Die Bank

Für eine Bank vorm Haus schlug schon immer mein Herz, der Gemütlichkeit halber und vielleicht ein wenig wegen der schönen Erinnerungen an Damals. Dass vor jedem Haus eine Holzbank die Wand meist frontal schmückte, war nicht ungewöhnlich. Irgendwie machte dieses Bild einen sittsamen Eindruck, besonders wenn Mutter mit der Nachbarin beim Klönen Strickmuster austauschte. Der mit Wolleballen und Stricknadeln gefüllte und unter der Bank verstaute Weidekorb vervollständigte das mir so vertraute Bild, sowie die klangvoll klappernden Stricknadeln. Es machte mich als Kind unbeschreiblich glücklich, wenn ich Mutter in unmittelbarer Nähe wusste. Mit einem herrlichen Gefühl der Geborgenheit lief ich ständig zu ihr hinüber, sie schnell nebenbei einmal zu drücken oder mir ein Küsschen auf die Wange einzufangen. Mutter war mein Ein und Alles und erst recht in der mir ach so endlos vorkommenden Zeit, wenn Vater auf der Zeche arbeitete. Aber sobald ich von weitem auch nur das leiseste Geräusch seiner Fahrradklingel vernahm, waren weder sie, meine Spielkameraden noch der Sandkasten interessant. Freudestrahlend rannte ich ihm mit der Geschwindigkeit eines Kometen entgegen, um mir bloß nicht die Runde um den Häuserblock entgehen zu lassen . Fast schon wie ein Ritual handhabten wir die Begrüßungszeremonie, welche grundsätzlich am Küchentisch auf seinem Schoß endete. Ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten und vom Eintopfgericht immer wieder kosten zu dürfen, empfand ich als das Größte. Dabei war es keine Seltenheit, wenn er vor lauter Müdigkeit einfach über dem Teller einnickte.

Liebend gern rufe ich mir die milden Sommerabende ins Gedächtnis, an denen meine Eltern vor dem Haus auf der Bank mit Freunden und Nachbarn saßen und sich unterhielten. Während sich Vater meistens auf dem weißlackierten Küchenstuhl mit selbstgenähtem Stuhlkissen platzierte, hockte Mutter auf der winzigen Treppe zum Hauseingang. Manchmal spendierte sie ein Gläschen "Aufgesetzten", wenn auch nur zu besonderen Anlässen. Wie viel Verständnis und Behaglichkeit von diesem Miteinander ausging, ist heute glaube ich, kaum noch nachvollziehbar. Mit dieser Aussage will ich auf keinen Fall den Anschein erwecken vom Realitätssinn verlassen worden zu sein oder gar die Behauptung aufstellen, es hätte niemals so richtig gefetzt. Oh doch, mir ist vollkommen bewusst, dass auch damals Machtkämpfe ausgetragen oder Nachbarschaftsstreitigkeiten beim Schiedsmann geschlichtet wurden. Aber in der Tat fiel es gegenüber der heutigen Glamourzeit, wo einer den anderen mit aller Macht versucht zu überbieten und das Materielle vordergründlich ist, versöhnend aufeinander zuzugehen nicht so schwer. Dass Neid, Hochmut und Arroganz unser heutiges Leben bestimmen, wird leider immer öfter durch meterhohe Lebensbäume an Gartenzäunen und Grundstücksgrenzen deutlich gemacht. Sicherlich erklärt dies auch, warum die Bänke vor den Häusern keine Sitzmöglichkeit bieten, dafür aber kostspielig und aufwendig von oben und unten zudekoriert sind.


Hildegard Grygierek

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