ-Patienten, der sich auf eine rationale Politik der Patientenbetreuung ohne Einmischung in seine Entscheidung gründet

Um das ethische Dilemma zu verringern, schlage ich einen Weg vor, der Grundsätze einer rationalen Politik der Patientenbetreuung ohne Einmischung in seine Entscheidung 2 verwendet. Bevor ich auf diesen Vorschlag eingehe, möchte ich betonen, dass diese Art der ethischen Überlegung nur notwendig wird, wenn es keine vernünftige Alternativen zu einer Behandlung mit Blut oder Blutprodukten gibt, oder wenn sogenannte "blutlose" Behandlungsmethoden mit einem beträchtlich höheren Risiko oder wesentlich höheren Kosten verbunden sind.

NOTFÄLLE
Aus naheliegenden Gründen kann der beratende Versuch in Notfällen nicht angewandt werden. In diesen Fällen ist es potentiell gefährlich, die gedruckten Anweisungen auf der sogenannten "Blutkarte", die die meisten ZJ bei sich tragen, automatisch zu akzeptieren, und dadurch könnten auch die Rechte von ZJ, die unschlüssig sind oder die erst vor kurzem ihre Glaubensgrundsätze geändert haben, verletzt werden. Es gibt anekdotenhafte Fälle von ungültigen "Blutkarten", die als eine Art im voraus gegebene Anweisung benutzt werden. Besonders wichtig ist das Datum des Formulars. Eine Karte ohne Datum oder mit einem alten Datum sollte nicht automatisch akzeptiert werden, da ehemalige oder gegenwärtige Mitglieder, die dabei sind, sich zu entscheiden, ob sie die Organisation verlassen sollen, veraltete Karten mit sich führen können. Einige ZJ stehen unter extremem Druck, eine Karte mit sich zu führen, auch wenn sie mit der Doktrin nicht einverstanden sind. Um mit seiner Frau in Frieden zusammen leben zu können, kann ein ehemaliger ZJ weiterhin eine Blutkarte dabei haben, wenn er an den Streit denkt, der dadurch verursacht werden könnte, wenn die wahren Ansichten des abtrünnigen Ehepartners entdeckt werden würden.

Auf der anderen Seite erlauben Notfallbedingungen es einem Arzt nicht, die Gültigkeit der "Blutkarte" zu überprüfen oder die Überzeugung eines Patienten herauszufinden. Der Autor ist der Meinung, dass ein Arzt, wenn es irgendwelche Zweifel über die Wünsche des Patienten gibt, zuerst die Maßnahmen ergreifen sollte, die notwendig sind, um den Patienten zu stabilisieren und ihn aus unmittelbarer Todesgefahr oder der Gefahr einer ernsten Behinderung zu retten, bis eine Gerichtsentscheidung oder eine andere unabhängige Beurteilung der Gültigkeit der Karte erhalten werden kann. Diese Ansicht wird auch von anderen geteilt. 12 19 20 In einem kanadischen Gerichtsfall wurde ein Arzt der Körperverletzung für schuldig befunden, als er einen Notfallpatienten, der eine undatierte und unbeglaubigte Karte bei sich trug, mit einer Bluttransfusion behandelte. 21 Dieses Urteil wurde von medizinischen Fachleuten in Kanada heftig kritisiert. 22-24

In den Vereinigten Staaten 25 wurde die Gültigkeit einer "Blutkarte" im Falle eines unzurechnungsfähigen Patienten erfolgreich angefochten. In einem anderen Fall ordnete das Gericht bei einem komatösen Patienten trotz der Karte eine Transfusion an. 22 Ähnliche Gerichtsentscheidungen fielen bei bewusstlosen ZJ-Patienten in Notfallsituationen. 26 Trotz der Zusicherung von Vertretern der WTG, dass ein Arzt von juristischer und ethischer Verantwortung frei ist, wenn er unter diesen Umständen keine Bluttransfusion verabreicht, gab es gegen Ärzte ungerechtfertigte Prozesse wegen unterlassener Hilfeleistung, angestrengt von den Familien der ZJ, die nach der Verweigerung einer Bluttransfusion gestorben waren.25-27 Man könnte diese Situation überspitzt so formulieren, dass, wenn wir sowohl bei einer Behandlung mit Blut als auch bei einer unterlassenen Behandlung verklagt werden können, wir lieber für eine Behandlung verklagt werden wollen, bei der das Leben eines Patienten gerettet wurde.

STABILE FÄLLE
Im Falle stabiler Patienten, die für eine vorzubereitende Operation Bluttransfusionen benötigen, schlage ich vor, dass der behandelnde Arzt sich zunächst über den Status des Patienten als ZJ vergewissert. In einem Fall wurde eine Frau von ihrer ZJ-Mutter 28 als eine "glühende Anhängerin" der ZJ vorgestellt, aber ihre Zugehörigkeit wurde später von der WTG offiziell dementiert. 29 Dies zeigt, dass wir Grund genug haben, das Wort eines anderen außer dem Patienten, insbesondere die Aussagen der Familienglieder oder von Freunden, nicht immer für bare Münze zu nehmen, wenn es um seinen oder ihren Status als ZJ geht. Nachdem die Zugehörigkeit bei einem Patienten mit vollem Bewusstsein bestätigt ist, schlage ich vor, dass jeder Arzt eine vertrauliche Besprechung mit dem Patienten über die informierte Verweigerung von Blutprodukten abhalten sollte. Eine sehr wichtige Bedingung dieser Diskussion wäre eine Atmosphäre, in der der Patient frei ist von dem Einfluss von Kirchenvertretern oder Freunden, einschließlich der Familienglieder. Genauso wie der Arzt sich nicht in eine Diskussionen um kirchliche oder familiäre Belange einmischt, so sollte es wichtig sein, dass der Arzt selbst mit dem Patienten ohne Einfluss anderer sprechen kann.

Wie zuvor erwähnt gibt es eine Anzahl von Fallberichten, in welchen ein Patient seine anfängliche Entscheidung revidierte und sie an die Politik der WTG anpasste, nachdem Kirchenvertreter den Patienten besucht hatten. Deswegen wird empfohlen, dass eine Konsultation mit Kirchenvertretern nur auf eigenen Wunsch des Patienten durchgeführt werden sollte und nur dann, wenn er frei ist von äußerem Druck und in normaler geistiger Verfassung. Die Besprechung sollte sich auf die Informationen beschränken, die für die unmittelbare Versorgung des Patienten notwendig sind. Sonst würde eine solche Besprechung das Verhältnis von Arzt und Patient verkomplizieren, sowie die Vertraulichkeit der Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient gefährden und so weitere äußere Einflüsse erlauben. Deswegen wird ein privates Gespräch nur zwischen Arzt und Patienten bevorzugt.

Bei diesem Zusammentreffen sollte die Prognose jedes einzelnen Szenarios deutlich angesprochen werden. Dies sollte nicht nur die Möglichkeit, das Leben zu verlieren, einschließen, sondern auch die Möglichkeit langandauernder Behinderungen und Leiden und welche Bürde dies für die Familie und die Gesellschaft bedeuten könnte. Die WTG hat wiederholt betont, dass Tod aufgrund einer verweigerten Bluttransfusion nichts bedeutet - im Vergleich mit dem ewigen Leben, das sie erhalten können, indem sie Blut ablehnen. Aber ZJ haben fast nie angesprochen, welches Leid und welche Behinderungen daraus entstehen können.

FRAGEN, DIE GESTELLT WERDEN KÖNNEN
Der Arzt kann dann einige Fragen stellen, die die Grundlage für die Verweigerung von Blut betreffen. Falls er in den entsprechenden Bibeltexten bewandert ist, kann er die Schwierigkeiten bei der Auslegung der Bibel durch die WTG besprechen. Obwohl ZJ im allgemeinen darauf vorbereitet sind, einige wenige Standardfragen zu beantworten, so sind ihnen unweigerlich die Widersprüche, wie sie im Teil 1 aufgezeigt wurden, unbekannt. Ärzte, die nicht an einer biblischen Diskussion interessiert sind, können nichtsdestoweniger verschiedene Fragen in bezug auf die Widersprüche der Doktrin stellen. Die folgenden drei Gedanken sind Beispiele, die dem Patienten ohne Zwang auszuüben vorgelegt werden können. Es wurde auch eine kleine Broschüre für Ärzte vorbereitet, die bei dieser Besprechung benutzt werden könnte. 30

Da eine solche vom Arzt ausgehende Vorgehensweise von dem ZJ-Patienten als ein Frontalangriff auf sein Glaubenssystem ausgelegt werden könnte, wäre es angebracht, die Diskussion mit einigen einleitenden Bemerkungen zu beginnen wie z. B. mit:

„Ich respektiere aufrichtig ihre Sorge um Ihr gutes Gewissen und Ihren Wunsch zu tun, was gemäß Ihrem Glauben richtig ist. Und ich hoffe, Sie glauben mir, wenn ich sage, dass auch ich mich von meinem Gewissen leiten lasse und von der Sorge, das zu tun, was nach dem, was ich glaube, richtig ist. Es gibt durchaus Angelegenheiten, für die es sich zu sterben lohnt. Zur gleichen Zeit möchte ich alles tun, um mich zu vergewissern, dass ein Patient alles durchdacht hat, alle Informationen richtig berücksichtigt hat und für seine Entscheidung eine zufriedenstellende, solide und stabile Grundlage hat. Es würde mir helfen, meine Sorgen in meinem Bemühen um Ihre Gesundheit zu zerstreuen, wenn ich einige Ihrer Gedanken zu gewissen Punkten erfahren könnte, die, so erscheint es wenigstens mir, schwer miteinander in Einklang gebracht werden können.“

Dann kann man die folgenden Fragen einführen:

  1. „Ich bin besorgt durch mein Wissen, dass es eine Reihe beträchtlicher Veränderungen im Verständnis der WTG auf verwandten Gebieten gegeben hat. Sie wissen vielleicht, dass Impfungen und Organtransplantationen eine Zeit lang als inakzeptabel und moralisch falsch angesehen wurden. Diese gelten nun als annehmbar. Aber ich denke, Sie würden mir zustimmen, dass die früheren Regeln einige ganz ernsthafte Folgen gehabt haben können, - Krankheit, Behinderung und sogar Todesfälle - als sie noch in Kraft waren. Es scheint mir nur natürlich, dass eine Person daran interessiert sein sollte, darüber nachzudenken, was die Zukunft noch für weitere Änderungen im Verständnis bringen wird. Falls das Festhalten an der gegenwärtigen Doktrin in Ihrem eigenen Fall zu einer Behinderung oder sogar zu Ihrem Tod führen würde, und die Doktrin würde nächstes Jahr revidiert oder auch erst in einigen Jahren, glauben Sie, dass ein solcher Verlust es wert gewesen wäre oder gerechtfertigt werden könnte? Mir ist bekannt, dass diese Veränderungen als "neues Licht" angesehen werden, und ich möchte gerne wissen, ob Sie sich über die Möglichkeit "neuen Lichtes" in Verbindung mit der Blutpolitik schon Gedanken gemacht haben?“
  2. [Der Arzt erwähnt verschiedene Blutbestandteile und fragt, ob der Patient weiss, welche davon erlaubt und welche verboten sind. Viele wissen es nicht. Es kann dann mit der Unterteilung in akzeptable und inakzeptable Bestandteile begonnen werden und dann kann der Arzt fragen:]
    „Könnten Sie mir näher erläutern, warum Immunglobuline, Albumin und Gerinnungsfaktoren angenommen werden dürfen, aber Plasma abgelehnt werden muss, wenn doch Plasma im Grunde genommen eine Kombination aus Wasser und den erwähnten erlaubten Bestandteilen darstellt? Ich verstehe die Erklärung der WTG so, dass „sich des Blutes zu enthalten bedeutet, es überhaupt nicht in den Körper aufzunehmen“. Könnten Sie mir verstehen helfen, wie es sein kann, dass viele Blutbestandteile in den Körper aufgenommen werden dürfen, von denen einige das Lagern gewaltiger Mengen an Blut erforderlich machen, um den spezifischen Bestandteil daraus zu gewinnen? Könnten Sie mir eine Bibelstelle zeigen, die tatsächlich solche Angelegenheiten wie die Erlaubnis oder das Verbot spezifischer Blutbestandteile bespricht? Da darauf in der Bibel nicht direkt eingegangen wird, ist dies nicht ein Fall eines von einer Organisation begründeten Regelwerkes anstatt einer wirklich biblisch begründeten Lehre? Wenn es sich so verhält und da es sicherlich keine wissenschaftliche Grundlage für eine solche Politik gibt, haben Sie sich die Möglichkeit durch den Kopf gehen lassen, dass der Bestandteil, den Sie heute ablehnen, später von der WTG als annehmbar umdefiniert wird, vielleicht schon in nächster Zukunft?“
  3. „Ich glaube, Sie erkennen an, dass Bluttransfusionen in der Bibel nirgends speziell behandelt werden, obwohl sie sagt, dass wir uns des Blutes enthalten sollten. Glauben Sie, dass es sich beim Essen von Blut und bei Bluttransfusionen um ein und dasselbe handelt? Wissen Sie, was passiert, wenn Sie Blut essen? Es wird verdaut und zu kleineren Molekülen abgebaut, wobei es seine Funktion als Blut verliert. Im Gegensatz dazu funktioniert Blut, das in den Blutkreislauf eingebracht wird, weiter als Blut und wird weiter Sauerstoff transportieren. Demgemäß haben das Essen von Blut und Bluttransfusionen völlig verschiedene Auswirkungen auf Ihren Körper. Rote Blutkörperchen sind eine Art Organ, das Sauerstoff befördert, und Bluttransfusionen sind Transplantationen dieses zellulären Organes in den Blutstrom. Die transplantierten Blutzellen arbeiten als Blutkörperchen weiter und werden nicht verdaut und als Nährstoffe aufgenommen. Dementsprechend ist eine Bluttransfusion eine Form einer Organtransplantation. Nach meinem Verständnis betrachtet die WTG Organtransplantationen als eine Sache des Gewissens; sie dürfen akzeptiert werden, nicht wahr? Wenn ich Ihnen sagen würde, Sie sollten sich von Fleisch enthalten, weil Sie eine Herzkrankheit wegen zu hoher Cholesterinwerte haben, glauben Sie, ich hätte damit auch eingeschlossen, dass Sie sich einer Herztransplantation enthalten sollten? Genauso wie es einen Unterschied zwischen dem Essen und der Transplantation eines Organes gibt, genauso ist die Wirkung des Essens von Blut und einer Bluttransfusion auf Ihren Körper völlig verschieden.“

Zusätzliche widersprüchliche und irrationale Punkte können nach dem Ermessen des Arztes besprochen werden. Beispielfragen werden im Anhang zu diesem Artikel aufgeführt. Wenn Sie diese Fragen besprechen, schlage ich vor, dass den folgenden drei Vorsichtsmaßnahmen Beachtung geschenkt wird:

Erstens sollte die Diskussion nur geführt werden, solange keine unmittelbare Lebensgefahr für den Patienten besteht. Andernfalls könnte die Haltung des Arztes für den ZJ so aussehen, als ob Zwang ausgeübt wird oder dass der Arzt seine Autorität missbraucht.

Zweitens sollte dem Patienten von Anfang an versichert werden, dass die ärztliche Schweigepflicht strengstens beachtet wird und dass, welche Entscheidung der Patient bei diesem Treffen oder auch danach treffen sollte, sie niemals den Familienangehörigen oder Versammlungsgliedern gegenüber bekannt gemacht werden wird. Wieder ist die integere Haltung des Arztes in bezug auf grundlegende Prinzipien der medizinischen Ethik und der ärztlichen Schweigepflicht von entscheidender Bedeutung, da ZJ unter dem medizinischen Personal als Informanten fungieren könnten, und dem Patienten sollte versichert werden, dass spezielle Vorsorge in seinem oder ihrem Fall getroffen werden wird.

Drittens empfehle ich, nicht über religiöse Überzeugungen zu debattieren, wie z. B. die Natur Gottes, die Lehre vom Ende der Welt, moralische Grundsätze usw., die über das hinausgehen, was für eine unmittelbare Behandlung notwendig ist. Der Arzt sollte über allem im Sinn behalten, dass diese Fragen dem Patienten einen Standpunkt vorlegen soll, der von dem, was er von der WTG gelernt hat, abweicht und so den Patienten zu rationalem Denken auf der Grundlage genauer Informationen zurückführen soll.

Beachten Sie bitte den entscheidenden Unterschied zwischen der klassischen ärztlichen Bevormundung und dieser neuen Vorgehensweise einer rationalen Politik der Patientenbetreuung ohne Einmischung in seine Entscheidung. Es ist nicht der Zweck dieser Unterredung, eine Diskussion mit dem Patienten zu gewinnen und dabei die Autorität des Arztes ins Feld zu führen. Eine friedliche und rationale Diskussion unter Vermeidung einer Auseinandersetzung und gefolgt von der Aufforderung, über die Fragen nachzudenken, bevor er eine endgültige Entscheidung trifft, sollte am wirkungsvollsten sein. Danach muss die Entscheidung des Patienten unbedingt respektiert werden.

Diskussion

Meines Wissens ist dies der erste Artikel in der medizinischen Literatur, der das Bedürfnis des Arztes anspricht, die fundamentalen Probleme der ZJ-Blutdoktrin zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Traditionell fühlen sich die meisten Ärzte unsicher, ob sie eine Verpflichtung haben, ihre Patienten über die Doktrin selbst aufzuklären, weil eine solche Betätigung leicht den Anschein einer Einmischung in die Religionsfreiheit erwecken kann. Ärzte denken oft, dass sie ohne nachzufragen den Wünschen des Patienten nachkommen müssen, wenn er seinen Wunsch oder die Ablehnung einer bestimmten Behandlung als religiös begründet angibt.

Ein solch "passive" Unterstützung durch das medizinische Fachpersonal, und das ohne nennenswerte kritische Beurteilung der betreffenden religiösen Praktiken, hat in vielen Teilen der Welt eine Atmosphäre geschaffen, in der Ärzte automatisch die märtyrerhaften Wünsche der ZJ-Patienten erfüllen, so dass die Ärzte heroische Anstrengungen unternehmen, die auch mit einem größeren Risiko oder größeren Kosten verbunden sein können. Einem Arzt bietet sich nur die Alternative, seine Patienten an einen "kooperierenden" Arzt zu überweisen, oder sie mangels anderer Alternativen sterben zu lassen. In diesem und dem Begleitartikel schlage ich vor, dass Ärzte den Status quo dieser "passiven Unterstützung" überdenken und dabei sorgfältig abweichende Meinungen und kritische Informationen abwägen sollten, so dass sie eine aktivere Rolle einnehmen können, wenn es darum geht, die Entscheidungsfindung des Patienten in einer rationalen und intelligenten Diskussion zu begleiten.

Einige mögen dagegenhalten, dass durch diese Fragen unter dem Deckmäntelchen einer medizinischen Diskussion ein Werturteil über religiöse Überzeugungen gefällt wird und dass dies über den Kompetenzbereich des Patienten-Arzt-Verhältnisses geht. Ein weiterer Einwand wäre, dass allein das Besprechen der Fragen einer Manipulation des religiösen Glaubens der Patienten gleichkommen kann. Ein Anwalt der WTG machte jedoch Ärzten, die einem ZJ eine Transfusion verabreicht hatten, Vorwürfe, sie hätten das Wertesytem und die religiöse Überzeugung des Patienten nicht untersucht. 31 Das deutet an, dass wenigstens einige ZJ eine solche Diskussion begrüßen würden. Der Zweck, gezielte Fragen zu stellen, besteht darin, solche ZJ abzusondern, welche die Doktrin überdenken würden, wenn ihnen Gesichtspunkte dargelegt würden, die sie vorher nie in Betracht gezogen hatten. Es handelt sich nicht um Fragen, ob ihr Glaube an sich wahr oder falsch ist; vielmehr beziehen sie sich auf die Tatsachen und die Vernünftigkeit, auf die die Blutdoktrin angeblich gegründet ist.

Hypothetische Religion

Um den Unterschied zu veranschaulichen, stellen Sie sich bitte eine Religion vor, von dessen Führer man glaubt, er wäre die Reinkarnation von Jesus. Bei einem Mitglied in Frage zu stellen, dass der Führer wirklich die Reinkarnation Jesu ist, wäre eine direkte Herausforderung seines Glaubens; indem man aber fragt, ob er die Tatsachen über das unmoralische Verhalten des Anführers, die den Anhängern vorenthalten wird, kennt, könnte man ihm zu neuen Informationen verhelfen. Weiterhin daran zu glauben, dass der Anführer die Inkarnation von Jesus ist, wäre irrational, aber es kann von einigen seiner Anhänger immer noch als "Wahrheit" angesehen werden. Andere könnten ihren Glauben im Lichte der neuen Informationen überdenken und den irrationalen Glauben aufgeben.

Ein weiterer Einwand wäre, dass "blutlose" Behandlungen meistens vorteilhaft sind und dass der Arzt, wenn er sein Augenmerk auf die Blutdoktrin richtet, dadurch von solch sichereren Behandlungsmethoden abgehalten wird. Wie schon vorher erwähnt, schlage ich nicht vor, dass diese Vorgehensweise notwendig ist, wenn eine leicht verfügbare Option einer "blutlosen" Behandlung eines bestimmten ZJ zur Verfügung steht und sie keine größeren Risiken in sich birgt oder keine wesentlich höhere Kosten verursacht. Gegenwärtig gibt es allerdings immer noch viele medizinische und operative Bedingungen, unter denen nur mit Blutprodukten behandelt werden kann oder die zwar ohne Blutprodukte behandelt werden können, aber nur mit teuren, riskanten und hochtechnisierten Eingriffen, die den Patienten, den Arzt und das Krankenhaus einer Gefahr aussetzen.

Was würde durch eine solche Diskussion erreicht werden? Weil sie ohne Einmischung durchgeführt wird, liegt die endgültige Entscheidung in den Händen des einzelne ZJ-Patienten. In der Praxis erwarte ich nicht, dass eine beträchtliche Anzahl von ZJ ihre Meinung nach einem oder zwei Treffen mit einem Arzt so einfach ändern wird. Angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung, die in dieser Religion stattfindet, erwarte ich aber, wenn mehr Anhängern eine Chance gegeben wird, ihre Religion objektiv zu sehen, dass einige ZJ von dieser Vorgehensweise beeinflusst werden und so unnötige Todesfälle und Behinderungen vermieden werden.

Neben den Menschenleben, die durch ein Überdenken der Blutdoktrin gerettet werden können, erfüllt diese Vorgehensweise auch die moralische Verpflichtung der Ärzte, deren Wertvorstellungen genauso wie diejenigen der Patienten respektiert werden sollten. Savulescu argumentierte, 3 dass die Medizin sich bestimmten Wertvorstellungen verpflichtet fühlen sollte. Automatisches Akzeptieren einer religiösen Lehre, insbesondere wenn diese Doktrin auf irrationalen Lehren und unethischen Praktiken gegründet ist, sollte in Frage gestellt werden. Savulescu schrieb, dass ein Versuch, den Patienten davon zu überzeugen, sein eingeschlagener Kurs sei falsch, seine Autonomie bedrohen könnte, während rationale Argumente den Patienten in die Lage versetzen könnten, eigenständiger zu handeln und zu entscheiden. Um eine rationale Diskussion mit einem ZJ-Patienten durchzuführen, müssen sowohl Fehlinformationen als auch inhärente Widersprüche innerhalb der Blutdoktrin dargelegt und korrigiert werden. Die Entscheidung des Patienten wird spontaner erfolgen, wenn er mit diesen neuen Gesichtspunkten vertraut gemacht wurde, und sie werden auch eher ein Ausdruck seiner Autonomie sein.

Während dieser Autor den Fall der Verweigerung von Bluttransfusionen durch ZJ benutzt, um die Verfahrensweise der Politik der Patientenbetreuung ohne Einmischung in seine Entscheidung vorzuschlagen, kann die gleiche Vorgehensweise auch auf jede andere autoritäre religiöse Gruppe angewandt werden, die das Instrument der Informationskontrolle über seine Mitglieder anwendet oder die durch Einschüchterung Zwang ausübt und irrationale Glaubenslehren und Praktiken im medizinischen Bereich befürwortet. Diesem ethischen Dilemma sind wir bei Gliedern traditionellerer Religionen nicht ausgesetzt. In seiner Antwort auf Artikel, die den Fall eines ZJ besprachen, der keine autonome Entscheidung treffen konnte, stellte ein ZJ-Arzt fest, dass „Anhänger aller Religionen wegen der Lehren ihrer Kirchen keine freie, autonome Entscheidungen treffen können“. 32 Diese Verallgemeinerung ignoriert die Tatsache, dass nur Mitglieder von solchen "hochkontrollierten" religiösen Gruppen, wie die ZJ, Einschüchterung erfahren sowie Zwänge, die sie veranlassen, Fehlinfomationen zu akzeptieren. Während wir die Autonomie der Patienten ohne Ansehen seiner Konfession hochhalten, gebe ich doch zu bedenken, dass Fehlinformationen und Zwänge unter dem Deckmäntelchen einer Pseudoautonomie von jeder medizinischen Fachkraft in Frage gestellt werden sollte.

Anhang

Die folgenden zusätzlichen Fragen können bei einem privaten Treffen mit ZJ-Patienten gestellt werden.

  1. Wenn es falsch ist, Ihr eigenes Blut für eine autologe Transfusion aufzubewahren, warum erlaubt dann die WTG den Gebrauch verschiedener Blutbestandteile, für die zuvor Blut gespendet und gelagert werden muss, bevor ein ZJ-Patient sie benutzen kann? Warum dürfen ZJ diese Blutbestandteile akzeptieren und von dem Blut profitieren, das andere spenden, während sie selbst kein Blut spenden? Wären Blutspenden, um das Leben anderer zu retten, einschließlich des Lebens Ihrer geistigen Brüder und Schwestern (anderer ZJ) nicht etwas, was liebevoll und christlich wäre?
  2. Haben Sie jemals in den Veröffentlichungen der WTG eine Besprechung der Tatsache gesehen, dass bei einem schnellen und massiven Blutverlust die einzige lebensrettende Behandlung eine notfallmäßige Bluttransfusion ist? [Die Antwort sollte nein lauten]. Warum hat es die WTG nötig, den ZJ solche entscheidenden Informationen vorzuenthalten, und warum betont sie immer die negativen Aspekte von Behandlungen mit Blut und Blutprodukten?
  3. Soviel ich weiß, glauben ZJ, dass Blut nicht gegessen werden sollte, weil es heilig ist, da es Leben darstellt. Könnten Sie mir helfen zu verstehen, wie das Symbol einen größeren Wert darstellen kann als die Wirklichkeit, für die sie ein Symbol ist? Wenn eine massive und schnelle Blutung eintritt und eine Bluttransfusion die einzige lebensrettende Maßnahme darstellt, ist es dann nicht ein Widerspruch in sich selbst, einen Menschen sterben zu lassen, indem dem Symbol eine höhere Wichtigkeit zugemessen wird als der Wirklichkeit, die es darstellt?

Anmerkung des Autors
Während der Zeit des Korrekturstadiums des Artikels wurde im Internet eine wichtige Entwicklung in der Blutpolitik der Zeugen Jehovas aufgedeckt. In einer Übereinkunft bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte (http://194.250.50.201/eng/28626.28.html) zwischen der Wachtturm-Gesellschaft und der bulgarischen Regierung behauptete die Gesellschaft, dass ihre Mitglieder nun "eine freie Wahl" haben, Blut "ohne Kontrolle oder Sanktionen" zu erhalten. Der Stand im Juli 1998 ist so, dass es eine ersichtliche Verwirrung unter den Mitgliedern gibt. Einige betrachten es als eine Änderung der Politik, während die Gesellschaft eine solche abstreitet. Es ist unklar, wie diese abschlägige Antwort mit dem oben genannten Übereinkunft in Übereinstimmung gebracht werden kann..

Osamu Muramoto, MD, PhD ist ein Mitglied des Ethikkomitees bei der Kaiser Permanente Northwest Division und ein Neurologe am Northwest Permanente PC, Portland, Oregon, USA. Korrespondenz bitte an: Kaiser East Interstate Medical Office, 3414 N Kaiser Center Drive, Portland, Oregon 97227, USA. E-mail: [email protected]

Erklärung
Die Meinungen, die hier zum Ausdruck kommen, sind persönlichen Ansichten und geben nicht die Ansichten von Kaiser Permanente und Northwest Permanente PC wieder.


Referenzen und Anmerkungen

1 Muramota O. Bioethics of the refusal of blood by Jehova`s Witnesses: part 1. Should bioethical deliberations consider dissident views? Journal of Medical Ethics 1998;24:223-230.

2 Savulescu J. Rational, non-interventional paternalism: why doctors ought to make judgements of what is best for their patients. Journal of Medical Ethics 1995;21:327-31.

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22 Noble WH. CMPA and Jehova`s Witness. Canadian Journal of Anesthetics 1991;38:801-2.

23 Trent B. Jehova`s Witnesses and the transfusion debate: "We are not asking for the right to die". Canadian Medical Association Journal 1991;144:770-6.

24 Hoaken PCS see reference 23:1380-2.

25 Fontanarosa PB, Giorgio GT. Managing Jehova`s Witnesses: medical, legal and ethical challenges. Annals of Emergency Medicine 1991;20:1148-9.

26 Anonymous [editorial]. Battery claim of Jehova`s Witness rejected by Michigan Court. Hospital Law Newsletter 1992;9:4-7.

27 Sacks DA, Koppes RH. Caring for the female Jehova`s Witness: balancing medicine, ethics and the First Amendment. American Journal of Obstetrics and Gynecology 1994;170:452-5.

28 Anonymous [editorial] Court says doctors were right to treat Jehova`s Witness. British Medical Journal 1992;305:272. The case was referred as Re T (adult: refusal of treatment) [1992] 4 All ER 649 (CA).

29 Brace JWA. Treating Jehova`s Witnesses. British Medical Journal 1992;305:558-9

30 (gilt nur für den englischsprachigen Bereich): von ehemaligen ZJ und internen Reformern, die zusammenarbeiten, wird eine kleine Broschüre herausgegeben. Zur Zeit der Abfassung des Artikels ging sie gerade in Druck. Diese Broschüre ist auch auf folgender Webpage der Web-Site der Reformer verfügbar und kann heruntergeladen werden: http://www.ajwrb.org/newlight/abstain.htm. Auf der Web-Site wird die Verfügbarkeit der Broschüre bekanntgegeben. Zusätzliche nützliche Informationen in bezug auf biblische und historische Aspekte der Blutpolitik, die bei der Behandlung von ZJ-Patienten verwendet werden können, können ebenfalls von der gleichen Web-Site heruntergeladen werden. [deutsche Fassung: http://www.geocities.com/athens/ithaca/6236, d. Übers.]

31 Ridley DT. Jehova`s Witnesses and the refusal of blood. The Journal of Clinical Ethics 1990:1:254-7

32 Thomas JM Jehova`s Witnesses and the transfusion debate: "We are not asking for the right to die" Canadian Medical Association Journal 1991;145:1559-60.)

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letzte Aktualisierung: 28. 12. 1999
Web-Adresse: http://www.geocities.com/athens/ithaca/6236/ethik2.htm

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