Badespaß

Wahres Vergnügen bereitete mir und meiner Schwester das Bad in Omas Waschküche. Direkt neben dem Vorratskeller mit den tausend Einmachgläsern, gingen wir einmal in der Woche auf Tauchstation. Samstag nachmittag eröffnete sie den Ritus, indem der Badeofen mit Holz und Kohle gefüttert wurde. Ihre verhältnismäßig große Zinkwanne bot uns Beiden ausreichenden Platz, gemeinsam zu plätschern. Dies war auch der Grund dafür, dass wir fast nie zu Hause badeten. Mutter besaß zwar auch eine Wanne, zum Plantschen jedoch viel zu klein.

Ob Vater wohl ein entspannendes Bad vermisste, wenn er abgearbeitet und hundemüde von der Schicht nach Hause kam? Wer weiß, vielleicht war es auch nicht üblich in der Wanne nach Entspannung zu suchen. Gewiss aber nach der Kernseife, ausdauernd bis sich das Wasser milchig färbte. Badezimmerkult, wie er heutzutage leidenschaftlich bis skurril betrieben wird, existierte nicht einmal in der wackersten Phantasie. Ich versuche mir Omas Gesichtsausdruck beim Anblick Dutzender brennender Kerzen und Teelichter vorzustellen. Einmal kam es vor, dass sie bei Kerzenschein ihrer Zinkwanne wegen eines Stromausfalls entsteigen musste. Immerhin lässt sich hier eine relativ spannende Atmosphäre nachvollziehen.

Da wo heute in luxuriös eingerichteten Badezimmern, teure Badewannen mit edlen Seifen und duftenden Ölen verschmiert werden, bekamen wir höchstens Mal eine Brausetablette mit Tannennadelduft ins Wasser. Ein angenehmer Geruch, den ich liebend gerne inhalierte, drang durchs ganze Haus.

In ewiger Erinnerung bleibt mir ein Foltergerät, die sogenannte Schrubbbürste. Wenn ich mich nicht täusche, misshandelte Oma mit einer ausgedienten Wurzelbürste die zarte Haut unserer Rückenpartie. Waschen nannte sie diese körperverletzende Straftat, wobei sie sich trotz rotleuchtender Rückenansicht unbeeindruckt verhielt. Erst nachdem sie Ingrid und mich für gut durchblutet und schön sauber erklärte, ließ sie von uns ab. Einfühlsam wie Kinder nun mal sind, bedauerten und trösteten wir uns gegenseitig, um gleichzeitig die Stimmung mit einer kalten Wasserladung wieder aufzuheitern. Großmutter zeigte sich zu keiner Zeit entmutigt oder genervt von dem lautstarken Gekreische, im Gegenteil. Der abschließende Badespaß endete immer warmeingehüllt in riesigen Badelaken, mit denen sie rubbelte, dass kein Auge trocken blieb.

Ganz zum Schluss, wenn wir Kinder vor Reinheit brillierten und frisch angezogen waren, erlaubte sie sich für kurze Zeit unter zu tauchen. Und zwar in der von uns hinterlassenen kerngesunden Seifenlauge, welche mit dem letzten heißen Wasser vom Badeofen verdünnt und gleichzeitig aufgewärmt wurde. In Gedanken an Sparsamkeit hätte sie niemals denselben verschwendet, sich in irgendeiner Form deshalb zu schämen. Außerdem wäre mir als Kind Argwohn darüber sowieso nicht in den Sinn gekommen.
Drei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen, entsprach ganz Omas verblüffendem Talent. Somit räumte sie der Lauge nicht das geringste Entrinnen ein, ohne vorher vom reinigenden Effekt Gebrauch zu machen. Der Wochenend-Hausputz endete also grundsätzlich mit dem Wischen der Waschküche einschließlich der Kellertreppe.

Heute wie damals, weiß der Mensch das kostbarste Gut unbedingt zu schätzen. So unermesslich, dass das Maß längst voll ist; vom maßlosen Verplempern!


Hildegard Grygierek

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