Der Katholik Hitler
Von Sabine Scholz
Seltsamerweise
erinnert sich kein Schüler daran, jemals einen Juden kennen gelernt
zu haben. Gibt es keine mehr in Deutschland oder leben sie incognito?
Wenn es sie gäbe, müssten sie doch begriffen haben, dass die am
Holocaust Schuldigen längst tot waren. Wovor fürchten sie sich?
Haben sie kein Vertrauen in die deutsche Demokratie?
Paula kann
an der Kirche nichts Gutes finden und nützt jede Gelegenheit über
die Verfehlungen des Heiligen Stuhls zu diskutieren. Vor allem will
sie eine Antwort von ihrem Geschichtslehrer. Sie nimmt ihren ganzen
Mut zusammen und fragt ihn:
„Warum hat die Kirche nichts gegen Hitler gemacht? Wenn Papst Pius
XII eingegriffen hätte, hätte ein Drittel der getöteten Juden
gerettet werden können!“
Der Lehrer bleibt stehen und sieht sie böse an.
„Irre ich mich in der Annahme, dass du nicht gläubig
bist?“
Er will Zeit zu gewinnen und hat nicht sofort eine Antwort parat wie
sonst.
„Hitler war ein gläubiger Katholik und verlangte das auch von
seinen Anhängern. Deswegen schloss er auch 1933 das Konkordat des
Reiches mit der Kurie.“
„Die Kirche hätte sich von Hitler distanzieren müssen, wenn sie
ihre Lehre vom Frieden und der Brüderlichkeit wirklich ernst
genommen hätte!“ sagt Paula.
„Der Führer wollte ja letztendlich den Frieden für Deutschland,
doch vorher musste er eben einige Todfeinde zur Räson bringen. Außerdem
sind es die Juden gewesen, die unseren Herrn Christus ans Kreuz
geschlagen haben, falls du das vergessen hast!“ schreit
Hildebrand. Die Schülerin hat ihn in Rage gebracht.
„Das heißt also, dass Hitler im Namen der Kirche handelte, als er
sie vernichten ließ?“
„Nein, so kann man das nicht ausdrücken. Aber ein Eingreifen des
Heiligen Stuhls hätte sicherlich das Schicksal der Juden verschärft.
Ist es das, was du willst?“ versucht sich der Lehrer
herauszureden.
Jetzt meldet sich auch Aki.
"Das
klingt ja so, als hätte der Vatikan Auschwitz befürwortet!“
„So kann man das nicht sagen!“ protestiert der Lehrer in die
Enge getrieben.
"Dennoch waren die Juden natürlich auf Grund ihrer Verwicklung
in den Mord von Jesus Christus ein der Kirche nicht nahestehender
Interessenkreis.“
„Also hat die Kirche stillschweigend dem Morden von Millionen von
Menschen zugesehen.“ folgert Paula.
„Nein, die Kirche ist nur neutral geblieben.“ antwortet der
Lehrer.
„Neutral nennen Sie das!“ schreit Aki.
„Ich bin entsetzt darüber, dass man den Papst nicht auch bei den
Nürnberger Prozessen zur Rechenschaft gezogen hat.“ fügt Paula
hinzu.
„Das geht entschieden zu weit! Die Kirche hat sich keines
Vergehens gegen die Moral schuldig gemacht.“
„Heißt es nicht: Du sollst nicht töten?" fragt Paula.
„Uns interessieren hier ja nicht alle Juden, sondern nur die zum
katholischen Glauben konvertierten, die christlichen Juden.“ sagt
der Lehrer.
„Hitlers größtes Verdienst war ja etwas ganz anderes: Er hat die
unchristliche Sowjetunion bekämpfen wollen und in dieser Absicht
kann man wirklich nichts Schlechtes finden. Die Russen waren doch zu
Tieren entartet. Deutschland drohte eine rote Flut, die das Beste,
was unsere Nation hervorgebracht hatte, zu vernichten drohte.“
„Zum Glück kam es ja anders und Hitler verlor den Krieg. Nicht
auszudenken, was passiert wäre, wenn er gewonnen hätte!“ sagt
Aki.
„Da wäre heute vieles besser!“ sagt der Lehrer den Tränen
nah.
„Der Stellvertreter Gottes auf Erden hat überhaupt keine Ähnlichkeit
mit dem wahren Christentum.“ sagt Paula.
„Die Priester geben ein Armutsgelübde ab und lassen sich dicke
Gehälter auszahlen. Von Berufung zum Dienst am Nächsten kann überhaupt
keine Rede sein. Der Pfarrer, bei dem meine Mutter putzt, zahlt ihr
nicht einmal Sozialabgaben und wenn er in Urlaub fährt bekommt sie
kein Urlaubsgeld. Finden Sie das richtig?“
„Was die Priester privat machen, geht uns doch nichts an. Sie müssen
Geld zurücklegen für den Zeitpunkt, wo sie in Pension gehen. Dann
müssen sie das Pfarrhaus verlassen. Wenn sie nicht gut bezahlt wären,
würde keiner in Deutschland mehr Priester werden wollen.“
„In Italien und in Frankreich ist das anders. Da leben die
Priester noch nach dem Armutsgebot. Sie opfern sich auf. In diesen Ländern
gibt es auch keine Kirchensteuer. Die Kirche lebt von Almosen. Ich
finde das richtig! In Deutschland dagegen leben die Priester wie die
Maden im Speck!“ sagt Paula.
„Ja,
spiele du nur die Moralistin. Du wirst schon noch sehen, wohin dich
das führt. Da haben sie ganz anderen schon den Mund gestopft!“
droht der Lehrer. Er betrachtet damit die Diskussion für beendet.
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© Oktober 2002 Sabine Scholz
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