KAISERIN WIDER WILLEN
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Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth von Österreich
(und Karl Heinz Böhm als Kaiser Franz Joseph I.)
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ERNST MARISCHKA: SISSI I-III (1955-57)


[Sissi III - Schicksalsjahre einer Kaiserin]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

(von Filmen, Schauspielern und ihren [Vor-]Bildern)

(Fortsetzung von Teil II)

"Sissi" zum Dritten - angeblich spielte Romy Schneider nur noch wider Willen, pardon, widerwillig mit. (Was man ihr freilich nicht anmerkt; jedenfalls war sie klüger als ihre Kollegin Gina Lollobrigida, die vor der dritten Folge der erfolgreichsten italienischen Kino-Trilogie jener Zeit, "Pane, amore e..." ausstieg und damit den Ein- und Aufstieg ihrer damals noch völlig unbekannten Ersatzfrau Sophia Loren ermöglichte, die bald ihre schärfste Konkurrentin um glamouröse Hauptrollen nicht nur in italienischen Filmen werden sollte.) Wozu sollte man sie nun noch machen? Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn war sie schon. Was blieb danach - also nach 1867 - noch, das geeignet gewesen wäre, ein rührseliges Publikum erneut an die Kinokassen zu locken? Die Entwicklung ihrer Beziehung zu Franz-Joseph, genauer gesagt die völlige Entfremdung der Eheleute? [Es gab im Europa des 19. Jahrhunderts nur eine Herrscherehe, die man - trotz ihrer unglücklichen Folgen, über die Dikigoros an anderer Stelle schreibt - als "glücklich" im bürgerlich-romantischen Sinne bezeichnen kann, nämlich die zwischen Victoria von England und ihrem Vetter, Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg. Deshalb ist es eigentlich schade, daß Marischka nicht statt der "Sissi"-Filme zwei Fortsetzungen zu "Die Mädchenjahre einer Königin" gedreht hat; denn die Romanze hielt, bis daß der Tod sie schied. Aber Marischka hatte da wohl nicht nur für den Geschmack der Zuschauer, sondern auch und vor allem für den der britischen Besatzungsmacht am Rande schon etwas zuviel historische Wahrheit über England verbreitet, wenngleich nur ganz behutsam; eine Fortsetzung in die gleiche Richtung wäre womöglich von der Zensur verboten worden und hätte seine Karriere als Regisseur beenden können.] Die dritte Tochter, die sich Sisi von Andrássy machen ließ (und die viel mehr Staub aufwirbelte als die acht Kinder, die Franz-Joseph von seiner Maitresse Anna Nahowska hatte)? Das faktische Verschwinden Sisis aus Österreich? (Sie hielt sich fast nur noch in Ungarn oder im britischen Empire auf - zwischen Irland und Korfu.) Der - auch durch Sisis Einmischung in die ungarischen Angelegenheiten hervor gerufene - politische Niedergang des Habsburgerreichs? Der Selbstmord ihres Sohnes Rudolf? Ihre eigene Ermordung durch einen italienischen Anarchisten in der Schweiz? Wohl kaum - das Publikum kam doch nicht zum Heulen ins Kino, und wenn doch, dann nur aus Rührung, nicht aus Trauer!

[Medaille auf den Tod Sisis] [Rückseite]

Blieb also nur die Möglichkeit, noch einmal zurück zu gehen auf die Jahre vor 1867, genauer gesagt wieder bis ins Jahr 1857. Gewiß, auch in jenem Jahrzehnt gab es viel Unerfreuliches in Sisis Leben - deshalb hatte Marischka es ja in den beiden ersten Filmen weg gelassen -, aber immerhin konnte man es mit schönen Aufnahmen einiger exotischer, farbenprächtiger Ferienorte in spe aufpeppen. Ja, die Deutschen des Jahres 1957 - das so genannte "Wirtschaftswunder" hatte begonnen - hatten das Ausland als Urlaubsziel entdeckt, und obwohl (oder gerade weil) sich noch längst nicht jede[r] die feudalen Ferienorte leisten konnte, die wir gleich kennen lernen werden (die übrigens 100 Jahre zuvor noch alles andere als "feudal" waren, aber das mußte Marischka den Kinogängern ja nicht unbedingt auf die Nase binden :-) trugen wohl gerade jene Szenen dazu bei, daß auch der dritte Sissi-Film ein kommerzieller Erfolg wurde. Beginnen wir also mit der Handlung: Sissi hält sich einmal mehr im schönen Ungarn auf, was am Wiener Hof zu Klatsch und Tratsch führt, sie habe womöglich ein Verhältnis mit Graf Andrássy - ein Gedanke, den Franz-Joseph gegenüber seiner Mutter weit von sich weist. Unterdessen liest eine Zigeunerin Sissi aus der Hand und profezeit ihr eine glückliche Zukunft mit noch zwei weiteren Kindern. Nachdem sie dafür ein Goldstück eingeheimst hat, äußert sie gegenüber ihren Mitzigeunern: "Arme Frau, mecht ich niecht mit ihr tauschen..." - sie hat Sissi also belogen, wie der Zuschauer, der seine Klischees über Zigeuner bestätigt sieht, befriedigt feststellt. Was ist es nun so Schlimmes, weshalb die Zigeunerin nicht mit der Kaiserin tauschen will? Im Film ist es eine mysteriöse Krankheit, die Sissi alsbald zu einem Kuraufenthalt auf Madeira zwingt (Oberst Böckl lernt eifrig Portugiesisch, damit der Zuschauer erfährt, daß jene schöne Blumeninsel zu Portugal gehört), und als das nicht anschlägt zu einem Kuraufenthalt auf Korfu (Oberst Böckl lernt eifrig Griechisch, damit der Zuschauer erfährt, daß jene schöne Blumeninsel zu Griechenland gehört). Dort wird Sissi endlich gesund und kann wieder heim kehren. "Heim"? Wohin ist das? Natürlich nach Wien, an die Seite ihres geliebten Gemahls Franz-Joseph. Unterdessen hat sich "daheim" in Possenhofen bzw. in München eine weitere Liebesgeschichte abgespielt - die freilich wenig Anlaß zur Freude gibt: Sissis Bruder Ludwig hat heimlich die bürgerliche Schauspielerin Henriette Mendel geheiratet und mit ihr auch schon ein Töchterchen. Ludovika und Sophie sind entsetzt ob solch unstandesgemäßer Liaison, aber Vater Max weiß Rat: Er fährt nach Wien und erreicht dort durch Fürsprache beim Kaiservater, daß Henriette geadelt wird - zur Baronin Wallersee, na also. (Für Nicht-Angler, denen die Szene mit dem angeblich sooo großen Fisch unglaubhaft vorkommt: Der Waller ist eine Wels-Art, die tatsächlich bis zu 3 m lange Exemplare hervor bringt - insoweit ist Marischka also nichts vorzuwerfen :-)

Nachdem Sissi in den beiden ersten Filmen schon die Herzen der Österreicher bzw. die der Ungarn erobert hatte, blieb als letzte Bastion, welche die "Königin der Herzen" noch überwinden mußte, Italien. Dort sind die Habsburger gar nicht gut gelitten; einen Opernbesuch mit anschließendem Empfang durch das Kaiserpaar boykottiert der Stadtadel von Mailand; die Kapelle spielt statt der Kaiserhymne den "Gefangenenchor" aus Verdis "Nabucco", und zum Empfang schicken die Herrschaften ihre Bediensteten: Köchinnen, Kutscher usw. Sissi macht gute Miene zum bösen Spiel und empfängt den "Ersatz" gleichwohl mit aller Huld, und hinterher ärgern sich die Honoratioren, daß sie nicht doch hin gegangen sind: "Jetzt denkt die Kaiserin, ich sähe aus wie meine Putzfrau..." sagt eine - die wird so eine Veranstaltung nicht wieder boykottieren! Weiter geht die Reise nach Venedig, wo sich die Bevölkerung zunächst ebenfalls sehr reserviert verhält. Als jedoch Sissis süße kleine Tochter plötzlich über den menschenleeren Marcusplatz auf ihre Mutter zuläuft und diese sie in die Arme schließt, branden spontan Rufe auf: "Viva la mamma!" Das Eis ist gebrochen, und so endet auch der dritte Film mit Friede, Freude, Eierkuchen (oder Pizza - wer weiß :-) und - der Kaiserhymne.

* * * * *

Und wie war es wirklich? Beginnen wir - anders als Marischka - chronologisch: Im Winter 1856/57 reisten Franz-Joseph und Sisi nach Norditalien. Dort gärte es unter dem Deckel der Friedhofsruhe, die österreichische Truppen gewährleistteen. Auch die Lombarden und Venezianer wollten "frei" sein. Nein, nicht wie die Ungarn frei, ihren eigenen Minderheiten die Freiheit zu nehmen - denn solche Minderheiten hatten sie nicht. Vielmehr wollten sie frei sein, ihr eigenes Staatswesen zu gründen. Im Mittelalter hatte das auch noch ganz gut geklappt; aber wie in so vielen anderen Weltgegenden - Dikigoros fallen spontan Kurdistan, Balutschistan und Kaschmir ein - wollten die Leute dort nicht wahr haben, daß sich solche Kleinstaaten in der Neuzeit nicht mehr halten können, wenn es den großen Brüdern und anderen bösen Nachbarn nicht gefällt. Für die Lombardei gab es nur drei Möglichkeiten: "Schutzherrschaft" Frankreichs (was das bedeutete, mußten die Betroffenen seit Ende des 15. Jahrhunderts wissen, als die Franzosen erstmals in Mailand eingefallen waren, und hatten es unter Napoleon Bonaparte gerade erst vor einer Generation wieder erlebt), Verbleib bei Österreich (da wußte man, woran man war und hätte auch wissen müssen, was man daran hatte; aber das wollte niemand wahr haben) oder Anschluß an ein geeintes "Italien" (was das bedeuten würde, konnte noch niemand wissen, aber die Illusionen, pardon Hoffnungen, die man sich machte, waren immens). Eine vierte Alternative, etwa die politische Unabhängigkeit, gab es nicht. Punkt. Objektiv war die österreichische Option die beste: Die Steuern waren niedrig, es herrschte Kulturautonomie (Amtssprache in der Verwaltung und vor Gericht war Italienisch, ebenso Unterrichtssprache an Schulen und Universitäten) und sogar Pressefreiheit (in der Lombardei und Venezien gab es unter österreichischer Verwaltung mehr Zeitungen als im übrigen "Italien" zusammen). Daß die "italienische" Option die schlimmste sein würde, mit den höchsten Steuern, einem dauerhaften Kapitaltransfer in den korrupten Süden und völliger politischer Gleichschaltung durch Rom, ließ sich damals kaum jemand träumen. [Heute wissen es die Anhänger der "Lega nord" besser; aber die politische Unabhängigkeit der Lombardei und Venetiens, welche sie jetzt erneut anstreben (unter dem Namen "Padania"), um endlich "Herren im eigenen Haus" zu sein, ist ebenso illusorisch wie damals; der Zug ist abgefahren, in die verkehrte Richtung, und die Weichen wurden damals, rund ein Jahrhundert vor den "Sissi"-Filmen, falsch gestellt.]

Deshalb war der Jubel in Mailand zunächst groß, als Carlo Alberto von Savoyen (der Heimat Prinz Eugens!), "König" von Piemont und Sardinien, 1848 die Revolution in Österreich ausnutzte, um seine Truppen in die Lombardei einmarschieren zu lassen. Die Österreicher zogen sich zurück - wohlgemerkt, ohne auch nur einem Milanesen ein Haar zu krümmen oder auch nur ein Panino mitgehen zu lassen. Die piemontesischen Truppen setzten nach - und holten sich blutige Nasen. Nun schlug die Stimmung gegenüber dem "Befreier" Carlo Alberto von "Hosianah" in "kreuziget ihn" um. Als er Mailand räumte, bemächtigten sich der Stadt schlagartig ganz andere Elemente, nämlich die Sorte, die man gut zwei Jahrzehnte später in der Pariser "Commune" wieder antreffen sollte, und nach denen die Anhänger von Charly Murx bis heute "Kommunisten" genannt werden. Vorläufig waren es noch die Anhänger des Räuberhauptmanns Garibaldi, die umgehend zu morden, plündern und brandschatzen begannen. Nun hatten die reichen Patrizier, der "Stadtadel" Mailands, die Hosen gestrichen voll und riefen nach den österreichischen "Besatzern", sie möchten doch schleunigst zurück kehren und sie schützen. Sie taten es, rückten aber nicht weiter vor, sondern schlossen einen Waffenstillstand mit Piemont, den Carlo Alberto nutzte, um seine Ränge wieder aufzufüllen. Bald darauf griff er die Österreicher in der Lombardei erneut an. Diesmal wurde er vernichtend geschlagen und mußte zugunsten seines Sohnes Vittorio Emanuele abdanken. Als die Österreicher auf Turin vorrückten, rasselten die Franzosen vernehmlich mit dem Säbel - und nun wäre es an der Zeit gewesen, sich mit denen vernünftig zu einigen, nämlich auf eine Teilung jenes lächerlichen "Königreichs": Sardinien und Savoyen an Frankreich, einschließlich derjenigen Teile Piemonts, die früher zum Herzogtum Savoyen gehört hatten, dazu von der ehemaligen Republik Genua die ligurische Küste ("Côte d'Azur") mit Monaco und Nizza; die Teile Piemonts, die früher zum Herzogtum Mailand gehört hatten - also vor allem Montferrat - und die östliche Hälfte der alten Republik Genua an Österreich. Damit wäre dem Spuk einer "Republik Italien" ein für alle mal ein Ende gemacht worden, denn in Parma, Modena und der Toscana saßen ebenfalls Habsburger, der Kirchenstaat konnte als Pufferzone bestehen bleiben (vielleicht, nachdem man ihm Emilia-Romagna abgezwackt hatte - wozu brauchte der Papst die Adria? Der konnte doch im Tiber baden!), und im Süden konnte man das "Königreich beider Sizilien" im eigenen Saft schmoren lassen - sollten die sehen, wie sie mit Garibaldi & Co. fertig wurden...

Doch nichts dergleichen geschah; es blieb - vorerst - alles beim Alten; und bald begannen die Lombarden im allgemeinen und die Patrizier von Mailand im besonderen wieder über die vermeintlich harte österreichische "Fremdherrschaft" zu jammern und dem Komponisten Giuseppe di Roncoli zuzujubeln, der sich in Abkürzung des programmatischen "Vittorio Emanuele Re d'Italia" selber "Verdi" nannte. Der Boykott der Aufführung in der Mailaner Scala durch den "Stadtadel" ist verbürgt, ebenso, daß von dessen Dienstboten, die er statt dessen hin schickte, statt der "Kaiserhymne" der "Gefangenenchor" gesungen wurde; der Rest dürfte dagegen eine Erfindung Marischkas sein, ebenso die Folgen: Die Lombarden waren keineswegs mit der Herrschaft der Habsburger versöhnt - und die Venezianer erst recht nicht. Die Szene auf der menschenleeren Piazza di San Marco ist authentisch - freilich nicht ihr erlösender Schluß: Kein einziger Venezianer jubelte Sisi und der kleinen Sophie zu, vielmehr waren es vom österreichischen Militär abgestellte Claqueure in Zivil, die "Viva la mamma" rufen mußten - ob Sisi das merkte oder wirklich glaubte, die Herzen der "Italiener" für sich gewonnen zu haben, bleibt unserer Fantasie überlassen.

Zweieinhalb Jahre nach jenem kaiserlichen Besuch, anno 1859, marschierten die Piemontesen erneut in der Lombardei ein. Der greise Feldmarschall Radetzky, der den Krieg von 1848/49 für Österreich gewonnen hatte, war im Vorjahr 92-jährig gestorben; sein Nachfolger Gyulai war, wenn man es wohlwollend sah, ein Versager, wenn man bösartig sein wollte, ein Verräter, jedenfalls verlor er trotz zahlenmäßiger Überlegenheit die Schlacht von Magenta - schuld waren eindeutig die ungarischen Truppenteile - und zog sich dann schleunigst zurück. Nun übernahm Franz-Joseph persönlich den Oberbefehl in Italien. Schlimmer hätte es nicht kommen können: Der Kaiser schaffte es - ebenfalls mit zahlenmäßig überlegenen Truppen - die Schlacht von Solferino zu verlieren, wohlgemerkt hauptsächlich gegen Italiener! (Ihr kennt doch die drei dünnsten Bücher der europäischen Geschichte, nicht wahr, liebe Leser? "Englische Kochkunst", "Berühmte deutsche Liebhaber" und "Italienische Heldentaten" :-) Wie er das schaffte? Ganz einfach: Erstmal ließ er sich und seine Truppen im Schlaf überrumpeln (er pflegte zwar um 4 h morgens aufzustehen, aber der Gegner griff schon um 3:30 an - vor dem Frühstück, pfui!), dann befahl er überhastet einen Teilrückzug nach dem anderen, und schließlich erschienen auch noch die französischen Truppen auf der anderen Seite des Schlachtfelds; denn inzwischen war ihm der selbst ernannte "Kaiser" von Frankreich, Napoléon "III", in den Rücken gefallen, während Österreich außenpolitisch vollkommen isoliert war und von niemandem Unterstützung zu erwarten hatte. Windisch-Graetz, der andere Held von 1848 (nicht mehr k.v., aber noch als Diplomat aktiv) versuchte in persönlichen Verhandlungen, die Preußen breit zu schlagen; aber als er sie endlich so weit hatte, bekam Franz-Joseph Bedenken, sich dem potentiellen Verbündeten - der den Oberbefehl forderte - unterzuordnen und schloß lieber einen schmachvollen Frieden: Er trat die Lombardei an Napoléon ab, der sie bei Piemont eintauschte gegen den größten Teil Savoyens und die "Côte d'Azur". Auch Parma, Modena und die Toscana waren endgültig verloren für die Habsburger; ihnen blieb nur noch Venezien und Südtirol - und auch das nur vorläufig (das erstere sollte sieben, das letztere sechzig Jahre später verloren gehen, nach zwei verlorenen Kriegen, an deren Entstehung Franz-Joseph die Mitschuld trug, und in denen erst der Deutsche Bund, dann das Habsburger Reich untergehen sollten). Franz-Joseph erwies sich aber nicht nur militärisch, sondern auch menschlich - wie schon im Krimkrieg - als Nullnummer: Er verzieh seinem General Benedek nie, daß er bei Solferino entgegen dem allerdurchlauchtigsten Rückzugsbefehl mit seinen Truppenteilen den Piemontesen noch tüchtig Kontra gegeben hatte, damit die völlige Vernichtung der österreichischen Truppen verhindert und zugleich den voreilig geflohenen Kaiser bis auf die Knochen blamiert hatte; er sollte ihn zum Sündenbock des verlorenen Krieges gegen Preußen von 1866 machen und ihn mit Schimpf und Schande aus der Armee jagen.

[Ferdinand Maximilian, jüngerer Bruder Franz-Josephs] [Die Votivkirche in Wien]

[Exkurs. Der verlorene Krieg in Italien hatte noch eine weitere - indirekte - Folge, auf die Marischka nicht eingeht. Er führt uns zwar im ersten Film bei der Geburtstags- und Verlobungsfeier in Ischl Carl Ludwig als jüngeren Bruder Franz Josephs vor, aber er schlabbert den Bruder, der altersmäßig zwischen den beiden stand (und damals noch nicht abgeschoben war): Ferdinand Max[imilian]. Franz Joseph mochte ihn nicht, denn er war größer, schöner, intelligenter und tüchtiger als er, der Kaiser. (Andere Gründe, ihn nicht zu mögen, gab es objektiv nicht: Nach dem ungarischen Attentat auf Franz Joseph 1853 hatte er mit der Sammlung für eine "Votivkirche" begonnen, zum Dank für die Errettung seines ältesten Bruders. Sie wurde am alten Exerzierplatz der Stadtgarnison gebaut, der logischerweise in "Maximilianplatz" umbenannt wurde. 1918 sollte er in "Freiheitsplatz" umbenannt werden, zum Gedenken an die "Befreiung" von den Habsburgern, 1934 in "Dollfußplatz", zum Gedenken an die Befreiung, pardon die Ermordung von Engelbert Dollfuß, 1938 in "Hermann-Göring-Platz" und 1945 endlich in "Rooseveltplatz", zum Gedenken an die Befreiung Wiens von 90% seiner Bausubstanz, 75% seiner Menschen, und überhaupt der Befreiung der "Österreicher" vom Joch des bösen Preußen Adolf H.) Wie dem auch sei: Bis 1859 war Ferdinand Max Gouverneur der Lombardei, dann - kurz vor Beginn des Krieges - wurde er von Franz-Joseph abgelöst. Er ging ausgerechnet nach Paris, zu Napoleon III, der den Habsburgern die Lombardei abgenommen hatte, und ließ sich von dem (und von seiner eigenen Frau, einer belgischen Prinzessin) ein paar Jahre später breit schlagen, nach Mexiko zu gehen, um dort den "Kaiser" zu spielen. (Die Inflation der Kaisertitel nahm damals beinahe epidemische Ausmaße an. Nicht nur der Erzherzog von Österreich, der Mikado von Peking, der Selbstherrscher von Rußland, der nach Brasilien emigrierte Herzog von Braganza und der Präsident von Frankreich nannten sich inzwischen so, sondern bald auch der König von Preußen, die Königin der englischen Kolonialmacht in Indien, der Papst [Tenno] von Nippon und sogar der Duodezfürst von B'lgarien :-) Franz-Joseph nahm ihm das sehr übel und erteilte seine Zustimmung erst, nachdem sein Bruder auf sämtliche dynastische und private Erbansprüche in Österreich unwiderruflich verzichtet hatte. Später rührte er keinen Finger mehr für ihn, ebenso wenig wie Napoléon - beide ließen ihn sein mexikanisches Abenteuer alleine verfolgen. Das ging so lange gut, wie in Nordamerika der Sezessionskrieg tobte und die USA deshalb den Advokaten und Räuberhauptmann Benito Juárez nicht unterstützen konnten. (Ja, auch die Inflation der Räuberhauptmänner, die sich politisch betätigten, nahm in jenen Jahren massiv zu :-) Doch knapp zwei Jahre nach dessen Ende siegte die Revolution auch in Mexiko; das Kaiserreich wurde abgeschafft und Maximilian auf Betreiben der USA als "Kriegsverbrecher" hingerichtet.

[Erschießung Maximilians 1867 - Gemälde von Manet]

Jawohl, als Kriegsverbrecher! Worin sein Verbrechen bestanden hatte? In der Planung und Durchführung eines Angriffskriegs gegen einen Alliierten der USA, nämlich Mexiko, verkörpert durch Benito Juárez und seine Räuberbande, indem er deren Aufstand nieder zu schlagen versuchte. So die offizielle Urteilsbegründung! Wer Ohren hatte zu hören... Aber man hätte wohl Hellseher sein müssen, um 80 Jahre weiter zu denken, von Querétaro nach Nürnberg. (Aber 1939, als der üble, anti-europäische Propagandafilm "Juarez" - mit Paul Muni alias Al Capone als mexikanischer "Freiheitskämpfer", Brian Aherne als Kaiser Maximilian und Bette Davis als Kaiserin Carlota in die Kinos kam, hätte man es angesichts der schamlosen Verdrehung der historischen Fakten schon ahnen können - dazu hätte man freilich ein US-Kino aufsuchen müssen, denn in Europa ist der Film aus gutem Grund nie gelaufen, bis heute nicht!) Diejenigen, die Maximilian in sein Unglück rennen ließen, hatten freilich ganz andere Dinge im Kopf und um die Ohren: Während er erschossen wurde, verlustierte sich "Kaiser" Napoléon "III" mit seiner Gattin Eugénie (einer spanischen Gräfin) auf der Pariser Weltausstellung; und beim Kondolenzbesuch des französischen Herrscherpaars in Österreich veranstalteten Sisi und Eugénie einen "Schönheits-Wettbewerb". Worin dieser bestand? Darin, festzustellen, wer sich die Taille enger schnüren lassen konnte! Sisi gewann - sie brachte es auf geradezu unglaubliche 50 cm. (Da könnte nicht mal Frau Dikigoros mithalten :-) Neidisch, liebe Leserinnen? Laßt Euch doch nicht von ein paar schwulen Mode-Diktatoren vorschreiben, was "schön" sein soll: Eine Taille unter 60 cm ist krank, und eine, die nicht wesentlich über 70 cm liegt, ist gesund. (Dikigoros hat einen Taillenumfang von über 80 cm, und niemand, der ihn im Schwimmbecken oder auf dem Sportplatz sieht, würde ihn anders als "schlank und durchtrainiert" nennen :-) Oder wollt Ihr aussehen - und enden - wie das magersüchtige "Model" Isabelle Caro? (Das Bild unten rechts ist übrigens in Frankreich verboten, wegen "Verunglimpfung" der französischen Frau im allgemeinen und der Pariserin im besonderen; wenn Ihr in Frankreich lebt, müßt Ihr also jetzt schnell weg schauen, sonst begeht Ihr ein Online-Verbrechen :-)

Ihr meint, liebe Leser, es sei doch ziemlich unerheblich, was aus Franz-Josephs jüngerem Bruder wurde, weil der ja doch nie Kaiser von Österreich geworden wäre? Ihr irrt. Franz-Joseph starb bekanntlich kinderlos; und durch den Ausfall Ferdinand Maximilians wurde der Weg frei für die Nachkommen Karl Ludwigs, den uns Marischka kurz als Jugendfreund Sissis vorgestellt hatte. Seine erste Ehe blieb ebenfalls kinderlos; aber von seiner zweiten Frau - einer italienischen Prinzessin - hatte er vier: Margarete Sofie sollte 1902 sterben, Otto 1906, Franz Ferdinand, der Slawenfreund, 1914 in Sarajewo - bei dem Attentat slawischer Nationalisten, das den Ersten Weltkrieg auslösen sollte (auch dessen traurige Lebensgeschichte, genauer gesagt deren Ende, wurde übrigens damals verfilmt, von Fritz Kortner, unter dem Titel "Um Thron und Liebe", aber niemand wollte so etwas sehen) -, und Ferdinand 1915, also allesamt vor Franz-Joseph; aber der krümmste Hund von allen, Ottos ältester Sohn Karl, sollte 1916 Kaiser werden und maßgeblich dazu beitragen, daß der Erste Weltkrieg so ausging, wie er ausging: 1917 schien ein Verzichtsfriede unmittelbar bevor zu stehen: In Rußland war Revolution, in Deutschland Hungersnot, in Frankreich meuterte die Armee, und die USA hatten noch nicht genügend Truppen, um einzugreifen. Da fiel Karl den Deutschen - die immerhin wegen Österreich in den Krieg gezogen waren - in den Rücken und bot hinter demselben den Entente-Mächten einen Separatfrieden an; dies bewog die Engländer und Franzosen dazu, den Krieg fort zu führen, an dessen Ende der Untergang Östereichs und des Hauses Habsburgs stand. (Und des Hauses Hohenzollern - andernfalls hätte es übrigens auch dort eine Kaiserin mit dem gleichen [Spitz-]Namen gegeben, nur etwas anders geschrieben: Cecilie von Mecklenburg, die Schwiegertochter von Wilhelm II und Ehefrau des Kronprinzen, wurde am Hofe "Cissy" genannt.) Nein, es war um beide nicht schade; aber die Kriegsniederlage der Mittelmächte sollte ja noch andere, viel schwerer wiegende Konsequenzen haben, die Karl im Rückblick zu einem der größten Politverbrecher des 20. Jahrhunderts machen. Exkurs Ende.

Zurück in den Sommer 1860: Die Folgen der unglücklichen Ereignisse in Italien - nicht, wie im Film, der Streit um das Kinderzimmer - führten auch zu Sisis (erster) "Flucht nach Possenhofen": Ihre jüngere Schwester Maria war inzwischen mit dem debilen König von Neapel und Sizilien verheiratet worden (und zwar ohne ihn auch nur einmal in natura gesehen zu haben, weder vor noch während der Eheschließung, denn die Trauung fand per procura statt); und den hatten inzwischen Garibaldi und Konsorten verjagt. Trotz Sisis massivem Drängen weigerte sich Franz-Joseph, militärisch zu intervenieren. Hätte er es gesollt? Ja, schon, und zwar unabhängig davon, ob in Neapel (oder zuletzt in Gaeta) seine Schwägerin und sein Schwippschwager auf dem Thron saßen oder nicht, denn es hätte im Interesse nicht nur der Süd-, sondern aller Italiener gelegen, daß jenes Gebilde als unabhängiger Staat erhalten blieb - und natürlich auch der Österreicher, wenn sie denn wenigstens Venetien auf Dauer halten wollten. Hätte eine solche Intervention aber auch Aussicht auf Erfolg gehabt? Wahrscheinlich nicht: Mit dem Lumpengesindel Garibaldis wäre man wohl fertig geworden; aber was, wenn sich Napoleon wieder eingemischt hätte? Und/oder die Engländer, die das Mittelmeer längst als ihre ureigenste Interessensfäre betrachteten - aber darauf kommen wir gleich zurück. Solche Gedankengänge dürften Sisi indes fern gelegen haben - sie handelte aus reiner Sentimentalität und Bockigkeit, als sie nach Possenhofen reiste, um sich bei ihren Eltern auszuweinen (die sie übrigens seit fünf Jahren nicht gesehen hatte). So dramatisch wie im Film war diese "Flucht nach Possenhofen" allerdings nicht; Sisi entschloß sich bald, nach Wien zurück zu kehren; und Franz-Joseph dachte gar nicht daran, sie persönlich bei den Schwiegereltern abzuholen; sie trafen sich in Innsbruck, und nach außen hin war mit dieser "Versöhnung" das gute Einvernehmen wieder hergestellt.

Aber dem war nicht so: Sisi flüchtete sich nun in eine imaginäre Krankheit - ein bißchen Gehüstel reichte, damit ein paar willfährige Hofärzte ihr "Lungen-Beschwerden" attestierten und Luftveränderung verordneten. Sie reiste möglichst weit weg - ans äußerste Ende Westeuropas, nach Madeira. Das war nun alles andere als ein Luftkurort, und auch keine Urlaubsidylle - aber das wollte Sisi auch gar nicht. Vielmehr floh sie ja gerade das gesellschaftliche Leben am Wiener Hof mit all seinen lästigen Zwängen. In Funchal richtete sie es sich so ein, wie es ihr gefiel, d.h. wieder mit Papageien, Hunden, Pferden, Äffchen und... Jetzt wird es interessant, liebe Leser, denn darüber verlieren weder Marischka noch all die braven Biografen Sisis ein Wort, obwohl es auf der Hand liegt und für das Verständnis ihrer Persönlichkeit unabdingbar ist: Sisi hatte als persönliche Begleitung den Grafen Imre Hunyady und seine Schwester Lily mitgenommen. Die Gerüchteküche trug es bald bis nach Wien, daß Sisi aus ihrem Schlafzimmer gar nicht mehr heraus kam, und daß sie dort nicht allein war. Es ist bezeichnend für die Naïvität schon ihrer Zeitgenossen, daß daraufhin Imre Hunyady abgezogen und in die Wüste geschickt wurde. Man hätte dem braven Grafen kein größeres Unrecht tun können; denn nicht mit ihm hatte die Kaiserin ein Verhältnis angefangen, sondern - mit seiner Schwester Lily, die auf Madeira bleiben durfte. Sisi - die wohl latent immer lesbische Neigungen hatte - hatte die Liebe zu den Frauen entdeckt! (Sie begann damals eine Sammlung von Frauenbildern anzulegen, die man heute als "Softpornos" bezeichnen würde. Graf Crenneville, der Generaladjutant des Kaisers, kam ihr auf die Schliche, aber er hielt den Mund, weil er glaubte, dieses Wissen irgendwann mal für sich ausnutzen zu können.) Fortan versuchte sie ganz offen, zum Mann zu mutieren: Sie betrieb - lange, bevor der "moderne Fünfkampf" erfunden wurde - "typisch männliche" Sportarten wie Bergsteigen, Reiten, Fechten und Schwimmen (damals für Frauen, zumal aus besseren Kreisen, ganz ungewöhnlich; selbst Dikigoros' Großmutter war - als Tochter eines Fischers! - ihr Lebtag Nichtschwimmerin), richtete sich eine private Turnhalle ein und begann ein eisernes Diät- und Fitness-Programm, das heute noch in Buchform verlegt und zur Nachahmung empfohlen wird.

Als der Hof erfuhr, daß Sisi offenbar ("wieder") gesund und obendrein topfit war, wurde sie zurück nach Wien befohlen. Ganze vier Tage dauerte es, und sie spielte wieder krank. Diesmal verschrieben ihr die Ärzte Korfu - auch nicht gerade als Luftkufort für Lungenkranke bekannt und womöglich noch weniger als Touristeninsel erschlossen als Madeira. Immerhin lag es näher an Österreich - räumlich, nicht politisch. Denn obwohl - oder weil - in Griechenland inzwischen ein König aus Bayern (Otto v. Wittelsbach) herrschte, war Korfu keine griechische Insel. Umgangssprache war Italienisch (Oberst Böckl hätte sich seine Griechisch-Studien also sparen können :-), denn es hatte lange Zeit zu Venedig gehört. Dann hatten es sich die Briten unter den Nagel gerissen - wie so viele andere "Strongholds" im Mittelmeer: Gibraltar, Menorca, Malta, Kreta, und bald auch Cypern, Alexandria und ganz Ägypten - aber das ist eine andere Geschichte. (Denen, die sich für Korfu im 19., Jahrhundert interessieren, empfiehlt Dikigoros als Lektüre die Reisebücher des Fürsten von Pückler-Muskau - dem angeblichen Erfinder der gemischten Schoko-Vanille-Erdbeer-Eiscrème :-) Sisi gefiel die Insel - sie kaufte sich das "Achilleion" und verbrachte bis an ihr Lebensende die meisten Urlaube dort. Mit ihrem Mann und ihren Kindern traf sie sich bisweilen in Venedig; und was ihre "Krankheit" anbelangte, so reiste sie nach Bad Kissingen und trank etwas von dem berühmten Heilwasser - das paßte ohnehin gut in ihren Diätplan. Aber dort war sie auch wieder den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt, und jeder konnte sehen, daß sie kerngesund war. Erneut wurde sie nach Wien zurück befohlen; und nun - im Sommer 1862 - kam es zur (zweiten) "Flucht nach Possenhofen", wo schon ihre Schwestern Marie und Mathilde herum hingen (die ebenfalls ihren Männern weg gelaufen waren), um sich gegenseitig ins Bier zu heulen. Anders als im Film hatte der "Papili" aber gar kein Verständnis für seine mißratenen Töchter - wofür hatte er die eigentlich gut verheiratet? - und wies ihnen nach ein paar Monaten ziemlich energisch die Türe - Sisi mußte wohl oder übel nach Wien zurück. Dort arrangierte sich das Ehepaar Habsburg dann: Franz-Joseph nahm sich eine Geliebte fürs Bett - Anna Nahowska (mit der er wie gesagt acht Kinder hatte, von denen freilich nur drei überlebten) - und eine Freundin fürs gemeinsame Frühstück mit Kaffee und Kipferln oder Guglhupf - Katharina Schratt. (Mit ihr verbrachte er auch die gemeinsamen Sommerurlaube in Ischl; und nach Meinung eines Biografen soll er sie sogar heimlich geheiratet haben; da das aber erst nach Sisis Tod gewesen sein soll, kann Dikigoros diese umstrittene Frage getrost dahin stehen lassen.) Beide waren herzensgute Frauen mit einem netten, sympathischen Gesichtsausdruck, Lebensgefährtinnen, wie Franz-Joseph sie immer gesucht und in Sisi vergeblich zu finden gehofft hatte. Und Sisi? Sie nahm sich eine "Vorleserin", Ida Ferenczy, mit der sie künftig ihre lesbische Liebe voll ausleben konnte. (Ihre Korrespondenz ist eindeutig, aber da sie auf Ungarisch geführt wurde, haben die deutschsprachigen Biograf[inn]en sie natürlich nicht gelesen - eine Übersetzung ins Deutsche ist bis heute nicht erschienen. Erst über Ida lernte Sisi auch - einige Jahre später - Andrássy kennen, genauer gesagt den anderen ungarischen Revolutionsführer, Franz Deák, der sie dann mit Andrássy bekannt machte.)

[Anna Nahowska] [Katharina Schratt] [Sisi beim Bergsteigen mit Ida Ferenczy]

A propos Papili und Verständnis: Neben den mißratenen Töchtern war da ja noch der mißratene Sohn Ludwig, der tatsächlich eine bürgerliche Schauspielerin heiraten wollte (und auch schon ein uneheliches Kind mit ihr hatte; aber das wollte Marischka dem Publikum denn doch nicht zumuten, deshalb waren sie im Film schon heimlich verheiratet :-), zu allem Überfluß auch noch eine Jüdin namens Mendel. Nein, so ging es nicht: Man[n] konnte sich zwar eine bürgerliche Maitresse halten - wie sein Vater es ja auch getan hatte -, aber man konnte sie doch nicht heiraten! Dazu noch eine Schauspielerin - was damals als gleichbedeutend galt mit Prostituierte; an großen Theatern wie in Wien oder München konnte man vielleicht noch von "Edelnutten" sprechen; aber Frl. Mendel arbeitete in der Provinz, am "Hoftheater" von Darmstadt... Herzog Max in Bayern dachte gar nicht daran, sich für eine solche Mésalliance beim Kaiservater zu verwenden; vielmehr war es Sisi, die sich für die Adelung Henriette Mendels zur Baronin v. Wallersee einsetzte und sie schließlich auch erreichte. Danach durfte Ludwig sie heiraten - allerdings erst nachdem er sowohl auf sein Erstgeburtsrecht, d.h. den Titel "Herzog in Bayern", als auch auf sein nicht unbedeutendes materielles Erbteil verzichtet hatte - darauf bestand "Papili" Max mit eiserner Strenge. Da half auch die von Marischka behauptete Begeisterung von Herzogin Ludovika für ihre kleine Enkelin Marie nichts; verbürgt ist lediglich, daß Sisi einen Narren gefressen hatte an ihrer kleinen Nichte - die sie freilich erst im Alter von zehn Jahren kennen lernte -, die ihr in vielem so ähnlich war: Auch Marie mußte nach dem Todes ihres Bruders als "Ersatzsohn" her halten, auch sie wurde eine große Sportlerin - in den selben Disziplinen wie Sisi -, und auch sie war lesbisch (oder "bi"; sie war formell mit einem Grafen Larisch verheiratet und hatte auch Kinder, angeblich von mehreren Liebhabern). Sie war - neben Lily Hunyady, Ida Ferenczy und Marie Festetics (bei Irma Sztáray ist sich Dikigoros nicht sicher) - die einzige Nicht-Ungarin, mit der Sisi ein intimes Verhältnis hatte, und die einzige Verwandte, mit der Sisi bis an ihr Lebensende gut-freundschaftliche Beziehungen aufrecht erhielt. (Auf Marie soll auch die falsche Schreibweise "Sissi" zurück gehen; ursprünglich wurde Elisabeth - von ihrem Vater - "Lisi" genannt, und so schrieb sie sich auch. Dann soll Franz-Joseph das "L" - das in der damaligen Schreibschrift dem "S" ähnelte - mit letzterem verwechselt und sie "Sisi" genannt haben; weshalb ihre Nichte sie dann in ihren Briefen mit "ss" schrieb, bleibt freilich unerfindlich. [Die Aussprache ist - sowohl im Österreichischen wie auch im Bayrischen - bei beiden Schreibweisen gleich: scharfes ß, langes i, scharfes ß, kurzes i.] Sisi selber unterzeichnete ihre Briefe damals meist mit "Erzsebet" oder mit "Titania" - nach der Gestalt aus Shakespeares Sommernachtstraum, mit der sich sich irgendwie identifizierte :-).

[Henriette und Ludwig] [Marie]

Und, nachdem wir so viel über das Scheitern der "Liebesheirat" zwischen Franz-Joseph und Sisi erfahren haben - zogen die Habsburger nun daraus die Konsequenzen, und mit welchem Erfolg? Ja, sie zogen: Als es daran ging, den Thronfolger, Sisis Sohn Rudolf zu verheiraten, ließ man ihm keine Fisimatenten durchgehen, sondern drückte ihm die Prinzessin Stephanie von Belgien aufs Auge; und anders als sein Vater hatte er nicht den Dickkopf, sich dagegen aufzulehnen - Stephanies hübschere Schwester war eh schon anderweitig verheiratet, an den späteren Tsaren von B'lgarien. Selbstverständlich durfte Rudolf nebenher Maitressen haben, soviel er wollte, solange er seiner Pflicht, einen legitimen Thronfolger zu zeugen, nachkam. Aber das mißlang (Stephanie bekam nur eine Tochter); und am Ende rebellierte Rudolf doch und brachte sich mit einer jener Maitressen auf seinem Schloß Mayerling um. Es gibt zwar moderne "Historiker", die andere Gründe für diesen Doppelselbstmord annehmen als Liebeskummer, z.B. einen gescheiterten Plan Rudolfs zum Staatsstreich, um die geknechteten Völker - insbesondere die slawischen - vom Habsburger Despotenjoch zu befreien und ihnen Demokratie und Gleichberechtigung zu bringen und was der edlen Motive mehr sind. Aber da hält Dikigoros denn doch - ohne übermäßig "romantisch" sein zu wollen - die erstere Alternative für die wahrscheinlichere: Immerhin hatte Rudolf dem Papst ein persönliches Bittschreiben geschickt, um eine Annullierung seiner Ehe zu erreichen - wegen Söhnelosigkeit; aber der krumme HundHeilige Vater im Vatican hatte ihn keiner Antwort für würdig befunden, sondern ihn hinterrücks bei Kaiser Franz-Joseph verpetzt, der seinem Sohn definitiv klar gemacht hatte, daß daraus nichts würde - es war sicher keine bloße zeitliche Koïnzidenz, daß sich Rudolf wenig später erschoß. Außerdem wäre ein Kronprinz, der nur zu warten braucht, bis sein Vater eines natürlichen Todes stirbt, der letzte, der einen Staatsstreich riskiert. (Daß Franz-Joseph so alt werden sollte wie er wurde, konnte damals niemand ahnen.) Und last not least wäre ein aufgeflogener Staatsstreichsplan kein Grund, eine daran völlig unbeteiligte Maitresse mit in den Tod zu nehmen. (Daß es für jenen angeblichen Staatsstreich keinen, aber auch nicht den allerkleinsten aktenkundigen Beleg gibt, erwähnt Dikigoros nur am Rande; denn erstens legt man solche Pläne nicht unbedingt schriftlich nieder; und zweitens könnte es ja sein, daß alle diesbezüglichen Quellen posthum vernichtet wurden, wie es besagte Historiker behaupten.) Wir sehen also, daß auch eine Vernunftehe nicht vor dem Scheitern gefeit ist - nicht mal in Österreich, das doch in Heiratsdingen so sprichwörtlich glücklich gewesen sein soll. Ob eine Ehe Franz-Josephs mit Sisis älterer Schwester also besser funktioniert hätte, kann niemand sagen; und es ist müßig, darüber zu spekulieren; jedenfalls hätte sie wohl keinen so schönen Filmstoff abgegeben.

* * * * *

[Kaiserin Elisabeth, Gemälde von Winterhalter, 1864] [Romy Schneider, Filmfoto, 1955]

In allen Filmen dieser "Reise durch die Vergangenheit" haben Schaupieler[innen] das Bild der Nachwelt von den durch sie dargestellten historischen Personen (fehl) geprägt - das ist weiter nicht verwunderlich, denn unter diesem Aspekt hat Dikigoros sie ja zusammen gestellt. In vielen Fällen hat das auch dazu geführt, daß das Kino-Publikum jene Schauspieler nicht mehr anders wahrnehmen wollte als in eben jenen Rollen. Aber in keinem anderen Fall ist der unheimliche Effekt eingetreten, daß sich die Schauspieler ihren historischen Vorbildern - und zwar den echten, nicht den im Film dargestellten - derart angenähert haben wie hier. Sowohl Romy Schneider als auch Karlheinz Böhm wollten mit Sissi und Franz-Joseph bald nichts mehr zu tun haben - im Gegenteil, sie versuchten geradezu krampfhaft, ihre Schatten zu verdrängen. Vergeblich. Romy Schneider wurde wie Sisi eine glänzenden Schauspielerin und Selbstdarstellerin, aber eine grottenschlechte Ehefrau und eine Rabenmutter. Sie machte alle ihre Männer unglücklich, trieb einen in den Selbstmord (wie Sisi ihren Sohn) und war am Tode ihres Sohnes nicht weniger schuldig als Sisi an dem ihrer Tochter Sophie; und am Ende starb sie ebenfalls eines gewaltsamen Todes (bei dem sie wohl noch nachhalf). Karlheinz Böhm wurde fast ebenso alt wie Franz-Joseph und ebenso vertrottelt. Er heiratete in erster Ehe eine Frau namens Elisabeth und nannte seine Tochter aus zweiter Ehe "Helene" (ebenso wie Franz-Joseph seine älteste Tochter von Anna Nahowski - was tief blicken läßt in Bezug darauf, wie tief er am Ende bereut haben muß, Sisi geheiratet zu haben statt ihrer älteren Schwester, die ihrem Ehemann - einem Fürsten v. Thurn und Taxis - eine wesentlich bessere Ehefrau war als all ihre "besser" verheirateten Schwestern). Mit der Wahl seiner vierten Ehefrau offenbarte Böhm ebenso viel [Un-]Verständnis für "sein" Volk wie einst Franz-Joseph: Die Deutsch-Österreicher hätten seine Millionen gut zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung aus Schwarzafrika brauchen können; statt dessen machte er es den vielen unfähigen Politikern nach, die in die Afrika-Falle getappt sind, und verpulverte sie für eine Stiftung zugunsten armer Neger, die er "Menschen für Menschen" genannt hat, deren KaiserPräsident selbstverständlich er selber ist - seine Frau Almaz (eine Äthiopierin) ist KaiserinVizepräsidentin, wie einst Franz-Joseph und Sisi mehreren nichtsnutzigen, pardon gemeinnützigen Einrichtungen vorstanden. Ist das nicht erschreckend, um nicht zu sagen makaber?

Als er 2014 starb - auf den Tag 32 Jahre nach Romy Schneider - titelte die BLÖDBILD-Zeitung: "Jetzt ist er bei Sissi", mit einem Bild aus dem Film, das fast die ganze 1. Seite einnahm.

Für alle Filme dieser "Reise durch die Vergangenheit" gilt auch, daß Historiker versucht haben, gerade zu rücken, was Drehbuchautoren und Regisseure ins schiefe Licht gesetzt hatten. So herrscht unter Fachidioten, pardon Fachwissenschaftlern längst Einigkeit, daß Kleopátra kein männermordender Vamp war, Nero kein größenwahnsinniger Brandstifter, Garibaldi kein Held, der Hauptmann von Köpenick kein armes, unschuldiges Opfer der preußischen Justiz, Höss kein braver Beamter und Udet kein verhinderter Widerstandskämpfer, daß Nelson als Seeoffizier eine Niete, Cromwell und Venizélos Verbrecher, Lawrence von Arabien und Konrad Kujau Hochstapler waren usw. Aber in keinem dieser Fälle hat es ein Filmemacher unternommen, ein korrigierendes Gegenbild zu entwerfen. [Eine Ausnahme bildet nur Custer. Daß die später über ihn gedrehten Filme flopten, lag allerdings nicht an dem Wunsch des Publikums, unbedingt an dem positiven Bild, das Errol Flynn von ihm verkörpert hatte, festzuhalten, sondern an allgemeinem Desinteresse: Die Helden der "Indianerkriege" des 19. Jahrhunderts sind inzwischen nicht mehr die "Weißen", sondern die "Roten". Custer? Wer war das? (Es ist bezeichnend, daß mit ihm auch sein Darsteller Errol Flynn weitgehend in Vergessenheit geraten ist.)] Die Historiker haben "Sisis" Bild inzwischen entzerrt; und einige Filmemacher haben auch versucht, das cineastisch umzusetzen: 1991 drehten Christoph Böll und Wilhelm Grönemeyer "Sissi und der Kaiserkuß" (mit Sonja Kirchberger in der Titelrolle) - es wurde einer der größten Flops der Filmgeschichte, mit gerade mal 3.000 Zuschauern (die "Sissi"-Filme Marischkas dagegen haben inzwischen, wenn man die Fernsehausstrahlungen, Videocassetten und DVDs mit rechnen, über 60 Millionen gesehen). 1995 wollte Bernd Fischerauer eine fünfteilige Fernseh-Dokumentation drehen (mit Marion Mitterhammer als Elisabeth); aber als ihm das ORF auf die Schliche kam, von wegen "Entzauberung des Mythos Sissi", dreht es ihm den Saft ab, und das Projekt verschwand in der Versenkung. Das [Kino-]Volk will halt von der historischen Wahrheit nichts wissen und sich lieber seine Illusionen erhalten. Wie schrieb einst der große jüdische Reiseschriftsteller Richard Katz über die Eingeborenen Insulindes: "Unter allen Umständen wird ihnen ein Mann, der ein schönes Märchen erzählt, vertrauenswürdiger erscheinen als ein Gelehrter, der ihnen mit trockenen Fakten daher kommt..." Aber so weit mental entfernt von den Kanaken Austronesiens sind die durchschnittlichen Mitteleuropäer offenbar gar nicht - und wieso auch? Die Politiker und Wirtschaftsbosse "da oben" machten es ihnen doch vor! Welche Regierung will schon die (nicht nur historische) Wahrheit wissen, wenn es ihr politisch nicht in den Kram paßt? Und was den Shoa-Businessmen der Holocaust-Industrie recht ist, kann der Tourismus- und Souvenir-Industrie doch nur billig sein, oder? (Wenn man die Relationen mal rein rechnerisch betrachtet - aber das sollte man ja eigentlich nicht tun, wie Dikigoros nie müde wird zu betonen -, dann ist das Sissi-Business allerdings noch wesentlich krasser: von 300.000 - ach, hätte es doch die Schlacht von Solferino nie gegeben, dann hätte Henry Dunant nie das "Rote Kreuz" gegründet, und das hätte nach dem Zweiten Weltkrieg nie jene heute nur zu gerne verschwiegene Zahl veröffentlichen können! - zu 6.000.000 sind es "nur" 1:20, von 3.000 zu 60.000.000 sind es 1:20.000!) Und das Bombengeschäft, das die Feiern zum 100. Todestag Elisabeths 1998 versprachen (und auch hielten :-) wollten sie sich nicht von so ein paar Erbsenzählern verderben lassen - für die "historische" Sisi hätte niemand auch nur einen Pfifferling gegeben!

Nun muß Dikigoros seine ursprünglich an dieser Stelle geäußerte Meinung revidieren. (Ja, auch er ist nicht unfehlbar und kann mal irren :-) Es folgten hier Ausführungen über den Unterschied zwischen einem bloßen Privat-Unternehmen, welches eine Medaille auflegt, um damit naïven Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, und einem Staat, der damit seine gesetzlichen Zahlungsmittel ausstattet; und Dikigoros hatte gedacht, daß das erst viel später geschehen sei. Aber dabei hatte er übersehen, daß die RÖ bereits vier Jahre zuvor eine 100-Schilling-Münze ausgegeben hatte, die wohl ein Unicum in der Geschichte der Numismatik darstellen dürfte, denn sie bildet auf der Vorderseite "Kaiser Franz Joseph" ab.

Wohlgemerkt, daß eine Monarchie Zahlungsmittel mit dem Konterfei ihres regierenden Monarchen versieht, ist ein ganz normaler Vorgang; etwas merkwürdiger mutet ein solcher Personenkult schon bei einer Republik an, die ihren amtierenden Präsidenten abbildet. (Jedenfalls in Europa - in gewissen Diktaturen Afrikas und Asiens mag das anders sein :-) Aber eine Republik, die einen Monarchen abbildet?!? Ihr meint, das sei doch auch nicht so ungewöhnlich? Haben nicht auch Frankreich und die BRD...? Ja, gewiß, De Gaulle führte 1961, kurz nach der Währungsreform, neue 100-FF-Scheine mit dem Bildnis Kaiser Napoléons ein; aber erstens wußte jeder, daß er damit insgeheim sich selber meinte, und zweitens stand darauf nicht "Napoléon Empereur", sondern - gar nichts. Und als die BRD 1986 ein 5-DM-Stück mit dem Bildnis Friedrichs II heraus brachte, standen da nur die Lebensdaten, nicht etwa der Titel "König von Preußen"; es war also klar, daß es sich lediglich um eine Gedenk-Münze auf einen längst Verstorbenen handelte. Aber das 100-Schilling-Stück der RÖ von 1994 betitelt Franz-Joseph so, wie man den regierenden Monarchen einer Monarchie auf deren gesetzlichen Zahlungsmitteln betitelt; und jeder Asyl suchende Neger, der zum ersten Mal aus Afrika nach Europa kam und so eines Geldstücks angesichtig wurde, durfte, ja mußte wohl annehmen, daß es sich dabei um das aktuelle Staatsoberhaupt des Ausgabelandes handelte. Nie und nimmer wäre er darauf gekommen, daß es in jenem Land eine Constitution, pardon Verfassung gab, aufgrund derer die herrschenden Demokratisten Jahrzehnte lang dem letzten Habsburger, einem gewissen Otto, nicht einmal gestattet hatten, als Privatmann nach Österreich einzureisen - und sei es nur auf Urlaub -, weil sie Angst vor der Sehnsucht der eigenen Untertanen nach einer Wiederkehr des Kaiserreichs unter Abschaffung der verfilzten Parteien-Bonzokratie hatten! (Ihr meint, es müsse doch jedem auffallen, daß das Oberhaupt einer "Republik" sich nicht "Kaiser" nennen könne? Aber wieso denn nicht? Wenn Ihr oben den Link auf Andreas Hofer angeklickt habt - hier ist er noch einmal -, dann wißt Ihr doch, daß sich z.B. der letzte Herrscher des Herzogtums Bayern "Kurfürst" nannte, und nicht "Herzog"!)

Aber um auf Sissi und ihren 100. Todestag zurück zu kommen - was hätte man denn sonst feiern sollen? Darf Dikigoros diese Frage etwas konkretisieren? Was feierten denn die anderen Länder der einstigen Donau-Monarchie, pardon, die Nachbarn der "Republik Österreich", Ungarn, Rumänien und B'lgarien, in den 1990er und 2000er Jahren? Dreimal dürft Ihr raten - aber Ihr, liebe politisch-korrekt denkende Gutmenschen, werdet wahrscheinlich nicht drauf kommen: Zunächst waren da mal diejenigen, welche die einst obligatorischen Gedenkfeiern zur "Befreiung vom deutschen National-Sozialismus durch das sowjetische Brudervolk" umwidmeten zu Gedenkfeiern zur "Befreiung vom sowjet-russischen Sozialismus". [Rund 100 Jahre nach der Intervention des Tsaren beim ungarischen Aufstand von 1849 waren die Russen wieder gekommen, diesmal freilich nicht, um einen bösen deutsch-österreichischen Despoten bei seiner Unterdrückung zu unterstützen, sondern um Ungarn (und das übrige Ost-Mittel-Europa) von einem böhmischen Gefreiten zu "befreien" - so mußte man es jedenfalls bis 1991 in Ungarn (und seit 1985 auch in der BRD) lernen.] Und dann waren da diejenigen, welche 100 bzw. 400 Jahre "Befreiung vom Türkenjoch" feierten und sich dabei auf Leute besannen, deren sie schon 1941, als sie noch Verbündete der bösen Nazi-Deutschen waren, gedacht hatten, wie Stefan cel mare - von dem Ihr, liebe mitteleuropäische Leser, wahrscheinlich noch nie gehört habt.

Vor nur einer Generation war das auch in Mitteleuropa noch selbstverständlich gewesen: Die Deutschen in der BRD hatten 1955 hoch offiziell den "Türkenlouis" Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden gefeiert, und die Deutschen in der RÖ 1963 den Prinzen Eugen von Savoyen, der die Türken aus Belgrad hinaus geworfen hatte.

[5-DM-Gedenkmünze 1955 auf Markgraf Ludwig von Baden, den 'Türkenlouis'] [25-Schilling-Gedenkmünze 1963 auf Prinz Eugen von Savoyen]

Aber irgendwie schien das jetzt nicht mehr aktuell zu sein, d.h. doch, eigentlich war es sogar hoch aktuell, aktueller als irgendwann in den letzten 400 Jahren - aber gleichzeitig so peinlich für die Regierungen, daß sie es lieber unter den Teppich kehrten - nicht so in Ungarn und anderen Staaten des ehemaligen "Ostblocks"! Cyniker könnten argumentieren, daß gerade die Jahrzehnte lange Ausbeutung durch die Sowjets und die daraus resultierende materielle Armut jene Staaten vor einem weit schlimmeren Schicksal bewahrt hat, von dem unterdessen das reiche Mitteleuropa heimgesucht wurde: die neuerliche türkische Invasion, diesmal in einer Truppenstärke, die alles in den Schatten stellt, was von Sultan Suleiman dem Prächtigen und all den anderen Invasoren vergangener Jahrhunderte aufgeboten wurde: Heute leben bereits viele Millionen türkische Besatzer bei uns, die uns schlimmer ausbeuten, als sich das die alten Osmanen in ihren kühnsten Wunschträumen auszumalen gewagt hätten - wenn Marischka noch lebte, würde er vielleicht von "Schicksalsjahren einer kaiserlosen Republik" sprechen. (Gleichwohl wollen einige todeswürdige Politverbrecher - gegen welche die "Räuberhauptmänner" Andrássy & Co. die reinsten Edelleute waren - weitere zehn Millionen türkischer Besatzer widerstandslos ins Land lassen!) Vielleicht wird einst der Tag kommen, an dem die Ungarn den Deutsch[en und]-Österreichern Waffenhilfe leisten müssen (in wohl verstandenem Eigeninteresse, denn sie leben ja inzwischen via EU wieder von ihren Finanzspritzen - türkische Regierungen in Berlin und Wien würden ihnen den Geldhahn schnell zu drehen), um die muselmanischen Invasoren wieder hinaus zu werfen?!? Aber das wird schwierig: Als das ungarische Parlament es anno 2011 wagte, eine neue Verfassung zu verabschieden, in deren Präambel Gott und das Christentum erwähnt werden, da erhob sich ein Aufschrei aller politisch-korrekten Gutmenschen - besonders in solchen Staaten, wo auf Christentum und alle anderen nicht-muslimischen Religionen die Todesstrafe steht, und davon gibt es ja mehr als genug auf der Welt. Die UNO, die EU, der Europarat und der Zentralrat der Juden verlangten von Ungarn, diese schlimme, diskriminierende Verfassung, die gegen "die Menschenrechte" verstieß, faschistisch, rassistisch und anti-semitisch sei, sofort zurück zu nehmen und sich statt dessen von ihnen vorschreiben"raten" bzw. "empfehlen" zu lassen, was für eine Verfassung sie statt dessen einführen sollten, nämlich eine, in der jeglicher Hinweis auf das Christentum gestrichen und statt dessen die besonderen Rechte von Atheïsten, Schwulen und Alleinerziehungen festgeschrieben würden. (Ungelogen, liebe Leser, so weit sind wir inzwischen gekommen!) Anno 2026 jährt sich die Schlacht von Mohács zum 500. Mal, und Dikigoros ist zu der traurigen Überzeugung gelangt, daß der notwendige Abwehrkampf des christlichen Abendlandes gegen die türkischen (und andere) Muslime - ein Kampf auf [Über]Leben oder Tod -, wenn er bis dahin nicht gewonnen ist, verloren sein wird.

[Gedenkstätte auf die Schlacht von Mohács]

* * * * *

Nein, so kann Dikigoros eine Besprechung der "Sissi"-Trilogie doch nicht enden lassen. Muß er auch nicht, denn Ende 2009 wurde das geplagte Fernsehpublikum vom Staatssender ZDF mit einer zweiteiligen "Neuverfilmung" von Xaver Schwarzenberger beglückt. (In die Kinos wagte man diesen Mist gar nicht erst zu bringen, wohl weil man einen neuen Flop-Rekord fürchtete :-) Von der Kritik hoch gelobt, konnte er doch dem viel geschmähten Vorbild nicht das Wasser reichen - im Gegenteil: Die vielen liebenswerten, auf verbürgten historischen Tatsachen beruhenden kleinen Episoden fielen völlig weg; dafür wurde die historischen Ereignisse jener Zeit - die Dikigoros ja schon erwähnt hat - mit eingestreut, allerdings so oberflächlich, daß man sie sich und den Zuschauern gleich ganz hätte ersparen können. Der erfaßte Zeitraum ging wieder nur bis 1867, d.h. bis zur ungarischen Krönung, und trotz 11 Millionen Teuro Produktionskosten waren die Macher nicht mal in der Lage, eine naturgetreue Nachbildung der Stefanskrone aufzutreiben, deren Kreuz bekanntlich schräg steht - Marischka wußte das noch, Schwarzenberger offenbar nicht, denn bei ihm steht das Ding kerzengerade. Aber das sind nur Nebensächlichkeiten. Viel schlimmer ist, daß die Rollen so grottenschlecht besetzt sind: Franz-Joseph mit dem farblosen David Rott, Sissi mit der Italienerin Cristiana Capotondi, und über Nebenrollen wie Andrássy und Radetzky - beide viel zu jung geraten, und letzterer von einem Hünen gespielt, in den der echte Feldmarschall mindestens zweimal hinein gepaßt hätte - breitet Dikigoros besser den barmherzigen Mantel des Schweigens. Solche Flaschen werden das Bild ihrer historischen Vorbilder niemals ersetzen - geschweige denn die [um-]prägenden Gesichter aus den Marischka-Filmen. Und während man die letzteren noch ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung regelmäßig wiederholt, dürften die Zuschauer das Machwerk von Schwarzenberger zum ersten und letzten Mal gesehen haben (wenn sie sich denn überhaupt von ihren Frauen dazu haben nötigen lassen :-), und das ist auch gut so.


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