Erste Flugreise nach Ceylon?
WĀLMĪKI: RĀMĀYANA

[Hanuman springt durch die Lüfte nach Ceylon] [Hanumans Affen bauen eine Brücke nach Ceylon aus Steinen, auf denen jeweils der Name 'Raam' geschrieben steht]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
REISEN, DIE GESCHICHTE[N] MACHTEN

von sagenhaften Reisen und märchenhaften Reiseberichten

Warum hat Dikigoros hinter die Titelzeile ein Fragezeichen gesetzt? Weil die Überlieferung da nicht ganz eindeutig ist: Zwar gibt es Fassungen der Sage, in denen der Affengott Hanumān die Helden tatsächlich auf dem Luftweg nach Ceylon übersetzt, aber auch solche, in denen er ihnen nur seinen Schwanz als Brücke zur Verfügung stellt. Wieder andere meinen, daß er und seine Affen eine Steinbrücke vom Festland, also von der indischen Halbinsel ("Jambudwīp") zur glücklichen Insel ("Serend[w]īp") Shrī Lankā bauten, die von den Briten "Adam's Bridge [Adamsbrücke]" genannt wurde und deren Überreste man in einigen Felsbrocken sah, die am Ufer herum lagen. [Die These vom Brückenbau erhielt im Jahre 2002 wieder enormen Auftrieb, als die NASA im Weltraum geschossene Fotos veröffentlichte, auf denen ein nur wenige Meter unter dem Meeresspiegel verlaufender Damm zwischen dem Festland und Ceylon zu sehen war. (Die Gelehrten streiten freilich noch über deren Beweiskraft - bei der NASA weiß man ja nie :-)] Nur auf die nächstliegende Idee scheint niemand gekommen zu sein, nämlich daß unsere Helden auf Booten übergesetzt sein könnten. Aber tröstet Euch, liebe Leser, das ist von all den Ungereimtheiten der Überlieferungs-Geschichte noch eine der geringsten; und Dikigoros muß einräumen, daß er diesbezüglich voreingenommen ist: Da er auf seiner ersten Reise durch Süd- und Südostasien Ceylon aus dem Programm streichen mußte - er hatte in seiner damaligen Unkenntnis indischer Fahrpläne und ihrer Realisierbarkeit die Reisezeit zu knapp kalkuliert -, hat er die Palk-Straße nie mit der Fähre überquert und deshalb die berühmten Felsbrocken nie aus der Nähe gesehen, sondern das ganze ein paar Jahre später nachgeholt, wie es die Sage berichtet, mit Garuda, der indonesischen Fluggesellschaft, die auf dem Flug nach Jakarta eine Zwischenlandung in Colombo einlegte - damals zum Sondertarif für Studenten. (Aus dem Flugzeug sah man die neu entdeckte Unterwasser-Adamsbrücke übrigens nicht, aber vielleicht verlief die Flugroute auch nicht an der richtigen Stelle :-) Moment mal - das soll "die Sage berichtet" haben? Na klar, denn die "Garuda" wurde zu einer Zeit, als Indonesien sich noch nicht gänzlich dem Islām verschrieben hatte, sondern sich auch noch ein wenig auf sein hinduïstisches Erbe besann, benannt nach dem Reittier des Gottes Wishu, dem mythischen Vogel Garud[a]. (Das Endungs-a ist stumm, wie auch das in "Rām[a]" und "Rāmāyan[a]". Tatsächlich ist der letzte Harf - Dikigoros scheut sich, hier von "Buchstaben" oder "Silben" zu sprechen; er gebraucht lieber das Original-Wort - auch kein "d[a]", sondern ein Laut, den es nur in den indischen Sprachen gibt, dessen Aussprache entfernt an ein spanisches "r" erinnert und den manche Wörterbücher auch so wiedergeben; Dikigoros tut das nicht, zum einen weil er das damals noch nicht wußte, zum andern weil "Garūr[a]" das indische Wort für Eitelkeit ist, wie er heute weiß.) Wishnu ist der wichtigste Gott der wichtigsten Konfession des Hinduïsmus - den Ihr leicht an seiner dunkel-violetten Hautfarbe erkennen könnt, die daher rührt, daß er einmal Gift (Wish[a]) geschluckt hat -, von dem es jede Menge Avtare gibt (bitte bildet den Plural doch nicht auf -s, liebe deutschsprachige Leser, wie die doofen Limeys; der indische Plural endet wie der deutsche auf -e!). Der populärste dieser Avtare ist Rām[a] - und damit sind wir beim Thema.

Wie Dikigoros (der Wishnu nicht sonderlich nahe steht; er mag die meisten seiner Avtare, besonders Krishn und Rām, nicht) kürzlich von einem fanatischen (aber sonst sehr netten) Wishnuïten belehrt wurde, steht nunmehr unumstößlich fest, daß Prinz Rām eine historische Person war, die am 10. Januar 5114 v.C. zwischen 12 und 13 Uhr mittags in Ayodhyā am Saryu geboren wurde. (Für Leser, die sich in der indischen Geografie nicht so genau auskennen: Das ist dort, wo sich Hindūs und Muslime noch heute um die Ruine streiten, die von den letzteren "Babri-Moschee" genannt wird, und in der die ersteren Rāmas Geburtsstätte, also ihr größtes potentielles Heiligtum, vermuten - das geht ab und zu auch mal durch die westlichen Medien.) Das fand Dikigoros schon einigermaßen überraschend, denn der Autor der mutmaßlichen Ursprungsversion, ein gewisser Wālmīki - der sich ja als Zeitgenosse von Rām, Sītā und Rāwan bezeichnete - lebte nach herrschender Meinung nicht im 6., sondern erst im 1. vorchristlichen Jahrtausend, wahrscheinlich im 3. Jahrhundert v.C., also zur Zeit Āshokas. Aber der nette Wishnuït kannte auch noch ganz genau den unumstößlich wahren Weg Rāmas und seiner Begleiter nach Shrī Lankā - und wer jemals durch Indien gereist ist, weiß, daß dieser Sprung durch den Raum für einen zu Fuß Reisenden vor Erfindung der modernen Verkehrsmittel fast noch unwahrscheinlicher ist als der Sprung durch viertausend Jahre Zeit:

[Raamas Weg nach Ceylon]

Aber beginnen wir dort, wo die Reise offiziell ihren Ausgang nimmt: im Königreich Kosāla, am Fuße des Schneegebirges ("Himālay"), wo König Dashrath ("Zehn Streitwagen") gerade zugunsten Rāmas, des Sohnes seiner ersten Frau, abdanken will. Das mißfällt indes Kaikeyī, seiner zweiten Frau, die lieber Bharat, ihren eigenen Sohn, auf dem Thron sehen will (nach dem sich der Staat, den Ihr, liebe deutsche Leser, wahrscheinlich als "Republik Indien" kennt - oder zu "kennen" glaubt -, offiziell "Bhārat" nennt). Ihren Stiefsohn Rām soll sein Vater statt dessen in die Wüste schicken, nein in den Wald, und seine Schwiegertochter Sītā gleich mit. Der brave König überlegt eine Zeit lang, aber dann gehorcht er, wenngleich schweren Herzens, Kaikeyīs Wunsch. Wundert Euch das, liebe Leser? Dann müßt Ihr, wie fast alle Nicht-Inder, eine völlig falsche Vorstellung vom indischen Familienleben im allgemeinen und von der Stellung der Ehefrau im besonderen haben. Wenn der Mann in ein Alter kommt, da er sich zur Ruhe setzen will, ist seine Frau oft noch in den besten Jahren, da sie traditionell um einiges jünger ist - zumal wenn es die zweite oder dritte Frau ist. (Dashrath hat drei Frauen.) Und Dikigoros kennt genug indische Familien, in denen die Frau dann auch die Hosen anhat, während ihr "Göttergatte [patidew]" irgendwo in der Ecke im Sessel sitzt (oder neuerdings auch im Rollstuhl - aber mit angezogenen Bremsen :-), ge-, aber kaum noch be-achtet, wie ein altehrwürdiges Möbelstück. Wer wird ihn nach althergebrachtem Verständnis beerben? Das ist eigentlich ganz einfach: Die Töchter bekommen anläßlich ihrer Verheiratung alles - "Voraus" nennt das der deutsche Jurist - und noch viel mehr, als Mitgift, notfalls indem sich ihr Vater und ihre Brüder bis über beide Ohren verschulden. Erst wenn die letzte Tochter unter der Haube, pardon dem Schleier ist, dürfen auch die Söhne heiraten. Sie erben - neben den Schulden - bestenfalls eine ordentliche Ausbildung und die Hoffnung, beim Heiraten ihrerseits eine Mitgift zu bekommen. So weit, so gut. Wenn dann wider Erwarten noch etwas übrig bleibt, erbt das der jüngste Sohn, und das ist nur gerecht, denn er hat dafür ein schweres Los zu tragen: Er darf nämlich erst heiraten, wenn nicht nur alle seine Schwestern und älteren Brüder verheiratet sind, sondern - wenn seine Eltern gestorben sind; jedenfalls darf er vorher keinen eigenen Hausstand gründen, sondern muß im Elternhaus - also in der Regel bei der Mutter - bleiben. (Wundert es Euch angesichts dessen, daß man früher die Witwen beim Tode ihres Mannes gleich mit verbrannte? Der jüngste Sohn und dessen Frau bestanden darauf! Wenn diese Möglichkeit nicht bestanden hätte, hätte der jüngste Sohn nie eine Frau gefunden, denn indische Schwiegermütter sind berüchtigt für ihre Tyrannei, die schon bei einem eigenen Hausstand lästig genug ist.) Nein, anders ging es nicht, denn eine anständige Inderin durfte sich nicht ohne Begleitung eines männlichen Verwandten aus dem Haus bewegen oder dort fremde Gäste empfangen. Ihr glaubt das nicht, liebe Leser? Dann kennt Ihr keine indischen Familien. Ihr dürft Dikigoros gerne glauben, daß es vielfach heute noch so ist - jedenfalls bei ehrbaren Leuten. Also ist es ganz normal, wenn der älteste Sohn nicht zum Erben bestellt, sondern in die Welt hinaus geschickt wird: Dashrath verhält sich unkorrekt, als er Rām zu seinem Nachfolger machen will, nicht die böse Stiefmutter - macht Euch bitte vom Hänsel- und Gretel-Klischee der europäischen Märchenwelt frei!

Mit Rām und Sītā geht auch Rāmas Bruder Lakshman in die "Verbannung". (Ein solches "ménage à trois", bei dem sich zwei - oder mehr - Brüder eine Frau teilen, ist am Fuße des Himālayas noch heute weit verbreitet, vor allem in Nepāl. Vergeßt die alberne Version, nach der Lakshman kurz zuvor noch seine Cousine geheiratet hat - warum nimmt er sie dann nicht mit?) Halt, werden hier Dikigoros' indische Kritiker rufen, das stimmt doch alles gar nicht: Beerbte nicht damals von Rechts wegen noch der älteste Sohn den Vater? Hätte nicht, wenn Dikigoros Recht hätte, Lakshman als der jüngste der Brüder, das Reich erben müssen, und nicht Bharat? Pardon, wo steht denn, daß Lakshman der Jüngste war? Nirgends! Er war der Sohn von Dashrathas dritter Frau, aber das besagt gar nichts. Lest einmal die Passagen, die in den meisten gekürzten Ausgaben fehlen, z.B. die von Dashrathas Zeugungsunfähigkeit, pardon von der Kinderlosigkeit seiner Frauen. Diese zu überwinden, beschließt Dashrath eines schönen Tages, zusammen mit den letzteren Ashwamedh, das große Pferdeopfer (nein, nicht "one chicken, one horse", wie bei der berühmt-berüchtigten englischen "Geflügel"-Pastete, sondern ein Pferd und 300 andere Opfertiere :-) zu zelebrieren, zu Ehren des Schöpfungs-(und folglich auch Zeugungs-)Gottes Wishnu. (Dikigoros nimmt mal an, daß dabei die Pferdehoden als Potenzmittel verzehrt wurden - so wie man Impotenten im 20. Jahrhundert Extrakte aus Stierhoden spritzte.) Offiziell waren natürlich die Frauen schuld (d.h. alle drei auf einmal unfruchtbar :-), deshalb mußten die gemeinsam ein Faß Pferde-Urin trinken (ja, was glaubt Ihr denn, liebe unfruchtbare Leserinnen, woraus das Hormon-Zeug hergestellt wird, das Euch der Arzt für teures Geld verschreibt? Genau daraus!), und das Pferd als Hauptopfer wurde von Kaushalyā, der Hauptfrau (und späteren Mutter Rāmas), mit drei Schwerthieben vom Leben zum Tode befördert. (Jawohl, das war eine Beförderung und große Ehre für das Pferd; aber das ist eine andere Geschichte.) Nur am Rande will Dikigoros boshafte Gerüchte erwähnen, die bei solchen Kinderwunsch-Ritualen nie ganz verstummen wollten, wonach sich während der drei Tage und drei Nächte dauernden Feierlichkeiten junge, potente Pandit-Jünglinge der "unfruchtbaren" Frauen ganz persönlich annahmen (laut Rāmāyan sollen 16 solcher "Unterpriester" beteiligt gewesen sein), während deren Mann seinen Soma-Rausch ausschlief, der ihn "alles vergessen" machte. Die offizielle Version lautet dagegen, daß Wishnu das Flehen Dashrathas erhörte und beschloß, sich selber in dessen vier Söhnen zu inkarnieren. (In die Mythologie sollte freilich nur Rām als sein Avtar eingehen.) Wie dem auch sei, nach erfolgreichem Pferdeopfer wurden Dashrathas drei Frauen prompt alle gleichzeitig schwanger. Nun war aber Lakshman ein Zwilling, und Ihr könnt mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß er und sein Bruder als solche Frühgeburten und folglich die ältesten waren, also für eine Erbschaft ohnehin nicht in Betracht kamen.

[Exkurs. Ihr findet das unmöglich, liebe Leser, solchermaßen den einen Bruder gegenüber dem anderen zu diskriminieren? Aber das sind feste, vernünftige Regeln, die im Alllgemeinen zu einem guten Einvernehmen zwischen den Geschwistern führen. Vergleicht das doch bitte mal mit den Bruderpaaren nicht-indischer Sagen - bei denen das Motiv vom Brudermord zu den beliebtesten überhaupt zu zählen scheint: Seth und Osiris, Kain und Abel, Eteokläs und Polyneíkäs, Romulus und Remus... In Indien hätte das keinen Sinn; denn wenn der ältere Bruder den jüngeren umbrächte (oder umbringen ließe), würde nicht er zum Erben, sondern die Nachfolge würde offen bleiben, bis ein weiterer, jüngerer Erbe geboren wird. Es gäbe auch keine andere "krumme Tour", die den Älteren zum Ziel führen könnte, denn diese Regelung galt nicht nur für Mord u.a. Arten eines gewaltsamen Ablebens, sondern auch für Tod durch "Unfall", "Krankheit" o.ä - es hätte also auch keinen Zweck, den jüngeren Bruder zu "verunfallen", zu vergiften oder sonstwie um die Ecke zu bringen. Exkurs Ende.]

Zurück zu unseren drei Verbannten. Eines Tages geht Rām im Walde so vor sich hin, da erblickt ihn eine gewisse Surpanakhā und findet ihn aus unerfindlichen Gründen attraktiv. (Wir erinnern uns: Rām ist als Avtar Wishnus dunkelhäutig, und das kommt bei Inderinnen in der Regel nicht sonderlich gut an.) Sie versucht, ihn zu verführen, und zur Strafe überfällt sie Lakshman und schneidet ihr die Nase (und in einigen Fassungen auch noch die Ohren) ab. Das ist nicht nett, und auch Dikigoros fällt es schwer, dafür eine moralische Rechtfertigung zu finden. Surpanakhā war eine Dämonin? Nun, das sagt man dann - das ist wie mit den Hexen in Europa: Ebenso wenig wie die sich durch Hexerei retten konnten, als man sie folterte und verbrannte, gelang das Surpanakhā, als Lakshman sie verstümmelte. Und weil das alles etwas unschön ist, läßt man diese Episode in den meisten modernen Fassungen ad usum Dummviehi, pardon Delphini einfach weg, bisweilen mit dem Hinweis, daß das doch sicher nur späteres Beiwerk sei. Doch daran vermag Dikigoros nicht zu glauben: Wieso sollte Surpanakhās Bruder Rāwan sonst auf die Idee kommen, aus Rache Rāmas Frau Sītā zu entführen? Ach, Ihr glaubt das Märchen, daß Euch die modernen Fassungen statt dessen servieren, daß sich Rāwan in Sītā "verliebt" haben soll und sie deshalb entführte? Da lachen ja die Hühner, um nicht zu sagen die Rehe!

Mit einem dieser Tiere, Māyā Mrig, dem (goldenen) Reh der Illusion [manche übersetzen es auch mit "Gazelle", aber im Ergebnis ändert das nichts], hat es seine besondere Bewandnis. Mit seiner Hilfe lockt Rāwan Rām und Lakshman von Sītā weg (die unbedingt will, daß sie es für sie erlegen - nein, nicht fangen, sondern töten, wie Ihr auf dem Bild oben rechts seht; Sītā ging es wie den Argonauten um das goldene Fell, auf dem sie so gerne sitzen wollte - merke: auch indische Frauen wollen stets das, was sie nicht haben :-), während er selber sich, als Bettelmönch verkleidet, bei ihr einschleicht und sie nach Lankā entführt. Meint Ihr wirklich, liebe Leser, daß er sie dort unberührt gelassen hätte, wenn er sich in sie "verliebt" hätte? Sie wurde dort schlicht und einfach als Gefangene gehalten; und so beschließen denn Rām und Lakshman einen Feldzug gegen jene Insel, um sie zu befreien. Offenbar finden sie dabei keine Unterstützung aus Kosāla, obwohl Bharat, der über die Entwicklung angeblich todunglücklich ist, sich nur als Regent fühlt für Rām, bis der aus der Verbannung zurück kehrt. Das ist zwar nett, aber keinen einzigen Soldaten wert - vielleicht konnte ihm Bharat gar keine Truppen zur Verfügung stellen? Dikigoros will ja nicht boshaft sein und keinen Rām-Anhänger beleidigen; aber er beherrscht noch so viel Indisch, daß er das verräterische Wort "Kosāla" übersetzen kann: "kos" ist ein Längenmaß von knapp 3,3 km; und "ālam" bedeutet "Staat". Es würde ihn also gar nicht wundern, wenn jener Staat die erkleckliche Ausdehnung von ca. 10 km² gehabt hätte, mithin nicht mal ein Duodez-Fürstentum war, sondern nicht viel größer als der Bezirk des armseligen Vororts von Laknau, der Ayodhyā heute noch ist, und daß es in erster Linie deshalb nie im Krieg erobert wurde (das bedeutet sein Name nämlich wörtlich), weil es nie ein Feldherr der Eroberung für wert erachtet hat. (Daß es heute von allen vier großen indischen Religionen - Hinduismus, Islam, Buddhismus und Jainismus - als heiliger Ort in Anspruch genommen wird, besagt gar nichts; die Bauten, auf die diese Ansprüche gestützt werden, sind nämlich durch die Bank jüngsten Datums.) Und warum hieß der König ausgerechnet "Zehn Streitwagen"? Indische Namen wurden noch bis in die jüngste Vergangenheit gerne und häufig gewechselt, je nach Lebensumständen, auf die sie immer Bezug nahmen. Wenn sich also ein König so nannte, dürfen wird daraus getrost schließen, daß Ayodhyā es Dank seiner auf ein Heer von zehn Streitwagen brachte, und daß das für seine Verhältnisse schon viel war. Wie dem auch sei, Rām und Lakshman müssen am Ende auf die Dienste einer Affenarmee unter dem göttlichen General Hanumān zurück greifen.

[Ramas Affenarmee] [Die Schlacht gegen Rawan]

Wie sie mit deren Hilfe nach Lankā kommen - oder auch nicht, oder doch, jedenfalls kamen sie irgendwie hin - hatten wir schon eingangs gesehen. Wie das in einer ordentlichen Sage so ist, besiegen die Guten nach heldenhaftem Kampf die Bösen, töten Rāwan und seine Dämonen, brennen seine Hauptstadt nieder und befreien Sītā. (Die Einzelheiten erspart Dikigoros sich und Euch an dieser Stelle; die könnt Ihr auch in jeder gekürzten Ausgabe für westliche Konsumenten nachlesen, wenn sie Euch interessieren.) So weit, so gut.

[von links nach rechts: die großäugige Sita, der dunkelhäutige Ram und der Affen-'König' Hanuman]

Nun stehen sie freilich vor dem gleichen Problem wie die Griechen, als sie die schöne Helénä aus dem nieder gebrannten Troia befreit haben oder wie Lenin, nachdem er die Russen von der Herrschaft des ermordeten Tsaren befreit hat: Schto djelatch - oder, wie die Inder sagen: kyā karo? Carl May hat in einem seiner "Winnetou"-Bücher eine gute Lösung gefunden, als er einen Indianer-Häuptling, der vor der gleichen Frage steht, sagen läßt: "Gebrauchte Frauen nimmt man nicht zurück; wir wollen statt dessen eine gleiche Anzahl Jungfrauen von Eurem Stamm." Das ist nicht nur vernünftig in Bezug auf die entführten Frauen - die vielleicht gar nicht "befreit" werden wollen -, sondern auch in Bezug auf die eigenen Männer, wegen der genetisch heilsamen Wirkungen der Exogamie. [Wundert Euch diese Einschätzung aus der Feder, pardon Tastatur, Dikigoros', liebe Leser? Ist er nicht sonst immer gegen die miscegenation, die Vermischung von Rassen? Na klar, aber die Indianerinnen sollen ja nicht Neger oder Bleichgesichter heiraten, sondern andere Indianer, eben nur nicht vom selben Stamm. Er selber hat auch eine Preußin geheiratet - so what?] Hätte Rām sich nicht ein paar Sinhalesinnen als Ersatz für Sītā mit nach Hause nehmen und die letztere auf Lankā zurück lassen können? Hat er aber nicht. Und so kommt, was kommen mußte: Es werden Zweifel laut, ob Sītā in der Zeit ihrer Gefangenschaft (wie lange die immer gedauert haben mag - da streiten die Gelehrten) nicht doch etwas mit Rāwan hatte. Um ihre "Unschuld" unter Beweis zu stellen, unterzieht sie sich nun einer Probe, die im Westen stets ganz falsche Assoziationen hervor ruft, weil man dort vergessen oder verdrängt hat, daß es in der abendländischen Rechtsordnung etwas ganz ähnliches gab (oder woher glaubt Ihr kommt die heutige Bedeutung des englischen Wortes "ordeal" für [Gottes-]Urteil?): der Feuerprobe. (Bei den Indern übrigens auch, die sie zur Rechtfertigung der Witwen-Verbrennung heran zogen - aber die liegt, wie wir gesehen haben, ganz woanders.) Sītā besteht die Probe. (Das unterscheidet sie von ihrer Leidensgenossin Lucretia aus der römischen Sage; aber über die schreibt Dikigoros an anderer Stelle.) Und so lebten sie in Freuden, und wenn sie nicht gestorben sind... Damit endet das 6. Buch des Rāmāyanas in Friede, Freude und Eierkuchen. Ende - pardon, Happy-end.

[Sitas Feuerprobe]

Moment mal, gab es da nicht noch ein 7. Buch? "Aber nein," sagen die modernen Wissenschaftler und klappen es schleunigst zu, "das ist alles nur späteres Beiwerk." Ach so. Wollen wir trotzdem einen kurzen Blick hinein werfen? Sītā mag ja unschuldig gewesen sein, das kann bei einer "gebrauchten" Frau sowieso niemand mehr so genau feststellen - es sei denn, sie hätte Kinder von Rāwan gehabt, und das hat sie nicht. Allerdings bekommt sie auch keine von Rām - und das Volk murrt, zumal das Exil nunmehr beendet ist und der "Regent" Bharat inzwischen seinem Bruder die Herrschaft übertragen hat. (Natürlich ganz freiwillig - Hanumān und seine Affenarmee hat er doch nur zum Spaß mitgebracht; ebenso freiwillig begeht Lakshman Selbstmord, und von seinem Zwillingsbruder hört man auch nichts mehr :-) Warum nicht? Na, ganz einfach: Rām scheint wie Dashrath zeugungsunfähig gewesen zu sein, und diesmal helfen auch kein Pferdeopfer und keine Potenzmittelchen - aber das Volk wollte das nicht wahr haben, sondern schob die Schuld auf Sītā und ihre vermeintlichen "Sünden". (Es hätte ja schon ausgereicht, wenn sie Rāwan nur in die Augen geschaut hätte, wie das Rāmāyan ausdrücklich feststellt - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr.) Ob nun Sītā selber irgendwann die Nase voll hatte von der Rufmord-Kampagne, oder ob Rām sie doch verstieß - jedenfalls ging sie erneut in die Verbannung, und wieder in den Wald; diesmal allerdings nicht mit den beiden schlappschwänzigen Brüdern, sondern zu einem Einsiedler, und prompt bekam sie Zwillinge (die natürlich offiziell als Kinder Rāmas galten - und der hütete sich wohlweislich, die Vaterschaft anzufechten, obwohl die lieben Kleinen seine dunkle Hautfarbe nicht geerbt hatten :-). Und dieser Einsiedler war niemand anderes als Wālmīki, der Autor unserer Geschichte. Wollte der sich etwa mit jenem "frei erfundenen" letzten Buch selber ein Denkmal setzen? Kaum, liebe Leser. Bis zum 6. Buch ist das Rāmāyan ein typisches Märchen, eben mit Happy-end, wie es sich Dikigoros zur Not auch noch hätte ausdenken können. Aber dieses letzte Buch denkt sich so niemand aus - das macht es glaubwürdig, und wenn man einen historischen Kern der ganzen Geschichte annehmen will, dann liegt er hier.

[Sita bei Walmiki]

Aber nun müssen wir endlich zum ideologischen Zweck dieser Sage kommen; denn nur wegen der Liebesbeziehungen zwischen Rām und Sītā (über die Dikigoros an anderer Stelle schreibt) würde sich ihre Aufnahme in diese "Reise durch die Vergangenheit" schwerlich rechtfertigen. Stellen wir also die Frage von der Startseite: Wessen Lebenslüge soll diese Geschichte sein und wessen Landnahme rechtfertigen? Haben die Affen Lankā nicht eigentlich nur zerstört und nicht erobert (ähnlich wie die Griechen Troia)? Zieht sich nicht durch die ganze Geschichte Festland-Indiens der vergebliche Wunschtraum, die selige Insel im Südosten des Subkontinents zu erobern? Das ist eine gute Frage, auf welche die Historiker noch keine befriedigende Antwort gefunden haben - aber vielleicht finden wir ja eine mit Hilfe des Rāmāyanas. Vergessen wir zunächst einmal die abstrusen Berechnungen, die Rām und Genossen ins 6. Jahrtausend v.C. verlegen wollen und halten uns statt dessen an die simplen Fakten: Wālmīki lebte wahrscheinlich um 300 v.C. Wenn Ihr mal ins Geschichtsbuch schaut, dann lest Ihr dort von der "Maurya"-Dynastie, von "Chandragupta" und von "Asoka" und findet dazu vielleicht noch ein paar fantasievolle Landkarten, welche die Größe ihrer famosen Reiche nachzeichnen sollen, mal bis zum Narmadā, mal bis zur Godawari (an deren Ufer der Wald lag, wo Rām und seine Lieben in der Verbannung lebten), mal noch weiter südlich, bis zum Krishn oder gar zur Kauweri. Darüber kann man trefflich streiten, aber eines ist ihnen allein gemeinsam: Der Südzipfel des Subkontinents (das spätere "Wijaynagar") und Ceylon (die Gründung des sagenhaften Exil-Königs Wijay aus Kāling) wurden nach festländischen Quellen nie erobert. Wirklich nicht? Das steht jedenfalls in merkwürdigem Gegensatz zur so genannten "Großen Ceylon-Chronik", dem Mahāwansh - dort kann man gleich mehrmals lesen, daß die Insel wiederholt vom Festland aus erobert wurde, sei es von den Kālingen, sei es von den Cholen. (Wenn Ihr partout an das anti-kolonialistische Märchen glauben wollt, daß erst die bösen Briten dunkelhäutige Inder - Tamilen - nach Ceylon gebracht haben, damit sie dort als Arbeiter auf den Teeplantagen schuften konnten, lest bitte nicht weiter.)

Schauen wir uns das doch einmal auf der Karte an: Die Cholen sind die heutigen Tamilen, die saßen, wo sie noch immer sitzen, an der Koromandal-Küste gegenüber Ceylon. Kāling entsprach etwa dem heutigen Urīsā ("Orissa"), darüber findet Ihr meist ein Reich "Magadha" eingezeichnet. (Manchmal auch "Maghada" geschrieben - aber es gibt ja auch Leute im Westen, die den lieben Gāndhī "Ghandi" schreiben :-) [Richtig schreibt und spricht es sich Māgdh, so wie es richtig auch Chandrgupt und Āshok heißt.] Wie weit sich das genau ausdehnte ist schwer zu sagen. Stammland war zweifellos das heutige Bihār mit der Hauptstadt Pātaliputra (dem heutigen Patna). Im Osten umfaßte es wohl Teile Westbengalens - und im Westen? Gehörte auch noch der Osten der heutigen Uttar Pradesh ("Nordprovinz") dazu, das alte Avdh (das die Briten "Oudh" schrieben), mit Laknau und - Ayodhyā? Dikigoros weiß es nicht, aber wir können diese Frage einstweilen dahin stehen lassen und uns einer anderen zuwenden: Wenn jemand von Avdh nach Ceylon ziehen will, warum wählt er dann nicht die kürzeste, südöstliche, Route? Das habt Ihr Euch doch sicher auch schon gefragt angesichts der oben abgebildeten Karte der vermeintlichen Route, die einen Riesen-Umweg nach Südwesten macht, oder? Dann schaut bitte einmal auf die nächste Karte, dann seht Ihr, um wen und was man da einen so großen Bogen machte: um das Gebiet der "wilden Stämme", die noch heute im Süden von Urīsā und im Norden von Andhr Pradesh leben, und zu denen Euch die indische Regierung möglichst nicht reisen lassen will, weil sie sich dieser Rückständigen - die in der Gesetzgebung den "Unberührbaren" gleich gestellt sind, von wegen positive Diskriminierung und "job reservation" im öffentlichen Dienst - schämt. (Aber das ist eine andere Geschichte). Tja, seht Ihr, und deshalb glaubt Dikigoros nicht an die Reiseroute von der Karte oben - die hat sich jemand ausgedacht, der in Kategorien denkt wie ein heutiger Inder. Dikigoros glaubt vielmehr, daß die "Wilden" jener Stämme die Nachfahren der "Affen" des Rāmāyanas sind. Und er glaubt ferner, daß Dashrath Kāling kannte und daß Rām und seine Halbbrüder dort gezeugt wurden, genauer gesagt in Konārk; und der direkte Weg von Ayodhyā nach Konārk führte - und führt - nun einmal, wie Ihr auf der Karte unten sehen könnt... mitten durch das Gebiet jener Stämme!

[Südasien um 300 v.C.]

Wie aber kommt Dikigoros ausgerechnet auf Konārk? Nun, Konārk war der Ort für die Heilung von Kinderlosigkeit, d.h. für die Durchführung des dagegen gerichteten Pferdeopfers und allem, was damit zusammen hing. Leider (oder zum Glück :-) verschlägt es westliche Touristen nur selten dorthin. (Indische dafür umso häufiger - vor allem kinderlose Ehepaare; die glauben nämlich immer noch, daß ein Besuch dort ihnen helfen könnte.) Wer Konārk nur aus dem Lexikon oder dem Reiseführer "kennt" - mit dem Geschwafel vom "Tempel des Sonnengottes Surya" und von den Personifizierungen der zwölf Monats-Planeten, mit der immer wieder zu sehenden Abbildung eines einzelnen mannshohen Wagenrades (Chakr), bestenfalls noch mit einem mehr oder weniger kaputten Pferd davor, aber fast nie mit den Liebespaaren (Mithune) dahinter - bekommt einen völlig falschen Eindruck von der Anlage, die in puncto erotische Skulpturen durchaus mit den berühmten Tempeln in Khajurāho vergleichbar ist. Und der Sonnengott hieß ursprünglich nicht Sury[a], sondern - Wishnu! [Natürlich könnten Dashrath und seine Frauen auch die benachbarten - ebenfalls dem Fruchtbarkeitsgott geweihten - Heiligtümer in Puri und/oder Bubhaneshwar besucht haben, wahrscheinlich sogar alle drei; aber das Pferdeopfer scheint Dikigoros am besten zu Konārk zu passen, wegen der Chakr-Symbolik; wer das Ashwamedh zelebrierte, sollte/wollte/konnte nämlich ein Chakrwartī werden, worunter man entweder den "Herrscher über ein großes Reich" verstehen kann (wie die meisten Lexika) oder aber - das "Oberhaupt einer kinderreichen Familie". Für diese unsere "Reise durch die Vergangenheit" ist das aber letztlich egal, da alle drei Orte nahe beieinander in Kāling liegen.]

[Konark, Chakr] [Konark, Pferd]
So sieht es im Reiseführer aus: einsame Wagenräder und Pferde...
[Konark, Chakr mit Mithune] [Konark, Mithune Detail]
... und so in Wirklichkeit: Anschauungsunterricht für kinderlose Paare

Zurück zur Eroberung Ceylons durch die Festlandsinder. Was genau bedeutet das eigentlich, "Eroberung"? Muß die zwangsläufig mit militärischen Mitteln erfolgen? Na klar, liebe Leser - entschuldigt, wenn Dikigoros das hier so einfach und deutlich schreibt. Aber muß man das auch zwangsläufig zugeben? Nein, natürlich nicht. Es klingt doch viel besser, wenn man behauptet, daß es auch eine Eroberung mit "geistigen Waffen", besseren Argumenten, Ideologien usw. gebe, etwa indem man einem Land den einzig wahren Glauben bringt, z.B. an den Gott der Christen, an den Allāh der Muslime, an den Demokratismus, an den Sozialismus, an den Kapitalismus... was halt gerade ansteht. Oder glaubt Ihr etwa im Ernst, liebe Leser, daß sich auch nur eine einzige der vorgenannten Ideologien verbreitet hätte ohne Feuer und Schwert? Und glaubt Ihr etwa, daß das in Indien anders gewesen wäre? Habt Ihr bei irgendwelchen indischen "Historikern" - etwa der Kommunistin Romila Thapar mit ihren ideologischen Scheuklappen - gelesen, die Inder hätten Ceylon "friedlich" erobert, pardon bekehrt, nämlich zu den Lehren des edlen Buddhismus? Mit jener nihilistischen Perversion der hinduïstischen Vorstellung vom ewigen Kreislauf der Wiedergeburten, die auf dessen Unterbrechung und damit letztendlich auf die Zerstörung des Lebens abzielt? Der Sohn oder Neffe des großen Kaisers "Asoka" (sie kann ihn nicht einmal richtig schreiben, diese "Inderin"! :-) habe die Lehre Buddhas auf die Insel gebracht und damit deren König Tissa gewonnen? Nun, speziell Ihr, liebe jüngere Leser, seid wahrscheinlich zu dem Glauben erzogen worden, daß die drei größten Verbrecher und Versager der indischen Geschichte wahre Lichtgestalten gewesen seien, nämlich jener Gottlieb Liebesdiener, genannt Füst Sorglos ("Dewnāmpiya Piyadasi Rājā Āshok"), dann der Schlächter von Chittaurgarh, pardon der Muģal ("Moghul") Muhamad Jelal-ud-din (der sich in einem Anfall von Größenwahn "Akbar" nannte, also nicht etwa nur "der Große", sondern "der Größere" - das sollte erst 400 Jahre später Fidel Castro toppen, der sich in aller Bescheidenheit "el máximo [líder]" nannte, "der Größte [Führer]" :-) und schließlich Mohandās Karamchand "viel Wind um nichts [Mahātma]" Gāndhī, allesamt Vorkämpfer für Gewaltlosigkeit und Frieden. Aber wißt Ihr, mit den "Friedensfürsten" ist das so eine Sache: Entweder sind das solche, die der große Cyniker Joachim Fernau einmal mit Räubern verglich, die nach einem erfolgreichen Einbruch schreien: "Nun wollen wir alles so lassen, wie es ist, und in Frieden miteinander leben"; oder aber solche, die Dikigoros "Friedensnarren" nennt, weil sie den Spruch von Schiller nicht kennen (oder nicht ernst nehmen), daß auch der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, es daher versäumen, den alten römischen Grundsatz "si vis pacem, para bellum [wenn Du den Frieden willst, rüste für den Krieg]!" zu beherzigen und am Ende die Kriege verlieren, die ihnen von eben jenen Nachbarn aufgezwungen werden. (Dikigoros schreibt an anderer Stelle auch, wen er für den größten Friedensnarren der Weltgeschichte hält - es ist aber keiner der drei Vorgenannten.) Āshok gehörte zweifellos zu den ersteren, und da das nicht allgemein bekannt ist, will Dikigoros ihn Euch an dieser Stelle etwas näher vorstellen.

Vorstellen? Ja, stellt Euch Āshok bitte vor als eine Mischung aus Stalin, Eisenhower und Mao Tse-tung, mit anderen Worten: als den größten Kriegsverbrecher und Völkermörder der Weltgeschichte vor dem 20. Jahrhundert. Bitte, das hat sich Dikigoros nicht einfach so ausgedacht, sondern er bezieht sich auf Āshokas eigene, in Stein gehauene Verlautbarungen - denn andere Quellen haben wir praktisch nicht (mit einer Ausnahme, auf die wir noch zurück kommen werden): Acht Jahre nach seinem Regierungsantritt führte er einen Vernichtungsfeldzug gegen die Kālingen: 100.000 wurden sofort getötet, 150.000 vertrieben, und der Rest kam etwas später durch Hunger, Seuchen und/oder Zwangsarbeit um. (An die Zahlen könnt Ihr, um sie in heutige Dimensionen umzurechnen, getrost zwei Nullen dranhängen, liebe Leser; Südasien dürfte damals nichtmal 1% der knapp 2 Milliarden Menschen beherbergt haben, die heute in Pākistān, Bhārat, Nepāl, Bangla Desh und Shrī Lankā leben.) Und Kālingas Hauptstadt Toshalī zerstörte Āshok gründlicher als die Römer Karthago und Korinth, als die Mongolen Kijiw, Baģdād und Dillī, als die Angelsachsen Würzburg und Dresden, Hiroshima und Nagasaki. Denn all diese Städte stehen heute noch - oder wieder; dagegen weiß man von Toshalī nicht mal mehr genau, wo es einst stand. (Das Fremdenverkehrs-Ministerium und das Bundesamt für Archäologie behaupten zwar, die Ruinen bei Shishupalgarh ausgegraben zu haben, aber das ist ein Märchen für leichtgläubige Touristen. Von Toshalī blieb nur der Name, in Form eines herunter gekommenen Luxus-Hotels am Strand von Pūrī.) Wer waren jene Kālingen? Nun, das war ein Volk, das beinahe einmalig war in der Weltgeschichte, gegen das sich die viel gelobten Inka, Azteken, Maya oder Etrusker wie primitive Hottentotten-Stämme ausnehmen, und mit dem sich nur ganz wenige andere Völker annähernd vergleichen können: vielleicht die alten Ioner, welche die griechische Kultur nach Kleinasien brachten, oder die alten Deutschen, welche die abendländische Kultur nach Ost- und Südosteuropa brachten. (Ja, liebe amerikanische Leser, die Eroberung des Wilden Westens war auch eine große Leistung; aber über die schreibt Dikigoros in einem anderen Kapitel dieser "Reise durch die Vergangenheit"; hier wollen wir doch über die Verbreitung von Kultur reden, nicht über die von Unkultur :-) Die alten Kālingen brachten die indische Kultur nach Ost- und Südostasien, bis nach China, bis nach Bali und - wie bereits kurz erwähnt - bis nach Ceylon. Die Früchte jener drei großartigen Kulturleistungen wurden erst im 20. Jahrhundert zerstört - sinnlos zerstört von Barbaren, die vorgaben, dies im Namen von Friede, Freiheit, Fortschritt, Gerechtigkeit und vielerlei anderer schöner Dinge zu tun; und Dikigoros hat auf den vielen Webseiten, die er diesem Thema gewidmet hat, nie einen Zweifel daran gelassen, daß er jene Zerstörungen, die nicht zu rechtfertigen, nicht zu entschuldigen und vor allem nicht wieder gut zu machen sind, für die größten Verbrechen der Menschheits-Geschichte hält, gegen die niemand das Recht hat, irgend etwas anderes "aufzurechnen". Die Kālingen im indischen Mutterland aber erwischte es eigentlich noch viel schlimmer: Sie wurden bereits im 3. Jahrhundert v. C. ausgerottet, von Āshok - der auch sonst nicht zimperlich war: Seine [Halb-]Brüder ermordete er samt und sonders, politische Gegner und Andersdenkende kochte er vorzugsweise in siedendem Öl und ergötzte sich noch an manch anderen netten Foltern. Sein politisches Credo war das gleiche wie das der heute regierenden Gutmenschen: "Die Grundlage der Herrschaft ist die Macht über die Rede." Die durfte natürlich niemals frei sein, ebenso wenig wie die Gedanken. Āshok hätte das Internet nicht einfach nur zensiert, wie die Politiker im Westen, oder ein paar Internet-Cafés geschlossen, wie die Politiker in Ostasien, sondern alle Computer und Telefonleitungen zerstört und Bill Gates (und wahrscheinlich auch Dikigoros :-) in siedendem Öl gekocht.

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Aber was hat das alles nun mit dem Rāmāyan zu tun? Ihr seht noch nicht, worauf Dikigoros hinaus will? Nun ja, er hat Euch bisher auch noch einige Informationen vorenthalten, die notwendig sind, um das Puzzle zusammen zu setzen, und die Ihr anderswo schwerlich finden werdet. Womit wollen wir anfangen? Nun, wenn wir die Sache mit indischen Augen betrachten wollen - und das wollen wir doch -, dann natürlich mit den Göttern. Wie war das mit Wishnu? Nachdem er sich in Rām inkarniert hatte, war sein nächster Avtar... Buddh. Na sowas - der oberste hinduïstische Gott konvertiert höchstpersönlich zum Buddhismus? Zu einer Religion also, die seine nächste Inkarnation eigentlich ausschließen müßte? Kaum zu glauben - es sei denn, man hätte das einfach von Rām auf den Gott zurück übertragen. Wer konvertierte gleich noch vom Wishnuïsmus zum Buddhismus, nachdem er die Kālingen ausgerottet hatte? Das allein beweist natürlich gar nichts. Aber werfen wir noch einen Blick auf einige Namen: Wie hieß z.B. Āshokas Vater? Bindusār. Na und? Tja, so einen Namen übersetzt Euch natürlich niemand, weil er so peinlich ist; er bedeutet nämlich "null Substanz" - typisch verächtlicher Beiname für einen Zeugungsunfähigen. Hatten wir das nicht schon mal? Ja, aber auch das beweist für sich genommen gar nichts, zumal König Dashrath ja später, d.h. nach dem Pferdeopfer, doch noch Söhne bekam (oder jedenfalls seine Frauen :-). Rām dagegen bekam keine mehr - wenn man von denen, die Sītā und Wālmīki ihm unterschoben, mal absieht; offenbar versuchte er kein Pferdeopfer mehr. Auch Āshokas erste Frau bekam zwei Kinder - ebenfalls in der Verbannung, ebenfalls Zwillinge -, und auch er versuchte kein Pferdeopfer mehr. Ob es bei ihm nicht gewirkt hatte? Er verbot es sogar! Begründung: der Buddhismus mißbillige die Tötung von Tieren. (Die Tötung von Menschen offenbar nicht; denn die Folterungen gingen munter weiter, und die Todesstrafe wurde selbstverständlich nicht abgeschafft.) "Alle Menschen sind meine Kinder" verkündete Āshok trotzig auf einem seiner Felsenedikte. War das der Grund für Āshokas "Bekehrung" zum Buddhismus? Für einen gläubigen Hindū, der dem Sanatan Dharm folgt, gibt es nichts Schlimmeres als ohne Kinder, insbesondere ohne Söhne, zu sein, in denen er wiedergeboren werden kann. Der Buddhist dagegen vermag sich damit zu trösten, daß der Kreislauf der Wiedergeburten von ihm durchbrochen werden kann - und dann braucht er keine Kinder mehr. Das reicht Euch immer noch nicht, liebe Leser? Muß es auch nicht, es geht noch weiter: Āshokas Hauptfrau wird in der Ceylon-Chronik Asandhimittā genannt, die [Heirats-?]Vertraglose aus Mittā. Letzteres ist eine Kurzform für Mithilā, und das ist - Ihr ahnt es sicher schon - der Geburtsort Sītās. Aber damit nicht genug: Bei den alten Indern war es - ebenso wie bei den alten Germanen - üblich, den Kindern die Namen ihrer Großeltern zu geben. Āshok hatte zwar, wie wir gesehen haben, keine eigenen Kinder; aber sein Nachfolger (von dem wir nicht genau wissen, in welchem Verwandschaftsverhältnis er zu ihm stand; einige meinen, es sei ein Neffe, andere, ein Enkel - wo immer der hergekommen sein soll -, Dikigoros meint, es könnte jener Stiefsohn sein, den Sītā, pardon Asandhimittā geboren hatte) nannte sich, als er die Herrschaft antrat - na wie wohl... richtig geraten: Dashrath, wie der Vater Rāmas. Und um es noch deutlicher zu machen: Dieser mit Verlaub idiotische, jedenfalls für einen "ordentlichen" Fürsten lächerliche Name taucht sonst in der ganzen indischen Geschichte nicht noch einmal auf: Früher nicht, und später auch nicht, denn weder Rāmas noch Āshokas Nachfolger hatten Nachwuchs. Rāmas Reich von Ayodhyā zerfiel ebenso wie Āshokas Maury-Reich - allein mit schönen Ideologien kann man einen Staat eben doch nicht auf Dauer zusammen halten, schon gar nicht mit dem Buddhismus, der bald aus Südasien verschwinden sollte - mit Ausnahme Ceylons, aber das ist eine andere Geschichte.

Will Dikigoros mit alledem sagen, daß Rām und Āshok identisch waren? Nein, so weit würde er nicht gehen. Aber er würde so weit gehen zu sagen, daß Wālmīki das Rāmāyan so geschrieben hat, daß seine Zeitgenossen die Parallelen sehen und verstehen mußten. Wer sich Āshoka widersetzte, der mußte genauso elendig enden wie Rāwan, sein Land wurde zerstört und sein Volk ausgerottet. Und die Völker ringsumher verstanden sehr gut und zogen die Konsequenzen. Die Ceylonesen z.B. nahmen den Buddhismus an, wie es ihnen der "friedliche" Bote Āshokas nahe legte, natürlich ganz freiwillig, nur durch die besseren Argumente überzeugt. (So wie ja auch die Völker Europas nach 1945 ganz freiwillig, nur durch die besseren Argumente überzeugt, den Glauben ihrer Besatzer, pardon Befreier annahmen: je nachdem ob sie in West- oder Osteuropa saßen entweder den Demokratismus und den Kapitalismus oder aber den Sozialismus.) Daß dieses Verständnis vorübergehend verloren ging war unschädlich, denn früher oder später verinnerlichten die Ceylonesen den Glauben ihrer Besatzer als ihren eigenen und begannen, die letzteren als ihre "Befreier" zu mißverstehen, pardon zu verstehen, na ja, jedenfalls anzusehen, nämlich als Befreier von ihrem eigenen, nationalen Glauben und ihrer eigenen Lebensart und Kultur (merke: Armbanduhren gab es im alten Ceylon noch nicht :-). Und sie vergaßen tunlichst, daß die "Befreier" eigentlich nur ein besseres "Argument" gehabt hatten, nämlich ihre militärische Überlegenheit. Schuld an dem vorübergehenden Gedächtnisverlust war wohl der Umstand, daß Āshok selber für lange Zeit in Vergessenheit geraten war (aber als gutem Buddhisten konnte ihm das ja nur recht sein: sein Andenken hatte - jedenfalls fürs erste - den Kreislauf der Wiedergeburten durchbrochen :-). Erst im 19. Jahrhundert sollte es einem Briten gelingen, seine Inschriften zu entziffern und ihm so wieder einen Platz in den Geschichtsbüchern zu verschaffen - als frommem, geläutertem Ehrenmann und Friedensfürsten. (Aber so etwas kennt Ihr ja auch, liebe Kinder des 20. Jahrhunderts: Als was stehen denn heute Wilson, Roosevelt, Churchill und wie sie alle hießen in den Geschichtesbüchern? Eben - schließlich haben sie der Welt den Frieden und der Gedankenwelt die Friedhofsruhe gebracht!)

Im Gegensatz zu Āshok führte das Rāmāyan sein ununterbrochenes Eigenleben, wie es einer guten hinduïstischen Sage gebührt, von Wiedergeburt zu Wiedergeburt, und auf die wollen wir zum Abschluß noch ein paar kurze Blicke werfen. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Das Rāmāyan hat seinen Siegeszug durch ganz Asien angetreten, weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus. Dabei hat es Wandlungen durchgemacht, die z.T. so bemerkenswert, ja verblüffend sind, daß Dikigoros sie Euch nicht vorenthalten will: In der bengalischen Fassung (von einem gewissen Kritiwas geschrieben) versucht Rām doch das Pferdeopfer - was ja auch nur logisch ist -, aber offenbar ohne Erfolg - was ebenfalls logisch ist, denn Sītā hat ja schon Zwillinge von ihrem Einsiedler. Die sind auf ihren Stiefvater allerdings gar nicht gut zu sprechen; vielmehr schlagen sie ihn, als er kommt, um sie und ihre Mutter abzuholen, kurzerhand tot. Der Einsiedler erweckt ihn zwar wieder zum Leben, aber Sītā weigert sich beharrlich, an den intriganten Hof zurück zu kehren. Statt dessen gehen die Zwillinge und machen dort das Rāmāyan bekannt - in einer Fassung, bei der übrigens Rāwan besser weg kommt als im Original. Dann ist da eine (anonyme) sinhalesische Fassung, die ganz massiv darauf hindeutet, daß Sītā eben doch etwas mit Rāwan hatte; sie wird nämlich nicht wegen irgendwelcher haltloser Gerüchte verbannt, sondern weil Rām ein Bild von Rāwan bei ihr gefunden hat - und das steht ja fast einem "live" in die Augen schauen gleich. Interessant auch die kashmīrische Fassung von Diwkar Prakas, in der Rāwan Sītā nicht etwa aus Rache für seine Schwester entführt, sondern sie wieder nach Hause holt, weil er ihr Vater ist und Rām sie schlecht behandelt hat. (Wie war das mit der Vertragslosen?) Auch in dieser Fassung töten die Zwillinge ihren Stiefvater - nur mit dem Unterschied, daß ihn niemand wieder zum Leben erweckt -, und Sītā weigert sich wiederum, an den Hof zurück zu kehren.

Die populärste Version wurde aber der "Rāmcharitmanas [See der Taten Rāmas]", verfaßt im 16. Jahrhundert von Tulsidās aus Avdh. Bei ihm fehlt das 7. Buch, und folglich gehen auf ihn all die Fassungen mit Happy-end zurück, die auch außerhalb Indiens überwiegen: In Thailand gibt es das "Ramakien" als Puppenspiel und Theaterstück, in Indonesien gehört das "Ramayana" zum unverzichtbaren Repertoire des Schattenspiels ("Wayang kulit"); die Verfilmungen sind - in Kino und Fernsehen - zu Straßenfegern geworden; und es dürfte nur eine Handvoll Griechen, Römer, Franzosen usw. geben, die "ihre" Odyssee, "ihre" Aeneis oder "ihr" Rolandslied auch nur annähernd so gut kennen wie der durchschnittliche Asiate "sein" Rāmāyan.

[moderne Nacherzählung]

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Nachtrag. Dikigoros freut sich über alle E-mails zu seinen "Reisen durch die Vergangenheit", ob sie nun Zustimmung oder konstruktive Kritik enthalten, und ihre Absender mögen versichert sein, daß er sie alle mit der gebotenen Aufmerksamkeit liest, auch wenn er nicht immer gleich reagiert (und auch keine automatischen Empfangsbestätigungen versendet :-); er kann und will halt nicht jede Frage aus dem Handgelenk beantworten, sondern muß bisweilen länger recherchieren, um eine vernünftige Antwort zu finden - auf die seine Leser doch mit Recht Anspruch erheben. Er freut sich aber auch über solche Leser, die ihm zwar nicht gemailt haben, weil sie aus nachvollziehbaren Gründen nicht zugeben können, daß sie seine oft politisch-unkorrekten Seiten gelesen haben, diesen aber dennoch gefolgt sind. (Das ist, gerade bei den "Reisen die Geschichten machten", leicht erkennbar, denn Dikigoros vertritt hier zumeist Thesen, die von ihm selber stammen, d.h. sie sind vorher anderswo noch nicht aufgetaucht.) Und ganz besonders freut es ihn, wenn er jemandem Anstöße gegeben hat, selber weiter zu denken, d.h. noch über seine eigenen Ideen hinaus zu gehen - oder dies zumindest zu versuchen. So geschehen mit zwei Professoren der Archäologie in Berlin, die nach Lektüre von "Erste Flugreise nach Ceylon?" die These aufgestellt haben, daß es Āshok war, der seinerzeit Ceylon eroberte, und daß er nicht der große Kulturbringer war, sondern "seine" Kultur vielmehr von dort mitnahm, und zwar in erster Linie die "Brāhmī", die Mutter aller indischen Schriften. Das ist in der Tat ein umwälzender Gedanke, und dermaßen politisch unkorrekt, wie es sich der archäologisch und filologisch nicht voreingenommenevorgebildete Laie kaum vorstellen kann. Bisher steht nämlich unter "Wissenschaftlern" zweierlei unumstößlich fest: Erstens, daß Āshok nie auf Ceylon war - denn dort hat man doch (noch) gar keine in Stein gehauenen Edikte von ihm gefunden.

Und zweitens, daß Āshok - oder welcher andere Inder auch immer - die Brāhmī ganz woanders her hatte, nämlich aus dem Westen, genauer gesagt von den Juden. Jüdische Sprachforscher haben jedenfalls als herrschende Meinung durchgesetzt, daß die Brāhmī eine Tochter des Aramäischen sei, also eine Enkelin des Fönizischen, und somit auf eine semitische Erfindung zurück gehe. Wie wollen Kay und Matthes, die beiden Mutigen, dagegen ankommen? Nun, kaum hatten sie diese Seite gelesen, schnorrten sie Geld für eine sechswöchige Probebohrung bei Anuradhpur - der mutmaßlichen Hauptstadt Rāwanas - zusammen und begannen zu graben - das war 2007. Da sie dabei überraschend erfolgreich waren, bemühten sie sich anschließend um weitere Gelder, um noch tiefer zu bohren, genauer gesagt bis in Schichten, die auf das 9. Jhdt. v.C. zurück gehen sollen. 2010 war es so weit, und der Großangriff auf das Gemäuer der herrschenden Leere, pardon Lehre, konnte beginnen: Wenn sich schon im 9. Jhdt. v.C. Brāhmī-Schriftzeichen finden, dann kann sie Āshok nicht erst Jahrhunderte später von den Aramäern bzw. deren Nachahmern übernommen haben, und das Rāmāyan wäre eine noch viel größere Geschichts-Klitterung als Dikigoros bisher angenommen hatte. Die Arbeiten machten schnelle Fortschritte - bereits 2011 konnten fanden sie Tonscherben mit Brāhmī-Schriftzeichen, die sich immerhin auf das 6. Jhdt. v.C. datieren ließen. Aber dann geschah etwas merkwürdiges - im Sinne des niederländischen "merkwaardig", denn es war eher bemerkenswert im Sinne von bezeichnend: "Wissenschaftler" aus aller Welt wiesen die Funde einmütig als "nicht beweiskräftig" zurück; die archäologischen Ergebnisse widersprächen den eindeutigen schriftlichen Quellen; also müßten die Fundstücke wohl von einer späteren Ausgrabungsschicht in eine frühere "zurück gefallen" sein, und überhaupt sei das Ausgrabungsfeld viel zu klein gewesen. Als Kay und Matthes anboten, es auszuweiten, war plötzlich kein Geld für die Fortsetzung der Ausgrabungen mehr vorhanden, und das Projekt verlief im Sande. Tja, was soll man dazu sagen? Zunächst einmal, daß es sonst umgekehrt läuft, nämlich daß die Glaubhaftigkeit und die Beweiskraft schriftlicher Zeugnisse - Papier ist geduldig, Papyros, Pergament, Ton- und sogar Steintafeln übrigens auch - an den archäologischen Befunden gemessen wird. Sodann, daß es immer und überall ein Trägheitsmoment im "Wissenschafts"-Betrieb gibt, der allem, was tatsächlich neues Wissen schaft, grundsätzlich feindlich gegenüber steht, denn die "Wissenschaftler" haben doch Jahre, z.T. Jahrzehnte ihres Lebens darauf verwendet, überkommenes "Wissen" auswendig zu lernen und wiederzukäuen; und manche neue Erkenntnisse würden, wären sie einmal als richtig [an]erkannt, nicht nur ganze Bibliotheken mit einem Strich zur Makulatur machen, wie es so schön heißt, sondern auch ganze Generationen von "Wissenschaftlern", die jene Bibliotheken "studiert" haben, zu Idioten und Dummschwätzern degradieren. Das kann und darf aber nicht sein. Und schließlich kann man nicht von jüdischen Geldgebern erwarten, daß sie Forschungsprojekte finanzieren, deren Ergebnisse an ihrer persönlichen Eitelkeit kratzen könnten. Dikigoros und seine Leser werden ihre Hoffnungen auf eine Bestätigung von Seiten der Ausgräber begraben müssen. Nachtrag Ende.

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Noch ein Nachtrag.
(...)

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