KETUT  TANTRI
(Susan Daventry-Walker)
1901 - 1997

[Ketut Tantri] [Revolt in Paradise]

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite:
LÜGEN HABEN SCHÖNE BEINE
Wenn Frauen eine Reise tun . . .

Peter Erberfeld war ein einflußreicher Mischling, der 1722 eine große Verschwörung anzettelte, welche die Niedermetzelung sämtlicher Europäer zum Ziel hatte. Durch ein eingeborenes Mädchen wurde das Komplott jedoch verraten und der Mischling ergriffen und hingerichtet. Noch heute bleicht sein Schädel, auf einen Speer gespießt, auf einer Mauer am Sacarta-Weg, und eine darunter befindliche Inschrift besagt, daß zur verabscheuungswürdigen Erinnerung an diesen Verräter Bauen und Anpflanzen auf diesem verfluchten Platz für Zeit und Ewigkeit verboten sein soll.
(Colin Ross, Heute in Ind[ones]ien)

Susan Daventry-Walker war eine einflußreiche Britin, die 1949 eine große Verschwörung anzettelte, welche die Niedermetzelung sämtlicher Europäer zum Ziel hatte. Niemand verriet sie, denn ihr Liebhaber war nicht irgend ein eingeborener Jüngling, sondern der Anführer des Komplotts und künftige Präsident Indonesiens. Sie wurde weder ergriffen noch hingerichtet, und ihr Schädel bleicht nirgends, sondern ihre Asche beschmutzt die einst vom friedlichen Hinduïsmus geprägte Insel Bali. Keine Inschrift erinnert an die verabscheuungswürdigen Verbrechen dieser Verräterin - ganz im Gegenteil: Margaret Meads Freundin "Surabaya Sue", die blutrünstige Hure Soekarnos, wurde mit dem rührseligen Buch "Revolte im Paradies" (1960) auf einen Schlag weltberühmt. Sie verharmlost und verherrlicht darin die indonesische Revolte von 1949 im allgemeinen und ihre eigene Beteiligung daran im besonderen, die der große französische Historiker, Journalist und Verleger Raymond Cartier so beschrieben hat: "Der (indonesische) Rundfunk forderte zur Ausrottung sämtlicher Europäer, einschließlich der Frauen und Kinder, auf. Eine gewisse Miss Daventry, eine Engländerin von der Insel Man, die unter dem Namen Ketut Tantri Indonesierin geworden war, rief als erste zu dem Gemetzel auf. Unaussprechliche Grausamkeiten waren an der Tagesordnung. In den Flüssen schwammen Rümpfe ohne Kopf, abgeschlagene Köpfe, vom Rumpf getrennte Glieder, Pakete menschlichen Fleisches. Die Natur der Tropen, die von den Weißen gezähmt worden war, nahm gierig Rache, indem sie die herrlichen Tee-, Kaffee- und Kautschuk-Pflanzungen verschlang, die Straßen überwucherte, ja sogar die Schienenwege unbenutzbar machte. Niederländisch-Indien war eines der wenigen Länder Asiens gewesen, in denen man keinen Hunger gekannt hatte; nun war er wieder da."

Was - die böse holländische Kolonialherrschaft soll ein "Paradies" gewesen sein? Ja, wer soll denn so etwas glauben im Zeitalter der Gutmenschen, die so ziemlich alles auf ihre Fahnen geschrieben haben, von der Befreiung der Pole vom Packeis bis zur Befreiung der Gummibärchen von den Haribo-Tüten, und die nie auf die Folgen ihrer großartigen "Befreiungs"-Aktionen schauen, weder vor- noch hinterher? Aber Susan Walker hatte die Kolonie Niederländisch-Indien ja selber als "Paradies" beschrieben, und sie war nicht die erste und nicht die einzige, die es so sah: 1932 hatte sie erstmals davon in einem Hollywood-Film mit dem Titel "Bali, das letzte Paradies" gehört und Bilder gesehen. [Im selben Jahr kam "Trouble im Paradies" von Ernst Lubitsch in die Kinos - die Titel dieser beiden Filme sollten knapp 30 Jahre später den ihres Buches inspirieren.] Gleich danach trat sie ihre erste Reise dorthin an. Wie beschreibt sie nun die Geschichte dieser Revolution, die bis heute hunderte Millionen von Menschen ins Unglück gestürzt hat, und wie rechtfertigt sie ihre eigene verhängnisvolle Rolle darin? Als Japan in den Zweiten Weltkrieg eintrat und Niederländisch-Indien besetzte, also Ende 1941, lebte sie auf Bali, wo sie ein Hotel führte, in Kuta Beach. (Anders als Ende des 20. Jahrhunderts war das noch kein überlaufener Mittelpunkt des Massen-Tourismus, sondern eine Idylle für Künstler und andere westliche Aussteiger.) Obwohl die Niederländer ihr anboten, sie zu evakuieren, blieb sie und wurde von den Japanern interniert. Von denen will sie sexuelle Belästigungen und Demütigungen erfahren haben. Mag sein, mag auch nicht sein - wahrscheinlich eher nicht, denn die Japaner installierten ja eine indonesische Marionetten-Regierung unter Soekarno, und das sprach eher dafür, sie als dessen "Madu" (die Indonesier haben für ihre Nebenfrauen dasselbe Wort wie für "Honig", und zwar ganz offiziell, nicht bloß als Kosenamen, wie die Angelsachsen ihr "Honey" :-) gut zu behandeln.

Als die Japaner 1945 kapitulierten, kehrten die Holländer zurück - und mit ihnen die Engländer - und versuchten, die Kolonialherrschaft wieder zu errichten. Sie scheiterten nicht so sehr an den Indonesiern als daran, daß ihnen die USA und Australien in den Rücken fielen - deren Regierungen beide hofften, politisch "unabhängige", aber auf wirtschaftlich schwachen Beinen stehende Staaten der "Dritten Welt", so auch Indonesien, in ökonomische Abhängigkeit zu sich selber bringen zu können. Dennoch fällt es schwer, Ketut Tantri's abgrundtiefen Haß auf die Holländer und Engländer zu verstehen, als sie die Amok laufenden Indonesier aufrief, sie allesamt zu ermorden. (Wohlgemerkt nicht die japanischen Besatzungs-Soldaten - die blieben unbehelligt, auch und gerade in Surabaya, wo der größte Teil von ihnen noch herum hing wie bestellt und nicht abgeholt, und von wo aus Ketut Tantri ihre Mordaufrufe über die Radiosender verbreitete!) Man darf die moralische Wirkung dieser Aufrufe nicht unterschätzen: Zuvor hätte kaum ein Angehöriger der Kolonial-Völker es gewagt, die Hand gegen seine alten Meister zu erheben - und diese Haltung hatten sie verinnerlicht. Nun kam eine Angehörige eben dieser Kolonialherren und rief sie eben dazu auf, also durften sie es hemmungslos tun! Was danach folgte, war eine Katastrofe, von der sich Indonesien trotz aller Beschönigungen nie erholt hat. Dikigoros hat selber noch mit alten Indonesiern gesprochen, die sich nach der Kolonialherrschaft der "Orang Belanda" zurück gesehnt haben (und darauf bestanden, mit ihm Holländisch zu reden, nicht Bahasa Indonesia). Diese Generation ist heute ausgestorben, und mit ihr die Hoffnung, daß Indonesien jemals wieder jenes Paradies wird, welches es nach übereinstimmender Meinung aller Reisenden, die es vor dem Zweiten Weltkrieg kennen gelernt haben (mit Ausnahme von Alma Karlín, aber die fand es ja in der ganzen Welt schrecklich), unter holländischer Verwaltung war - selbst Ketut Tantri hat dies ja durch den Titel ihres Bestsellers indirekt eingeräumt.

Elf Jahre hatte sich Ketut Tantri Zeit gelassen, um "Revolte im Paradies" zu schreiben. Nur fünf Jahre später wurde Soekarno von seinem Ex-Freund Soeharto gestürzt, der ein neues, fast noch schlimmeres Terror-Regime errichtete ("Orde Baharu [Neue Ordnung]" nannte er es eufemistisch - aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle). Als der Wahl-Australier Christopher Koch über 17 Jahre später ein Buch über jene Ereignisse schrieb, wählte er den Titel "Ein Jahr in der Hölle" (verfilmt von Peter Weir, unter dem Titel "The Year of Living Dangerously [Das lebensgefährliche Jahr]", mit Mel Gibson in einer der Hauptrollen). Er prägte sich nicht ein - für das tumpe Publikum blieb Indonesien das Paradies. Wer hatte schon Novalis gelesen, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts (unter dem Eindruck der Französischen Revolution und ihrer Folgen) geschrieben hatte: "Noch hat jeder, der vorgab, das Paradies auf Erden zu erreichen, die Hölle geschaffen." Nein, von der Hölle wollen die drei kleinen Äffchen bekanntlich nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Aber wer zu blind zum Sehen ist, nein, wie sagt es ein deutsches Sprichtwort: Wer nicht hören will, muß fühlen. Das sollte noch einmal 20 Jahre dauern, behaltet es einfach kurz im Hinterkopf...

Ähnlich wie Derek Freeman 1983 Margaret Mead entzaubert hatte und Nanako Fukui 1995 Ruth Benedict, so tat dies 1997 - leider ebenfalls erst nach dem Tode der Betroffenen und sieben Jahre, nachdem man ihr die Geschichte verfälschendes Machwerk neu aufgelegt hatte - Dikigoros' Kollege Tim Lindsey mit "Die Romanze von K'tut Tantri und Indonesien". Ursprünglich sollte es eine Ketut Tantri in aller Freundschaft gewidmete Biografie werden; aber im Laufe seiner Recherchen stieß der Autor auf immer mehr Material, das diese Freundschaft erkalten ließ - am Ende blieb allein die Rücksichtnahme, mit der Veröffentlichung bis nach ihrem Tode zu warten. Dieser ereilte sie in ihrem australischen Exil in Sydney - bis zuletzt wurde nicht klar, warum Ketut Tantri ihr angeblich so geliebtes, aber in der Unabhängigkeit völlig herunter gewirtschaftetes Indonesien verließ. Sie starb eines unverdient friedlichen Todes; der indonesische Botschafter in Australien hielt eine schöne Rede und spendierte ein Leichentuch in den Farben der (rot-weißen) indonesischen Nationalflagge; und Lindsey verstreute ihre Asche höchstpersönlich auf Bali. Als vier Jahre später, während Muslime Jagd auf die letzten chinesischen Christen im Lande machten, die Tochter des Diktators Soekarno, Megawati Soekarnoputri, die Macht in Indonesien ergriff, wurde der Gesamtwert des wirtschaftlich völlig ruinierten und politisch zerrütteten Inselreichs auf gerade noch 28 Mrd. US-$ geschätzt, nur ein Bruchteil dessen, was die Holländer in den Jahrhunderten zuvor (und andere Narren in den Jahrzehnten danach) hinein gesteckt hatten und was es im Jahre 1949 noch wert gewesen war - oder im Jahre 2001 hätte wert sein können, wenn es nicht Leute vom Schlage einer Ketut Tantri gegeben hätte.

* * * * *

Nachtrag. Gut fünf Jahre, nachdem die alte Hexe endlich abgekratzt war, gelangte der Titel ihres Buches noch einmal in die Schlagzeilen der Weltpresse - freilich leicht abgewandelt, wie er schon damals korrekt gewesen wäre: Terror im Paradies. Paradies? Gut fünf Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit herrschte in Indonesien wieder Bürgerkrieg, auf den Molukken und Kalimantan, in Aceh und Irian Jaya, und auch auf Jawa kam es regelmäßig zu blutigen Unruhen, vor allem in der Hauptstadt Jakarta. Nur an den beiden Haupt-Wirkungsstätten der Ketut Tantri schien es ruhig zu bleiben: in Surabaya und in Kuta auf Bali, das von den Reiseveranstaltern in aller Welt zum "Touristenparadies", zur "Insel der Seligen" und zur "Oase des Friedens" inmitten des Brandherds Indonesien hoch stilisiert wurde - zu Unrecht, denn weder die Flora und Fauna Balis noch seine Menschen mit ihrer "hinduïstisch" angehauchten Pseudo-Kultur (die längst nur noch vom Touristennepp lebte) waren jemals sonderlich sehenswert, geschweige denn paradiesisch, jedenfalls verglichen mit echten "Paradiesen", wie es sie ja immer noch geben soll auf dieser Welt, aber die Dikigoros sich hüten wird, hier breit zu treten. Dennoch (oder zum Ausgleich?!) entstand allmählich ein auf Touristen aus dem Westen zugeschnittenes "Nachtleben" [Dikigoros setzt das in Anführungsstriche, da es tagsüber, wenn die ausländischen Gäste ihren Rausch einmal ausgeschlafen hatten, nicht anders war], das immer mehr Züge wie etwa im thailändischen Pattaya anzunehmen drohte. Im Oktober 2002 wurde es den Islamisten zu bunt: Sie zündeten eine Autobombe vor dem "Sari Club", dem größten Etablissement auf der Legian-Straße - der Reeperbahn von Kuta. Wie titelten die westlichen Gazetten am nächsten Morgen? Nein, nichts mit "Hölle" - sie hatten ihre Lektion gelernt: "Terror im Paradies"! Es kommt halt auf die Definition von "Hölle" und "Paradies" an... Wie dem auch sei, die Terroristen kappten so mit einem Schlag die Touristenströme der Hurenböcke aus der westlichen Welt, vor allem aus Australien - das endlich die Quittung bekam für seine Judas-Dienste von 1949. Damit brachten die Islamisten zugleich die letzte Devisenquelle des maroden Regimes in Jakarta zum Versiegen und bereiteten so ihre eigene Machtergreifung vor. Indonesien sollte endgültig in die finsteren Zeiten vor der segensreichen holländischen Kolonialherrschaft zurück fallen, und der Titel des Buches von Ketut Tantri wird damit für alle Zeiten verbunden bleiben.


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