DER  GROßE  ATHLET  CHRISTI

Sergej Jutkewitsch: Skanderbeg/Skënderbeu

mit Akaki Khorava als Georgios Kastrioti

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EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE:
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

Nun hat sich Dikigoros bei der Frage, welcher ältere Film über eine historische Persönlichkeit demnächst wieder entdeckt und zur Personifizierung jener Person durch einen bestimmten Schauspieler führen würde, vor einigen Jahren weit aus dem Fenster gelehnt und auf "Solimano il conquistadore", die Geschichte des Miklós Zrínyi, getippt. Aber er lag daneben - wenn auch nicht sehr weit, weder zeitlich noch geografisch, und schon gar nicht thematisch. Denn auch in dem Film von 1953, der 2007 wieder auf den Markt gekommen ist und den Dikigoros Euch hier vorstellen will, geht es um einen südosteuropäischen Widerstandskämpfer gegen die türkischen Invasoren; und wieder geht es um die Frage, welcher Nation man ihn zuordnen soll - und zwar in viel stärkerem Maße als bei Zrínyi. Warum? Ganz einfach: Zwischen Ungarn und Jugoslawien gab es - und zwischen Ungarn und Kroatien gibt es - keinen ernsthaften politischen Streit, sei es um irgendwelche Territorien oder um irgendwelche Nationalhelden. (Nachdem die im einst deutschen Neusatz in der einst kroatischen Batschka geborene Ungarin Mónika Szeles behauptete, "Serbin" zu sein - um sich dann in den USA einbürgern zu lassen -, wäre das ja auch ziemlich lächerlich :-) Dagegen streiten sich um die historische Heimat des Georgios Kastrioti, das Despotat Epiros - und damit auch um dessen National-Helden - gleich drei moderne Staaten: Albanien, Makedonien und Griechenland.

Dem Russen, der den Film in Albanien mit einem Kartwelier"Georgier" in der Hauptrolle drehte - zu einer Zeit, als Albanien und die Sowjet-Union noch enge Verbündete waren, denn ihre Führer Hoxha und Stalin waren dicke Freunde, und der letztere lebte noch - war das egal; er drehte zwei Fassungen in zwei Sprachen, die unter zwei verschiedenen Titeln auf den Markt kamen: auf den sowjetischen als "Welikij woin Skanderbeg" und auf den albanischen als "Skënderbeu". (Um es vorweg zu nehmen: Unabhängig von der Frage, ob das der richtige Name war, sind beide Schreibweisen falsch. Die albanische schon deshalb, weil
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Kruja war mit den militärischen Mitteln seiner Zeit nicht einnehmbar. (Wir heutigen können das leider nicht mehr nachvollziehen; denn die alte Festung wurde im 17. Jahrhundert durch ein Erdbeben vollständig zerstört; so wie die 08/15-Burg im Film sah sie bestimmt nicht aus; und was die Tochter von Enver Hoxha Jahre später an selber Stelle hat "wieder" aufbauen lassen, verhält sich zum Original wie das Schloß von Dornröschen in Disneyland zu... na, lassen wir das, sonst bekommt Dikigoros noch böse Mails, daß - entgegen den Forschungen von Ritter-Schaumburg - auch die Burg von Brynhilt nur ein Märchenschloß gewesen sei :-)
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So macht man das, liebe Leser. Und das war keine feige List, sondern äußerst mutig, denn wenn der Festungskommandant nicht darauf reingefallen wäre, hätte das für Alexander und seine paar Männeken den sicheren Tod bedeutet. (Es gibt in der Geschichte wenige Parallelen zu diesem Husarenstück. Im August 1914 ging Generalmajor Ludendorff allein vor die damals stärkste Festung Belgiens, die Zitadelle von Lüttich, nahm seinen Säbel in die Hand, klopfte damit kräftig gegen das Tor und richtete dem kommandieren Offizier schöne Grüße von dessen Vorgesetzten aus: Er habe Befehl, zu kapitulieren. Das tat der denn auch, und Ludendorff bekam dafür den preußischen Orden "Pour le Mérite", denn Undank ist der Welt Lohn. Hätte er die Festung im Sturm genommen und dabei ein paar hunderttausend Mann verheizt, wie später die Verbrecher Schreibtischtäter großen Strategen beider Seiten vor Verdun, wäre er zum Feldmarschall befördert worden - denn das war damals die Voraussetzung für die Verleihung jenes Rangs: die militärische Eroberung einer bedeutenden Festung -; aber so war es ja "nur" eine persönliche Heldentat, da tat es ein Stück Blech.) Alexander richtete sich aber nicht etwa gemütlich auf Burg Kruja ein - dann wäre er bloß ein Raubritter gewesen, wie so viele andere ringsumher -, sondern forderte die Anführer der übrigen Bergstämme auf, sich ihm anzuschließen. Und siehe da: Sie kamen - und leisteten ihren militärischen und finanziellen Beitrag zum Kampf gegen die Türken. (Daß sie deshalb gleich ein gemeinsames Nationalgefühl entwickelt hätten - und gleich gar ein "albanisches" - wagt Dikigoros indes zu bezweifeln :-) Aber ganz so gefährlich war das den doch nicht; denn Alexander war einige Jahre zuvor schon einmal Statthalter jener Gegend gewesen; es war also glaubhaft, daß der Sultan ihn wieder dazu ernannt hatte; und da es damals noch keine drahtlose Telegrafie und kein Telefon gab, geschweige denn Radio- oder Fernsehen (oder gar Internet :-) konnte der Festungs-Kommandant es nicht besser wissen.
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Welche Nation hat nun das Recht, Alexander für sich in Anspruch zu nehmen? Darüber wird erbittert gestritten, wie Ihr - so Ihr über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt - auch im Internet verfolgen könnt, denn die Völker des Balkans sind - wie Alexander selber - große Streiter vor dem Herrn, und jede Partei kann gewichtige Gründe für ihre Ansicht aufführen. Auf seiner bekanntesten Darstellung (die aber nicht zeitgenössisch ist, sondern wahrscheinlich aus dem frühen 17. Jahrhundert stammt, obwohl "1444" drauf steht, und deshalb weder für sein Aussehen noch für seine Nationalität echte Aussagekraft hat) bleibt diese Frage offen, da werden gleich alle in Frage kommenden Länder genannt: Epirus, Albanien, Thrakien, Epirus und Makedonien.

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Also stützen sich die Streithähne in erster Linie auf Alexanders eigene Aussagen, soweit sie überliefert und glaubhaft sind. Als er 1443 zu den Ungarn überlief, stellte er sich Hyundai mit den Worten vor: "Ich bin Grieche und nur in türkische Dienste gezwungen worden." Aber was hätte er ihm sonst sagen sollen? Die Bezeichenungen "Albaner" bzw. "Skipetare" gab es noch nicht, "Epiräer" und "Makedone" nicht mehr bzw. nur noch als historisch-geografische Begriffe - es hätte sich ja auch kein Römer, Venezianer, Fiorentiner oder Genuese als "Italiner" vorgestellt! Er schrieb Griechisch - logisch, das tat jeder halbwegs Gebildete Osteuropäer damals, so wie jeder halbwegs gebildete Westeuropäer damals Lateinisch schrieb, auch wenn seine Muttersprache nicht "Lateinisch" war, geschweige denn seine Nationalität. Was hätte er denn schreiben sollen? Eine "epirische" Schriftsprache gab und gibt es bis heute nicht, eine "albanische" wie gesagt erst seit 1908. Eine makedonische gab es zwar (die nennen wir heute "Kirchen-Slawisch"), aber das war offenbar nicht die seine. Ja, was war denn seine Muttersprache? Ganz einfach: Serbisch, denn seine Mutter war eine Serbin aus dem heutigen Makedonien! Und aus dem Umstand, daß er wieder eine Landsmännin seiner Mutter geheiratet hat - halb Serbin, halb Makedonin -, dürfen wir getrost schließen, daß er sein Leben lang Serbisch sprach; aber auch das war damals noch keine Schriftsprache, und es ist auch nie ein Serbe auf die Idee gekommen, ihn als Landsmann für sich in Anspruch zu nehmen - die Serben haben andere National-Helden. Außerdem sprach er sicher auch fließend Türkisch Und schrieb fließend Arabisch... damit kommen wir hier nicht weiter. Es ist eben ein Vorurteil, das aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert stammt, daß man "Nationalität" allein an der Sprache festmachen kann oder sogar muß; im 15. Jahrhundert galt das mit Sicherheit nicht. Aber auch die übrigen Anhaltspunkte sind bei Licht besehen nicht sehr aussagekräftig: Alexander führte als Wappen einen schwarzen Doppeladler auf rotem Grund - und den halten einige für griechisch. Aber wie Dikigoros' Leser aus einer anderen seiner "Reisen durch die Vergangenheit" wissen, übernahmen auch die Türken, nachdem sie Konstantinopel erobert hatten, dessen Wappen - den Stern mit Mondsichel auf rotem Grund -; machte sie das zu Griechen? Und der schwarze Doppeladler auf rotem Grund ist bis heute das Staatswappen der Albaner; macht sie das zu Griechen? Mit wem oder was identifizierte sich Alexander denn selber? Als Krieger von Beruf und Leidenschaft natürlich mit den großen Feldherren der Geschichte, und zwar in erster Linie mit Alexander mit Großen (Er trug sogar eine vermeintliche Nachbildung des berühmten Helms, nach dem der Makedone im Orient der "zweifach Gehörnte" genannt wurde und wird :-). Nicht umsonst nannten ihn die Türken ja "Alexander", und nicht umsonst nennt ihn auch Dikigoros so, denn so nannte er sich auch selber noch, nachdem er wieder zum Christentum zurück gekehrt war. Als braver Grieche hätte er sich doch wieder Georg nennen müssen - oder?

Exkurs. Darf Dikigoros - der sich hier ansonsten um äußerste Neutralität bemüht - an dieser Stelle eine ganz boshafte These aufstellen, die ihm alle Skanderbeg-fans übel nehmen werden? Er bezweifelt nämlich die religiöse - christliche - Motivation für dessen Handeln ganz entschieden an. Seht Ihr, Alexander sah so lange keinen Grund, dem Sultan seine Loyalität aufzukündigen, wie der sich selber ihm gegenüber auch loyal verhielt. Loyal, das bedeutete, ä daß er nicht nur seine Leistungen als Feldherr würdigte (das tat er, durch Beförderungen und Adelung), sondern auch seine angestammten Rechte respektierte, in diesem Fall das Recht, seinen Vater zu beerben. Den hatten die Türken nämlich als Duodezfürsten im heutigen "Albanien" belassen und als seinen Nachfolger Alexander vorgesehen. (Seine älteren Brüder hatten sie zu diesem Zweck ermordet - aber das war ganz normal; die Türken verfuhren mit ihresgleichen ebenso - einer konnte schließlich nur Herrscher werden, die übrigen Brüder mußten sterben. Hart, aber praktisch, denn das Reich sollte doch nicht geteilt, sondern zusammen gehalten werden!) Doch dann - 1442 - starb sein Vater. Was tat der Sultan? Er machte nicht etwa Alexander zu dessen Nachfolger, sondern hob das Fürstentum auf und schaltete es gleich. In diesem Augenblick hatte er es sich schlagartig mit seinem besten General verscherzt. Im Film ist das nur der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt, und Alexander hatte dem Sultan schon die Ermordung seiner Brüder übel genommen. Verpflichtete das einen guten "Albaner" nicht zur Vendetta, pardon, bei denen heißt das ja "Gjakmarrje"? Ja, wenn er sich denn als "Albaner" gefühlt hätte... Aber wenn dem so gewesen wäre, dann wäre der Sultan doch nicht das Risiko eingegangen, einen Mann, der so dachte, dessen Blutrache er also hätte fürchten müssen, am Leben, geschweige denn im aktiven Dienst als Heerführer zu lassen! Nein, dann hätte er eher darauf verzichtet, die Brüder umzubringen; denn die Türken konnten es sich nicht ä leisten, auf gute ausländische Feldherren zu verzichten. (Wohl aber auf ausländische Duodezfürstentümer - wer konnte denn ahnen, daß jenem blöden Balkanesen nach so vielen Jahren bei Hofe noch sein heimatliches Popelerbe wichtiger war als seine Stellung als glorreicher General des Osmanischen Reiches?) Die Türken haben nie große Soldaten, geschweige denn große Generäle hervor gebracht (auch die einzige vermeintliche Ausnahme, Atatürk war bekanntlich kein Türke, sondern Thraker und wahrscheinlich tscherkessischer Abstammung), sondern sich immer auf ihre HiWis verlassen, die sie als Knaben den Christen raubten und zu fanatischen Kämpfern erzogen. Bei manchen ging diese Erziehung halt schief - und selbst wenn nicht: Alexander wäre klug genug gewesen, seine wahren religiösen Überzeugungen - wenn er denn welche hatte - nach seiner Rückkehr gegenüber den Christen zu verbergen; die hätten nämlich einen Muslim nicht als nicht zum Parteivorsitzenden gemacht, pardon, da hat sich Dikigoros um ein paar Jahrhunderte vertan, die hätten nämlich einen Muslim nicht zu ihrem Führer im Kampf gegen die Türken gemacht. Exkurs Ende.

Haben also die Makedonen Recht? Hm... so einfach ist das nicht. Sich mit Alexander dem Großen zu identifizieren, besagt nicht viel - mit so einer Berühmtheit identifizierten sich viele nur allzu gerne, auch ohne sich als dessen Landsleute zu fühlen. (Der US-General Custer identifizierte sich mit Napoléons Kavallerie-General Murat, und der paraguayische Marschall Lopez gar mit Napoléon selber; aber darob hätten sie sich - oder andere sie - noch lange nicht für Franzosen gehalten!) Aber es gibt eine höchst interessante Quelle, in der er einen anderen als Landsmann und großes Vorbild in Anspruch nimmt - auf den im Westen wohl niemand käme, obwohl der Betreffende auch dort allgemein bekannt ist. Sehr Ihr, liebe deutsche Leser, die Germanen hatten von je her eine Neigung, nur siegreiche "Helden" für sich in Anspruch zu nehmen. (Heute wollen sie von "Helden" gar nichts mehr wissen, aber das ist eine andere Geschichte.) Das ist bequem, aber schäbig. Die Balkanvölker sind da ganz anders - sie feiern auch ihre Niederlagen, so die denn ein großer Feldherr für eine große Sache - wie den Kampf gegen den verfluchten Islam - erlitten hat. (Denkt nur mal an die Schlacht auf dem Amselfeld, die statt fand, nicht lange bevor Alexander zur Welt kam!) Bei uns ist der "Pyrrhus-Siege" sprichwörtlich geworden für einen verlorenen Kampf, und sein Namensgeber eine fast lächerliche Symbol-Gestalt. Außerdem halten wir ihn für einen "Griechen" - aber das war er so wenig wie die späten Herrscher des "Imperium Romanum" Römer oder Italiener waren. Er war - Epiräer; und wer das ganz genau wußte und das auch ausdrücklich schrieb war - Alexander. "Mein Landsmann, den außer den Römern niemand schlagen konnte." Also fühlte er sich als Epiräer - und so haben das verständige Historiker kurz nach seinem Tode auch gesehen.

Aber das hilft uns nicht wirklich weiter, denn erstens gibt es keinen Staat Epiros (mehr) - vielmehr ist ja die Frage, wer dessen früheres Territorium mitsamt seinem Helden mit Recht für sich in Anspruch nehmen darf, da drehen wir uns also im Kreise -, und zweitens: Was ist so eine gefühlsmäßige Selbsteinschätzung schon wert? Dikigoros hat Euch eingangs nicht umsonst als direktes Gegenbeispiel zu dem halben Serben Alexander, der kein Serbe sein wollte, die große Streiterin auf dem Tennisplatz genannt, die sich als Serbin fühlt, obwohl sie gerade das ganz zuletzt ist.
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Exkurs "Nationen".
Albaner/Skipetaren
Staatsangehörige ungleich Völker im Sinne von Nationen.
Kann nicht jemand eine Nation schaffen, indem er Stämme und Völker eint? Hat Alexander das getan? Gab es seitdem "Albaner" oder "Skiptaren"? (Bloß weil seine Festung heute auf "albanischem" Gebiet liegt?)
Und so landen wir wieder bei der Frage:
Spanier
Belgier
Georgier
Jugoslawn
Sowjetmenschen
Inder
Chinesen
Deutsche
Griechen
Makedonen

Und wo liegt - abseits des Streits um die "natioale" Zugehörigkeit - Alexanders historische Bedeutung? Auch darüber kann man trefflich streiten. Man sollte ja eigentlich in der Geschichte nie fragen: "Was wäre gewesen, wenn...?" Aber hier geht es schließlich nicht um eine seriöse "historische" Abhandlung, sondern "nur" um die Besprechung eines Films, also machen wir mal eine Ausnahme und fragen: Was wäre gewesen, wenn Alexander nicht gewesen wäre? Darf Dikigoros wieder kurz die Extrem-Positionen vorstellen, bevor er Euch seine persönliche Meinung darlegt? Bittesehr: "Wäre Skanderbeg nicht 1443 zu den Ungarn übergelaufen, dann hätten die Türken die Schlacht von Nisch gewonnen und Ungarn schon damals erobert, nicht erst 1526; dann wäre auch Wien - das noch nicht so gut befestigt war wie 1529 - gefallen, und danach wäre überhaupt kein Halten mehr gewesen: Die Türken hätten Prag - die Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches -, Dresden, Leipzig und Berlin erobert; Mitteleuropa wäre schon 600 Jahre früher türkisch geworden. So aber blieb Kruja 35 Jahre lang ein Pfahl im Fleische des Osmanischen Reiches, der beträchtliche Truppen band, die sonst vielleicht sogar für die Eroberung Westeuropas - vor allem die reichen norditalienischen Städte lockten - ausgereicht hätten. So aber konnten die Völker des Balkans ihren christlichen Glauben bewahren und die Türken ein paar Jahrhunderte später wieder hinaus werfen." Soweit seine Verehrer. Nun die Gegenrede: "Skanderbeg hat gleich gar nichts bewirkt. Johann Hunyadi hätte die Türken bei Nisch auch dann geschlagen, wenn Alexander und seine paar Männeken nicht zu ihm übergelaufen wären - was sie ohnehin erst taten, als sie sahen, wohin sich die Waage des Sieges lenkte. Dieser Sieg war aber nichts wert; denn den 10-jährigen Waffenstillstand, auf den die Türken danach eingingen, brachen die Christen bereits im folgenden Jahr, und das endete mit der vernichtenden Niederlage bei Warna, durch welche die Türken überhaupt erst ermutigt und in die Lage versetzt wurden, ein paar Jahre später Konstantinopel zu erobern - das ungleich wichtiger war als Wien und Prag oder irgendwelche Kuhdörfer (aus denen später mal "Berlin" wurde) weiter nördlich. Und ihren Glauben konnten diejenigen Völker des Balkans bewahren, die unter die Herrschaft der gerieten - die letzteren waren nämlich in religiösen Dingen gar nicht so fanatisch wie man heute meinen möchte, eher weniger als die Christen jener Zeit -; und daß Alexander und sein Sohn Kruja verteidigten, half gerade Albanien gar nichts, denn dort leben heute die fanatischten Muslime auf dem Balken."

So, nun wollen wir das mal etwas sortieren: Die Schlacht von Nisch hätte Hunyadi wohl auch ohne Alexander gewonnen, mag sein; aber nehmen wir ruhig mal an, er hätte sie verloren - was dann? Das wäre gar nicht weiter schlimm gewesen, denn Hunyadi war ein ganz krummer Hund, der aus allen anderen Motiven handelte als religiösen und/oder nationalen, sondern ganz allein aus persönlichen. Aus der Schlacht von Warna floh er feige, um künftig gegen die Habsburger zu kämpfen und "Österreich" zu verwüsten - da war er nicht besser als die Hussiten, die zuvor Prag verwüstet hatten - weshalb das tatsächlich keinen hohen Stellenwert mehr hatte und wahrscheinlich nicht als Ziel für einen osmanischen Eroberungsfeldzug in Betracht gekommen wäre, ebenso wenig wie Sachen oder Brandenburg. Ob die Türken dann Wien erobert hätten? Auch das ist sehr die Frage. Sultan Murad II war im Grunde genommen ein vernünftiger Mann, der wußte, daß die Länder im Nordwesten des Osmanischen Reiches nicht annähernd so viel wert waren wie andere, lohnendere Ziele. Nach der Schlacht von Nisch schloß er wie gesagt einen 10-jährigen Waffenstillstand mit den allerchristlichsten Herrschern Osteuropas, insbesondere König Wladislaw III von Polen. Nie gehört, liebe Leser? Das ist eine Bildungslücke. Der junge Hitzkopf war es, der den Waffenstillstand mit den Osmanen, kaum daß er ihn beschworen hatte, wieder brach (selbstredend vom Papst zuvor von selbigem befreit - da seht Ihr, was so ein Eid schon damals im Ernstfall wert war: nichts!) und gen Konstantinopel zog. (Ja, auf die größte und reichste Stadt Europas waren nicht nur die Italiener, die Türken und die Russen scharf!) Und nun kam also jener böse, böse Djuradj Branković und "verriet" seinen Feldzugplan an die Türken, so daß Wladislaw die Schlacht von Warna und sein Leben verlor.

Glaubt Ihr das wirklich, liebe Leser? Daß die Türken ohne den "Verrat" des Serben nicht bemerkt hätten, daß sich ein riesiges Kreuzzugsheer über den Balkan Richtung Konstantinopel wälzte? Das ist doch pure Propaganda; und für diesen Verrat gibt es denn auch keine verläßliche Quelle. Branković war eine tragische Figur, die zwischen allen Stühlen saß - vor allem zwischen dem ungarischen und dem osmanischen
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Tja, das ist die Sorte Fortsetzung, von der man für gewöhnlich weder in Filmen noch in Biografien großer Helden erfährt, sondern allenfalls in Fußnoten der Geschichtsbücher. Es waren also die bösen Serben, die ihre Glaubensbrüder verrieten und verhinderten, daß die "christliche Nation", das "christliche Abendland" oder wie man es sonst nennen soll, die letzte Gelegenheit verpaßte, den Türken dauerhaft die Tür zu weisen... oder? Pardon, liebe Leser, aber ganz abgesehen davon, daß jene Chance 1919 noch einmal bestanden hätte (aber das ist eine andere Geschichte), gab es wie gesagt damals noch keine Nationen, und im Grunde genommen auch keine "christliche Nation" (das unterscheidet die Christenheit von der islamischen "Umma"). Darf Euch Dikigoros auf zwei kleine Exkurse mitnehmen in die damalige Zeit, damit Ihr diese Fragen etwas besser einordnen könnt? 1989 wurde in Serbien der Film "Boj na Kosovu [Die Schlacht auf dem Amselfeld]" gedreht, zum 600. Jahrestag derselben, die heute als nationale Heldensaga durch die Gemüter der Serben spukt. Nichts davon ist wahr, oder seien wir vorsichtiger: Nichts davon ist belegbar. Gewiß, es gab 1389 eine Schlacht auf dem Amselfeld - es gab auch davor und danach noch viele Schlachten dortselbst, bis in die Gegenwart hinein, denn jene Gegend eignet sich offenbar besonders gut zum gegenseitigen Abschlachten. Es ist auch richtig, daß dort Serben (und als ihre Verbündete Bosniaken) kämpften. Aber es stimmt nicht, daß dies ein Kampf zwischen Religionen und/oder Nationen gewesen wäre, denn auf der Gegenseite standen nicht bloß Türken, sondern auch Griechen und - Serben. Über den Verlauf der Schlacht wissen wir nichts - es gibt die wüstesten Spekulationen darüber, wie viele Soldaten daran beteiligt waren, wer sie letztendlich gewann und durch wessen Verdienst bzw. Verschulden. (Die Legende hat einen Milosch Obilić als den Guten und einen Vuk Branković als den Bösen erfunden - merkwürdige Namensgleichheit, nicht wahr?) Fest steht nur zweierlei: Am Ende waren die beiden Heerführer - damals waren das noch die beiden Herrscher persönlich - tot; die Türken zogen schleunigst ab, um zuhause die Thronfolge zu regeln; und Milica, die Witwe des serbischen Königs Lazar Hrebeljanović... schloß ein Bündnis mit ihnen gegen die Ungarn - die sie als viel größere Bedrohung empfand! Wer hat da nun wen "verraten"? Zweites Beispiel: Anno 1411 kam es bei Tannenberg zu einer berühmt-berüchtigten Schlacht zwischen dem preußischen Orden und dem polnischen König, die der letztere gewann. Auch dieses Gefecht spukt bis heute als nationale Heldensaga durch die Gemüter der Polen - während die Deutschen (als sie das noch durften :-) stets über den "Verrat" eines Teils des Ordensheeres klagten, der den Ausgang der Schlacht entschied. Aber auch das hatte weder "nationale" noch "religiöse" Gründe - die wurden da erst nachträglich hinein projeziert. Im 15. Jahrhundert gab es noch keine Reformation, keinen "protestantischen" Orden und keine "katholischen" Polen - sie gehörten allesamt der "römischen" Kirche an. Auch die "Nationalität" war den Kriegern schnuppe: Ein Teil der Vasallen des Ordens entschied sich einfach für einen neuen Lebensherrn - den König von Polen - und lief folgerichtig zu ihm über. Und wenn Ihr Euch mal die Karte anschaut und daraus auf die Machtverhältnisse schließt, dann werdet Ihr sicher verstehen, warum.

(...)

(Fortsetzungen folgen)

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