Stirner Forum
Ueber Stirner Ueber Marie Theaterstueck Drehbuch Fotos Links Home
Neues Textforum Gaestebuch
   
Stirners Biograph
Stirners Kritiker
Stirner Zitate
Stirners Ideen
Stirners Einfluss
Literatur

 

Neues

 

Trips

von Thomas Schweisthal


Wir befinden uns nicht auf einem Trip
es geht morgens los
wenn die giftigen Finger
durchs Gitter greifen
nach dir greifen
und Schlangen dir durch den Arsch kriechen
du würgst dein Frühstück runter
es ist halb zehn
die Trambahn ist pünktlich
bringt die Bude zum Wackeln
und der Terror kommt von oben
und von unten
Spiritus Sanctus sitzt im Gebälk
seit 30000 Jahren
macht dich zur Mücke
und die Stadt liegt unter dir
aber ein vierter Stock ist keine vogelfreie Zone
oder doch?
Dein Blick könnte bis Wisconsin gehen -
so endet er am Baukran vor dem Großraumkino
aber Illusionen hast du genug
zumindest die, daß du noch welche hast
und dann schickt Scirocco seine heißen Bräute los
die die das Fell gerben
wie befinden uns hier nicht auf einem Trip
wir halten nur den Fahrplan ein
und es wird Nacht
dann sind die Autos die Tiere unter deinem Fenster
es ist ein gutes Zeichen
daß sie nie Ruhe geben
sie leben bis zu ihrem Tod
mach es wie sie
sie können nichts dafür
der Schlaf muß dich im Traum erwischen
der große Schlaf
und du bist nicht auf einem Trip
wenn es morgen früh wieder von vorne losgeht


High-Life im August

von Thomas Schweisthal

Wenn es schön ist im August
treiben die Leichen mit dem Kopf nach unten
den Fluß hinunter
Fische springen und sehen darüber hinweg
die Zeit liegt vor uns
um 12 Uhr ist es genau 12 Uhr zwei
und auf den Biertischen in den Biergärten
stehen stets volle Maßkrüge parat
der Kran auf dieser Baustelle genannt Stadt
hievt seine Ladung über leere Köpfe aber
überquellende Herzen hinweg
den Schutt hat man für diese seltene Hochphase
unter den Teppich gekehrt
wieviel weniger kann man an Unreinheit entdecken
wenn das Blau den Mörtel übertüncht
und der Glanz liegt nicht nur in Kinderaugen
denen ein Eis geschenkt und ein zweites versprochen wurde
und auch die Frauen geizen mit Freizügigkeit nicht
alles Unwichtige ist fortgelassen
der Stoff sitzt straff und knapp
das Runde darunter wirkt mystisch
wie mit der Sonne abgesprochen
die Menschen auf der Brücke sind Ameisen
aber ohne deren strenge Organisation
sie haben nichts vor
sondern gehen einfach den Weg, den sie gehen
und auch wenn es auf den mächtigen Steinquadern
unten am Dom zum Sitzen zu kalt ist
sie lachen einen nicht aus
und erschlagen einen auch erst wieder im Winter.


50 weiße Nelken

von Thomas Schweisthal

Es war Sommer, und die Ärztin meinte
ich könne die Pillen jetzt langsam absetzen
die roten, gegen depressive Verstimmung
erstmal auf die Hälfte
die blauen, gegen die Angstattacken
könne man eigentlich ganz weglassen
nur die weißen, gegen die Zwangszustände
die würde sie gerne noch ein paar Monate beibehalten.
Gut, es war Sommer, und da wird tatsächlich nicht mehr
so heiß gekocht wie im Winter
und das Laternenlicht war wieder natürlichen Ursprung
(vorausgesetzt, das große, leuchtende Ding da oben
auf der Ekliptik war nicht schon längst
ein Kernkraftwerk des weltumspannenden Energieverbundes)
also schmiß ich das restliche Zeugs, bis auf die weißen
ins Klo, und da die Beine der jungen Missis auch immer
länger wurden, hatte ich genug Ablenkung
um mich nicht mit dem verzwackten Stahlgerüst
meine Psyche auseinanderzusetzen, das Leben konnte
genossen werden, der Wein schmeckte wieder
die Katzen miauten, die Gedichte strahlten
und all die großen und kleinen Kriege
fanden woanders statt; ich trieb mich rum
wie ein Hund ohne Herrchen, überall ließen sich
ein paar Brocken aufheben, aus allem wurde etwas
wuchs etwas heran, und weil es mir so gut damit ging
legte ich ein Beet an und sähte die 50er Packung weiße Pillen
und zwei Wochen später konnte ich
auf einer Bank den Sonnenuntergang begrüßend
feststellen, daß die Rechnung aufgegangen war:
50 weiße Nelken wiegten sich in der Abendbrise
und ich schwor mir
die würden niemals eine Vase sehen.

Abläufe

von Thomas Schweisthal

Morgens um 5 Uhr beginnt sich das Rad zu drehn
Die Kastanie Tod fällt unter den Tisch
Sie ist eine Murmel, die an einem anderen Ende
zu einer anderen Zeit, wie eine verblaßte Erinnerung
wieder auftauchen wird

Dann Handtücherwerfen, die Eule jammern lassen
die aus dem Spiegel herübergrient, und das Messer ruhig halten
das das Fleisch schält, Mikrobe für Mikrobe
Planquadrate vermessen, ruhig Blut, ruhig Blut

Auf dem nächsten Planeten Kaffee kochen
dieser Zeitvertreib aus einer freigebiegen Hand
bricht Granit und spannt den Schirm
wir kommen in die Gänge und lesen Gedanken
ohne Weichen zu stellen

Es ist, wie mit einer Rose mitzuwachsen
um jede Biegung des Flusses
und abgestorbene Haut schwimmt davon
Zeitungsreste im Rinnstein
Mahlzeiten liegen hinter uns, wie Wurfpfeile

Die Landkarte, entrollt wie ein Teppich
bietet einer Herde Platz
Lagerfeuergeräusche
jetzt

sieh nur ja nicht unter dem Tisch nach


Showtime

von Thomas Schweisthal

Diesen Tag kannst du abhaken
dachte ich mir, aber halt, er war noch nicht
ganz vorbei, es geht immer weiter
wenn man sich sicher ist, es ist vorbei.
Ja, ein Nilpferd sprengte die Türe
und fraß meinen Aschenbecher 
- was für einen seltsamen Geschmack
manche Wesen doch haben -
dann furzte es blaue Bohnen
und sprang aus meinem Fenster im vierten Stock
unten machte es - Platsch -
und der Highway warf Wellen
die Autos schaukelten wie Seepferdchen
ich rannte die Treppe runter
das mußte ich von nahem sehen
die Ampeln waren ausgefallen
an meinem rechten Ohr sauste ein halbes Fahrrad vorbei
an meinem linken ein halber Fahrradfahrer
es war schön, es war die Hölle
ein einzigartiges Chaos, das nenne ich Demokratie
und als es schon beinahe langweilig wurde
kam einer auf mich zu und sagte:
"Hey, ich bin vollkommen irre!"
und ich sagte: "Schön, aber da bist du nicht der einzige!"
"Du Idiot, ich bin viel verrückter als ihr alle zusammen"
sagte wiederum er, und ich ließ ihm seinen Willen
obwohl er mich recht normal vorkam
und außerdem hatte ich genug von dem Gemenschel
also ging ich wieder in meine Bude
und nahm eine Kaffeetasse als Aschenbecher her -
Die Show hatte mich nicht viel gekostet.


Auf der Erde

von Thomas Schweisthal

Morgens, da unten am Fluß
das ist der Süden pur
die Autos sind freundlich
die Busse, die Brücken, der Beton
die Kirchturmglocken klingen anders
verspielter, jünger, ihnen fehlt
der sarkastische Unterton
der Mittagsstunde
die Henker sind noch tot
oder noch nicht geboren
wenn jemand grüßt, dann grüßt er

Morgens, da unten am Fluß
das ist ein Bild
zu schade, um es in die Westentasche zu stecken
und du verfluchst die vielen Kater
die dir den Morgen madig machen
aber auch die trunkenen Nächte brauchst du
mit Rimbaud und Verlaine
an deiner Seite, dann verfluchst du
die Stunde, wenn es hell wird

aber, wenn du ehrlich bist
dieses Licht- und Schattenspiel
hat auch sein Gutes:
es hält dich in Bewegung
und das ist ja wohl Sinn und Zweck
der ganzen Sache
hier unten
auf Erden.

Das Brüllen der Stiere

von Thomas Schweisthal

In einer sternenklaren Nacht
öffnete ich mir
mit einem einzigen
sauberen Schnitt
die Bauchdecke
und als die Gedärme
herausquollen
brüllten sie wie
tödlich beleidigte Stiere
und schlugen mir ihren
Dampf entgegen
und ich hielt ihnen
belustigt
eine Predigt
ich hatte einiges
mit ihnen zu bereden
und als es hellzuwerden
begann
verschnürte ich sie
zu einem Paket
und begrub sie unter einem
schlafenden Baum
in dessen Rinde jemand
ein Herz eingelötet hatte

Ab da hatte ich meine Ruhe
und wandte mich
wichtigeren Dingen zu
??

Jede Sache hat einen Haken

von Thomas Schweisthal


Und wieder langte es nicht für einen Urlaub im Süden
also ging ich morgens runter zur Donau
las Zeitung, warf die Zeitung in einen Papierkorb
ging in ein Stehcafé, trank zwei Espresso, aß ein Croissant
schlenderte durch die Gassen, landete in einem kleinen Park
wo sie Feigen-, Oliven-, Zitronen- und Orangenbäume
für den Sommer einquartiert hatten
ich roch an den Jasminblüten, bis mir die Sinne vergingen
dann schlief ich meistens ein
und wachte gegen 12 auf, ohne geträumt zu haben
ich hatte Hunger und nahm in einem nahegelegenen Bistro
ein Mozzarella-Baguette zu mir, trank Campari-Soda
zahlte und ging wieder runter zum Fluß
die vorbeiflanierenden Beine der Missis waren lang
ihre Gesichter entgingen mir, sie hingen zu hoch
was mich aber nicht störte, die vorbeidüsenden Motorboote
mit ihren barbusigen Galeonsfiguren störten mich auch nicht
denn wenn sie weg waren, warfen kleine Wellen aus ihrem Sog
sich gegen die Uferbefestigung, ein heilendes, ebenmäßiges Geräusch
Ich sah nicht viel, mehr hörte, roch und fühlte ich
und auch den Nachmittag roch ich
wenn er modrig aus der Donau kroch
und sich dicht an mich preßte
um mir die Luft zu rauben
dann ging ich in den Schatten
und die Pappeln rauschten wie das Meer
ich schloß die Augen, schlief ein paar Minuten
wachte auf, und der Abend kam mit heiterer Ruhe
aber er kam auch als bösartiger Giftmischer -
in Gestalt meiner Alten, die mich heftig keifend erwartete
um zu fragen, wo ich mich den ganzen Tag über
rumgetrieben hätte.

Copyright © 2001 Thomas Schweisthal

 

mailen Sie dem Autor Ihre Meinung

PO EM VERLAG

 

 

Zurueck nach oben

 

 

 

 

Hosted by www.Geocities.ws

1