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Der Unwissende als Meister - ein platonischer Dialog über Globalisierung

von Karl Reichert


Sokrates: 
Du, mein edler Zeon, hast die Attentate vom 11. September als absolutes Ereignis beschrieben und die USA beschuldigt, durch ihre Übermacht den unwiderstehlichen Wunsch nach ihrer Zerstörung zu wecken. 

Zeon: 
Nein, nein, mein großer Sokrates, ich habe nichts verherrlicht. Ich bemühte mich, einen Prozess zu analysieren - den der Globalisierung, die durch ihre schrankenlose Ausdehnung die Bedingung für ihre eigene Zerstörung schafft. 

Sokrates: 
Du, mein großartiger Zeon, erklärst den terroristischen Wahn als unausweichliche Reaktion auf ein System, das selbst größenwahnsinnig geworden ist?

Zeon: 
Ja, ich bekenne, Du, mein allwissender Sokrates, das System selbst in seinem totalen Anspruch hat die objektiven Bedingungen dieses furchtbaren Gegenschlages geschaffen. Der immanente Irrsinn der Globalisierung bringt Wahnsinnige hervor, so wie eine unausgeglichene Gesellschaft Delinquenten und Psychopathen erzeugt. 

Sokrates: 
Aber, Du, mein mir ebenbürtiger Zeon, deutest die Anti-Globalisierung als legitimen Widerstand, redest sogar von Selbstzerstörung. Ist das nicht das Skandalöse an Deiner Analyse - das diese das Moralische völlig auslässt? 

Zeon: 
Auch da irrst Du leider, mein Sokrates, Held der Urgewalten, ich bin auf meine Weise durchaus Moralist. Es gibt eine Moral der Analyse, eine Pflicht zur Aufrichtigkeit. Ich will damit sagen, dass es unmoralisch ist, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Ich suche die Konfrontation mit dem Ereignis, so wie es ist. Wer das nicht kann, wird zu einer Falschschreibung der Geschichte verleitet. 

Sokrates: 
Wer so klug redet, Du, Zeus-geküsster Zeon, solltest dann aber auch erklären können, warum sich Globalisierung gegen sich selbst richtet, warum sollte Sie Amok laufen, da sie doch Freiheit, Wohlstand und Glück für alle verheißt? 

Zeon: 
Das, mein Weltenbeleuchter Sokrates, liegt, wie das Orakel von Delphi, in Götterhand. 
Lass es mich aber wenigstens versuchen: Das ist die utopische Sicht, die Reklame gewissermaßen. Doch es gibt, und das ist das Primäre, leider kein gänzlich positives System, denn, im allgemeinen sind positivistische Geschichtsutopien äußerst mörderisch, wie Faschismus und Kommunismus gezeigt haben. 
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Globalisierung beruht, wie früher der Kolonialismus, auf einer ungeheuren Gewalt. Sie schafft mehr Opfer als Nutznießer, auch wenn die westliche Welt mehrheitlich davon profitiert. Natürlich kann die westliche Welt jedes Land befreien, aber was wäre das für eine Befreiung? Die Globalisierung wird angepriesen wie der Endpunkt der Aufklärung, die Auflösung aller Widersprüche. In Wirklichkeit verwandelt sich alles in einen verhandelbaren, bezahlbaren Tauschwert. Dieser Prozess ist extrem gewaltsam, denn er zielt auf eine Vereinheitlichung als Idealzustand ab, in dem alles Einzigartige, jede Singularität, mithin auch jede andere Kultur und letztlich jeder nichtmonetäre Wert aufgehoben würden. 

Du siehst, an diesem Punkt bin ich Moralist!


Copyright © Januar 2002 Karl Reichert

 

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