DER KRIEG DER KÖNIGIN
Chakri Chalerm Yukol: Suriyothai (2001)
Piyapas Bhirom Bhakti als Somdet Phra Suriyothai



EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN
(Fortsetzung von Teil I)

Darf Dikigoros Euch auch gleich mit seiner Schlußkritik ins Haus fallen, liebe Leser? Er geißelt ja immer wieder Filme, in denen die Lebensgeschichte der Helden abbricht, bevor dem Zuschauer klar wird, wie wenig heldenhaft sie eigentlich war, und die uns die z.T. entsetzlichen Folgen ihres Handelns vorenthält - er erinnert nur an Cromwell, Garibaldi und Venizelos. Aber kann man das Yukol eigentlich vorwerfen? Er läßt den Film doch mit dem Tode seiner Heldin enden, oder? Ja, gewiß, aber es gibt kaum einen ungeeigneteren Zeitpunkt für dieses Ende - wenn es sich denn überhaupt so abgespielt hat, woran Dikigoros erhebliche Zweifel hegt. Wahrscheinlich zogen Suriyothai und ihre Tochter nicht heldenhaft in die Schlacht, um an vorderster Front mit zu kämpfen (obwohl uns der Film ständig, aber wenig glaubhaft, vorführt, wie sie sich in der Handhabung alter und neuer Waffen - Pfeil und Bogen, portugiesischer Musketen und eben der Kampfsichel - übt), sondern im Troß der Nachhut, sozusagen als moralischer Rückhalt der kämpfenden Truppe, während der König vorne mitkämpfte - und wahrscheinlich auch fiel, da sind sich die Quellen nicht ganz einig. Ärgerlicherweise gelang es den Barmesen - angeblich durch Verrat -, die Truppen Ayutthyas zu umgehen und die Nachhut platt zu machen; dabei fiel ihnen auch der Troß in die Hände und die Königin zum Opfer. Und - ihr Opfer war vergeblich (insofern war es völliger Blödsinn, wenn die australische "Cinematic Intelligence Agency" den Film mit dem Satz ankündete: "Eine Frauenkriegerin änderte den Lauf der Geschichte"); denn die Barmesen eroberten - nach den einen Quellen - Ayutthya trotzdem (kurz vor Beginn der Regenzeit, welche die Stadt durch Überschwemmung der Umgebung gerettet hätte), nach anderen Quellen gelang ihnen das zwar 1549 noch nicht, wohl aber sieben Jahre später, das ganze Land wurde zur barmesischen Kolonie, der Prinz und die Prinzessin wurden als Geiseln mit nach Barma genommen. Im Gegensatz zu den braven Thais - die in solchen Fällen auch den Nachwuchs zu töten pflegten, wie wir gleich sehen werden - waren die bösen Barmesen so dumm, das nicht zu tun; statt dessen versuchten sie, ihn in ihrem Sinne umzuerziehen und später als Marionettenherrscher einzusetzen. [Das geht fast immer schief, dafür gibt es in der Geschichte zahlreiche Beispiele. Euch, liebe deutsche Leser, ist wahrscheinlich am besten die Geschichte von Hermann dem Cherusker bekannt, der als Geisel in Rom zum "Arminius" wurde und den Römern später nichts als Scherereien bereitete; noch viel wichtiger sollte Euch aber die Geschichte des Georgios Kastriota sein, der als Geisel in Adrianopel zum "Iskander beğ" - heute meist "Skanderbeg" geschrieben - wurde und der den Türken später nichts als Scherereien bereitete; hätte er sie nicht einige Jahrzehnte in Albanien aufgehalten, wären sie bereits im 15. Jahrhundert nach Mitteleuropa vorgestoßen, als es noch keinen Zrinyi und auch sonst niemanden gab, der sie wieder hätte hinaus werfen können. DeutschlandAlmanya wäre 600 Jahre eher türkisch geworden!] Aber sie hatten nicht mit dem Patriotismus (Nationalismus, Rassismus - nennt es wie Ihr wollt, liebe Leser) der Syāmesen gerechnet: Prinz Naresuan, kaum daß ihn die Barmesen mit 15 Jahren als Vizekönig von Pitsanulok eingesetzt hatten, erklärte sich für unabhängig und besiegte die Barmesen in mehreren Schlachten so vernichtend, daß die Thais für rund 200 Jahre Ruhe vor ihnen hatten. (Bis 1767, als die Barmesen erneut Ayutthya eroberten - und zerstörten, denn sie hatten ihre Lektion, daß es sich nicht lohnte, dort eine Marionette einzusetzen, nicht vergessen :-) Kurzum, nicht Suryothai, sondern Naresuan war der wahre Held jener Zeit, denn seine Siege bzw. ihre Folgen waren von Dauer.

[Exkurs. Das hat man auch in Thailand so empfunden und deshalb bald beschlossen, eine Forsetzung von "Suriyothai" zu drehen, die dieser Tatsache gerecht würde. Da sich abzeichnete, daß das ganze wieder ziemlich teuer werden würde ("Suriyothai" soll dem Vernehmen nach der kostspieligste Film der Kinogeschichte gewesen sein; aber über die genauen Zahlen bewahren die Thais eisernes Schweigen :-) mußte erneut Königin Sirikit ihre Schatulle öffnen, und die griff natürlich wieder auf den bewährten Yukol zurück; der drehte dann einen Dreiteiler mit dem Titel "Naresuan", der anno 2007 auf den thailändischen Kinomarkt kam. Im Ausland hatte man dagegen fürs erste genug von Geschichts-Unterricht à la Thai. Auch Ihr, liebe westliche Leser, habt Euch vielleicht schon gefragt, wie man der Geschichte Hinterindiens im 16. Jahrhundert so große Beachtung schenken kann. Geschahen damals nicht allenthalben Dinge, die weitaus bedeutender waren für den Gang der Weltgeschichte als diese albernen Auseinandersetzungen der Syāmesen untereinander und mit den Barmesen? Die Spanier zerstörten die Reiche der Inka und Azteken und bauten ein Weltreich auf, in dem die Sonne nicht unterging - wer dachte da noch an den bloßen Sonnenaufgang? Die Türken eroberten Südosteuropa und Nordafrika. Die Muģalen eroberten Indien - und in Europa begann die Reformation ihren blutigen Siegeszug. Pardon, aber da muß Dikigoros ganz entschieden widersprechen, denn er erlaubt sich - wie immer -, jene Ereignisse nach ihrem Einfluß auf die Gegenwart zu bewerten. Das Weltreich der Spanier ist untergegangen, und seine letzten Spuren in dem Kontinent, der noch "Latein"-Amerika genannt wird, werden gerade getilgt, denn in fast allen dortigen Ländern sind inzwischen wieder Nachfahren jener Indios an die Macht gekommen, die dabei sind, die Nachkommen der Spanier und ihre verhaßte Zivilisation auszurotten (aber das ist eine andere Geschichte). Die Türken sind aus Nordafrika längst wieder vertrieben worden; und in Südosteuropa ging es ihnen zunächst ebenso. (Ihr neuerliches Eindringen nach Europa - sogar bis nach Mitteleuropa - steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Schlacht von Mohac anno 1526, sondern ist einzig und allein auf die verbrecherische Politik der BRD- und RÖ-Machthaber seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zurück zu führen, die es versäumt haben, der schleichenden Invasion von Millionen Türken rechtzeitig einen Riegel vorzuschieben.) Und auch die Zeit der Moģulen in Indien ist längst vorbei; zwar hat sich in ihrem Gefolge der verfluchte Islām über weite Teil des Subkontinents ausgebreitet; aber sein Herzland, Bhārat, hat sich den Hinduïsmus bewahrt; und die Chancen, den Islām dort eines Tages ganz auszurotten, stehen vielleicht gar nicht so schlecht, wie einige Friedensapostel im Westen das meinen. (Dikigoros sprach erst kürzlich wieder mit einem Führer der "militanten" Hindūs aus Dillī... aber lassen wir das, es führt uns zu weit vom Thema ab.) Und die Reformation? Pardon, liebe Leser, aber wer glaubt denn heute noch ans Christentum, oder gar an den Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestantismus und daß dieser notwendig [gewesen] wäre? Eben, niemand, man hätte sich das ganze also schenken können. Dagegen ist die Monarchie Syāms/Thailands - egal ob da nun im einzelnen eine dynastische Kontinuität besteht oder nicht - die älteste der Welt. (Nein, liebe Limeys, Ihr hattet zwischendurch Cromwell! :-) Insofern ist es durchaus nachvollziehbar, daß das Königshaus (dessen Herrscher übrigens 2001, als der Film in Thailand heraus kam, auch der weltweit am längsten regierende Monarch war - und auch als der am längsten regierende Monarch seiner Zeit in die Geschichte eingehen wird, wenn er denn die englische Queen überlebt, die just aus diesem Grunde - und auch, weil sie noch den Rekord ihrer Urgroßmutter brechen will - nicht vorzeitig abdankt) jene Epoche im Film hat verewigen lassen. Exkurs Ende.]

Von jener Eingangs- und Schlußszene abgesehen, hat Yukol den Film streng chronologisch aufgebaut, ohne jene häufigen Rückblenden, mit denen uns gewisse andere Regisseure so gerne verwirren. Dennoch bezeichnen ihn westliche Kritiker wie Jeff Vice als eine "ermüdende Geschichte" mit verworrener Handlung und Figuren, die man kaum auseinander halten kann, geschweige denn, daß man ihre Motive nachvollziehen könnte. Hm... darf Dikigoros zur Abwechslung mal den advocatus diaboli spielen und eine Lanze für die Thais brechen? Oder besser gleich drei Sicheln? Also: 1. Die Handlung des Films ist nicht verworrener als es die menschliche Geschichte in der Realität nun mal ist - nur fantasiebegabte "Historiker", Drehbuchschreiber und Regisseure vereinfachen sie bisweilen so sehr, daß beim Zuschauer die Illusion eines "roten Fadens" erzeugt wird. Darauf hat Yukol bewußt verzichtet, und das ist gut so. Wem das zu "ermüdend" ist, der soll sich den "Förster vom Silbersee" oder irgend eine andere Schmonzette anschauen, aber keine historischen Filme. 2. Daß ein Westler die Figuren kaum auseinander halten kann, liegt zum einen daran, daß in unseren Augen halt alle "Schlitzaugen" mehr oder weniger gleich aussehen (wie für die Gelben für gewöhnlich alle "Langnasen" mehr oder weniger gleich aussehen :-) Aber das ist es nicht allein: Das asiatische Theater - in dessen Tradition das Kino halt auch dort steht, genau wie bei uns - wollte keine Personen mit individuellen Gesichtszügen, sondern typisierende Masken (damit ein Stück zeitlos immer wieder gleich aufgeführt werden konnte, unabhängig von den Schauspielern); das war schon in China so und war und ist in den auf dessen Vorbild zurück gehenden Theaterbühnen Japans, Indonesiens und Thailands nicht anders. (Aber erinnern wir uns, liebe Leser, daß das ursprünglich auch in Europa so war: Im alten Hellas - der Wiege unseres Theaters - traten die Schauspieler ebenfalls unter Gesichtsmasken auf, durch die hindurch sie sprachen - daher kommt unser Wort "Person", vom lateinischen "per-sonare [durch-tönen]".) Ost- und südostasiatische Schauspieler bemühen sich also grundsätzlich - nicht nur in diesem Film - eher um nicht allzu viel "Individualität", d.h. sie wollen den Figuren, die sie darstellen, nicht ihre eigenen Züge überstülpen. Warum hat Dikigoros diesen Film dann gleichwohl in seine Sammlung aufgenommen, in der es ihm doch gerade um dieses Fänomen geht? Weil es eine Ausnahme gibt, und das ist just die Darstellerin der Suriyothai. Pipayas Bhirom Bhakti ist eine schlechte Schauspielerin, ja eigentlich war sie gar keine Schauspielerin, und sie hat wohl zulange im westlichen Ausland - in den USA - gelebt, um zu lernen, ihre Gesichtszüge zu beherrschen, wie das eine ordentliche Thai tut. (Auch das berühmte - und bei unwissenden Farangs ebenso geliebte wie mißverstandene - Lächeln der Thais ist bekanntlich nur eine Maske; aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle; er hat sich in der Überschrift bewußt jegliche Anspielung auf jenes Mißverständnis à la "Land des Lächelns" verkniffen.) Deshalb fällt sie im Film aus dem Rahmen; und nur deshalb hat sie auch die Rolle der Suriyothai auf sich zu prägen vermocht. [Insofern wäre es nicht weiter tragisch, wenn die Naresuan-Trilogie nicht bei uns in die Kinos käme; denn "Pipa" spielt ja nicht mehr mit; und die Titelgestalt wurde mit zwei völlig nichts-sagenden Schauspielern besetzt - Dikigoros hat sich den Trailer angeschaut -, die den großen Naresuan schwerlich auf sich prägen werden. Das wird allerdings nicht der Grund sein, uns diesen Streifen vorzuenthalten, vielmehr daß er noch blutrünstiger ist als "Suriyothai", und daß kaum noch etwas von der Handlung übrig bliebe, wenn man alle "grauamen" Szenen heraus schneiden würde.] 3. Auch die Motive der Handelnden sind durchaus erkennbar, jedenfalls in der Ursprungsfassung (die dem Vernehmen nach acht Stunden lang gewesen sein soll), und ebenso in der Langfassung von fünf Stunden, die es als DVD in Thailand zu kaufen gibt. Nun muß Dikigoros gestehen, daß er auch die letztere nicht kennt, sondern "nur" die auf 185 Minuten gekürzte Thai-Fassung mit englischen Untertiteln, und an der merkt man schon sehr deutlich (jedenfalls merkt es Dikigoros), daß einige Dialoge beschnitten worden sind, wenn es um die Motive des Handelns geht. (Erinnert Ihr Euch an Cleopatra? Da war es ganz ähnlich!) Das gilt erst recht für die noch viel stärker (auf 142 Minuten) gekürzte englischsprachige Fassung, die Francis Ford Coppola für die US-Kinos zusammen gepfuscht hat und welche die Bezeichung "offizielle Auswahl" erhielt. (Er brauchte dafür sage und schreibe zwei Jahre, bis 2003! Ein weiteres Jahr dauerte es, bis der Film auch die australische Zensur passiert hatte; eine deutsche Fassung gibt es bis heute nicht.) Es ist auch klar, warum, denn schon das wenige, das in der gut-drei-Stunden-Fassung nicht weg gekürzt wurde, ist für westliche Ohren unangenehm genug - Dikigoros wird auf diese Passagen ausführlich zurück kommen, denn er hält sie - auch pädagogisch - für besonders wertvoll.

Genug der Vorrede. Nach dem vorweg genommenen Heldentod der Suriyothai blendet der Film zurück ins Jahr der Ratte, 1528. Damals gibt es auf dem Boden des heutigen Thailand zwei Königreiche, in denen - wie uns die an Stummfilmzeiten gemahnende Zwischentafeln berichten - Frieden und Wohlstand herrscht: Ayutthya (wo König Rama Thibodi II herrscht) und Pitsanulok (wo [Vize-]König Athitya herrscht). Prinzessin Suriyothai, die Tochter eines eher unbedeutenden Provinzfürsten aus Pitsanulok, besucht eine Elefantenjagd, um ihre Jugendliebe, den Fürsten Piren, wieder zu sehen - was ihr unter Überlistung der sie begleitenden Hofschranzen auch gelingt. Erinnert Euch diese Szene mit dem langen Gedankenaustausch irgendwie an das [Wieder-]Kennenlernen von Sissi und Franz-Joseph? Dikigoros ist ziemlich sicher, daß sie dieser nachempfunden ist. Aber das Ende ist ein ganz anderes: Während bei den Habsburgern die dynastische Vernunft der Laune eines romantisch Verliebten geopfert wird (mit für Österreich katastrofalen Folgen), setzt sich in Thailand die Vernunft durch: Suriyothai ist dem Sohn des Vizekönigs, Kronprinz Tien, bestimmt; und wenn sie schon nicht auf ihren Vater hört (sondern von zuhause flieht, fast wie Sissi nach Possenhofen :-), macht ihr König Rama Thibodi, nachdem er sie wieder eingefangen hat, im persönlichen Gespräch klar, daß es für den inneren Frieden und die Stabilität des Vaterlandes unabdingbar ist, Tien zu heiraten.

Moment mal, wieso ist denn das so wichtig? Das gehört zu den Motiven, die nicht groß gekürzt worden sind, weil sie nicht länger ausgeführt zu werden brauchten als mit dem Satz: "Wenn du Tien nicht heiratest, könnte es zum Bruch kommen zwischen Pitsanulok und Ayutthya." Jedem Thai, der sich ein wenig mit der Geschichte seines Landes auskennt, genügt das; aber für Euch, liebe westliche Leser, muß Dikigoros das ein wenig näher erläutern: Der erste syāmesische Staat, den man als solchen bezeichnen konnte, war in Sukothai entstanden. (Dort hat man in den 1980er Jahren, vor den Toren der heutigen Stadt, ein riesiges Freilichtmuseum errichtet, in dem Ihr all das begaffen könnt, wovon man glaubt - oder Euch weis machen will -, daß es früher dort gestanden habe; Dikigoros hat es noch als Ruinenfeld kennen gelernt, wo sich jeder seinen eigenen Reim drauf machen konnte und mußte.) Dort hatte man sehr viel indische Kultur über- und aufgenommen - hauptsächlich von den Mon und Khmer. Weiter im Süden bildete sich etwas später ein zwar weniger kultiviertes, aber dafür umso kriegerisches Staatswesen um Ayutthya; und um die Sache kurz zu machen: Eines Tages eroberten die Herrscher Ayutthyas (es waren die selben, die auch das Khmer-Reich von Angkor im heutigen Kambodyā zerstörten) das alte Reich von Sukothai und setzten in Pitsanulok einen der ihren als "zweiten König" (den Dikigoros "Vizekönig" nennt, denn er war nicht gleichberechtigt, und es gab auch keine zwei Reiche) ein. Noch später verlegten sie ihre Hauptstadt ganz nach Pitsanulok, um von dort aus auch das Reich von Lan Na zu erobern (das heutige Nord-Thailand zwischen Chieng Mai und Chieng Rai), das wiederum von den Barmesen unterstützt wurde. Irgendwann, genauer gesagt drei Jahre bevor Rama Thibodi an die Regierung kam, verlegten sie ihre Residenz jedoch wieder nach Ayutthya, weil es auch dort gärte. Sie hatten nämlich die alte Dynastie von U-Thong gestürzt; und... aber darauf kommen wir später zurück. Einstweilen galt es die Stämme von Sukothai zu beschwichtigen; deshalb mußte Suriyothai - die eine von ihnen war - den Thronfolger des Vizekönigs von Ayutthya (der jetzt wieder in Pitsanulok saß) heiraten, und nicht ihren eigenen Vetter Piren, auch wenn der schöner, tüchtiger, kriegerischer und was sonst noch alles war. Und wie Ihr wißt, liebe Leser, sind Thai-Frauen in solchen Dingen pragmatisch; sie sind bereit, noch viel Schlimmeres in Kauf (im wahrsten Sinne des Wortes, denn in Thailand wurden und werden Frauen bekanntlich ge- bzw. verkauft :-) zu nehmen, wenn es für Volk, Führer und Vaterland, pardon für König, Sippe und Familie gut und lohnend ist, selbst die Heirat mit so einem widerlichen, stinkenden, langnasigen Farang, und ein Leben in Rassenschande mit Bastarden von ihm... damit verglichen ist die Heirat mit dem ungeliebten, aber auch nicht gerade abstoßenden Tien doch wahrlich kein großes Opfer. Also, gesagt, getan, schöne Hochzeitszeremonie (auch wie bei Sissi :-) und Blende.

1529, im Jahre des Ochsen. König Rama Thibodi erscheinen am Himmel unheilvolle Zeichen; kurz darauf stirbt er. Berittene Boten (jawohl, die Portugiesen hatten den Syāmesen Pferde mit gebracht, so wie die Spanier den Indianern Amerikas - vorher ritt man dort auf Elefanten bzw. ging zu Fuß :-) jagen nach Pitsanulok und bringen Athitya die Nachricht, daß er den Thron geerbt hat. Der bricht sofort nach Ayutthya auf und lacht sie dort erstmal eine neue Königin an, nein, eine neue Erste Prinzgemahlin, denn natürlich hat er einen Harem, auch wenn das im Film - jedenfalls in der gekürzten Fassung - nicht ausdrücklich gesagt wird, nämlich Prinzessin Oon, die Tochter des Fürsten Yåmaraj. So weit so gut - oder auch nicht. Drei Jahre später kommt Piren nach Pitsanulok - wo Tien und Suriyothai (die inzwischen endlich schwanger ist) beim neuen Vize-König Chai Raja leben - und warnt sie, daß es so nicht mehr lange weiter gehen kann: Die Nachbarn im Norden werden frech, und der König tut nichts. Dafür tun andere etwas: Wir sehen einen Waffenhändler, der Fürst Yåmaraj besticht, damit seine Tochter den König überredet, chinesische Kanonen zu kaufen (statt der besseren portugiesischen, die sein Vorgänger bevorzugt hatte). Dann kreuzt ein gewisser Rajasaneha, Hauptmann a.D. der Palastwache, mit dem harten Kern derselben in Pitsanulok auf und bietet Tien seine Dienste an, mit der Begründung, er sei auf Betreiben von Fürst Yåmaraj in Ayutthya entlassen worden. Schau mal an - sollte sich da der Riß anbahnen, der durch die Heirat Suriyothais mit Tien gerade vermieden werden sollte? Denn als Königin Oon ein Knabe geboren wird und die Nachricht davon nach Pitsanulok dringt, erfährt der Zuschauer zu seiner Überraschung, daß Tien nun nicht mehr Kronprinz ist; denn dadurch, daß der König Oon zu seiner Hauptfrau gemacht hat, ist Tiens Mutter (posthum?) zur Konkubine abgesunken, und er selber folglich nur noch zweite Wahl in der Thronfolge. Schwachsinn? Sicher, liebe Leser; aber glaubt bloß nicht, daß so etwas in der europäischen Geschichte nicht auch vorgekommen wäre. Mord und Totschlag, Kriege, der Untergang ganzer Dynastien und sogar Staaten waren die Folge solcher und ähnlich alberner Erbschaftsregelungen. Tien trägt es jedoch mit Fassung: "Wahrscheinlich habe ich in meinen früheren Leben nicht genügend Verdienste angesammelt," sagt er zu Suriyothai, "gegen sein Schicksal kommt niemand an." [Er meint natürlich nicht das, was auf Englisch "destiny" heißt und so in den Untertiteln steht, sondern das, was die Inder "Dharm" nennen; aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.]

Tja, und schon naht das Schicksal mit Riesenschritten - aber ganz anders, als alle gedacht haben: Im Jahr der Schlange, 1533, bricht eine Pockenepidemie aus, die auch vor dem Palast von Ayutthya nicht Halt macht. Auf dem Totenbett nötigt der alte König Tien und Chai Raja den Schwur ab, Oons Sohn als neuen König anzuerkennen. Was sind solche Schwüre wert, liebe Leser? Wenn sie, wie hier, erzwungen werden, sind sie null und nichtig, vor Gott und den Menschen, basta. Aber selbst wenn man sich hier auf den Standpunkt stellen wollte, daß der todkranke König doch gar niemanden mehr zu irgend etwas zwingen, allenfalls an die Moral appellieren konnte, die Schwüre also doch halbwegs "freiwillig" waren, dann sind sie doch nur so viel wert wie der Gott oder die Götter, vor denen man sie leistet; und wenn die durch ein oder mehrere Zeichen zu erkennen geben, daß sie ihre Einhaltung nicht wünschen... So auch hier: Verräter melden sogleich per Brieftaube nach Barmā, daß der alte König von Ayutthya gestorben ist und daß auf dem Thron nun ein Kleinkind sitzt. König Tabing Shwehti - der die Maske des Bösewichts trägt, anders kann man es einfach nicht nennen - will denn auch sogleich zum Angriff schreiten; aber ein weiser alter Berater hält ihn zurück: "Die Zeit ist noch nicht reif; Chai Raja wird die Herrschaft an sich reißen, und der ist ein nicht zu unterschätzender Soldat; erobern wir lieber erstmal Bassein." Gesagt, getan - mit Hilfe der bösen (portugiesischen) Farangs und ihrer Kanonen. Ja, auch die Barmesen sind böse Ausländer, aber eben keine Farangs; dennoch sind sie leicht zu erkennen: So wie in amerikanischen Filmen die Bösen immer Pickelhauben oder Stahlhelme tragen wie einst die "Hunnen" bzw. die "Nazi-Deutschen", so tragen die bösen Barmesen hier alle einen charakteristischen Hut, ähnlich - wenngleich nicht so reich verziert - wie der ihres König. (Dies als Hinweis für die armen westlichen Kritiker, die dauernd die handelnden Personen verwechseln :-)

Aber Syām bekommt auch so genug Probleme: Der Vater von Prinzgemahlin Oon - die ihre Zeit damit vertändelt, im Palast alberne Spielchen mit ihrem Kleinkind zu veranstalten, was ja eigentlich Sache der Kindermädchen wäre - befördert den Kanonenhändler zum Wirtschafts-Minister; und schon bricht die Inflation aus, "vor allem für Importwaren aus Portugal und China", wie irgendjemand zu Suriyothai bemerkt, als die ganz entsetzt davon erfährt. Importwaren aus Portugal und China, wird sich der Zuschauer fragen, wozu denn das? Die Antwort gibt Suriyothai gleich selber, nachdem ihr eine Hofschranze versichert hat, daß noch genug Geld in den Kassen sei, um nicht zu verhungern: "Aber wir brauchen viel mehr Geld, denn wir müssen Waffen kaufen, moderne Waffen, aus Portugal!" Dafür opfert sie sogar ihren Familienschmuck. Unterdessen macht Chai Raja - wie von Tabing Shwehtis Berater richtig vorher gesagt - Nägel mit Köpfen (was Ihr bitte wörtlich nehmen wollt, liebe Leser :-). Er zieht nach Ayutthya, räumt mit dem korrupten Saustall dort auf und setzt sich selber auf den Thron. Tien reitet sofort, als er das erfährt, hinterher und stellt ihn zur Rede: "Hattest du nicht dem König einen Eid geschworen?" - "Ja, aus Mitleid mit dem alten Mann; und fünf Monate lang habe ich ihn gehalten. Aber sollte ich noch länger zusehen, wie diese Kamarilla das Volk zugrunde richtet? Die ersten Provinzen sind schon von uns abgefallen; die Barmesen werden Ayutthya überrennen, wenn es so weiter geht! Deshalb mußte ich meinen Eid brechen." - "Was wird mit dem Jungen geschehen?" Na was wohl - Dikigoros hat es doch schon angedeutet: er wird geköpft, in einer schönen, feierlichen Zeremonie, von Säbel schwingenden Tänzern. Tien ist entsetzt; und wieder zurück in Pitsanoluk schließt er seinen Bericht gegenüber Suriyothai mit den Worten: "Ich werde dafür sorgen, daß so etwas nie wieder geschieht." Da blickt sie ihn mit ihrem verwestlichen Blick an, der so gar nicht zu dem paßt, was sie jetzt sagen wird, und erteilt ihm eine Lektion in jener Moral, die den gefühlsduseligen westlichen Durchschnitts-Zuschauern (insbesondere den weiblichen :-) erheblich gegen den Strich gehen dürfte: "Chai Raja hat richtig gehandelt." - "Indem er ein unschuldiges Kind tötete?" - "Ja. Ein Leben zu opfern, wie unschuldig es auch sein mag, um das Blutvergießen im ganzen Lande zu beenden..." - "Es ist Chai Raja, der Blut vergießt," fällt ihr Tien zornig ins Wort - das einzige Mal, daß auch er annähernd seine Maske verliert (ja ja, Thai-Männer lassen sich von ihren Frauen noch weniger gerne etwas sagen als westliche Männer :-) Aber sie gibt contra: "Das ist nicht wahr; er wußte, wenn er es nicht getan hätte, wäre dies das Ende von Ayutthya gewesen. Du an seiner Stelle hättest das gleiche getan." - "Niemals. Niemals würde ich so etwas tun! Egal was geschieht, die Unschuldigen sollen niemals leiden!" Das bleibt so stehen, denn an dieser Stelle - gerade als Suriyothai wieder ihren westlichen Blick abschießt und zu einer Erwiderung ansetzt - schneidet der Cutter diese interessante Szene ab; aber wir wollen trotzdem ein wenig verweilen, um über sie nachzudenken.
(...) Flugzeugentführungen... Läßt sich nichts von Frauen sagen? I wo, Buddhismus - ein Klischee (Beispiel: Mongolen-Horden) Der Thai-Zuschauer dagegen versteht das gleich richtig: Tien ist ein Weichei, gut, daß S. die Hosen an hat! A propos Mongolen: Nibelungenklage)

Im nächsten Jahr (der Ziege :-), 1535, scheinen die Götter Tien Recht zu geben, denn sie strafen Chai Raja (und mit ihm Ayutthya, aber das wird noch nicht gleich deutlich): Jitrawadī, seine Hauptfrau, stirbt im Kindbett - eine Szene, die nicht nur rührend, sondern auch sehr aufschlußreich ist in Bezug auf die Weltsicht der Thais: "Ich glaube, ich werde meine Pflichten nicht länger erfüllen können," haucht sie. "Ich bin Herr über Leben und Tod in diesem Lande," sagt Chai Raja, "ich werde nicht zulassen, daß du stirbst." - "Selbst der Herr über Leben und Tod auf Erden vermag nichts gegen den Herrn der Unterwelt," sagt sie ruhig und gefaßt, "ich nehme meinen Abschied." Und damit stirbt sie den Tod, den der Filosof Nietzsche mal als den natürlichen Tod der Frau bezeichnet hat - so wie es der natürliche Tod des Mannes sei, auf dem Schlachtfeld zu fallen, die eine beim Geben von Leben (immerhin hat ihr Baby überlebt, und es ist sogar ein Junge; Ayutthya hat nun also einen Thronerben, Yodfan heißt er), der andere beim Nehmen. Aber lassen wir die Schreibtisch-Filosofen - was tut der Mann, dessen Frau der "Natur", dem "Schicksal" oder den "Göttern" (oder einfach nur dem Pfusch der Ärzte und Hebammen) zum Opfer gefallen ist? Natürlich braucht er eine neue Erste Prinzgemahlin; und Chai Rajas Wahl fällt auf Sri Sudachan: Jung, hübsch, intelligent und von Adel, genauer gesagt aus dem Hause U-Thong. Da war doch was? Ja sicher, die alte, gestürzte Dynastie; aber Chai Raja handelt eben wieder nach der alten, vermeintlich weisen Devise, daß man die Dynastien versöhnen soll, und daß das am besten durch Vermählung ihrer Angehörigen geht. Ja, liebe Leser, das ist der alte Irrglaube, dem schon Alexander der Gehörnte von Makedonien anhing, und der offenbar nicht auszurotten ist - sonst würden die Politiker aller Länder ja nicht heute noch hartnäckig Völker- und Rassen-Mischmasch propagieren, in dem Hoffnung, daß das zu einer friedlichen Gesellschaft beitragen würde. - Aller Länder? Nein, ein kleines Dorf am Rande der römischen Zivilisation, in der Bretagne..., pardon, wir sind doch nicht bei Astérix, ein kleines Land am Rande der westlichen Zivilisation, in Hinterindien, teilt diese Auffassung nicht (mehr), sondern huldigt ganz offen dem, was man anderswo "Nationalismus" oder "Rassismus" nennt. Und warum, das sehen wir, wenn wir uns den Rest dieses Filmes anschauen. (Natürlich hat ihn im Westen noch niemand unter diesem Aspekt gewürdigt; aber jedem Thai ist das klar - auch dies ist einer der Gründe, weshalb diese Episode der Geschichte, die uns Westlern so "unwichtig" erscheint, in den Augen der Thais pädagogisch so wertvoll ist.)

Langer Rede, kurzer Sinn: Sri Sudachan hört auf die Stimme ihres Blutes - und die des Wächters der äußeren Palasthallen, eines gewissen Panbut Sri Thep, der sehr schön singt (jedenfalls für Thai-Ohren, Dikigoros' Geschmack ist das nicht unbedingt :-) und ebenfalls aus der U-Thong-Sippe stammt. Deshalb kann er auch vorerst nicht befördert werden; aber dafür wird Sudachan - die ihn zu ihrem Vertrauten macht - schon sorgen. Ihre Großmutter hetzt sie auf, pardon, sie appelliert just an diese Stimme des Blutes (so etwas hat in Thai-Ohren immer einen guten Klang - und in diesem Punkt kann ihnen auch Dikigoros mal nicht widersprechen :-), die Herrschaft der "Usurpatoren", die Chai Raja & Co. in ihren Augen sind (aber nicht, weil sie den jungen König ermordet haben - zu dessen Clan sie ja selber gehören -, sondern weil dessen Suphana-Bhumi-Dynastie überhaupt die Macht in Ayutthya ergriffen hat). Und als Chai Raja im Jahre des Hundes 1538 in den Norden aufbricht, um Chieng Rai von den Barmesen zurück zu erobern (die Schlachtszenen - mit portugiesischen Kanonen und Stahlhelmen - sind sicher wieder stark gekürzt :-) nutzt sie die Gelegenheit, um ihm Hörner aufzusetzen und dem Wächter ihren Plan zu offenbaren, gemeinsam den Thron von Ayutthya zu erobern. (Unterdessen trainiert Suriyothai in Pitsanulok ihre Privat-Armee - Männlein und Weiblein - und muß sich belehren lassen, daß Pfeil und Bogen zwar sehr viel leichter zu handhaben und auch zielgenauer sind als die schweren, klobigen Musketen der Farangs, wie sie damals in Gebrauch waren, daß aber die letzteren eine viel stärkere Durchschlagskraft und Reichweite haben.) Sri Sudachan bestellt den Premierminister ein (Dikigoros erlaubt sich, die alten Ränge in moderne Sprache zu übersetzen) und fragt ihn ganz offen, ob er Panbut - dessen bisheriger Rang in etwa einem Hauptmann des Wachbataillons zu vergleichen ist - nicht mal eben zum Innenminister befördern könne. "Aber wir haben doch schon einen Innenminister..." wagt der zu entgegnen. "Und wenn dem etwas zustoßen sollte?" fragt Sri Sudachan. In der nächsten Szene hat Yukol wieder Anleihen bei einem anderen Film gemacht, den Dikigoros Euch schon vorgestellt hat. Erinnert Ihr Euch an die Szene in Cleopatra, als die Ägypter Caesar den Kopf des ermordeten Pompeius zum Geschenk machen? Nur einen Tag nach der Audienz macht Sri Sudachan dem Premierminister den abgeschlagenen Kopf des alten Innenministers zum Geschenk, in einem passenden Gefäß. Der Premier versteht sofort und macht Panbut zum neuen Innenminister. Unmittelbar darauf reist der Kriegsminister (Dikigoros kann Euch seinen Namen nicht nennen; er wird ständig als "Fürst Mahasena" bezeichnet; aber letzteres ist nur der indische Ausdruck für "Oberbefehlshaber der Armee") nach Pitsanulok und macht Suriyothai seine Aufwartung. Die löst ihm die Zunge, indem sie ihn ordentlich mit Portwein abfüllt (sie hat offenbar nicht nur Musketen eingekauft bei den Farangs :-) und erfährt so von den Vorgängen in Ayutthya und wer dahinter steckt. "Aber muß denn auch ich mich vor der Ersten Prinzgemahlin in Acht nehmen?" fragt Suriyothai. "Ich bin sicher, daß Ihr das bereits tut," sagt der Kriegsminister, der zuvor an ihrem Trainingslager vorbei gekommen ist, "wenn ich nicht wüßte, daß Tien dem König treu ergeben ist, hätte ich dies für einen Rebellen-Stützpunkt gehalten."

Wir machen einen Sprung ins Jahr des Drachen 1546. Chieng Mai ist von Ayutthya abgefallen; und erneut zieht Chai Raja mit seinem Heer nach Norden. Doch als er dort ankommt, hat es in Chien Mai bereits einen Putsch gegeben; und Jiraprana, die neue Königin (ja, nicht nur in Ayutthya und Pitsanulok sind Frauen am Werk :-) unterwirft sich sofort. An dieser Stelle folgt wieder ein längerer Schnitt; aber es wird schon klar, daß sie sich Chai Raja auch als Frau hingibt (auch aus einer späteren Bemerkung gegenüber Sri Sudachan). Da darf man nun mit Fug und Recht fragen, was eher da war: Der "Verrat" des Königs oder der "Verrat" der Ersten Prinzgemahlin? Denn im folgenden stimmt irgend etwas mit der Chronologie nicht. Aber folgen wir zunächst dem Film: In der nächsten Szene erfährt Sri Sudachan von ihrem chinesischen Hausarzt, daß sie schwanger ist - natürlich von Panbut. Obwohl sie alles tut, um das geheim zu halten (u.a. in dem sie den Arzt ermorden läßt), sehen wir alsbald den Kriegsminister wieder bei Suriyothai vorsprechen und ihr das alles brühwarm erzählen - zwar nur in Andeutungen, aber für Thais reicht das. Sie ist also gewarnt; und als in der Stadt ein Großbrand ausbricht und Tien so unvorsichtig ist, die Armee zum Löschen auszuschicken, behält sie ihre Privattruppen vorsorglich zurück. Und richtig: Schon kommt ein Killerkommando (aus dunkelhäutigen "Khmer", bewaffnet mit Armbrüsten - auch die bösen Farangs sind also wieder beteiligt :-) und überfällt den Palast. Aber Rajasanehas Männer schlagen den Angriff ab, unter tatkräftiger Mithilfe von Suriyothai persönlich - wofür hat sie gelernt, mit Schußwaffen umzugehen?

"Wer hat diese Mörderbande gedungen?" fragt sie hinterher." - "Jemand, der es sich leisten kann," versetzt Rajasaneha. Jeder weiß, wen er meint (und das Kino-Publikum sowieso, denn es hat ja die Entwicklung zuvor gesehen: Sri Sudachan hat Panbut angestiftet; und dieser hat wiederum jemanden beauftragt, der passende "Khmer" an der Hand hatte, die Feuer gelegt und den Überfall inszeniert haben). "Aber dafür haben wir keine Beweise," beendet Suriyothai das Gespräch und die Szene.

Und nun sind wir plötzlich wieder im Jahre 1545. Erneut gibt es Ärger mit Chieng Mai: Es ist angegriffen worden, von den Shan (die es in Wahrheit ebenso wenig mehr gibt wie die Mon; also sind es wieder die Barmesen); aber sie hat sich mit ihrem Hilfsgesuch nicht etwa an Ayutthya gewandt, sondern an Laos. Chai Raja schäumt vor Wut ob dieses "Verrats". Es folgen wieder ausgedehnte Schlachtszenen. (Sie sind deutlich besser gemacht als etwa die in "Kãgemusha" oder in all den Schrottfilmen aus Hongkong und neuerdings auch aus Rot-China; wer also Spaß daran hat... aber Dikigoros erlaubt sich, auf ihre eingehende Schilderung zu verzichten.) Im Kampf wird Chai Raja schwer verwundet, von einer Gewehrkugel; zum Glück ist ein portugiesischer Feldscher zur Stelle, der sie ihm heraus operiert; dennoch ist er erstmal matt gesetzt. "Du mußt die Macht ergreifen", drängt Suriyothai ihren Mann, als sie davon erfährt, "sonst tut es die Prinzgemahlin." Aber Tien meint nur: "Noch ist der König nicht tot." Nun, dem kann abgeholfen werden. Sri Sudachan sucht erneut ihre Großmutter auf; und von der erhält sie ein Gift, das sie Chai Raja verabreicht - während der Trottel ihr noch eine großartige Liebeserklärung macht (man fühlt sich fast an einen Farang-Liebeskasper erinnert :-). Plötzlich beginnt er zu husten und erkennt treffend: "Ich bin vergiftet!" Sri Sudachan ersäbelt sogleich die Weinkellnerin und läßt den gesamten Hofstaat foltern, um Geständnisse zu bekommen. Geständnisse? Nein, ein ganz bestimmtes Geständnis: daß Tien der Täter war, denn den hat Chai Raja - der noch ein paar Tage zu leben bzw. zu sterben hat - blöderweise zum Regenten für Prinz Yotfa bis zu dessen Volljährigkeit ernannt. Davon läßt sich Sri Sudachan allerdings nicht aufhalten: Sie verspricht einer der Gefolterten, sie am Leben zu lassen, wenn sie aussagt wie gewünscht, und die ist so dumm und tut es - woraufhin sie sofort geköpft wird. Warum? Na, denkt doch mal an
custer.htm, dying declarations...
Nur einer läßt sich nicht mehr täuschen: Chai Raja erkennt auf dem Totenbett, wer ihn wirklich vergiftet hat... zu spät, denn diese "Dying declaration" hört niemand mehr... außer Sri Sudachan, und die reibt dem Sterbenden noch ordentlich Salz in die selische Wunde, die sie ihm geschlagen hat, indem sie ihm erklärt, warum sie so gehandelt hat: Die U-Thong-Dynastie soll zurück auf den Thron, und deshalb wird das Kind König werden, das sie gerade vom neuen Innenminister bekommt (woraus zugleich folgert, daß sie Yotfa, seinen Sohn von der anderen Frau, ermorden wird - das bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung). So geschehen im Jahre des Pferdes 1546 (und damit haben wir alle Varianten durch :-).

Im Palast von Tien und Suriyothai spricht wieder mal der Verteidigungsminister vor: "E Meon hat ausgesagt, daß Fürst Tien den König vergiftet hat." - "Und das glaubt Ihr?" - "Wenn ich das glauben würde, wäre ich mit einem Bataillon hierher gekommen, nicht bloß mit einer Handvoll Männer, über die Hauptmann Rajasaneha nur lacht. Aber diese Schlampe wird nicht ruhen, bevor sie Euch bestraft hat." - "Was immer Ihr vorhabt," sagt Suriyothai, die noch immer nicht ganz begriffen zu haben scheint, was Sache ist, "überlegt es Euch gut. Hauptmann Rajasaneha und seine Palastwache werden niemanden durchkommen lassen." - "Das mag schon sein," sagt der Kriegsminister und verzieht keine Miene, "aber ich bin hier, um Euch zu sagen, daß ich mit der gesamten königlichen Armee gekommen bin. Um 1 Uhr werde ich zurück sein; doch ich hoffe zuversichtlich, daß Eure Hoheit bis dahin einen Weg gefunden haben werden, um zu entkommen."

Ob das historisch ist? Wenn ja, dann war es sicher kein übliches Verhalten, denn mit so einem "Verrat" am Herrscher riskierte man ja den eigenen Kopf. Darf Dikigoros noch mal einen Vergleich mit dem Nibelungenlied anstellen? Erinnert Ihr Euch, wie das mit Rüdiger von Bechlarn war? Was tut er, als er von Etzel und Kriemhilt den Auftrag erhält, die Burgunder nieder zu machen (mit einem ihrer drei Könige hat er immerhin erst vor ein paar Tagen seine einzige Tochter verlobt!)? Geht er hin und warnt sie, etwa mit den Worten: "Um 1 Uhr bin ich mit meinen Rittern zurück?" Nein, er steht urplötzlich mit den letzteren vor der Tür; und als die Burgunder schon zu jubeln beginnen, daß ihnen endlich Verstärkung zuteil wird, greift er zum Schwert und sagt: "Wehrt Euch!" (Ganz anders Dietrich von Bern: Obwohl der mit den Burgundern nicht verschwägert und in einer ungleich schlechteren Position ist als Rüdiger - denn er ist kein Graf einer Grenzmark, also nicht mal ein Vasall, sondern bloß ein armer, aus seiner Heimat vertriebener Asylant am Hofe Etzels, dem er zu mehr als Dank verpflichtet ist -, warnt er die Burgunder, noch bevor sie in Etzelburg angekommen sind; und als es ans Abschlachten geht, muß man seine Truppen hinter seinem Rücken in den Kampf führen - sonst hätte er sich nämlich quer gelegt.) Ach nein, erst gibt er Hagen noch großzügig seinen Schild - eine Szene, die den sonst so biestigen Joachim Fernau in "Diesteln für Hagen" zu Tränen rührt, obwohl es sich um eine völlig wertlose Geste handelt; denn im Saal liegen sicher noch Dutzende Schilde herum, und von der Symbolik kann niemand abbeißen und wird niemand wieder lebendig. Aber da Dikigoros gerade Fernau erwähnt hat, will er hier auch an die Szene erinnern, die dieser in der Einleitung zu "Halleluja" - seiner Abrechnung mit den USA - beschrieben hat: Er lebte unmittelbar nach Kriegsende 1945 in Bayern. Eines Tages erhielt er eine Vorladung, sich zwei Tage später bei der Ortskommandantur der US-Besatzer zu melden. "Unterschrieben war der Brief von einem Leutnant. Wohlgemerkt, es kam kein Jeep, der mich einfach abholte. Man gab mir zwei Tage Zeit zu erscheinen, d.h. zwei Tage Zeit zu verschwinden, ich begriff es sofort. Bis auf den heutigen Tag zerbreche ich mir den Kopf, warum dieser Leutnant das tat. Es gibt nur eine Erklärung: Dieser Amerikaner war ein guter Mensch." [Für jüngere Leser, die das vielleicht nicht auf Anhieb nachvollziehen können: Es war damals üblich - auch bei Deutschen, die eine weit weniger "belastete" Vergangenheit hatten als der SS-Sonderführer a.D. Fernau -, daß die US-Besatzer unangekündigt vorfuhren und den Betroffenen "abholten"; und bei den "Vernehmungen" wurden SS-Offiziere entweder gleich zu Tode oder zumindest zu Krüppeln gefoltert und verschwanden für den Rest ihrer Tage in einem "Camp", gegen das die meisten Konzentrationslager der Nazis die reinsten Erholungsstätten waren.] Was aus dem Leutnant geworden ist? Keine Ahnung. Was aus Rüdiger von Bechlarn geworden ist? Eine Stunde später war er eine Leiche. Was aus dem Kriegsminister wird? Na, dreimal dürft Ihr raten; aber darauf kommen wir später zurück.

Vorerst brauchen wir ihn noch, denn Tien flieht tatsächlich, und zwar in ein Kloster. Und als ihn die Soldaten von Sri Sudachan dort aufspüren und töten wollen, geht der Kriegsminister energisch dazwischen: "Er trägt die Saffran-Robe; und einem buddhistischen Mönch dürft Ihr nichts tun, darauf hat mich der verstorbene König ausdrücklich hingewiesen," sagt er; und damit ist Tien gerettet.
(...)
Kirchenasyl im Buddhismus und Christentum (und bei den Sikh). Damals und heute. Aber: Mönch werden ist nicht bloß Kirchenasyl!

* * * * *

Im Jahre des Affen 1548 gärt es mal wieder im Norden, wo einige Vasallen von Ayutthya abzufallen drohen, sei es um sich unabhängig zu machen, sei es um sich den Barmesen an den Hals zu werfen. "Das liegt alles daran, daß der König so jung ist," sagt Sri Sudachan im Kronrat, "den respektieren sie nicht." - "Warum nehmen Eure Hoheit die Sache nicht selber in die Hand?" fragt eine Hofschranze. "Weil ich auch nur eine schwache Frau bin," gibt sie zurück, "wir brauchen einen Mann an der Spitze des Staates, und ich schlage Fürst Worawongsa vor." (Laßt Euch nicht von den vielen Namen, Pseudo-Namen und sonstigen Bezeichnungen verwirren, liebe Leser; es handelt sich um Panbut Sri Thep, an anderer Stelle auch "Fürst Chinaraj" genannt - aber letzteres ist nur seine Amtsbezeichnung als Innenminister. In allen asiatischen Ländern war es bis ins 20. Jahrhundert hinein üblich, seinen Namen mehrmals zu ändern, je nach Lebensalter und Stellung, oder auch einfach nur so.) "Oder hat etwa jemand was dagegen?" fragt sie lauernd? Alles kuscht - auch der Kriegsminister verpaßt seine letzte Chance, den Lauf der Dinge aufzuhalten. Kurz darauf erkrankt Jungkönig Yotfa; es wiederholt sich die unvermeidliche Szene: Der Kriegsminister sucht Suriyothai auf und berichtet ihr von den Geschehnissen am Hofe von Ayutthya. "König Yotfa ist an den selben Symptomen gestorben wie zuvor König Chai Raja." Damit ist allen alles klar: Sri Sudachan hat auch ihren Stiefsohn ermordet. Etwas später jammert der Kriegsminister im Kreise seiner Vertrauten, daß er die Gelegenheit zu einem Putsch verpaßt hat. Bei zumindest einem "Vertrauten" scheint sein Vertrauen jedoch zu groß gewesen zu sein; denn alsbald wird diese Äußerung Sri Sudachan zugetragen; und so kommt, was kommen muß: Auch der Kriegsminister wird ermordet, allerdings zur Abwechslung mal nicht durch Gift, sondern durch einen Überfall der Leibwache von Sri Sudachan - die aus Amazonen besteht. (Inwiefern das historisch ist, weiß Dikigoros nicht - aber er hegt doch gewisse Zweifel :-) Wer soll Suriyothai fortan die schlechten Nachrichten überbringen? Vorerst mal Hauptmann Rajasaneha - jedenfalls die von der Ermordung des Kriegsministers. Wer kann Suriyothai nun noch helfen? "Holt mir Fürst Pitsanulok", sagt sie, "der war unter König Chaj Raja doch Oberbefehlshaber." Ja, richtig - wo hat sich der (zur Erinnerung für Leser, die von den vielen verschiedenen Namen verwirrt sind: es handelt sich um Suriyothais Jugendschwarm Piren) eigentlich die ganze Zeit herum getrieben? Der hat gegen irgendwelche Rebellen in den Randprovinzen Kleinkrieg geführt. Rajasaneha erzählt ihm erstmal, daß es im ganzen Land drunter und rüber gehe; das Volk leide; das Vaterland sei in Gefahr. "Das habe ich auch schon gehört," erwidert Piren vorsichtig. Rajasaneha wird noch etwas deutlicher - aber nur etwas, denn er spricht einen Satz aus, der nicht etwa typisch für Thailand im 16. Jahrhundert ist, sondern in alle Ländern und in alle Zeiten paßt: "Die Prinzessin Suriyothai bittet Euch, nach Ayutthya zu gehen und dort nach dem Rechten zu sehen." Wie würdet Ihr das verstehen, liebe Leser, wenn Ihr General wäret, eine Armee zur Hand hättet und so eine Botschaft bekämet? Ja, so haben es die meisten Putschisten auch verstanden - einer war immer da, der gerufen hat, nach dem starken Mann, der das Chaos beseitigen und mal ordentlich aufräumen sollte. Egal wie? Egal wie!

Aber der brave Piren zögert noch immer. Da greift Rajasaneha zum letzten Mittel: Er erinnert ihn an den Eid, den er Suriyothai vor 20 Jahren geleistet, ihr zu jeder Zeit und in jeder Situation mit all seiner Macht helfen zu wollen - "und der Eid eines Soldaten darf niemals gebrochen werden." Da sind wir also wieder beim Eid...
Aber dieser war freiwillig geleistet, das macht den Unterschied.
Und obwohl Piren keine Miene verzieht (der Schauspieler trägt Maske, s.o.), ist klar, daß er seinen Eid halten wird, auch wenn das streng genommen Hochverrat gegenüber Ayuttyha bedeutet. Suriyothai und ihre Tochter (ja, die Zeit ist vergangen, obwohl man den Schauspielern die Jahre nicht ansieht - entweder soll das so sein, oder die Maskenbilderin hat geschlampt :-) empfangen ihn mit einem ganz un-syāmesischen Lächeln - so lächeln US-amerikanische Backfische Männer an, aber keine wohl-erzogenen Thai-Damen! - und klären ihn auf: "Wenn Fürst Worawongsa und Sri Sudachan nicht mehr wären, wären alle Probleme gelöst, und das Land hätte wieder Frieden."
Aber dafür müßte wohl erstmal Bürgerkrieg geführt werden, oder? Fighting for peace...
Oder genügte ein kleiner Meuchelmord, pardon, zwei kleine Meuchelmorde?
Aber nun kommt der Unterschied:
"Aber wenn die nicht mehr wären, wäre das Land doch ohne König," sagt Piren heuchlerisch und schielt Suriyothai an - wohl erwartend, daß sie ihm für seine Tat die Krone - und womöglich auch ihre Hand (oder die von Sawatdi Raj, ihrer verführerischen kleinen Nymphe von Tochter :-) anbietet. Aber er deutet das selbstverständlich mit keinem Wort an; und Suriyothai geht auch nicht im mindesten darauf ein: "Fürst Tien Raja hat einen legitimen Anspruch auf den Thron von Ayutthya; er wird das Kloster wieder verlassen und König werden. Oder hast du etwa was dagegen?" Nun huscht auch über die sonst so beherrschte Gesichtsmaske Pirens ein Hauch von Enttäuschung - oder auch Empörung? Immerhin...
Ein Mönch, der sein Gelübde bricht...
(Aber was solls: kingandi.htm - ist ja kein Einzelfall; und in beiden Fällen könnte man argumentieren, daß sie nur gezwungenermaßen ins Kloster gingen - das ist ähnlich wie beim Eid, dann gilt es nicht...)
Also sagt Piren brav, was Suriyothai von ihm hören will: daß er persönlich überhaupt keinen Wert auf den Thron legt - obwohl er als Angehöriger der Dynastie von Sukothai (die noch viel älter ist als die beiden anderen!) einen noch viel legitimeren Anspruch auf den Thron hätte als Tien, und obwohl ihn einer seiner Berater drängt, selber die Macht zu ergreifen: Warum für andere den Kopf hin halten und dann auf die Beute verzichten? Man tötet ja auch keine Schlange, um sie dann den Vögeln zum Fraß vorzuwerfen! (In Thailand - und anderswo in Südostasien - ißt man die selber; hat Dikigoros auch schon getan, na und? Schmeckt besser als so mancher Fertigfraß aus westlichen Konservendosen!)
So wird der Mordplan also ausgeheckt: "Man muß das Übel mit der Wurzel ausrotten," sagt Piren. Dann geht er selber (!) zu Tien ins Kloster und offenbart ihm seine Zukunftsplanung. Wie nicht anders zu erwarten, opfert sich Tien umgehend für die gute Sache, d.h. er sagt zu, daß er König werden wird, wenn man ihm den Thron frei räumt und segnet in seiner Eigenschaft als Noch-Mönch die gute Tat.

Es folgt eine Episode, die in keiner Geschichte fehlen darf, da sie einen der ureigensten Instinkte des Menschen anspricht. In US-amerikanischen Filmen der Moderne wird sie spätestens seit Wilders "Eins, zwei, drei" von Autoverfolgungsjagden eingenommen; doch auch die Sagen und Mythen der Vergangenheit kamen schon nicht ohne diesen dramaturgischen Höhpunkt aus: Wie schafft es der böse Rāwan im Rāmāyana, Sītā zu entführen? Indem er Rām und Lakshman auf die Jagd nach dem Goldenen Reh lockt. Wie schafft es Hagen im Nibelungenlied, Siegfried umzubringen? Indem er ihn auf die Eberjagd lockt. Wie gelingt es den Verschwörern bei Yukol, Sri Sudachan und ihren bösen König aus dem Weg zu räumen? Nun, sie schaffen es irgendwie, einen weißen Elefanten im Wald von Lopburi zu versteckenentdecken. Der gilt in allen indisch geprägten Kulturen Asiens als Glück bringendes Tier; es ist ganz klar, daß der für den König eingefangen werden muß. Wir erleben eine eindrucksvolle Elefantenjagd; aber irgendwie ist das Tau, mit dem das Vieh gefangen wird, zu schwach, und es kann sich los reißen. So ein Zufall... "Wir haben nicht genug Verdienst, um den Elefanten zu fangen," behauptet der Reichsjägermeister, "da müssen Majestät schon selber Hand anlegen." Und Worawongsa fällt tatsächlich darauf herein, wie Rā und Siegfried vor ihm. (Entweder ist er nicht belesen, oder er hat aus der Geschichte nichts gelernt, oder beides - er ist halt ein typischer Politiker, und die sind zu allen Zeiten und an allen Orten gleich :-) Der einzige, der Verdacht schöpft, als er davon hört, ist Chan, der neue Vizekönig und Oberbefehlshaber der königlichen Truppen. Aber auch an den haben die Verschwörer gedacht: Rajsaneha verkleidet sich als Catcher (wie das? Er ist von allen Personen im Stück die auffälligste, die auch jeder Westler sofort erkennt, weil er - wie Hagen von Tronje - nur ein Auge hat), lungert vor dem Seua-Tempel herum, und als Chan vorbei geritten kommt - von den Fackeln seiner Begleiter hell erleuchtet, auch in der Nacht eine prächtige Zielscheibe abgebend -, holt Rajsaneha eine im Heu versteckte Muskete hervor, schießt ihn vom Elefanten herunter - freihändig! - zückt den Säbel und köpft ihn, um auf Nr. sicher zu gehen.

Mitten in der Nacht beginnt die Jagd; und unvorsichtiger Weise nehmen nicht nur Worawongsa, sondern auch Sri Sudachan und ihr Sohn persönlich daran teil, auch sie allesamt prächtige, von Fackeln erleuchtete Ziele abgebend. Sie fühlen sich völlig sicher auf ihrer königlichen Barke, umgeben von schwer bewaffneten portugiesischen Söldnern. Doch am Rang-Tempel lauern bereits die Verschwörer, die urplötzlich ihre Fackeln löschen (die sie wohl nur angezündet hatten, damit die Zuschauer im Kino sie auch gut sehen können :-), und dann gleiten auch schon ihre Boote lautlos auf die Königsbarke zu. Erst im letzten Augenblick erblickt sie Worawongsa (hat der eigentlich keinen Wachoffizier an Bord?) und ruft sie an: "Wer da?" - "Ich bin's, Piren von Pitsanulok," sagt der, erhebt sich und zieht den Säbel. Was dann folgt, liebe Leser, kennt Ihr aus zahlreichen westlichen Seeräuber-, Mantel- und Degen-Filmen; Dikigoros kann sich also kurz fassen: Die Verschwörer gewinnen die Oberhand; die Königsfamilie versucht zu fliehen, wird aber irgendwo in den Sümpfen gestellt. Worawongsa begeht Seppuku, wie sich das für einen guten Japaner gehört (er sieht eh überhaupt nicht aus wie ein Thai :-), und Piren - der ihm eben noch vorgeworfen hat, ein "unschuldiges Kind" getötet und sich damit schwer gegen die Religion versündigt zu haben, hat nicht die geringsten Bedenken, nun selber ebenso gehandelt zu haben. Nun kommt es zu einer merkwürdigen Diskussion, die in krassem Gegensatz zu der steht, die Suriyothai mit Tien geführt hatte, nachdem Chai Raja den Sohn seines Vorgängers ermordet hingerichtet getötet hatte, und die außerdem zeigt, daß auch in der "mittleren Fassung" noch einiges gekürzt worden sein muß, das zum Verständnis der Handlung hilfreich gewesen wäre. Wir erfahren nämlich überraschend, daß das Kind, das Sri Sudachan mit auf die Jagd geschleppt hat, gar nicht ihr Sohn von Worawongsa ist, sondern vielmehr einer, der noch von Chai Raja stammt, ein gewisser Sri Sin. Deshalb plädiert Suriyothai nun dafür, ihn nicht zu töten; aber Piren argumentiert genau so wie sie damals: "Erstens ist das auch der Sohn von Sri Sudachan, zweitens verstieße seine Veschonung gegen den Brauch (ach nee - war der religiöse Brauch nicht eben noch dagegen?), und drittens: "Wenn man nur den Baum fällt und die Wurzeln drin läßt, wird er wieder nachwachsen und wäre für die nächste Generation der Dynastie eine ständige Bedrohung." (Der botanische Vergleich hinkt zwar, aber ansonsten hat er da sicher Recht - s.o.) "Wenn Du ihn nicht wegen Chai Raja schonen willst (ja wieso denn? Der hatte ihn doch in die Wüste geschickt!), dann tu es meinetwegen; ich bitte Dich, das Kind nicht zu töten." Was tut nun Piren - der immerhin für Suriyothai zwei Morde begangen und einen Bürgerkrieg riskiert hat? Sagt er (wie das ein westlicher "Held" an seiner Stelle wohl täte) ganz offen: "Ich habe geschworen, alles für Euch zu tun, aber wenn ich das Balg verschonte, würde ich gegen Euch handeln!"? Nein, er sagt zu seinen Leuten: Laßt die Amme den Prinzen mit aufs Boot nehmen, wie Fürstin Suriyothai dies wünscht." Dann folgt er ihr - der Amme - und erschießt sie mitsamt dem Kind - von hinten, mit einer Farang-Pistole... Nein, lieber Fürst Yukol, das paßt ganz und gar nicht, denn so hätte kein Farang gehandelt! Den portugiesischen Söldnern ists egal, sie ziehen an der Spitze des Zuges mit dem neuen König Tien wieder in Ayutthya ein; und Piren wird zur Belohnung Gouverneur von Pitsanulok. Nein, nicht "Vizekönig"; er bekommt keine Krone, sondern eine Art goldenen Stahlhelm mit Pseudo-Pickelhaube (die natürlich einen Stupa darstellen soll, aber nicht so aussieht :-) und - natürlich - Sawatdi Raj zur Frau, die formell zur Miss Backfisch"Vizekönigin" ernannt wird. Natürlich? Aber ja, wir brauch doch ein Happy-end, nicht wahr? Aber begeht Tien da nicht wieder den gleichen Fehler wie schon zuvor (und danach) so viele Gutmenschen? Fordert er damit nicht den künftigen Konflikt zwischen den Kindern dieser Verbindung und seinen eigenen Söhnen über die Frage, wer den "legitimeren" Anspruch auf den Thron hat, geradezu heraus? Da wird es auch nicht helfen, daß Tien in einer feierlichen Zeremonie erneut allem Blutvergießen abschwört und den Zorn des Himmels auf alle diesbezüglichen Frevler herab wünscht; denn, wie schrieb schon ein gewisser Schiller: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!"

Und der böse Nachbar ist ja auch noch da - oder hattet Ihr König Tabing Shwehti von Barmā schon vergessen? Im Jahre des Affen 1548 schreitet er zur Tat, hebt 30.000 Mann aus und zieht mit ihnen (und 700 Elefanten und 3.000 Pferden, wie der Chronist eifrig vermerkt - die vielen Ochsen, die wir den Troß ziehen sehen, hat er offenbar nicht gezählt, ebenso wenig die vielen Kanonen, die doch ein westlicher Beobachter noch bis ins 20. Jahrhundert als das wichtigste angesehen hätte :-) gen Ayutthya. Tien und Suriyothai halten Kriegsrat und überlegen, wo sie den Barmesen am besten den Weg verlegen können. Der getreue Rajasaneha schlägt das strategisch günstig gelegene Kanchanaburi vor und volontiert persönlich für das Himmelfahrtskommando. Wieso Himmelfahrtskommando? Weil Ayuttya nur "eine Handvoll Leute" aufbieten kann, während das Heer der Barmesen plötzlich eine wundersame Vermehrung auf "mehrere hunderttausend" erfahren hat. Was dürfen wir daraus schließen? Daß Yukol unterschiedliche Quellen verwendet hat, die einander widersprechen? Oder daß er uns verschweigt, wie groß der Zulauf ist, den die bösen Barmesen unter den Vasallen Ayutthyas erfahren haben, die allesamt übergelaufen sind? Nun, nehmen wir mal an, daß Tabing unterwegs Zwangsaushebungen vorgenommen hat - aber dann müßte es doch ein Leichtes sein, ihn auch mit nur einer Handvoll loyaler Truppen aufzuhalten, bis auch Ayutthya ein genügend großes Heer zusammen gezogen hat, oder? Rajasaneha gibt sich denn auch zuversichtlich; aber Tien hat schon verstanden, daß der alte Haudegen nicht lebend zurück kehren wird. Der kämpft denn auch wie ein Berserker - wir sehen erneut Schlachtszenen mit umfangreichem Gemetzel -, erliegt aber nach dreitägiger Schlacht (der Zeitgewinn ist also kaum der Rede wert, reicht insbesondere nicht aus, um die Truppen Pirens von Pitsanulok rechtzeitig heran zu führen) - schließlich der Übermacht, insbesondere den allgegenwärtigen portugiesischen Söldnern mit ihren Musketen. Tabing Shwehti steigt über seine Leiche hinweg, ohne sie eines Blickes zu würdigen (nein, er schlägt ihr nicht den Kopf ab, um ihn nach Ayutthya zu schicken!), läßt die Stadt Kanchanaburi - einschließlich der Tempel - niederbrennen und alle gefangenen Zivilisten töten, zur Abschreckung. (Völlig richtig gedacht, oder? Erspart nicht auch das weiteres Blutvergießen, wenn daraufhin andere Städte freiwillig kapitulieren, statt aussichtslose Kämpfe zu wagen? Nur ein kleiner Rückgriff auf die Argumente oben! Außerdem spart es Besatzungstruppen, die man besser anderweitig verwenden kann :-)

Bei Phu Kao Tong kommt es zur Entscheidungsschlacht. Angeblich sind die Truppen der Barmesen zahlenmäßig 10:1 überlegen. Angeblich? Je nu, liebe Leser, Ihr glaubt doch nicht, daß auch der dümmste syāmesische General in diesem Falle eine Schlacht gewagt hätte, und wäre er noch so gut verschanzt gewesen? Es folgen wieder Schlachtszenen: Die portugiesischen Kanonen räumen ordentlich unter den Barmesen auf; ihr erster Angriff auf die Schanzen wird abgeschlagen; ihr zweiter Angriff - den sie mit kleinen, mobilen Kanonen auf Elefantenrücken durchführen - scheint schon so gut wie erfolgreich zu sein, da taucht wie Deus ex machina Piren mit seiner Kavallerie auf (der Zeitgewinn oben hat also doch ausgereicht, wenn auch erst für die nächste Schlacht :-) und schlägt auch diesen Angriff ab. Aber Tabing Shwehti ist unbeirrt: "Beim nächsten Mal werden wir mit einem Teil der Truppen Piren ablenken und ihn mit dem Rest umgehen, um direkt auf Ayutthya vorzustoßen." Aber die Mühe kann er sich sparen; denn in Ayutthya rüstet man sich bereits, um ihm entgegen zu ziehen, allen voran Suriyothai, die sich mit ernster Miene einen Brustpanzer anlegen läßt und so ihren Mann aufsucht: "Unsere Kinder und ich sind bereit, zu kämpfen und zu sterben!" - "Vielen Dank, aber das ist Männersache. Überlaß das besser mir und meinen Männern." - "Nein, bei dieser Überlegenheit des Feindes muß der ganze Hofstaat mit kämpfen, Männer und Frauen." Ach, liebe Leser, da ist er wieder, dieser falsche Heroïsmus, der bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Etappenhengst Schlips-Stabsdienst-"Soldaten", bis zur letzen Ordonnanz, bis zum letzten Sanitäter, bis zum letzten Volkssturm-Opa und bis zur letzten WehrmachtshelferinMarketenderin kämpfen will - obwohl das militärisch meist völlig sinnlos ist. Aber "Heldentum" ist halt bis heute von der herrschenden Meinung definiert als Heldentod, und zwar von jemandem, der dazu gerade nicht vorgesehen ist, also ein Nicht-Militär - und das sind Frauen ja nun mal in der Regel, und Angehörige des Königshauses gleich gar. (Dikigoros' persönliche Definition weicht davon erheblich ab, wie die Leser seiner "Reisen durch die Vergangenheit" zur Genüge wissen: Jemand, der unter Einsatz seines Lebens - aber ohne es leichtfertig und sinnlos zu "opfern" - einen Kampf siegreich besteht, und dabei durch persönliche Leistung allzu hohes Blutvergießen auf beiden Seiten verhindert.) Also zieht denn der ganze Haufen zum Schlachtfeld, erstmal nur um zuzuschauen, wie Vizekönig Piren den Feinden einheizt. Dann beginnen die Barmesen mit einer Scheinflucht, und Piren geht ihnen in die Falle. Suriyothai erkennt das (per Fernglas :-) sofort, spätestens als sich der zweite Heerhaufen der Barmesen in Bewegung setzt, um ihm in die Flanke zu fallen. Als sie Tien darauf hinweist, befiehlt der, seinen eigenen Kampf-Elefanten fertig zu machen. "Aber das ist Selbstmord," meint Suriyothai. "Das ist egal," sagt Tien, "es geht nicht darum, was ich militärisch ausrichten kann, sondern um das Moralische. Wenn ich jetzt nicht persönlich in den Kampf eingreife, verlieren meine Soldaten den Mut, und die Schlacht ist verloren." Suriyothai beschließt, es ihm gleich zu tun, und auf ähnliche Vorhalte sagt sie: "Wenn der König fällt und die Schlacht verloren geht, dann lassen die Barmesen mich sowieso nicht am Leben." (Stimmt - s.o.) "Was liegt an mir? Es geht mir nicht um mein Leben, sondern nur um mein Volk und um Ayutthya." Und was der schönen Sprüche sonst so sind, liebe Leser, wenn Ihr daran glaubt, genießt sie. Den Rest hatte Dikigoros ja schon erzählt: Suriyothai fällt bzw. wird von einer Kampfsichel gefällt, und dann folgt nur noch die Trauer von Piren, der ihre Leiche findet. Über die eingangs erwähnte Frage, ob König Tien überlebte oder nicht oder doch, und wie das mit der Eroberung von Ayutthya war, schweigt sich Yukol aus. Ende des Films.

* * * * *

Aber nicht Ende unserer Überlegungen, denn Dikigoros will ja auf seinen Webseiten keine bloße Inhaltsangabe historischer Filme mit ein paar Anmerkungen geben, sondern fragen - und möglichst beantworten -, wie es in Wahrheit war. Beginnen wir chronologisch: Ayutthya war tatsächlich - Mitte des 14. Jahrhunderts - von der Dynastie U-Thong (aus dem gleichnamigen Ort) gegründet worden; die Suphana-Bhumi-Dynastie waren tatsächlich Usurpatoren.
(...)

(Fortsetzungen folgen)

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