ALMA KARLIN
(Alma Maximiliane Karlín)
(1889 - 1950)

[Alma Karlin]

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite:
LÜGEN HABEN SCHÖNE BEINE -
WENN FRAUEN EINE REISE TUN

Die "einsame Weltreisende", aus deren Tränendrüsen Tinte floß, unterstellte schon dem Zug, mit dem sie 1919 zu ihrer fast neunjährigen Weltreise aufbrach, daß er in die Bahnhofshalle "jammerte", dem Dampfer, mit dem sie über den Atlantik aufbrach, daß seine Sirenen "traurig" heulten, und den Wellen der Brandung, daß sie sie "kummerschwängern" (!) wollten. "Finster gähnten die Schluchten der Berge, drohend, feindselig knisterte der Sand..." Gewiß, die Krainerin hatte es nicht leicht, denn nach dem Ersten Weltkrieg war ihre Heimatstadt Cilli an das feindliche Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gefallen - die es zu "Celje" verballhornten -, das österreichische Papiergeld war nichts mehr wert, die ehemaligen Feindstaaten (mitsamt ihrer Kolonien) wollten sie überhaupt nicht einreisen lassen (mit ihrem "SHS"-Paß - Srbja-Hrvatia-Slovenja - schaffte sie es dennoch), die neutralen sich ihre Visa in harter Goldwährung bezahlen lassen. Da damals niemand etwas zu verschenken hatte, konnte sie ihre Reisen also weder aus der eigenen Portokasse bezahlen, wie viele reiche Globetrotter(innen) ihrer Generation, die das Glück gehabt hatten, noch vor dem Krieg zu reisen (zum Beispiel Katharina Zitelmann, "Als die Welt noch offen war"), noch sich bettelnd durch die Lande schlagen, sondern mußte unterwegs arbeiten - wohlgemerkt keine harte, körperliche oder gar entehrende Arbeit, sondern sie spielte Dolmetscherin, Journalistin und Haus-Lehrerin ("denn ich mußte - wie sehr ich auch hungern mochte - Europäerin bleiben, durfte in keinem Negerloch wohnen oder Neger-Nebenverdienste suchen.") Aber schon das war für sie ein ständiger Grund zu jammern: Die Zeitungen zahlten schlecht, und die Kinder waren ja so dumm und faul... Für den Köhler-Verlag war es ein Grund, die drei dabei heraus gekommenen Bücher ("Einsame Weltreise", "Im Banne der Südsee" und "Erlebte Welt") als "turmhoch über der üblichen Weltreiseliteratur stehend" zu bewerben. Schon die Untertitel sprechen Bände: "Erlebnisse und Abenteuer einer Frau im Reich der Inkas und im Fernen Osten", "Als Frau allein unter Pflanzern und Menschenfressern, Sträflingen, Matrosen und Missionaren" und "Das Schicksal einer Frau". (Der zweite und dritte Band wurden in zweiter Auflage mit dem Untertitel "Die Tragödie einer Frau" zusammen gefaßt; später erschienen alle drei Bände unter dem großspurigen Titel "Welterleben und Welterleiden".)

Wir merken schon, Karlín führt ihre Schwierigkeiten vor allem auf ihr Geschlecht zurück - es tut ihr geradezu leid, eine Frau zu sein: "Das Leben ist für uns Frauen ja überall schwer." In Hongkong verflucht sie einen unfreundlichen amerikanischen Konsul mit den Worten: "Mögest du als Weib wiedergeboren werden, und mögest du als Journalistin die Welt umsegeln müssen." (Da hatte Hongkong noch Glück; in Perú beschränkte sich Karlín nicht auf nur einen Mann: "Ich hob die Hände wie einst die Propheten Israels und verfluchte das ganze Land.") Und sie räumt selber ein: "Natürlich zerschmolz ich mehr und mehr in Selbstbeklagen." Dennoch (oder gerade deshalb?) verkauften sich ihre Bücher ungewöhnlich gut - selbst in der schwierigen Zeit der Depression Ende der 1920er Jahre -, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland. Der Wert ihrer Schilderungen liegt eigentlich darin, daß sie eben nicht turmhoch über den bereisten Ländern stand, sondern sie im Gegenteil von ganz unter erlebte, wie so mancher Rucksack-Reisende späterer Zeiten. Ihre männlichen Kollegen, die Ross, die Katz und die Kisch, konnten es sich dagegen leisten, immer in den besten Hotels abzusteigen und in den besten Restaurants zu speisen (wobei Karlín wohl die Wahrscheinlichkeit überschätzte, daß die besten Hotels und Restaurants auch immer gut waren); sie mußte in Eisenbahnen und auf Schiffen 3. Klasse reisen, während z.B. Colin Ross einen dicken Mercedes fuhr. Für diese Kollegen hatte sie freilich nur beißenden Spott übrig: "Das Leben ist schließlich eine Reise und wird dadurch nicht angenehmer, daß man sie im Expreß zurücklegt. Wer mit dem gemischten Zug fährt, sieht und genießt mehr von all dem, was an der Strecke liegt... Die meisten Menschen fahren wie die Reisekoffer durch die Welt, und die größte Zahl der so genannten Touristen, die behaupten, alles gesehen zu haben, liest alles in einem Buche nach und sitzt dann einfach im Gasthaus und schlürft Eis-Kaffee oder nimmt Whisky-Soda... Ersteklassereisende fahren wie Mehlsäcke mit Adreßschein - sie rollen durch das Land und lernen nichts, weil sie sich in einem magischen Kreis ihresgleichen bewegen und das Volk an ihnen wie ein Kinobild vorbeistreift."

Das könnte Dikigoros ja noch unterschreiben, aber nicht den gleich darauf folgenden Satz: "Hauptbedingung für solche Studienreisen ist nicht Mut, sondern Ausdauer und die Kraft unbedingten Ertragens aller Widerwärtigkeiten. Damit aber überzahlt man alles, auch das Schönste, was die Tropen überhaupt zu bieten vermögen." Was hatte Karlín denn nun konkret auszustehen? Ihr Koffer ging schon in Italien verloren (wurde aber bald wiedergefunden); das Miauen einer Katze "vereitelte" ihr auf der Schiffsreise von Acapulco nach Manzanillo "die geringe Schlafmöglichkeit"; in Honolulu mokierten sich ein paar dumme Gänse über ihre Klamotten im allgemeinen ("die schwersten Demütigungen der ganzen Reise"), in Melanesien speziell über ihre Strümpfe ("Die Schwarzen fanden, daß es schrecklich sein müsse, so zehenlos durch die Welt zu gehen"); vor Waikiki (wo die Kokospalmen schief standen und so ihren Ordnungssinn beleidigten) geriet ihr Ausflugsbot in eine Riffbrandung, und sie wurde naß; sie verbrannte sich die Finger an einer henkellosen Kaffee-Tasse (serviert von einem "Diener, der kein Wort englisch verstand. Ich brach in Tränen aus"), wie sie in China und Japan üblich waren (und sind); in Noumea geriet sie an einen unfähigen (englischen) Zahnarzt ("sieben Aspirin nahm ich, um die Schmerzen zu betäuben"); in China hatte ein Rikscha-Kuli schrecklichen Mundgeruch; auf den Fiji-Inseln mußte sie auf einer hohen Holzbank mit Strohmatten schlafen ("Wenn ich an diese Bank denke, tun mir die Knochen noch heute weh"); zwei Mitreisende auf dem Schiff zu den Sunda-Inseln ließen sich das Essen auf die Kabine bringen, "und dadurch roch die Kabine stets nach den unmöglichsten Dingen"; sie wurde "bestohlen wie ein unbekannter Nigger", ein paarmal betrogen, holte sich Sonnenbrand auf den nackten Armen und Blasen an den Füßen, hatte oft Hunger (den bekam sie ziemlich schnell, z.B. wenn sie abends feststellte, daß sie "seit dem Frühstück nichts gegessen" hatte!), verdarb ihre letzte Zahnbürste, ihre weißen Tennisschuhe und ihren letzten Hut, holte sich Wanzen und am Ende sogar Malaria.

So ärgerlich das alles sein mag - das soll auch schon Männern auf Reisen passiert sein! (Colin Ross schrieb einmal humorvoll: "Wenn man erst bis auf die Haut durchnäßt ist, wird man richtig vergnügt, denn nun kann man ja nicht mehr nasser werden.") Und ob man nach vier Jahren Weltkrieg und fünf Jahren Nachkriegszeit mit Vertreibung, Inflation, Hungersnot und Seuchen wirklich von einer "Tragödie" sprechen kann, wenn eine selbsternannte Weltreisende unterwegs nicht immer nur die berühmte Zuckerschlecke erlebt? Wenn sie, neben einer Tischlerei abgestiegen, "das unerquickliche Gefühl hatte, man sägte und hobelte bereits an meinem zukünftigen Sarge"? (Millionen Gefallene wurden gar nicht beerdigt - aber das waren ja bloß Männer.) Oder wenn ihr eines Nachts das arge Mißgeschick widerfuhr, daß sich ein (männlicher!) Truthahn auf ihre Toilette verirrt hatte? (Millionen Verhungerte wären froh darob gewesen und hätten mit dem guten Vogel schon etwas anzufangen gewußt. Nicht jeder wog damals bei 1,50 m Körpergröße 47 kg und frühstückte "gebratenen Speck, gefolgt von Pfannkuchen und einer Grapefruit". Ihr Kommentar: "Das ewige Fleischessen macht krank" - so krank wären damals viele gerne geworden!) Oh ja, vor etwas wäre sie als Mann bewahrt worden: vor den ständigen "Belästigungen" durch lateinamerikanische Casanovas - "der Pest der Leidenschaft". Selbst ins Hotel folgten ihr die Augen der Männer (die sie meist "Mannszweibeiner" nennt, um ihre Tierähnlichkeit zu betonen) "wie Dolchstiche". "Männer mit gierigen Glutaugen, in denen schon die Bestie erwacht, den spitzen Hut fast im Nacken..." Ein paarmal bildet sie sich gar ein, daß sie um ein Haar vergewaltigt worden wäre: "Ich ging allein durch ein Stück Urwald, als weiße Frau; wer sagt mir, daß nicht wilde Indianer herab gestiegen waren von den Inland-Höhen? Sie konnten aus dem Dickicht einen Pfeil los schießen, sie konnten mich mit ihren Speeren überfallen und - Ärgstes von allem - ich konnte auf dem einsamen Wege einem Mischling begegnen!" (Mischlinge nennt sie an anderer Stelle "solch ein Rest aus der Affenmenschzeit".) Passiert ist ihr dann aber doch nichts...

Allerdings erinnert sich Dikigoros, daß die Lateinamerikanerinnen (jedenfalls früher, als er noch jung und knackig war) auch alle ganz wild auf ihn waren (nein, vergewaltigt haben sie ihn nicht :-) und irgendwie mutet es schon merkwürdig an, wie sich die Zeiten geändert haben: Wenn heutzutage eine 30-jährige alte Jungfer nach Lateinamerika reist, wäre sie wahrscheinlich tödlich beleidigt, wenn sie dabei keine amoureusen Abenteuer erleben würde. Karlín dagegen ging lieber mit ihrer "Erika" (Markenname ihrer Reiseschreibmaschine :-) ins Bett. (Insofern ist das Bild von den Tränendrüsen, aus denen Tinte floß, nicht ganz zutreffend; sie schrieb ja mit Farbband.)

Auf den Spuren von Kolumbus wollte sie reisen - wo immer auf der Welt ein Denkmal auf ihn stand, macht sie Station - und zieht schließlich das Fazit: "Das Leben erzieht, und Weltumseglungen erziehen doppelt." Dabei reist sie vornehmlich auf Dampfern - Kolumbus wäre bei mancher Flaute froh gewesen, wenn er es so leicht gehabt hätte! Wie lächerlich Karlíns Gejammere ist, sieht man schon daran, daß sie auf Seereisen nicht etwa selber seekrank wird (sie hat einen unverwüstlichen Magen), sondern ständig darüber klagt, daß sie sich von den vielen Seekranken um sie herum belästigt fühle. Ein Problem hatte Kolumbus freilich nicht: Er sah noch keine Schwarzen in Übersee, und erst recht keine "Stadt, in der der Rassenunterschied tot ist und der Schwarze als Bruder mit dem Weißen geht, doch nur in einer Verbrüderung des Lasters." Auch sonst fallen Karlín viele ärgerliche Dinge auf: Der Gestank in den vielen Kanälen von Venedig, die vielen Neger in den südfranzösischen Häfen ("alle Neger und auch die Indianer haben einen betont starken Rassengeruch"), die vielen Analphabeten in Spanien, die vielen Eingeborenen in Lateinamerika und der Südsee, von den farbigen "Menschenfressern" bis zu den weißen Auswanderern - das sind die Schlimmsten, die "Wegläufer" und "Davonläufer", der "Nachkriegs-Abschaum".

A propos: Karlín besucht auch die tropische Gefangenen-Insel Nou und schreibt dazu: "Was ich an Nou indessen am traurigsten fand, war ich selber, denn zum Schluß führte mich der Inspektor in die Küche, und da gab es Bohnensuppe und ein Gemüse, das ungefähr unseren Kohl oder unser Kraut ersetzte und das sehr gut roch. Ich stand in meinem gelb-weißen Kleidchen aus japanischem Crepe, das ganz gut aussah, und tadellos weißen Gummischuherln (!) neben dem Inspektor, und er ahnte nicht, wie sehr ich diese Verbrecher um ihre regelmäßige Kost beneidete. Ihre Zelle war besser als mein Hotelzimmer; sie lagen gefahrengeschützt, ausruhend vor blühenden Sträuchern und aßen sich täglich satt an richtig zubereiteten Speisen - sie, die geraubt, gemordet, den Staat gefährdet hatten; ich aber, die ich für drei Völker Europas schrieb, ich lebte von Brot und Tee und bewohnte eine Zelle, die nicht so hell und nicht so gefahrlos wie die Zelle auf einer der schlimmsten Strafkolonien war! So ist das Leben..." So kann man natürlich auch um die Welt reisen, vom "Rasseheimweh" (!) geplagt, vom Verfolgungswahn getrieben, und nach der Rückkehr feststellen: "Frauen, die ein gesundes, alltägliches und folglich glückliches Leben genießen wollen, bleiben am besten daheim oder wenigstens in Europa." Dabei hatte diese Frau das Glück, Dinge und Menschen zu sehen, die nach ihr niemand mehr zu sehen bekam: vom Golden Gate Park, bevor die häßliche, rostschutzfarbige Hängebrücke gebaut wurde, die San Franzisko mit dem Festland verband und zur Großstadt machte, über den letzten Häuptlings-"König" von Hawaii, an dessen Beerdigungs-Feier sie Teil (aber wohl kaum Anteil) nahm, über Tōkyō vor dem großen Erdbeben von 1923 bis zu Formosa, als es noch eine austronesische Insel war, d.h. bevor die National-Chinesen kamen.

Karlín lernte auch Festlands-China kennen, bevor die Rot-Chinesen seine Jahrtausende alte Kultur vernichteten; und sie schreibt darüber sehr anschaulich; die Passagen über ihre Zeit in Peking zählen zu den interessantesten ihres Werks, obwohl sie (im Gegensatz zu vielen ihrer männlichen Reise-Kollegen aus jenen Tagen) nicht den Fehler macht, die Zukunftsaussichten Chinas höher zu bewerten als die Japans - dafür imponiert ihr die japanische Technik, die sie an Kleinigkeiten kennen und schätzen lernt, viel zu sehr. Aber Menschen - zumal solche männlichen Geschlechts - nötigen Karlín kein positives Wort ab; wenn sie irgendwo mal ein paar Nettigkeiten verliert, dann höchstens über die Landschaft... Eigentlich ist ihr Bewertungs-Schema ganz einfach: In Japan gefiel es ihr gut, weil sie dort gut verdiente (als Angestellte der deutschen Botschaft) - daß sie das japanische Essen nicht mochte ("Diese Bohnenröllchen waren das Entsetzlichste, was ich mir denken konnte") fiel demgegenüber kaum ins Gewicht, denn sie wohnte und aß ja in einer russischen Pension. In Indonesien gefiel es ihr dagegen schlecht, weil sie dort (anhand der im deutschen Club ausliegenden Zeitungen) feststellte, daß zuhause in Europa keine ihrer vielen Reise-Reportagen veröffentlicht worden war, so daß der erhoffte Geldsegen ausblieb. Korea war ihr sympathisch, weil die Männer dort so praktische Zöpfe trugen: "Beim obersten Haarschopf pflegen unzufriedene Ehefrauen ihre ungehorsamen Gatten zu ziehen. Ob man die Sitte bei uns einführen sollte?" In China hatte sie gemischte Gefühle, denn einerseits kam sie in einer deutschen Pension unter (das war für sie das "Paradies der Reise"), andererseits wurde sie "in jedem Geschäft übers Ohr gehauen" und klagte über "das unfreiwillige Achselreiben mit den niedersten Volksschichten" in den engen Straßen.

[Bohnenröllchen] [Koreaner mit Zopf]

Auf ein Land, das bei Karlín besonders schlecht weg kommt, kann sich Dikigoros nicht verkneifen, gesondert einzugehen: "Einsame Weltreise" hat das Perú-Bild im deutschsprachigen Raum auf Jahrzehnte hinaus negativ geprägt - selbst Dikigoros hat sich nicht getraut, es alleine zu bereisen, sondern auf seine eigene Perú-Fahrt zwei Freunde mitgenommen, mit denen zusammen er keine Übergriffe von Einheimischen fürchten zu müssen glaubte. (Gewiß, das hatte noch andere Gründe, u.a. daß auch männliche Reisende, deren Bücher Dikigoros sehr schätzt, wie Ferdinand Emmerich, Richard Katz und Kasimir Edschmid sich ähnlich negativ über Perú ausgelassen haben.) Karlín schimpft Perú das "Land der Verbrecher, wo die Sinne herrschen und jedes bessere Empfinden schweigt." Und sie macht keinen Hehl daraus, wie sehr die Häßlichkeit der Indios sie anwidert (Dikigoros kann das persönlich durchaus nachvollziehen; aber er ist sich bewußt, daß das Geschmackssache ist, und gesteht anderen Leuten das Recht zu, es ganz anders zu sehen); wiederholt schreibt sie, daß sie die Indios nicht als Menschen, sondern als Tiere betrachte. Deshalb trug sie auch immer einen vergifteten (!) Dolch bei sich, denn: "Wenn unter Tieren, trage Klauen!" Und ihre Perú-Bilanz lautet: "Nicht um den größten der Inkaschätze möchte ich dich wieder besuchen!" Dabei hat sie von den Inka-Schätzen selber gar nichts gesehen - sie war nämlich nur in Arequipa (der Stadt, die nebenbei bemerkt Dikigoros in Perú am besten gefallen hat), und davon war sie bereits so geschockt, daß sie gar nicht mehr bis Cuzco oder zu anderen Inka-Stätten vorgedrungen, sondern schleunigst wieder an die Küste zurück gekehrt und weiter gedampft ist. Dennoch glaubt sie, darüber ein Urteil fällen zu können: "Von der großartigen Kultur der Kinder der Sonne war nichts als irgend ein altes Gemäuer noch vorhanden. Die Mischlinge aber hatten weder die Tugenden ihrer indianischen noch ihrer europäischen Vorfahren. Ich verstand, warum die Nordamerikaner dieses Land den Schmutzfleck auf der Landkarte Südamerikas nennen." Dazu paßt es, daß Karlín sich selber in Perú wie ein "Dollar unter Geldmist" fühlte. Merkwürdigerweise finden sich ähnliche Überlegungen auch bei Richard Katz; vielleicht sind es bei beiden die viel zu hoch gespannten Erwartungen, die dann umso bitterer enttäuscht wurden: Wer allen Ernstes glaubt, das Terror-Regime der brutalen Inka-Eroberer sei eine der höchsten Kulturen der Menschheitsgeschichte gewesen, darf sich nicht wundern, wenn die Wirklichkeit nicht diesem blauäugig-verzerrten Wunschbild des historisch Halbgebildeten entspricht...


ein Karlin-Dollar -------------------------------------------- peruanischer GeldmistGeldschein (Notgeld) 1921

* * * * *

Nun könnte man meinen, daß es doch gar nicht lohne, diese längst vergessene Schriftstellerin wieder auszugraben und zu kritisieren. Doch nach der Unabhängigkeit Sloweniens durch den Zerfall Jugoslawiens erlebte Alma Karlín völlig überraschend eine große Wiederentdeckung. Der Staat Slowenien und die Stadt Celje nahmen die verwöhnte, stramm deutsch-national denkende und schreibende Tochter des Habsburger-Reichs als "Mitbürgerin" und "anti-faschistische Widerstandskämpferin" (selbst Widerstand gegen den "Rassismus" der bösen Nazi-Deutschen und ein daraus resultierendes Schreibverbot im "Dritten Reich" wurde ihr angedichtet - ausgerechnet ihr! :-) für sich in Anspruch. (Wer des Slowenischen mächtig ist, kann diese gequirlte Scheißefantasievollen Ausführungen hier nachlesen :-) 1993 wurde ein Dokumentarfilm über sie gedreht; 1995 wurde "Einsame Weltreise" neu aufgelegt (freilich gekürzt um alle politisch unkorrekten Passagen, d.h. um über die Hälfte :-); noch im selben Jahr brachte Uršula Cetinski jenes Buch als Theaterstück ("Alma") auf die Bühne, und 1996 präsentierte Polona Vetrith eine Verfilmung des letzteren unter dem Titel "The Lonesome Journey" auf dem Internationalen Theaterfilmfestival in Basel; 2010 stellte man in Celje sogar ein Denkmal auf, das sie darstellen soll. (Das hat dort nicht mal Kolumbus :-)

[Karlin-Denkmal in Celje]

Bei so viel politisch-korrektem Nachruhm wollte Dikigoros denjenigen, die heute eine gekürzte und geschönte Versionen ihres Lebens und ihres Werks vorgesetzt bekommen, doch nicht vorenthalten, was sonst noch so alles im Original stand!


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