Das Phänomen der neuapostolischen Kirche bzw. e.V.

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Hier sollen Artikeln zum Thema NK gesammelt werden. Sollten Ihnen weitere bekannt sein, bitten wir Sie uns diese mitzuteilen.

 

1. Aus dem Lexikon:
Neuapostolische Gemeinde (Neuapostol. Kirche), christl. Religionsgemeinschaft, nach 1860 aus den Kath.-Apostol. Gemeinden hervorgegangen; zentralistisch geleitet von einem "Stammapostel", der absolute Glaubensautorität besitzt und als Gesandter Christi gilt; neben Taufe und Abendmahl als drittes Sakrament die "Versiegelung" (Empfang des Hl. Geistes).

2. Ausgabe der schweizer Zeitung Blick vom vom 14. Dezember 1997
Pulsmesser


Wie Freikirche Sozialamt und Gläubige abzockt

VON BEAT KRAUSHAAR

ZÜRICH ­ Sie glauben fest an die baldige Wiederkunft Christi. Im irdischen Dasein geht's weniger selig zu und her. Die neuapostolische Kirche versucht, Sozialamt und Gläubige abzuzocken.

Die neuapostolische Kirche ist die grösste Freikirche Europas. Der Zürcher Richard Fehr (58) ist ihr Stammapostel. Er repräsentiert Gott auf Erden. Seine Hauptbotschaft: Christus wird für die Auserwählten als Erlöser zur Erde herabsteigen. Nichtgläubige werden in der Hölle landen. Jetzt packt ein Mitglied* gegenüber SonntagsBlick über die Finanzpraktiken der Kirche aus: «Im kircheneigenen Sozialdienst werden die Gläubigen unterrichtet, wie man die Geldtüren der Sozialämter öffnen kann. Dabei wird den Mitgliedern eingetrichtert, dem Sozialamt zu verschweigen, dass sie 10 Prozent des Jahreseinkommens an die Kirche abgeben müssen.» Hans Widmer, der Gründungsvater des neuapostolischen Sozialdienstes, bestreitet den Sachverhalt nicht: «Das Geldopfer ist ein absolut persönliches Verhältnis zwischen dem Gläubigen und Gott. Das geht niemanden etwas an. Auch nicht das Sozialamt.» Dem widerspricht Walter Schmid, Chef der Sozialhilfe Zürich: «Wenn wir den Eindruck haben, dass eine religiöse Gemeinschaft ihren Mitgliedern Sozialgelder abzwackt, greifen wir ein. Das ist aber fast nicht zu kontrollieren.» Weil die «Apostel» sich weigern, ihre Finanzen offen darzulegen, regt sich an der Kirchenbasis Widerstand. Ein kritisches Mitglied: «Das Neue Testament schreibt vor, dass man keine Vermögenswerte hortet und so bescheiden lebt wie Jesus.» SonntagsBlick hingegen weiss, dass die 40 000 Schweizer Mitglieder mit ihrem Geldopfer rund 150 Millionen Franken in die Kirchenkasse einzahlen. Chefapostel Fehr wohnt mit seiner Frau am Zürichberg, im Volksmund «Millionenhügel» genannt. Gemäss Steuerausweis 1997 versteuert das Ehepaar ein Jahreseinkommen von über 270 000 Franken.

*Name der Redaktion bekannt

3. Berliner Morgenpost vom Freitag, 4. Juni 1999
Die neue Offenheit der Neuapostolischen Kirche
Konzert und Tag der offenen Tür - Umstrittene Glaubensgemeinschaft begeht 100. Gründungstag
Von Kerstin Heidecke

Charlottenburg. Mit einem dreitägigen Programm feiert die Gemeinde der Neuapostolischen Kirche (NAK) an der Wilmersdorfer Straße 141 ihr 100. Jubiläum und das 90. Jahr des Kirchengebäudes. Ein Konzert mit Werken von Johann Sebastian Bach bilden heute, 19.30 Uhr, den Auftakt. Sonnabend lädt die Gemeinde 10 bis 16 Uhr zum Tag der offenen Tür. «Die Offenheit der Neuapostolischen Kirche nach außen ist ein neuer Trend», sagt Thomas Gandow, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Die NAK ist nicht unumstritten, ihre oberste Instanz der «Stammapostel» mit Sitz in Zürich. Er gilt als «Repräsentant des Herrn auf Erden». Richard Fehr, jetziger Stammapostel, hat neben der für die NAK typischen autoritären Strenge auch eine Ader für Public Relations.

Er führte bei der einst streng geschlossenen Gemeinschaft Tage der offenen Tür und Jubiläumsfeiern ein. «Denn die Mitgliederzahlen der NAK stagnieren», sagt Dr. Andreas Fincke, Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschaungsfragen. Trotzdem ist die NAK mit 400 000 Mitgliedern die größte christliche Sondergemeinschaft Deutschlands.

Die NAK wird von der evangelischen Kirche skeptisch betrachtet. «Das ist eine christliche Sekte», sagt Gandow. Heftige Vorwürfe erheben ehemalige NAK-Mitglieder. Vom autoritären Stil ist die Rede, von abtrünnigen Gläubigen, die massiv bedrängt werden, von psychosomatischen Erkrankungen, die durch Angstdruck entstehen. Frauen spielen in der Hierarchie der NAK keine Rolle.

Neuapostolen loben hingegen die engen, fürsorglichen Bindungen unter den «Geschwistern» der Gemeinschaft, in der jeder seine Aufgabe hat. «Wir bieten Besuchern an, sich unsere Gemeindearbeit anzusehen», sagt der Charlottenburger Gemeindevorsteher Frieder-Jens Lange. Vieles in der NAK sei inzwischen fortschrittlicher geworden. Als Hauptaufgabe der ehrenamtlichen Priester sieht Lange die Seelsorge.

Kirchensteuer erhält die NAK nicht, fordert jedoch zehn Prozent des Jahresbruttoeinkommens ihrer Mitglieder, den sogenannten Zehnten. Dabei unterhält sie kaum karitative Einrichtungen. «Der Betrag wird formal freiwillig gezahlt, doch die Angst, die ,Segenslinie´ zu verlassen, ist enorm», berichtet der Theologe Fincke. Er kenne Familien, die eine Krankheit ihres Kindes als Strafe für den nicht vollständig gezahlten Zehnten ansahen.

Aussteiger wie Siegfried Dannwolf schrieben Bücher über ihre Erfahrungen. «Geschädigte der Neuapostolischen Kirche» formieren sich in Selbsthilfegruppen. Kritiker verweisen auf zuwenig Distanz der NAK zu DDR-Regime und Nazi-Diktatur. Als gesellschaftsgefährdende Sekte wird die NAK nicht eingestuft. «Eigentlich sind die Neuapostolen angenehme Nachbarn: fromm, konservativ und sittenstreng», meint der Sektenbeauftragte.

4. Konradsblatt vom 15.09.98:

Neuer Schulversuch für kleine Religionsgemeinschaften
Befreiung vom Ethikunterricht unter Auflagen ab 1999

Das baden-württembergische Kultusministerium plant zum Herbst 1999 einen neuen Schulversuch zur Befreiung vom Ethikunterricht. Das bestätigte das Ministerium auf Anfrage in Stuttgart.

Der Versuch sei für kleinere Religionsgemeinschaften gedacht, die den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts besäßen und bestimmte Auflagen erfüllten, erläuterte der Sprecher des Kultusministeriums, Martin Böninger. Bislang hätten die Neuapostolische Kirche, die Mormonen und die Adventisten Interesse geäußert.

Laut Böninger geht es um eine "befristete Übergangsregelung", die das Ministerium auf Wunsch der Landtagsfraktionen hin und aus Rücksicht gegenüber religiösen Minderheiten in Aussicht gestellt habe. Ein Beschluß sei noch nicht gefaßt. Dies ändere nichts an der Auffassung von Kultusministerin Annette Schavan, daß künftig nicht am ordentlichen Religionsunterricht teilnehmende Schüler grundsätzlich das Fach Ethik zu belegen hätten. Die am Versuch beteiligten Religionsgemeinschaften müßten in den Schulräumen vor Ort eine religiöse Unterweisung anbieten und einen detaillierten Lehrplan vorlegen. Die Schulaufsicht werde kontrollieren, daß dabei das Niveau des Ethikunterrichts bei der Vermittlung von Werten und Toleranz gegenüber Andersgläubigen nicht unterlaufen werde.

Mit diesem Plan wird ein Schulversuch fortgeführt, der schon 1990 begann. Nach dieser Regelung, die 1998/99 ausläuft, konnten Kinder, die der Neuapostolischen Kirche angehören, von Fach Ethik befreit werden, wenn sie eine religiöse Unterweisung in ihrer Gemeinschaft nachweisen konnten. Der Versuch wurde 1992 auf die Mormonen ausgedehnt und von insgesamt 1100 Schülern genutzt.

5. Konradsblatt vom 29.01.95
Von Aposteln an den Rand des Selbstmords getrieben

Die Neuspostolische Kirche (NAK) ist hinter den beiden Großkirchen die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Sie gilt gemeinhin als harmlos. Die Gläubigen sieht man auch wochentags schick herausgeputzt in den Gottesdienst gehen. Dem Augenschein nach rechtschaffene Angestellte, liebenswürdige Nachbarn, zuverlässige Freunde und fürsorgliche Eltern. In letzter Zeit häufen sich aber die Berichte über Intrigen und Machtmißbrauch in der NAK. Ehemalige Mitglieder, die sich selbst als "aufgewacht" bezeichnen, werfen Amtsträgern vor, sie würden sich finanziell bereichern, ganze Gemeinden würden massiv "mobben" und hätten sogar Selbstmorde zu verantworten. Die Neuapostolische Kirche in Deutschland - 430.000 Biedermänner oder eine gewaltige Psycho-Sekte ?

Aussteiger erheben schwere Vorwürfe gegen die Neuapostolische Kirche.

Es ist schwierig klarzumachen, was in der NAK vor sich geht. Es ist, als ob man in eine andere Welt kommt, beschreibt Siegfried Dannwolf aus Kornwestheim seine Erfahrungen. Er hatte reichlich Gelegenheit, sich in der NAK umzusehen: Schon von den Eltern neuapostolisch erzogen, wurde er Neuapostolischer Priester, bevor er 1992 ausgetreten ist.

"Es gibt Zeiten, da denke ich, mir sind Jahre meines Lebens gestohlen worden", stellt der Familienvater fest. Das lag bei ihm vor allem an der Neuapostolischen Heilslehre: Ganz oben in der Hierarchie der Kirche stehen die lebenden Apostel, die sich in der Nachfolge der Jünger Jesu verstehen. Diese haben vor allem eine Aufgabe: Sie sollen eine Anzahl Gläubige um sich sammeln, die leben wie Gott es verlangt.

Und Gott verlangt von den Neuapostolen eine ganze Menge: "Wir mußten zehn Prozent unseres Bruttoeinkommens spenden, dreimal in der Woche den Gottesdienst besuchen, dazu kam noch eine Chor- und eine Orchesterprobe. Schließlich mußten wir noch in Wohngebieten von Tür zu Tür gehen und Anhänger werben", erzählt Dannwolf. Wer bei einem dieser Termine fehlte, wurde zu Hause aufgesucht und mußte sich für seine Abwesenheit rechtfertigen. "Jeder Tag war schon allein für die Kirche total verplant". Zu etwas anderem sollte Siegfried Dannwolf auch gar keine Zeit haben, denn für viele Neuapostolen ist alles andere sowieso "übertriebenes Amüsement", das "die Seele gefährdet". Fernsehen war tabu, ebenso wie Theater- oder Konzertbesuche und Tanzveranstaltungen: "Vor allem als Jugendlicher hatte ich damit zu kämpfen. Ich verpaßte die 68er, durfte keinen Rock und Pop hören", erzählt Siegfried Dannwolf. "Wenn ich heute darüber nachdenke, bekomme ich eine Riesenwut."

Doch damals unterwarf er sich, wie viele NAK-Mitglieder, dem Diktat der Kirche. "Man wird unglaublich unter Druck gesetzt, die Frohbotschaft wird zur Drohbotschaft." Für die, die ausscheren, ist nämlich kein Platz unter den Auserwählten, als die sich die Neuapostolen verstehen. Und das hat nach ihrer Lehre schlimme Folgen: Jesus kehrt nämlich auf die Erde zurück, um die kleine Schar der Auserwählten mit in den Himmel zu nehmen. Während sie mit ihm dort Hochzeit feiern, herrscht auf der Erde unvorstellbares Leid: Ein Drittel der Menschheit geht zugrunde. Nach dreieinhalb Jahren kehren die Auserwählten zurück, um als Könige und Priester unter paradiesischen Umständen die rechte Lehre zu predigen. "Ständig wurde mir gedroht, wenn du nicht das und das machst, gehörst du nicht mehr dazu", sagt Siegfried Dannwolf. So ließ er sich lange Jahre von den Amtsträgern nach Belieben lenken, denn nach dem Verständnis der NAK sprach Gott durch sie. "Kindlich glauben" sollte man an ihre Worte und Anweisungen, denn wer daran zweifelte, zweifelte auch an Gott. Bei Siegfried Dannwolf ging das so weit, daß er selbst die Entscheidung über einen Arbeitsplatzwechsel in die Hände seines Priesters, und damit - für ihn - in die Hände Gottes legte.

Erst als er auf der Leiter der NAK-Hierarchie selbst eine Stufe höher stieg, begannen ihm die Augen aufzugehen. Als Priester bekam er jetzt plötzlich für die Predigt einen Leitfaden an die Hand, in dem der Stammapostel für ihn jedesmal zwei Sätze aus der Bibel interpretiert hatte. Bisher war ihm erzählt worden, der Priester brauchte weder Ausbildung noch Vorbereitung für den Altardienst, Gott lege ihm während der Feier die richtigen Worte in den Mund. Deshalb gebe es auch das Phänomen, daß in jedem Land der Welt in den Neuapostolischen Gottesdiensten am selben Tag genau das gleiche gepredigt werde. Doch da war wohl weniger Gottes Geist, als vielmehr ein funktionierendes Verteilersystem am Werke.

Jetzt begann er auch die vorgekauten Bibelstellen im Kontext zu lesen - bisher war davon abgeraten worden - und entdeckte grobe Widersprüche. "Uns wurde zum Beispiel gesagt, daß wir den Zehnten abgeben sollten, weil das so in der Bibel stünde. Es war jedoch nicht davon die Rede, daß das damals ein Religionsstaat war und es daneben keine weiteren Steuern gab", sagt Siegfried Dannwolf. Doch selbst als er Fehldeutungen schwarz auf weiß belegen konnte, wollte man ihm einfach nicht glauben. Die Amtsträger verkünden immer das zeitgemäße Wort, auch wenn sie gegen andere Religionen hetzen und die katholische Kirche als "Große Hure" bezeichnen.

Nach langem Zögern bekannte sich Siegfried Dannwolf auch offen zu den Zweifeln, hörte auf, den Personenkult, der um die Amtsträger geschürt wurde, zu predigen. "Das war ein langer und schwerer Prozeß. Vorher war alles so unglaublich bequem. Ich mußte erst wieder lernen, Entscheidungen zu treffen." Er begann jetzt auch öffentlich Kritik zu üben.

Nun brach alles um Siegfried Dannwolf zusammen. Er wurde nicht mehr zur Predigt gerufen und mehrmals zu seinen Vorgesetzten zitiert. Die hatten ihn offenbar ausspionieren lassen und versuchten ihn jetzt unglaubwürdig zu machen. "in der Gemeinde wurde unglaublich gegen mich gehetzt. Es wurden gezielt Lügen ausgestreut", berichtet Dannwolf. Seine Bekannten würdigten ihn plötzlich keines Blickes mehr. Weil es für ihn noch nie ein Leben außerhalb der NAK gegeben hatte, bedeutete das den Verlust fast des gesamten Freundeskreises. Nicht ganz. Der Gemeindevorsteher, der als einziger zu ihm hielt, wurde ebenfalls bedrängt und schließlich gefeuert - bald darauf erlitt er einen schweren Herzinfarkt und schwebte in Lebensgefahr.

Auch Siegfried Dannwolf war jetzt am Ende und unterzeichnete, gesundheitlich schwer angeschlagen, seinen Rücktritt.

Ähnliche Erfahrungen machte auch Joseph Kirchner* aus Engen. Er wurde mit der Belastung des Priesteramtes nicht fertig und wollte zurücktreten. Die inneren Widersprüche der NAK machten ihm sehr zu schaffen. "Es gibt dort keinen Irrtum, keine menschliche Schwäche. Die autoritären Figuren müssen immer unangetastet bleiben, sonst würde das ganze System zusammenbrechen", meint Kirchner. Sein Rücktrittsgesuch wurde nicht akzeptiert. "Der Bezirksapostel sagte mir, meine Probleme und inneren Nöte seien ihm egal, ich müssen eben durchhalten." Wie Dannwolf traf auch er nirgendwo auf Verständnis: "Es gab überhaupt keine Seelsorge, mir wurde immer nur gesagt, "wirf deine Probleme hinter dich."

Vor die Gemeinde zu treten und etwas zu predigen, was er nicht mehr vertreten konnte, bereitete ihm inzwischen solche Qualen, daß er sich sogar umbringen wollte: "Im Sommerurlaub wollte ich mit mir Schluß machen", erzählt Joseph Kirchner. Nur seiner Familie zuliebe tat er es nicht.

Nachdem er sich aus der NAK zurückgezogen hatte, wurde auch er mit Lügen und Unterstellungen in der Gemeinde diffamiert. Selbst seine Frau glaubte ihm nicht mehr. "Das ist typisch", meint Siegfried Dannwolf. "Das Problem geht mitten durch die Familie, Ehen brechen auseinander." Mit seinen Eltern hat er seit Jahren keinen Kontakt mehr.

"Ich weiß jetzt, daß die Neuapostolische Kirche mit christlichem Glauben nichts zu tun hat."

Für die Neuapostolische Kirche sind solche negativen Erfahrungen mit ihren Amtsträgern, sofern sie die Betroffenen nicht nur für Stänkerer hält, bedauernswerte Ausnahmen. Die kämen aber in allen Kirchen vor und wären angesichts der Mitgliederstärke noch relativ gering (siehe Interview).

Auch die katholische Kirche äußert sich zum Thema NAK zurückhaltend. Der Sektenbeauftragte der Erzdiözese Freiburg, Albert Lampe, will die NAK lieber als Sondergemeinschaft denn als Sekte bezeichnen. Gleichwohl kennt er die Schwierigkeiten bei den Neuapostolen: "Das Problem ist der kindliche Glaube. Da die Mitglieder bewußt kleingehalten werden, wächst aus ihnen keine eigenständige Persönlichkeit. Es entsteht eine Unfähigkeit, selbst Verantwortung zu übernehmen und damit Abhängigkeit", faßt der Sektenexperte das Problem aus seiner Sicht zusammen. Dennoch will er keinen Vergleich zu gefährlichen Gemeinschaften wie Scientology ziehen: "Dafür gibt es zu viele Neuapostolen, die ein normales Leben führen und sich nicht in totaler Abhängigkeit befinden. Die meisten haben noch zur Außenwelt Kontakt." Aber auch bei ihm melden sich immer wieder Opfer der NAK, die geistigen und körperlichen Schaden davongetragen haben oder überhaupt nicht aus eigener Kraft aussteigen können: "Es gibt Extrembeispiele und Ausreißer", räumt Albert Lampe ein.

Um die kümmert sich nun Siegfried Dannwolf seit über einem Jahr. "Zuerst fühlte ich mich wie das schwarze Schaf, als einziger böser Mensch auf Erden. Nun weiß ich, daß ich nicht der einzige Aussteiger bin und will den anderen helfen." Offenbar gibt es nämlich eine ganze Menge dieser "Ausreißer". Dannwolfs Selbsthilfegruppe hatte im Jahr 1994 über 300 Kontakte mit Opfern. (Lukas Martin)

Wer Kontakt mit der Selbsthilfegruppe von Siegfried Dannwolf aufnehmen will, kann sich an folgende Adresse wenden: Kontakt und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen, Marienstraße 9, 70178 Stuttgart, Telefon: (0711)6406117. * Name von der Redaktion geändert

Interview

Herbert Bansbach ist in Karlsruhe für die Öffentlichkeitsarbeit der Neuapostolischen Kirche zuständig. Seit 1990 ist er Bischof und arbeitet eng mit dem Apostel zusammen, der für die Region Baden von Philippsburg bis Riegel zuständig ist. Vor seinem Fulltime-Job bei den Neuapostolen war er Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte in Ettlingen. Konradsblatt: Immer wieder gibt es Klagen über Amtsträger der NAK, sie hätten ihren Einfluß auf Gläubige ausgenutzt und sie sogar terrorisiert.

Bansbach: Natürlich sind mir diese Vorwürfe bekannt. Insgesamt sind das aber nur um die 200 Anklagende. Sollten ihre Behauptungen zutreffen, ist das in jedem einzelnen Fall schlimm. Das sind aber mit Sicherheit ganz große Ausnahmen, die es in jeder Kirche gibt. Das Bild, das von uns entsteht, ist deshalb völlig falsch. Wir werden dargestellt, als ob wir die letzte Sekte mit Psychoterror wären.

Kenner sprechen aber zumindest von einer Tendenz zur Unselbständigkeit bei Ihren Gläubigen. Sie würden zum naiven Glauben angehalten, ihnen würden zu viele Entscheidungen abgenommen werden.

Wir wollen den Menschen in der Seelsorge auf keinen Fall entmündigen. Jeder ist bei uns für sein Seelenheil selbst verantwortlich, wir stehen nur bei und helfen etwas. Auch der Gottesdienst und das finanzielle Opfer sind absolut freiwillig. Niemand wird zu irgend etwas gezwungen.

Die Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche werfen Ihnen vor, sie würden Ihre Religion absolut setzen, jeden anderen Glauben ausdrücklich verdammen.

Wir haben lediglich den Anspruch, die Kirche zu sein, die Jesus mit seinen Jüngern gegründet hat. Wir bemühen uns, in den Gemeinden vor Ort mit den katholischen und evangelischen Geistlichen zusammenzuarbeiten. Wir sind und bleiben auch nur sündige Menschen, nicht besser als Moslems oder Katholiken. Entscheidend ist das Bemühen und die ehrliche Gesinnung.

5. Informationsblatt Nr. 1/1995 der Evangelische Informatonsstelle
Evangelische Informatonsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Wer springt aus der Arche zurück in die Flut ? Der Ausstieg aus Endzeitgemeinden als psychisches und soziales Problem.

aus: Informationsblatt Nr. 1/1995

Endzeitperspektiven

Endzeitperspektiven beherrschen das Denken vieler radikaler religiöser Gruppierungen. Das heisst nicht unbedingt, dass diese menschliche Zivilisation schon morgen zugrunde geht, dass dieser Globus in apokalyptischen Feuer verbrennt. Das Ende kann sich verzögern. Manche christliche Endzeitgruppen wurden vorsichtiger im Blick auf kiurzfristige Voraussagen. Indische Gruppierungen, z.Bsp, die Gesellschaft für Krishnabewusstsein, sieht das zur Zeit herrschende schlimme Kaliyuga noch für längere Zeit nicht beendet. Wie immer man aber die letzte befreiende Katastrophe zeitlich ansetzt, gemeinsam ist allen Endzeitgruppierungen, dass diese Welt ein baldiges Ende verdient. Die Welt, wie sie ist, hat keine Ueberlebenschende. Sie hat keine Zukunft. Sie kann und will sich nicht korrigieren lassen. Sie hat den Tod verdient.

Schutzmassnahmen

Mystische Katastrophenstimmung prägt das Verhältnis der Endzeitgruppierung zur sie umgebenden Welt. Die Endzeitgruppe lebt nicht mit der sie im umgebenden Welt und in ihr, sondern gegen sie. Die Gruppe entwickelt gegenüber der Aussenwelt äusserste Vorsicht. Sie schützt mit allen nur erdenklichen Massnahmen ihr Innenleben vor dem Zugriff der zum Tode verurteilten Aussenwelt. Zu diesen Schutzmechanismen gehören die radikale Geheimhaltung (Probleme der Gruppe dürfen nicht an die Oeffentlichkeit geraten), die Aechtung des Aussteigers (Mit dem Aussteiger wird nicht mehr kommuniziert), die Verweigerung des offenen Dialogs (Gespräche mit Aussenstehenden werden zu reinen Propagandareden), die Forderung nach homogen gläubigen Familien (Jedes Familienmitglied sollte der Endzeitgruppe beitreten, weil die demnächst eintretenden apokalyptischen Ereignisse im anderen Fall die Familien auseinanderreissen und weil Gläubige Mitglieder grundsätzlich nicht mit resistent Ungläubigen zusammenleben).

Arche-Noah-Perspektiven

Kurz, die Enzeitgruppe lebt in einer Art Arche Noah mitten in der bald eintreffenden Flut. Die ersten Tropfen fallen. Die Aussenwelt feiert noch ahnungslos oder unbelehrbar ihre letzten Orgien. Demnächst werden die Türen geschlossen. Wer draussen ist, bleibt draussen. Wer drinnen ist, bleibt drinnen. Nacht und Licht, Himmel und Hölle trennen sich in unserer Gegenwart vor unseren Augen.

Aus der Arche springen?

Wie lebt man und frau in der Arche? Wie erleben junge Leute die Endzeitgemeinschaft, in die sie hineingeboren wurden? Und was geschieht, wenn einzelne junge Mitglieder aussteigen wollen? Muss man nicht wahnsinnig sein, von allen guten Geistern verlassen, wenn man aus der Arche Noah aussteigen will? Stürzt man und frau nicht kopflos und kopfüber in die gefährliche Flut? Endzeitgemeinschaften finden sich viele. Und Aussteiger, die das Unmögliche wagen und aus der Arche in die steigende Flut springen, finden sich zu hauf. Aber viele schaffen den Ausstieg nur unter grossen psychischen und sozialen Schwierigkeiten.

Zum Beispiel Frau K.

Frau K., (Bankangestellte), ist in der neuapsotolischen Kirche (NAK) aufgewachsen. Eltern und Grosserltern waren Neuapostolen. Ein Grossvater war als Kind vom katholischen zum neuapostolischen Glauben übergetreten, als er heiratete. (Die ist in der Schweiz immer noch ein häufiger Beitrittsgrund: Mann oder Frau tritt bei, weil der zukünftige Ehepartner bereits zur neuapostolischen Kirche gehört). Die ganze Familie war und ist in NAK "mehr als hundertprozentig" engagiert. Ein Grossvater ist noch heute Priester der neuapostolischen Kirche.

Die Endzeitgemeinde: ein grosses Dorf

Die Eltern fanden und Verwandten von Frau K fanden und finden in der NAK Halt und Geborgenheit. Die Kirche ist für sie die enscheidende soziale Gemeinschaft. Mindestens zweimal pro Sonntag gehen sie in die Kirche.Alle guten Bekannten und Freunde sind Neuapostolen. Die NAK ist wie eine Dorfgemeinschaft. Alle kennen alle. Mit allen wird über fast alles gesprochen. Ein bis zwei Mal pro Jahr wird jedes Mitglied von zwei Amtsträgern besucht.Die Kirchenmitglieder können auch deshalb kaum aus der Kirche austreten, weil sie mit dem Austritt ihr ganzes bisheriges soziales Umfeld verlieren würde. Wer trotzdem austritt, fällt zuerst in ein soziales Vakuum.

Die Endzeitkirche als Mutter der Gläubigen

Die NAK kümmert sich fast mütterlich um jedes einzelne Mitglied. Wer dazugehört, erhält von dieser mütterlichen Kirche zahllose Streicheleinheiten. Wenn aber, so mein Frau K., Zweifel auftreten und der Kirchenbesuch nachlässt, dann reagiert die Kirche sofort mit Liebesentzug. Die Kirche ist lieb, mit allen, die sie lieben, mein Frau . Kritikern gegenüber - dies hat Frau K. erfahren - zeigt sie ein weniger freundliches Gesicht.

Endzeitstress

Schon als Mädchen weiss Frau K, dass sie als Mitglied der wahren Kirche ein mustergültiges Verhalten zeigen muss, dass sie die lebenden Apostel braucht, weil nur sie den heiligen Geist vermitteln können, dass sie Aussenstehende zum Eintritt in die Kirche bewegen sollte (sie missioniert eifrig Klassenkameradinnen im Skilager), dass sie in der bald kommenden ersten Auferstehung mit den anderen Mitglieder der NAK aus dem Eltend dieser Endzeitwelt befreit wird, indes ihre ungläubigen Schulkameradinnen allen Schrecken der Enzeit ausgesetzt sein werden, dass sie keinen Gottesdienst auslassen sollte, weil ihr sonst eine Sprosse auf der Sprossenleiter zur ersten Auferstehung fehlt. Später erfährt sie, dass nur Neupaostolen heiraten sollte (Auf Ehen mit Ungläubigen liegt kein Segen), dass sie keine kritischen Fragen stellen sollte (Die Kirche hat den heiligen Geist. Wer die Kirche kritisiert, der - so stellt sie sich vor - begeht die einzige Sünde, die nicht vergeben werden kann: die Sünde wider den heiligen Geist). Der Schule entwachsen empfindet Frau K. die neuapostolische Frömmigkeit immer mehr als Stress. Sie zwingt sich vorläufig aber noch, alle Forderungen der Kirche so gewissenhaft wie möglich zu erfüllen. Schliesslich, das weiss sie, sind die Mitglieder der NAK weit besser als der Rest der Welt. Wer zur religiösen Elite gehören will, muss sich weit mehr als andere abverlangen.Nach jedem der vielen Gottesdienste, fühlt sie sich "wie eine ausgepresste Zitrone". Die NAK entspricht ihr schon lange nicht mehr. Aber sie lässt sich noch religiös auspressen, weil sie anb einen möglichen Ausstieg nicht einmal zu denken wagt. (Schon der Gedanke an einen Ausstieg wäre nach ihrem Empfinden "Sünde gegen den heiligen Geist")..

Die Sprache des Körpers

Ihr Gewissen verpflichtet sie zu lebenslanger Mitgliedschaft in der NAK. Ihre Seele schreit nach einem eigenen, persönlichen Weg. In diesem Dilemma setzt der Körper seine eigenen Signale. Frau K. erleidet eine ganze Serie von Unfällen, jeder bei klarem Bewusstsein an sich völlig unnötig. Diese Signale sind auch für Frau K. unüberhörbar.

Der Ausstieg

In Volkshochschulkursen hat sie erfahren, dass irgendwelche Ungläubige, Nichtmitglieder der NAK, sehr verständnisvoll über psychische Probleme und religiöse Fragen nachdenken können. Auch ausserhalb der NAK leben offenbar wertvolle Menschen. Diese Aussenstehenden sind, wenn es um persönliche Schwierigkeiten geht, sogar noch viel einfühlsamer als die Mitglieder der NAK. Sie strafen die Zweiflerin nicht mit Liebesentzug. Frau K. wird eine Zeitlang von ihrem noch der Vergangenheit verfplichteten Gewissen und den neuen Erfahrungen hin und hergerissen. Um dem zermürbenden inneren Krieg ein Ende zu setzen, begibt sich Frau K. in psychotherapeutische Beratung. Die Beraterin rädt ihr nicht, aus der NAK auszutreten. Aber im Verlauf der Beratung fällt die Entscheidung fast wie von selbst. Frau K. kann und will nicht mehr angstbesetzt glauben. Sie verlässt die Arche und wagt ein neues, eigenes Leben in der Welt.Dieses neue Leben ist für sie noch lange Zeit mit vielen offenen Fragen verbunden. Sie muss sich ein neues Beziehungsfeld aufbauen. Sie muss lernen, kindliche Aengste, jahrelang genährt, in sich zu überwinden. All dies ist nicht einfach. Ihr Engagement in einer offenen Kirche hilft ihr, ihren eigenen, angstfreien Glauben zu finden.

Biblische und sektenhafte Endzeitperspektiven

Der bibelkundige Leser weiss, dass alle Endzeitperspektiven der Gegenwart sich auf biblische Texte berufen können, dass auch die Bibel vom jüngsten Gericht, von der Scheidung der Schafe von den Böcken spricht. Im Unterschied zu den sektenhaften Endzeitvisionen der Gegenwart wird dieses Gericht im neutestamentlichen Glauben Christus überlassen. Keine religiöse Organisation, auch nicht die Wachtumgesellschaft und die NAK, entscheiden über den Ausgang dieser Scheidung.Nur wer die Kompetenzen der eigenen Gruppe wahnhaft übersteigert und wer Christus durch die eigene religiöse Organisation ersetzt, kann die Menschheit aufteilen in gerettete Insider und verlorene Aussenstehende.Wer die menschlichen- und allzumenschlichen Aspekte jeder religiösen Organisation kennt, und wer deshalb keine religiöse Organisation vergötzen will, überlässt diese Scheidung getrost dem Christus, der andere Masstäbe kennt als seine kleineren und grösseren Repräsentanten.

Georg Schmid, 1995

6. In: Leben & Glauben Nr. 51, 18. Dezember 1997
Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Autoritäre Führungsstruktur

In: Leben & Glauben Nr. 51, 18. Dezember 1997

Ist die neuapostolische Kirche eine Sekte?

L.B. in K.

Jeder und jede hat heute seinen eigenen Sektenbegriff. Und auch im Urteil über die neuapostolische Kirche (NAK) sind sich NAK-Mitglieder und Aussenstehende selbstverständlich nicht einig. Je nach Sektenverständnis und NAK-Bild fällt deshalb die Antwort auf Ihre Frage sehr gegensätzlich aus. Ich kann Ihnen im Folgenden auch nur eine sehr persönliche Antwort vorlegen.

Sekte ist für mein Empfinden eine Gemeinschaft, die sich selbst überschätzt. Dies tut genau besehen jede menschliche Gemeinschaft. Jede Gruppe - vom Sportverein über den Gemischten Chor bis zu den Landeskirchen und den politischen Parteien - findet, dass sie etwas Besonderes sei. Dieses Gefühl fürs Besondere in der eigenen Gemeinschaft ist sektenhaft auf Stufe 1. Die Selbstüberschätzung einer Gemeinschaft bleibt aber im allgemeinen nicht auf dieser Stufe stehen, besonders, wenn die Gemeinschaftsbedürfnisse der einzelnen Mitglieder und ihr schwaches Selbstbewusstsein durch ein übersteigertes Gruppenbewusstsein kompensiert werden. Im Fall der NAK hat das Gruppenbewusstsein eine zwar nicht einmalige, aber doch auffallende und unter Kirchen sonst nicht übliches Stufe erreicht. Die NAK ist in den Augen ihrer Mitglieder und vor allem auch ihrer Amtsträger nicht nur eine Kirche unter anderen und auch nicht nur die beste christliche Kirche, sondern die einzige wahre Kirche Christi in dieser Endzeit. Dieses Selbstbewusstsein verbindet sich unmittelbar mit einer fast totalen Unmöglichkeit zu offener interner Kritik. Das Stammapostelamt - das Petrusamt der NAK - beansprucht zwar keine offizielle Unfehlbarkeit, aber der Stammapostel tritt faktisch als der nicht kritisierbare Amtsträger auf. Wenn er predigt, wiederholen die anschliessend predigenden niedereren Amtsträger seine Gedanken und kargen oft auch nicht mit verbalen Verbeugungen vor dem "Mann Gottes" schlechthin. Der Stammapostel selber kann Kritik und Besserwisserei aus seinem Amtsverständnis heraus auch nicht als Zeichen religiöser Mündigkeit und Selbständigkeit im Denken und Glauben würdigen. Diese Selbständigkeit wäre, würde sie sich zu Worte melden, auch gar nicht gefragt. Besserwissserei und Kritik sind Zeichen der Endzeit. Das Gotteskind ist demütig, gehorsam. Wer glaubt, der kritisiert nicht. Diese für mein Empfinden deutlich autoritäre Führungsstruktur kennzeichnet zusammen mit dem Anspruch, die einzige wahre Kirche zu sein, die NAK zu einer Gemeinschaft mit nicht nur verborgenen, sondern munter sich entfaltenden Sektentendenzen.

Der zwei besten Mittel gegen allzusehr ins Kraut schiessende Sektenhaftigkeit - der selbstkritischen und intensiven Besinnung auf Zeugnisse des biblischen Glaubens und der offenen, inneren Meinungsvielfalt und internen Kritik - kann und will sich die NAK nicht bedienen.

Ihre Beschäftigung mit biblischen Texten beschränkt sich auf lockere Verweise auf einzelne Bibelstellen. Intensives Bibelstudium braucht die NAK nicht. Denn das göttliche Wort, einmal schriftlich fixiert, findet in den lebenden Amtsträgern heute seine eigene Ausdrucksmöglichkeit. Warum sich mit Bibelstudien abquälen, wenn der Stammapostel vor uns steht? Die interne Kritik aber widerspricht der Grundlinie der neuapostolischen Verkündigung.

Die NAK schenkt verunsicherten, autoritätshungrigen Zeitgenossen Sicherheit im Glauben. Interne Debatten können diese autoritätshungrigen Gläubigen nur verunsichern. Die NAK schätzt den Gehorsam im Glauben weit mehr als persönliche Ueberlegungen und eigene Wege.

Lieber Herr L., Sie merken, dass ich persönlich, subjektiv betroffen, über die NAK rede. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich mich vor autoritären Führungsstrukutren fürchte und dass ich persönlich den Mangel an Bibelstudium in der NAK bedaure. Das heisst aber nicht, dass ich die NAK oder gar ihre einzelnen Mitglieder verurteile. Was ich bedaure und was mir Angst macht, ist für andere vielleicht eine notwendige Lebenshilfe und ein möglicher Weg.

Georg Schmid, 1997

7. Informationsblatt Nr. 1/1995 der Evangelische Informationsstelle
Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen
Besuch in einem neuapostolischen Gottesdienst
aus: Informationsblatt Nr. 1/1995

Nicht fröhlich anteilnehmende Stimmen, nicht einladend begrüssende Gemeindeglieder empfangen den eintretenden Abendgottesdienstbesucher (wie dies in Freikirchen sonst meistens der Fall ist); eine fast leere Empfangshalle und unendliche Ruhe breiten sich vor ihm aus. Wortlos stehen beim Eingang zwei in Anzüge gekleidete Herren. Nur mit gedämpfter Stimme grüssend überreichen sie den Eintreffenden ein Singbuch. In der geräumigen, schlicht möblierten Kirche haben sich bereits über 100 Leute eingefunden. Sie sitzen alle wohlgekleidet, Männer in Anzug und Krawatte, Frauen in Bluse und Jupe, stumm auf den kargbepolsterten Holzbänken.

Ein abrupter Beginn

Der Gottesdienst beginnt mit dem raschen Einzug von fünf Männern, auf deren Eintreten hin die Gemeindeglieder sich umgehend erheben. Während sich vier der fünf Männer seitlich vom Altar setzen, geht der fünfte auf den Altar zu und begrüsst die Gemeindeglieder. In einem langen einleitenden Gebet dankt er zuerst dafür, dass viele sich hier in der Kirche einfinden durften, um Gottes Wort direkt zu vernehmen, bittet Gott um Geleit für all jene, die nicht die Möglichkeit hatten, sich einzufinden, und leistet schliesslich Fürbitte für solche, die sich von der Gemeinschaft entfernt hatten. Das Gebet wird mit einem klaren, unmissverständlich das Gesagte unterstützenden "Amen" durch die gesamte Gemeinde geschlossen, worauf sich alle wieder anweisungslos setzen. Nach einer kurzen Überleitung wird ein Lied gesungen, zu welchem sich alle wieder offenbar gewohnheitsmässig erheben.

Eine ernste Predigt

Der "von Gott für diesen Abend vorgesehene Predigttext" wird von einem der vier neben dem Altar sitzenden Männer gelesen. Es handelt sich dabei um einen Text über Versuchungen. Der Priester erklärt dazu, dass die Versuchungen in der momentan herrschenden "Endzeit" noch schlimmer seien als je zuvor und man deshalb wie noch nie auf der Hut sein müsse. Er wolle nun vor allem eine Versuchung herausgreifen, von der er wisse, dass sie unter den Gemeindegliedern besonders verbreitet sei. Viele haben Mühe damit, dass sie immer wieder Fehler machen und einfach nicht perfekt werden können. Dies veranlasse sie dann dazu, aufgeben zu wollen. Man habe das Gefühl, das Angestrebte ja sowieso nie erreichen zu können, warum dann noch weiter daran arbeiten? Das Aufgeben-Wollen sei aber genau eine dieser schlimmen Versuchungen; es gilt, sich ihr entgegenzustellen, ihr standzuhalten und sich nicht entmutigen zu lassen. Auch auf das Ende der Predigt folgt jenes unmissverständlich unterstützende einhellige "Amen".

Das Wichtigste noch einmal

Sofort erhebt sich ein Herr, stellt sich in der Mitte der Kirche auf ein portables Podest und bewegt mit einem Handzeichen etwa einen Drittel der Gemeindeglieder dazu, aufzustehen und sich ihm zuzuwenden. Nun zum Chor formiert, singen sie ein Lied. Nachdem sie sich wieder gesetzt haben, fordert der Prediger einen der vier vorne Sitzenden auf, sich zum Rednerpult zu begeben und den Teilnehmenden sein "Herz zu eröffnen". In einer kurzen Nachpredigt fasst jener noch einmal zusammen, was er aus der vorangegangenen Predigt in erster Linie mit in die Woche hineinnehmen wird, und rundet seine Ausführungen ab mit Gedanken aus der letzten Predigt und Worten aus kürzlich gesungenen Liedern, die ihn bewegt haben. Auch diese Worte werden mit einem heftigen "Amen" quittiert.

Am Ende wie am Anfang

Zum Schluss folgt eine Abendmahlsfeier im katholischen Rahmen und dann ein Schlussgebet, in welchem darum gebittet wird, dass sich die Gemeindeglieder des Gesagten auch in der kommenden Woche noch erinnern werden, kranke Gemeindeglieder wieder gesund werden und solche, denen Arbeitslosigkeit droht,. bewahrt, und schon arbeitslos gewordene wieder angestellt werden dürfen. Gemeinsam wird schliesslich das "Vater unser" gesprochen, wobei jedes Wort, jede Betonung und jede Pause mit verblüffender Genauigkeit gleich artikuliert werden. Nach den Wünschen um eine gute Woche verschwinden die meisten Gemeindeglieder so wortlos, wie sie hereingekommen sind.

Schlussbemerkung

Die enorme Organisation des Gottesdienstes beeindruckt. Sie regelt alles, vom Aufstehen und Absitzen über das Einverständnis mit dem Gesagten im gemeinsamen "Amen" bis hin zu den persönlichen Gedanken zur Predigt, die einer stellvertretend für alle äussert. Sicherlich vermag sie damit unumstössliche Geborgenheit zu vermitteln, doch das individuelle Sich-ansprechen-Lassen und weiterbringende In-Frage-Stellen verunmöglicht sie gänzlich. Beeindruckend ist auch die den beiden Predigten zu entnehmende Ernsthaftigkeit in der Nachfolge Jesu. Leider scheint dabei aber die Freude an einem Leben mit Jesus durch den Ernst der Lage - die momentan herrschende Endzeit - gänzlich in den Hintergrund gedrängt zu werden. Man wird das Gefühl nicht los, dass Glauben nur noch mit Erfüllen und traurigerweise nichts mehr mit Erfüllung zu tun zu haben scheint.

Alain Bertallo, 1995

8. Sektenserie: 8/96
Die Neuapostolische Kirche

Die Sekten-Serie

von Jens/YPR

Mit ca. 450.000 Mitgliedern ist die Neuapostolische Kirche die größte Sekte in Deutschland. Insgesamt hat sie mehr Mitglieder als alle Freikirchen zusammengenommen. Dabei findet kaum öffentliche Mission statt. Meistens werden Freunde und Bekannte zu den dreimal wöchentlich stattfindenden Gottesdiensten eingeladen.

Die Ansprüche dieser Religionsgemeinschaft zeigt der vierte Glaubensartikel:" Ich glaube, daß der Herr Jesus seine Kirche durch lebende Apostel regiert bis zu seinem Wiederkommen, daß er seine Apostel gesandt hat und noch sendet mit dem Auftrag, zu lehren, in seinem Namen Sünden zu vergeben und mit Wasser und dem Heiligen Geist zu taufen."

Die Neuapostolische Kirche wird von einem Stammapostel geleitet. Zur Seite stehen ihm dabei etwa 260 Apostel. Allein diese können den Gehalt der Bibel erfassen und weitergeben. Dabei lassen sich allein vom Heiligen Geist leiten. Ein Bibel- oder Theologiestudium ist hier nicht vonnöten. Sie bezeichnen sich als wahre Bibelinterpreten. Desweiteren verfügen die Apostel über die Fähigkeit den Heiligen Geist zu spenden. Das Apostelamt wird so gefährlich nahe an Jesus Christus herangerückt.

Die Neuapostolische Kirche entstand um 1860 durch Abspaltung von einer christlichen Reformbewegung. Gegründet wurde sie durch den Berliner Propheten Heinrich Geyer. Die Neuapostolische Kirche lebt, wie die Zeugen Jehovas, in der Naherwartung der Wiederkehr Christi.

Die Neuapostolischen sollen sich möglichst von allem Weltlichen fernhalten und dürfen nur ihrer Arbeit nachgehen. Dies bewirkt ein enges Gemeinschaftsgefühl, aber auch die Kontrolle eines jeden einzeln. Fast alle Bereiche des Lebens unterliegen strengen Vorschriften. Selbst Kino und Tanzen sind verpönt. Über den Besuch interner Kirchenveranstaltungen wird Buch geführt. Wer nicht regelmäßig kommt wird von den Verantwortlichen zur Rede gestellt. Völlig undenkbar ist Kritik an Aposteln und am Stammapostel. Diese Kritik wird mit Kritik an Gott gleichgestellt. Ehemalige Mitglieder werfen dieser Kirche Kontrolle und autoritäres Verhalten vor, trotzdem ist diese Kirche den großen Kirchen gleichgestellt. (Datenstand: 8/96)

9. Tagblatt vom 24.12.1997
Prassender Stammapostel?

Schwere Vorwürfe innerhalb der

Neuapostolischen Kirche

Streit in der neuapostolischen Kirche: Ein langjähriger Kirchenfunktionär aus Schaffhausen wirft in einem Schreiben dem Stammapostel Richard Fehr luxuriösen Lebensstil und Verschleuderung der Opfergelder vor.

(sda) Nach der evangelischen und der katholischen Amtskirche ist die neuapostolische Kirche NAK mit rund 37 000 Mitgliedern die drittgrösste christliche Glaubensgemeinschaft der Schweiz. Weltweit hat sie etwa neun Millionen Anhänger. Ihr geistliches Oberhaupt ist seit 1988 der in Zürich residierende Stammapostel Richard Fehr. Ihm unterstehen derzeit 240 Apostel, die wiederum über 3000 Amtsträger wachen, die in 170 Ländern etwa 60 000 NAK-Gemeinden betreuen.

Kritik am Lebensstil

Der Stammapostel gilt innerhalb der NAK als unfehlbar. Kritik an ihm gleicht Gotteslästerung. Um so erstaunlicher ist die von einem Schaffhauser NAK-Funktionär geübte Kritik an Fehr. In einem Schreiben an die Zürcher NAK-Leitung kritisiert er den luxuriösen Lebensstil des Stammapostels: «Das Reich Gottes besteht nicht aus Fressen und Saufen.» Der Kritiker rügt die teuren Reisen und Autos. Die NAK-Führung verschleudere Opfergelder «zum privaten Nutzen», sie plündere den Opferstock und setze die Gelder ungerecht ein, indem sie beispielsweise in afrikanischen Gemeinden grosse Kirchen baue, statt den Notleidenden zu helfen. Peter Johannig, Sprecher der NAK-International in Zürich, will nicht viel zur innerkirchlichen Kritik sagen: Man führe vertrauliche Gespräche, aber «Informationen nach aussen gibt es keine». Die NAK finanziert sich überwiegend aus «Opfergeldern» ihrer Mitglieder. Jeder neuapostolische Haushaltsvorstand soll über den Opferstock den zehnten Teil seiner Einkünfte abliefern. Freiwillig, sagen NAK-Funktionäre. Wer nicht bezahlt, dem wird mit dem Verlust des göttlichen Segens gedroht. Allein die 37 000 Schweizer NAK-Mitglieder liefern nach Schätzungen jährlich mindestens 60 Millionen Franken ab.

Milliarden-Vermögen

Das meist in Immobilien angelegte Vermögen der NAK schätzen Kenner auf mindestens fünf Milliarden Franken. Nur die engste NAK-Führungsspitze hat genauere Informationen über die Finanzen; einfache Kirchenmitglieder bekommen keine Auskunft. Andreas Maurer, ehemaliger NAK-Gemeindevorsteher in Thun, war mehrere Jahre betriebswirtschaftlicher Leiter der NAK-International in Zürich. Er bestätigt, dass Informationen über Kirchengelder streng unter Verschluss gehalten werden: «Da wird Geheimniskrämerei betrieben und zum Teil auch mit lückenhaften Angaben operiert.»

Aus dem Tagblatt vom 24.12.1997

10. Eine Sendung im Südwest-Radio 4 (SWR 4) am 13.12.1999
WENN GLAUBE KRANK MACHT

Eine Sendung im Südwest-Radio 4 (SWR 4)

am 13.12.1999

diese Sendung finden Sie aufgrund des grossen Umfangs auf einer Extra-Seite

11. Berliner Stadtmagazin TIP 20. Januar 1999

Die unsichtbare Kronen tragen - Neuapostolische Kirche

Bernhard Motzkus, 56, kramt einen geheimnisvollen Zettel aus seiner Brieftasche - interne Anweisungen, wie sich ein Mann mit Macht zu verhalten habe, nur für den Dienstgebrauch. Die Presse darf das Papier nicht einsehen. Motzkus liest das oberste Verhaltensprinzip vor: "Dienen und Führen." Ein schönes und hehres Motto. Es ist jedoch nicht für die knapp zehntausend Mitarbeiter der Charité gedacht, als deren Verwaltungsdirektor Motzkus sich nicht immer beliebt macht. Der Leitfaden für Führungskräfte, auf deren Weisungen er im Zweifelsfall zurückgreifen kann, gilt nur für die Prediger der Neuapostolischen Kirche. Der mächtige Mann der Charité steht jeden Sonntag in Moabit vor seiner Christengemeinde und dient und führt.

Die schwerreiche neuapostolische Kirche (NAK) ist die Mutter der Unauffälligkeit. Jedes Mitglied "opfert" zehn Prozent des Bruttoeinkommens. Trotz des Geldsegens sind die 44 Kirchen in Berlin und das Gebäudebegleitgrün so friedhofskompatibel wie die ernsten Mienen der frommen Beter, die sich mindestens zwei Mal in der Woche versammeln. Kaum jemand weiss etwas über das heimliche Treiben der knapp 20000 Berliner, die der NAK angehören. Die fundamentalistische Sekte, ursprünglich eine Abspaltung von der anglikanischen Kirche, verkündet seit 150 Jahren, das heissersehnte "Kommen des Herrn" stünde unmittelbar bevor. Wer zu den Rechtgläubigen gehört, den beamt Jesus vor dem grossen Showdown zwischen Gut und Böse "in die Wolken". Wenn sich der Rauch verzogen hat, kommen die Geretteten als "Könige und Priester" zurück und zeigen den Ungläubigen, was eine Harke ist. "Wir verkünden die Wahrheit aus urchristlicher Sicht", meint Bernhard Motzkus.

Nur wenige wissen davon, die heimliche und zukünftige Elite der Menschheit. Das sind, urchristlich bescheiden, nur die Neuapostolischen. Sie tragen, so hört man von draussen den Kirchenchor inbrünstig singen, unsichtbare Kronen. Die ahnungslose irdische Presse wird abgebügelt. Der für die Kontakte zur ungläubigen Welt Zuständige ist gerade auf Missionsreise in der inneren Mongolei. "Warum sollten wir mit ihnen reden?" raunzt jemand rüde ins Telefon. Fotografieren verboten.

Die bei der Konkurrenz für Feindbeobachtung zuständigen Pfarrer heben mahnend den Zeigefinger: "Gefährliche Sekte! Aussteiger kriegen Probleme! Verrat an der wahren Lehre!" Das macht neugierig. Bernhard Motzkus sieht das gelassen: "Auch die urchristlichen Gemeinden galten aus der Sicht der Juden als Sekten."

Die wenigen Ex-Neuapostolischen, derer man habhaft werden kann, fahren jedoch schweres Geschütz auf. Heidlinde Brandt, 41, und Karl-Heinz Brandt, 43, sind beide, wie fast alle Mitglieder der NAK, in die Kirche hineingeboren worden. Vor einigen Jahre verliessen sie ihre Gemeinde im Prenzlauer Berg. "Diktatorisches System" ist noch einer der harmlosen Vorwürfe. Es sei nicht mehr so viel verboten wie früher. Kino ist erlaubt, vorehelicher Geschlechtsverkehr wird "nicht empfohlen." Aber die Frommen drohten bei abweichendem Verhalten jeder Art: "Da liegt nicht der Segen drauf." Und wer meint, zur wahren Elite zu gehören, hat beim Ausstieg Angst, alles zu verlieren. "Das ist eine Art von Abhängigkeit", sagt Heidlinde Brandt. "Es gibt Amtsträger, die ihre Frau sexuell missbrauchen, es gibt Kindesmissbrauch. Man weiss davon, redet aber nicht darüber." Nachdem das Ehepaar den Kontakt zu Gleichgesinnten gesucht hatten, auch ein Psychologe war dabei, nennen sie sich Sektenaussteiger.

Holger B., 36, Lehrer aus Frohnau, war in seiner Gemeinde für die Jugend zuständig. Als er verkündete, er wolle der Kirche den Rücken kehren, "dachten die, ich machte einen dummen Witz." Sein stärkstes Motiv: die Verantwortung vor seinen drei Kindern. "Neuapostolische Jugendliche wissen, dass sie Aussenseiter sind." Das wollte er seinen Töchtern nicht antun. Er wirft der NAK vor, die Lehre ihrer Apostel wichtiger zu nehmen als die Bibel. Jetzt ist er bei den Evangelen untergeschlüpft. "Die dürfen alles."

Elke Berger, 35, Krankenschwester aus Tegel und Aussteigerin, kritisiert die allgegenwärtige Furcht vor dem strafenden Gott. Als ihre Tochter in die Sonntagsschule sollte, entschloss sie sich endgültig zum Bruch. "Das ist keine frohe Botschaft, sondern eine Angstbotschaft." Die NAK sei "eine Klassengesellschaft: oben die Amtsträger, dann deren Frauen, und dann der Rest." Der Ausstieg fielt ihr leichter, weil ihr Ehemann nicht zur Sekte gehörte. Viele ehemaligen Neuapostolischen bleiben der Kirche fern, treten aber nicht aus, weil sie ihren Eltern nicht wehtun wollen. "Für meinen Vater war mein Ausstieg schlimm", sagt Holger B., "er hat bitter geweint."

Im Gebälk der strenggläubigen Gemeinschaft knirscht und knackt es. Intern beschweren sich die Wessis bitter über die feindliche Übernahme durch die Ossis. Die Zentrale der NAK in der Schweiz hat nach der Wiedervereinigung verfügt, die West-Berliner Neuapostolischen müssten sich den Ost-Berlinern unterordnen. Das war naiv. Der oberste Berliner "Apostel" Fritz Schröder ist gelernter DDR-Bürger, redet noch charismatischer als Honecker, lehnt die verderbte westliche Dekadenz ab und empfiehlt, sich ein Beispiel an den frisch missionierten Neuapostolischen in Kasachstan zu nehmen. Die stellten keine Ansprüche. Elke Berger berichtet von einer Gemeinde im Wedding: Dort flüchteteten ein Teil der Amtsträger wie Fussvolk gen Westen, weil der frisch gekürte Vorsteher, ein Ossi, sich so ultraorthodox gerierte, dass sich selbst die Zeugen Jehovas eine Scheibe hätten davon abschneiden können. "Wenn ein Amtsträger die ihm anvertrauten neuapostolischen "Schafe" besuchte, sollten die sich festlich kleiden. Der Grund: Gott höchstpersönlich käme ins Haus."

Der ganz und gar nicht urchristliche Opportunismus der NAK gegenüber jedwedem Staat und Regime wird auch heute nicht diskutiert. Der "Stammapostel" Friedrich Bischoff wetterte 1933 gegen "jüdisch-marxistische Kliquen" und schrieb an die Nazi-Machthaber: "Jedes Mitglied der Neuapostolischen Gemeinde ist durch die planmässige Beeinflussung seitens der Hauptleitung in nationalsozialistischem Sinn erzogen." Die Nazis würden von den Neuapostolen "nicht nur anerkannt, sondern auch gefördert." Als Heidlinde Brandt die Akten zu Gesicht bekam, musste sie zugeben: "Über die Geschichte hat man uns belogen." Bernhard Motzkus will sich über die Vergangenheit nicht streiten. Er sei nicht autorisiert, im Namen der NAK zu sprechen, aber: "Jesus hat sich auch aus der Politik herausgehalten."

Ganz zaghaft strecken die, die unsichtbare Kronen tragen, ihre Fühler aus in ein unbekanntes und gefährliches Terrain. "Es gibt auch in anderen Religionen ernstzunehmende Menschen, die das Heil nach der göttlichen Gerechtigkeit erlangen." Die Neuapostolischen reden sogar schon mit dem Rest der Welt - ein kleiner Schritt für die Ungläubigen, aber ein grosser Schritt für eine Sekte. "Man muss sehen, was dabei herauskommt", sagt Bernhard Motzkus.

12. Evangelische Informationsstelle
Evangelische Informationsstelle: Kirchen - Sekten - Religionen

Haltet euch an das Gesetz Gottes, dann wird es euch gut gehen!

Eindrücke von einer neuapostolischen Trauung

Es ist ein regnerischer Sommertag, an welchem der Schreibende sich zur Neuapostolischen Kirche begibt, wo ein junges neuapostolisches Paar den Bund fürs Leben schliessen wird. Das Auffinden der Liegenschaft der Neuapostolischen Kirche wird erleichtert durch die Präsenz eines grossen Reisecars vor dem Gebäude, welcher einen schönen Teil der lokalen Gemeinde des Bräutigams hierher zur Gemeinde der Braut beförderte. Das Paar hat sich nämlich nicht in der lokalen Gemeinde, sondern im Rahmen eines Jugendlagers der Neuapostolen kennengelernt.

Beim Eintritt in das Kirchengebäude fällt der Blick auf ein gleich beim Eingang angebrachtes Schema mit den "Segensträgern" der Gemeinschaft, das vom Stammapostel über den Bezirksapostel bis zum lokalen Hirten die ganze für die örtliche Gemeinde relevante Hierarchie aufzählt. Die Verbundenheit mit der Hierarchie, soviel wird dem Eintretenden gleich klargemacht, ist hier äusserst wichtig.

Mit den aufliegenden Broschüren wohlversorgt begibt sich der Schreibende in den Gottesdienstraum. Obwohl der Saal bereits beinahe voll ist, ertönt kein Laut. Die ganze Gemeinde verharrt in absoluter Stille, die einerseits beklemmend wirkt, andererseits die Erwartung eines Mysteriums in sich trägt: Hier befindet sich der vor dem Gottesdienst unbefangen plaudernde Landeskirchler offensichtlich auf fremdem Boden. Was wird kommen? Orgelspiel und Einzug des Brautpaares tragen dann allerdings äusserst konventionelle Züge.

Das einleitende Gebet nimmt Bezug auf die Hierarchie der "Segensträger", die in ihrem Vertreter, dem Prediger, heute anwesend ist und die Gültigkeit des Gottesdienstes garantiert.

Für die Gemeindelieder wurde der Schreibende mit einem Gesangbuch ohne Noten versorgt, was seiner Sangesfreude deutlichen Abbruch tut. Ein Blick nach links und rechts zeigt ihm, dass der erfahrene Neuapostole sein individuelles Gesangbuch besitzt, zumeist in Goldschnitt gehalten, welches dann dem Text die Melodie beigibt.

Der Prediger, der nun das Wort ergreift, spricht aus dem Stegreif. Er mag viele Gaben haben, diese eine fehlt ihm. Die rhetorische Unbeholfenheit, mit welcher er seine Ausführungen vorträgt, der Plauderton, in welchem er von Gedanke zu Gedanke fortschreitet, wie sie ihm eben in den Sinn kommen, ergibt eine Spannung zu den Erwartungen, die die liturgische Stille vor dem Beginn des Gottesdienstes geweckt hat.

Inhaltlich wird eines klar, welches der Prediger nicht müde wird zu wiederholen: Im Grunde ist das Christentum ganz einfach. Was Jesus Christus uns Menschen gebracht hat, ist das Gesetz Gottes, Richtlinien, wie wir Christen uns im Alltag zu verhalten haben. Achten wir dieses Gesetz und kommen ihm nach, so wird es uns gut gehen. Und wenn es uns mal nicht gut geht, stellt dieses eine Prüfung unserer Gesetzestreue dar.

In der Ansprache ans Brautpaar, durch einen Instrumentalteil von der Predigt getrennt, wird die Aussage vom Gesetz Gottes auf die Situation der Ehe angewendet. Wenn das Ehepaar sich auch fürderhin an die Gesetze Gottes hält, wird die Ehe wohlgelingen. Daneben werden allgemeinmenschliche Erkenntnisse von der Wichtigkeit der Kommunikation in der Ehe angeführt. Die das Eheversprechen bestätigenden zwei mal zwei Buchstaben seitens des Brautpaares stellen den einzigen Text des Gottesdienstes dar, der nicht vom Prediger gesprochen wird.

Für die Vornahme des eigentlichen Trauaktes vergewissert sich der Prediger seiner Verbindung zu den "Segensträgern", und betont, dass es diese Verbindung ist, die ihm die Kraft zur Spendung der Trauung gibt. Das Brautpaar wird so im Grunde vom Stammapostel selbst getraut, für den der Prediger der Vertreter ist.

Der anwesende Chor, aus dem Schreibenden unbekannten Gründen nie als solcher, sondern als "die Sänger" bezeichnet, bestätigt den Trauakt mit einem Lied. Der Chor hat, soviel wird klar, als er sich das erste Mal erhebt, einen Drittel der Plätze der Gemeinde eingenommen. Die Fülle des Raumes ist mithin eine wohlorganisierte.

Im Schlusswort meint der Prediger, damit der Einschätzung des Schreibenden betreffs der Stimmung des Gottesdienstes unfreiwillig beipflichtend: "Dadermit wäri de Truur... äh... die Trauig am End". Hoffentlich glaubt niemand im Publikum, insonderheit das Brautpaar und dessen Angehörige, an schlechte Omina.

Mit äusserst gespaltenen Eindrücken verlässt der Schreibende den Ort des Gottesdienstes und tritt hinaus in den Regen.

Anfragen:

Der Neuapostolischen Kirche gelingt es, dies der positive Eindruck, das Bild einer Familie zu vermitteln, wo sich der eine für den anderen interessiert, ihm beisteht, und gegebenenfalls für ihn sorgt. Die Trauung eines jungen Paares ist ein Ereignis, das die ganze lokale Gemeinde bewegt. Das Gefühl des Getragenseins durch die Gemeinde kann für das junge Ehepaar durchaus eine Stütze sein.

Stilistisch ist der Traugottesdienst das konservativste, was der Schreibende auf diesem Bereich je gesehen hat. Die Neuapostolen sind in diesem Bereich Kirche in einem traditionellsten Sinne, wie sich keine Landes- oder Freikirche mehr getrauen würde, Kirche zu sein. Da gibt es keinerlei Einbezug von Gemeindegliedern oder Angehörigen in die Gestaltung des Gottesdienstes. Was gegeben wird, ist eine One-man-Show herkömmlichsten Zuschnitts. Nicht mal das Trauversprechen geben sich die Eheleute gegenseitig, der Prediger spricht vor, das Ehepaar bestätigt.

Jegliche Bezugnahme auf das Ehepaar, dessen Biographie, dessen Berufe und Hobbies unterbleibt. Sowohl Predigt als auch Trauansprache entbehren so jeden persönlichen Touchs. Die ganze Veranstaltung ist eine 08/15-Trauung, die bei jedem Traupaar genau gleich, ja textidentisch durchgeführt werden kann.

Es ergibt sich so der Eindruck eines: Man macht es so, wie man es immer getan hat, und wie man es immer tun wird. Für Veränderungen bleibt da kein Raum.

Und weiter wird das Gefühl vermittelt: Für Individuelles ist bei den Neuapostolen kein Platz. Das Brautpaar ist interessant, insofern es jetzt die Rolle eines neuapostolischen Ehepaares übernimmt. Was das Paar im einzelnen bewegt, was es tut und lässt, tritt zurück hinter dieser Rolle, ja ist angesichts der heilsentscheidenden Bedeutung derselben eigentlich egal.

Nur aus diesem Rollen- oder Amtsverständnis heraus ist zu erklären, dass offenbar niemand an der eklatanten Unbeholfenheit und der offensichtlich mangelnden Vorbereitung des Predigers Anstoss nimmt. Für den Aussenstehenden ist die Kombination aus zur Gänze fehlender Professionalität und immensem heilsgeschichtlichen Anspruch ein Aergernis. Wenn jemand schon Vertreter des Vertreters Christi auf Erden sein will, dürfte er sich etwas mehr Mühe geben, denkt der Nicht-Neuapostole. Für den Neuapostolen ist dies kein Widerspruch, sondern das zweite macht das erste erst möglich. Weil der Prediger ohnehin Vertreter des Vertreters Christi auf Erden ist, sind seine Aussagen und Handlungen von Relevanz, auch wenn er sich gar nicht vorbereitet oder gar eine Predigt lang denselben Satz wiederholen würde. Der Prediger ist Prediger, weil der die Rolle seines Amtes aus den Händen der "Segensträger" empfangen hat. Und die Verbindung zu diesen garantiert die Wirksamkeit seines Amtes, nicht seine vorhandenen oder fehlenden individuellen Fähigkeiten.

Die Bezugnahme auf die "Segensträger", die Hierarchie der Neuapostolen, kommt so grundlegende Bedeutung zu. Insofern überrascht nicht, dass sich der Prediger an herausragenden Stellen seiner Verbindung zu den "Segensträgern" vergewissert. Diese Verbindung ist das Entscheidende, nicht etwa das theologische Wissen des Predigers. Die Neuapostolen zeigen sich so als zutiefst hierarchische Gemeinschaft, insofern es die Hierarchie ist, die Wahrheit vermittelt, und nicht etwa intellektuelles Ringen um das Verständnis der Bibel etwa.

So wird auch die sehr einfach strukturierte Theologie erklärbar, die der Prediger präsentiert: Gott gibt Gesetze, und an diese hat man sich zu halten. Dass damit aus der Erlösungsreligion Christentum eine Gesetzesreligion geworden ist und hinter die neutestamentliche Verkündigung zurück zum Alten Testament gegangen wird, tut nichts zur Sache. Verbundenheit mit der Hierarchie und Halten der Gebote, das ist es, was von Gott belohnt wird. Die Freiheit des Evangeliums versinkt im Paragraphendschungel der Gesetzlichkeit. Wofür Jesus Christus dann gestorben ist, diese Frage bleibt hier allerdings offen.

Georg Otto Schmid, 1997

13. Dr. Andreas Fincke im EZW-Materialdienst 6/2000
Seit April 1998 gibt die Neuapostolische Kirche neben ihrer zweimal monatlich in 100.000 Exemplaren erscheinenden Hauszeitschrift "Unsere Familie" auch das Kindermagazin "Wir Kinder" heraus. Dieses erscheint ein Mal im Monat und geht an mehr als 10.000 Abonennten in Deutschland. Jedes Heft umfasst jeweils 16 Seiten. Seit Januar 2000 erscheint "Wir Kinder" neben der deutschsprachigen Ausgabe auch in Englisch, Französisch, Portugiesisch und Russisch.Das Magazin beinhaltet biblische Geschichten und kindgemäße Reportagen aus dem weltweiten Leben der Gemeinschaft. Es ist kinderfreundlich und munter gestaltet. Bei der Durchsicht einiger Hefte fiel mir auf, dass die jungen Leser kontinuierlich aufgefordert werden, sich schriftlich zu unterschiedlichen Fragen zu äussern. Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise eine Fragebogen Aktion unter der Rubrik "Ich über mich". Die Redaktion erhielt Hunderte ausgefüllte Fragebögen und Zuschriften, von denen einige abgedruckt wurden. Die Zuschriften zeigen vor allem eines: Neuapostolische Kinder sind ganz normale Kinder. Die Zehnjährigen träumen von eigenen Tieren ( Mein größter Wunsch: ein Pferd, ein kleiner Hund....) und ein Junge möchte unbedingt ins dänische Lego Land. Dennoch ist manchmal nicht zu übersehen, dass die Grenze zwischen einer ehrlichen Antwort und vorauseilendem Gehorsam zu verschwimmen scheint. So schreibt ein Zehnjähriger, der einmal "Raketenarchitekt" werden möchte, in die Spalte unter "Das Schönste, was mir passiert ist": "Mein Bischof." (12/99).

Für das Januarheft 2000 waren Kinder aufgefordert worden, über ihre Vorbilder, bzw. Helden zu schreiben. Hier nun macht sich eine Differenz zu Kindern ausserhalb der NAK deutlich bemerkbar. Sieben Zuschriften wurden veröffentlicht; als Vorbilder bzw. Helden werden genannt: ein behindertes Gemeindeglied, mein Papa, weil er der stärkste Mann ist, den ich kenne, Jesus, Josef, aber auch "mein Apostel, weil er für mich betet" und in 2 Fällen " der Stammapostel: "Mein Vorbild ist der Stammapostel, denn er führt uns sicher und gibt uns immer wieder viel Stärkung." Interessant ist die Zuschrift auch deshalb, weil der junge Leser andeutet, dass der Stammapostel auch kritisiert wird."Er ist auch deshalb ein Vorbild für mich, weil er sich von seinem Glaubensweg nicht abbringen lässt, obwohl er oft angefeindet wird." In jedem Heft gibt es eine bunt bebilderte Geschichte aus der Bibel stets versehen mit einem einprägsamen Spruch, den die Kinder mit auf den Weg nehmen sollen. Gut verpackt findet sich so zur Geschichte von Davids Erwählung unversehens der neuapostolische Exklusivitätsanspruch: "Niemand hat erwartet, dass...David von Gott auserwählt war. Genauso wenig können wir uns erklären, warum er ausgerechnet uns ausgesucht hat."(3/2000)

Erfreulich ist -dies sei ausdrücklich vermerkt- dass der strafende und drohende Gott, der die Kindheit vieler Neuapostolischer lange Zeit überschattet hat, völlig fehlt. Mit der neuen Zeitschrift will die NAK die Kinder offenbar stärker und vor allem mit positiven Gefühlen in das Leben der Gemeinschaft einbeziehen. Auf dem Titelheft von 9/99 ist beispielsweise ein munterer Kerl mit Turnschuhen und einem Skateboard unter dem Arm zu sehen, der sich zum Gottesdienst in eine neuapostolische Kirche locken lässt. Ich weiss nicht, ob das neuapostolische Gemeindeleben wirklich derart fröhlich ist, aber ein Indiz für interessante Neuerungen in der NAK ist die Kinderzeitschrift allemal.

14 Der Spiegel 30.10.95
Extrem Streng

Ex-Mitglieder der Neuapostolischen Kirche, der viertgrößten Religionsgemeinschaft in Deutschland, werfen der Sekte Psychoterror vor.

Jahrelang ging Rita H. willig und fromm in die Kirche ihrer kleinen neuapostolischen Gemeinde im schwäbischen 5.000-Seelen-Nest Sulzbach. Vorn am Altar ermahnte der Priester mit donnernder Stimme zu gottesfürchtigem Leben - bis die heute 28jährige Sozialpädagogin eines Tages die Panik überkam.

Rita H.: "Ich begann am ganzen Körper zu zittern und zu schwitzen und war kaum mehr in der Lage zu atmen." Die Frau suchte Hilfe bei einer Therapeutin. Deren Diagnose: "Die Neuapostolische Kirche und ihre rigide Lehre haben Sie krank gemacht." Rita H. besucht seit anderthalb Jahren keinen Gottesdienst der Neuapostolischen Kirche (NAK) mehr und hat sich einer neugegründeten Selbsthilfegruppe für Aussteiger angeschlossen.

In Deutschland gehören rund 430.000 Mitglieder der NAK an. Nach evangelischer und katholischer Kirche und der islamischen Bewegung ist die christliche Sekte die viertgrößte Religionsgemeinschaft in der Bundesrepublik. Weltweit gibt es etwa 7,5 Millionen Neuapostolen. Die NAK hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und könnte wie die beiden Großkirchen auf einem eigenen Religionsunterricht in staatlichen Schulen sowie auf Mitsprache in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehen.

Jede der 3.000 deutschen Gemeinden zählt nicht mehr als 250 Mitglieder. Ihr Innenleben schirmt die Großsekte sorgfältig ab. Die NAK gilt in der Öffentlichkeit als harmlose Freikirche, deren fromme Mitglieder regelmäßig die Bibel lesen und zur Kirche gehen, im Kirchenchor singen, in ihrer Freizeit Alte und Kranke besuchen und auch sonst ein gottesfürchtiges Leben führen. Doch Aussteiger wie Rita H. erheben schwere Vorwürfe: Die Sekte treibe ihre Mitglieder in die Isolation, sie setze sie psychisch unter Druck und überwache das Privatleben der Gläubigen bis ins Kleinste.

Dreimal in der Woche - das ist Pflicht für fromme Neuapostolen - mußte Rita die Gottesdienste besuchen. "Da wurde uns dann eingehämmert, Jesus würde nur diejenigen retten, die nach den Geboten der Neuapostolen leben." Die Angst ums Seelenheil drohte die junge Frau schließlich zu erdrücken.

"Die Neuapostolische Kirche ist eine sehr extreme und strenge christliche Sekte", sagt Pfarrer Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche in Berlin. Die Gemeinschaft ist autoritär-hierarchisch gegliedert. An der Spitze stehen sogenannte Apostel, von einem Stammapostel angeführt, der im schweizerischen Zürich residiert. Ihm und seinen Mitaposteln sind alle Kirchenmitglieder zu absolutem Gehorsam verpflichtet.

Blinde Folgsamkeit wird schon den Jüngsten eingetrichtert. In einem "Rundschreiben für die Kinder im Apostelbezirk Nordrhein-Westfalen" aus dem Jahre 1988 droht ein "Onkel Klaus": "Im Laufe der Zeit kommt der Teufel immer öfter und immer stärker, um Euch etwas anderes einzuflüstern, als was der himmlische Vater durch seine Knechte sagt. Der Teufel will Euch vor allem dazu bringen, mehr den Verstand als den Glauben einzusetzen. Vorsicht!"

Die Jugendleiter der Sekte werden von den Aposteln ständig ermahnt, den Nachwuchs moralisch aufzurüsten. Fernsehen, Video, voreheliche Beziehungen und Sportveranstaltungen gehören zu den verwerflichen weltlichen Gelüsten.

"Mit der Räumlichkeit und allem Drum und Dran eines Kinos können Gefahren verbunden sein", heißt es in einer "Orientierungs- und Entscheidungshilfe" von 1993 für Jugendleiter in der Sekte. Und: "Diskotheken sind rein weltlich geprägte Begegnungsstätten und darauf ausgerichtet, die leiblichen Triebe zu reizen. Dort gehören wir als Gotteskinder nicht hin. Gingen wir dorthin, entzögen wir uns mutwillig der Gnade Gottes und dem Engelschutz."

Auch vom Besuch von Rock- oder Techno-Konzerten wird ausdrücklich abgeraten. "Wir hüten uns davor, uns mit Musik stimulieren zu lassen."

Die "jungen Geschwister" haben apostolische Order, "keusch und enthaltsam zu leben". Sie sollen "als unverheiratetes Paar nicht gemeinsam in einer Wohnung leben und nicht gemeinsam Urlaub machen".

Psychischen Druck auf ihre Anhänger erzeugen die Sektenführer vor allem mit ihrer Doktrin von der angeblich unmittelbar bevorstehenden Wiederkehr Jesu - ein zentraler Bestandteil der neuapostolischen Lehre.

Weihnachten 1951 verkündete der damalige Stammapostel Johann Gottfried Bischoff, ein gelernter Schuster und Zigarrenhändler, noch zu seinen Lebzeiten werde Christus auf die Erde zurückkommen, um die Seinen zu sich zu nehmen. Als Bischoff 1960 - im biblischen Alter von 90 Jahren - starb, geriet die Sekte in eine schwere Krise. Bischoffs Nachfolger rettete die Situation mit der Parole: Nicht der Stammapostel habe sich geirrt, vielmehr habe Jesus seine Pläne geändert.

Nach neuapostolischer Auffassung ist der jeweilige Stammapostel der "Repräsentant Gottes auf Erden", der mit strenger Hand die Auserwählten regiert. Weltweit sind 250 Apostel hauptberuflich für ihn tätig. Apostel, die es wagen, Kritik am Stammapostel zu üben, werden von ihrem Chef exkommuniziert.

Die niederen Amtsträger - Priester, Evangelisten und Diakone - arbeiten ehrenamtlich für die Sekte. Zwei von ihnen, die ehemaligen NAK-Priester Bernd Stöhr, 49, und Siegfried Dannwolf, 43, haben in Stuttgart eine Selbsthilfegruppe für Aussteiger gegründet. Beide trennten sich von der Sekte, weil sie den Absolutheitsanspruch nicht mehr aushielten.

"Die meisten NAK-Opfer leiden an psychosomatischen Symptomen, die von Ärzten eindeutig als Folge dieses Glaubenssystems bezeichnet werden", sagt Dannwolf. Ehemalige Sektenmitglieder hätten noch Jahre nach ihrem Ausstieg massive Ängste. Dannwolf: "Sie fürchten noch immer die Strafe Gottes, weil sie die Glaubensgemeinschaft verlassen haben."

Dannwolf und seine Familie hatten nach seinen Angaben unter "schlimmen Diskriminierungen und Verleumdungen" zu leiden, nachdem er sein Amt als Priester niedergelegt und die Selbsthilfegruppe gegründet hatte. Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik 20 solcher NAK-Aussteigergruppen.

Der Ex-Priester Werner S. aus Potsdam war evangelisch, bevor er sich mit der gesamten Familie der NAK anschloß. "Wir entsagten allen weltlichen Genüssen, gingen nicht mehr zu Vergnügungen aus, trennten uns von nicht neuapostolischen Freunden und verkauften sogar unseren Fernseher", erzählt Werner S. Vor vier Jahren hat er sein Amt niedergelegt, als ihm der Bezirksapostel verbot, sich einen Bart wachsen zu lassen.

Vor kurzem verließ Werners Familie die kleine Gemeinde in Potsdam und zog nach Norddeutschland. Werner S.: "Wir haben den vorjährigen Psychoterror der Sektenmitglieder nicht mehr ausgehalten." Unzählige anonyme Anrufe, Besuche von Amtsträgern zu jeder Tageszeit mußten die Abtrünnigen über sich ergehen lassen. Ihre Kinder wurden auf dem Schulweg von Gläubigen beschimpft.

"Die NS-Bewegung bedingungslos anerkannt und gefördert"

Die Aussteiger werfen den Aposteln zudem undurchsichtigen Umgang mit den Geldern der Gläubigen vor. Die NAK erwartet, daß die Mitglieder zehn Prozent ihres jährlichen Einkommens, den sogenannten Zehnten, an die Sekte abliefern.

Spenden sollen die Gläubigen freiwillig geben, doch wer nichts gibt, dem wird mit dem Entzug des göttlichen Segens gedroht. Der Stammapostel ist zugleich oberster Buchhalter der Sekte. Was er mit dem Geld der Neuapostolen macht, weiß niemand genau. "Kaum ein Sektenmitglied", sagt Ex-Priester Dannwolf, "kennt die Zahlen."

Experten vermuten, daß die NAK in Deutschland jährlich zwischen 500 Millionen und 750 Millionen Mark an Abgaben und Almosen einnimmt und Immobilien im Wert von etwa fünf Milliarden Mark besitzt. Die Neuapostolen unterhalten keine karitativen Einrichtungen, weder Alten- oder Pflegeheime, noch Krankenhäuser, Schulen oder Kindergärten. Das, so Dannwolf, sei "gegen die Lehre. Ein Betreiben solcher Einrichtungen wird als Pflege des Leibes und deshalb als weltlich betrachtet".

Bei der autoritären Struktur der Sekte ist es nicht verwunderlich, daß die NAK-Führer sowohl mit dem NS-Regime als auch mit der DDR gut zurechtkamen. Politisch gibt sich die Sekte offiziell neutral. Sie ermahnt ihre Mitglieder, sich von politischen Ämtern fernzuhalten. Das hinderte den Stammapostel Bischoff nicht, Anno 1933 Adolf Hitler als "Erretter und Helfer in schwerer Not" zu feiern.

In einem Brief an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin versicherte Bischoff bereits im August 1933: "Eine große Zahl meiner Rundschreiben an die Leiter und Diener der NAK in Deutschland lieferte den Beweis, daß sie uneingeschränkt und bedingungslos die nationalsozialistische Bewegung nicht nur anerkannt, sondern auch gefördert hat."

Und weiter: "Jeder Diener und jedes Mitglied der Neuapostolischen Gemeinde ist durch die planmäßige Beeinflussung seitens der Hauptleitung in nationalsozialistischem Sinn erzogen, so daß die meisten Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde der NSDAP angehören oder ihr nahestehen."

Mindestens 13 Apostel und Bezirksapostel gehörten der NSDAP an, wie Akten des Document Center in Berlin belegen. Die braunen Apostel waren teilweise bis Mitte der achtziger Jahre weiter im Kirchendienst. Das Thema ist bis heute in der Sekte tabu.

Im Juli forderte die Stuttgarter Selbsthilfegruppe in einem offenen Brief ein Bekenntnis "zur Mitschuld an der Schweigespirale". Zugleich verlangten die Autoren des Appells die Aufarbeitung der "massiven Unterstützung des Regimes der DDR bis zum Ende seines Bestehens".

In der DDR war der jetzige Stammapostel Richard Fehr, 56, ein willkommener Gast. Das SED-Zentralorgan Neues Deutschland zitierte den seit 1988 regierenden Fehr stets gern. Fehr wiederum machte aus seiner Sympathie für das SED-Regime kein Hehl: Bei seinen Besuchen in der DDR, verkündete er 1989 in Ost-Berlin, sei er jedesmal "in ein sicheres und geordnetes Land gekommen".

Die Sekte fühlt sich im Osten Deutschlands noch immer besonders wohl. Die neuen Bundesländer sind ein ertragreiches Missionsfeld: Allein in Berlin und Brandenburg zählt die Kirche etwa 30.000 Mitglieder.

Der für den Osten zuständige Bezirksapostel Fritz Schröder schwärmt: "Die Situation in unseren Gemeinden ist stabil. Es kommen nicht nur alte, sondern Menschen in jedem Alter neu zu uns. Aus: -DER SPIEGEL-30-10-95-

15. Berliner Morgenpost 04.06.99

Ein Leben in der Falle

In der Bundesrepublik Deutschland wachsen 200.000 Kinder in Sekten auf. Vier Porträts

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16. Hannover Zeitung vom 21.01.1989

Sekten-Kirche zeigt ffn-Kirchenfunk an

Hannover. Wirbel um Kirchenfunksendung: Die „neuapostolische Kirche“ hat Strafanzeige gegen den evangelischen Kirchenfunk erstattet. Grund: Ein Beitrag über Sektenaussteiger, der am 6. Nvember des vergangenen Jahres bei „Radio ffn“ gelaufen war.

Der verantwortliche Redakteur, Jürgen Gutowski (33), ließ dabei den Schriftsteller und Journalisten Heinz-Peter Tjaden (3) zu Wort kommen, der ein Buch („Insel des Zweifels“) über seine eigene Sekten-Karriere geschrieben hat. Gegen Gutowskiund Tjaden laufen nun Vorermittlungen der hannoverschen Staatsanwaltschaft wonach beide eine Weltanschauung und eine Kirche verunglimpft haben.

Der 39jährige Hannoveraner warf der „neuapostolischen Kirche“ vor, sie habe kein Interesse an mündigen Mitgliedern. Und: „Die neuapostolische Kirche bezeichnet Diktaturen als Gottes Deinerinnen, die Kirchenleitung hat im Dritten Reich mit Hitler zusammengearbeitet“. Unmittelbar nach der Sendung waren Protestanrufe wütender Gemeindemitglieder eingegangen. Die „neuapostolische Kirche“ stellte Strafanzeige.

Die Verklagten nehmen´s gelassen. Gutowski: „Ich kann mir keine Vorwürfe machen, da wir nach demokratischen Grundsätzen arbeiten. Im februar senden wir wieder Beiträge über Sektenaussteiger. Darin wird eine ehemalige Neuapostolische zu Wort kommen.“ Derzeit will sich die „neuapostolische Kirche“ zu ihrer Strafanzeige nicht äußern.

17.DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT (19. Mai 2000)

CHRISTLICHE WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR

Gotteskinder im Dauerstress
Wie die Neuapostolische Kirche mit ihren Mitgliedern umgeht – ein Aussteiger legt einen Erfahrungsbericht vor

Seit einigen Jahren findet sich in der religiösen Ecke der Buchläden eine besondere Gattung: der Aussteigerbericht. Menschen, die sich aus den Fängen von Sekten, Psychokulten oder Pseudokirchen befreit haben, veröffentlichen ihre Erfahrungen. Warnend berichten sie, wie sie in die Gemeinschaft hineingerieten, welchen Lehren und Methoden sie dort ausgesetzt waren und wie zerstörerisch sie auf ihre Seelen einwirkten.

Bisher kam die Neuapostolische Kirche (NAK) in diesem Marktsegment nur mit einer Veröffentlichung (Siegfried Dannwolf, "Gottes verlorene Kinder. Ein Expriester klagt an") vor. Nun liegt erneut der Bericht eines Expriesters der NAK vor: Olaf Stoffel, 1956 geboren, war siebzehn Jahre lang Mitglied, davon zehn Jahre lang als ehrenamtlicher Priester.

Nach seinem Ausstieg hat es sich der promovierte Psychologe und Pädagoge zur Aufgabe gemacht, zur eigenen "inneren Befreiung" und als "Hilfe für alle, die Angst haben" – so seine Widmung -, das Bild der Neuapostolischen Kirche in der Öffentlichkeit zu korrigieren. Sie sei keineswegs eine harmlose christliche Sondergemeinschaft, als die sie sich selbst gerne darstelle. Den Mitgliedern werde durch die Verantwortlichen massives seelisches Leid zugefügt.

Stoffel stellt an den Beginn seines Aufklärungswerkes die Entwicklung der Kirche und die Grundzüge ihrer Lehre. Wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen liegen auch deren Wurzeln in den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts. Damit gehört sie zu den apokalyptisch und missionarisch ausgerichteten Gruppen, die ihren Gläubigen exklusives Heil versprechen.

Ihrem eigenen Verständnis nach regieren gewählte Apostel ihre Kirche und bereiten die Mitglieder, die "Familie der Gotteskinder", auf die Wiederkunft Christi vor. Der Gehorsam gegenüber den "Aposteln", die von einem "Stammapostel" angeführt werden, ist Voraussetzung für die angestrebte ewige Gemeinschaft mit Gott und Jesus Christus. Frauen dürfen keine Ämter übernehmen. Die straff hierarchisch organisierte Kirche zählt in Deutschland rund 200'000 Mitglieder, weltweit über acht Millionen; die meisten leben in afrikanischen und asiatischen Ländern.

Mit welchen subtilen Methoden die Neuapostolische Kirche ihre Mitglieder manipuliert und mit Angst- und Drohbotschaften gefügig mache, ist Gegenstand der folgenden Kapitel. Sie brauche keine Gewalt, um ihre Mitglieder zu halten. Vielmehr setze sie "psychische Anker, die eine innere Ankettung an die Gemeinschaft bewirken und schwer zu lösen sind" (S. 143). Schon die Kindergartenkinder würden mit Geschichten vom strafenden Gott traktiert und in rigide moralische Verhaltensmuster gepresst. Die Welt werde in einem simplen Gut-Böse-Schema dargestellt, wobei die Guten die gehorsamen, opferbereiten "Gotteskinder" seien.

Langjährige Mitglieder der NAK könnten sich häufig nicht als eigenständige, liebesfähige und liebenswerte Personen wahrnehmen. Sie seien nicht in der Lage, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, seien konfliktscheu und wenig reflektiert. Die geforderte Unterdrückung aller negativen Gefühle

 

 

 
© 2003 Quellentexte Redaktion, letzte Änderung 31.12.2003

 
 

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