VON RIESEN UND LILLIPUTANERN
Jonathan Swift: Gulliver's Travels*
*Travels into Several Remote Nations of the World. By Lemuel Gulliver
[Reisen in mehrere verborgne Staaten der Welt. Von Lemuel Gulliver]
"I found how the world had been misled by prostitute writers,
to ascribe the greatest exploits in war to cowards,
the wisest counsel to fools, sincerity to flatterers,
Roman virtue to betrayers of their country,
piety to atheists, chastity to sodomites,
truth to informers." (G.T. III, 8)**

[Lemuel Gulliver]

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite
LÄSTERMAUL  AUF  REISEN
Große Satiren der Weltliteratur

Sicher wißt Ihr alle, was "Yahoo" ist, liebe Internet-Surfer - eine beliebte Webseite. Aber wißt Ihr auch, woher der Name kommt? Er stammt aus "Gullivers Reisen", und die Namenswahl zeigt zweierlei: Erstens, daß die Gründer von Yahoo - Jerry Yang und David Filo - über ein gewisses Maß an [Halb-]Bildung verfügten, und zweitens, daß sie "Gullivers Reisen" nicht gelesen haben, jedenfalls nicht richtig, sonst hätten sie diesen Namen schwerlich gewählt. Nach eigenem Bekunden erinnerten sie sich nur dunkel an ihn, schlugen im Lexikon nach, was das nochmal genau war, und da stand: "Eine Gruppe unzivilisierter Leute aus Gullivers Reisen". Und weil es damals chic war, etwas "unzivilisiert" zu sein, meinten sie, daß der Name gut auf ein unkonventionelles Internet-Portal passen würde. Tatsächlich bezeichnete "Yahoo" bei Swift aber einen Stamm minderwertiger Halbaffen und war als Persiflage auf gewisse Auswüchse menschlicher Gesellschaften gedacht, mit denen sich Yang und Filo sicher nicht hätten identifizieren wollen. [Spekulationen, woher Swift diese Wort genommen hat, kann man hier nachlesen.] Aber es ist nun mal das Schicksal von "Gullivers Reisen" - wie das so vieler guter Satiren - gewesen, daß sie nur in gekürzter Fassung "ad usum Delphini", sprich als Kinderbuch, erscheinen durften; und so kennen die meisten Leser nur die beiden ersten Reisen Gullivers zu den Zwergen von Lilliput (die Bezeichnung "Lilliputaner" ist seither in den Wortschatz fast aller westlichen Sprachen eingegangen) und zu den Riesen von "Brobdingnag" (das heute kaum noch jemand kennt). Dagegen fällt die dritte Reise zu den geheimnisumwitterten (da damals hermetisch von der Außenwelt abgeschotteten) japanischen Inseln Laputa (die einigen Witzbolden heute als Vorbild für ihren Internet-Staat "Freie Republik Laputa" dient), Balnibarbi, Luggnagg und Blubbdubdrib meist ganz oder überwiegend unter den Tisch, ebenso die vierte Reise zur Insel der wiehernden Pferde ("Houyhhnhnms" ist natürlich lautmalerisch zu verstehen).

[Jonathan Swift]

Auch Swift verfügte über ein gewisses Maß an [Halb-]Bildung, welches aber umso beachtlicher war, als er selber nicht viel von der Welt gesehen hatte - sicher weniger als viele Touristen, die heutzutage um den Erdball jetten. Dennoch wußte er mehr darüber als die meisten heutigen, denn er war mit der Reiseliteratur seiner Zeit offenbar gut vertraut. Die geografisch und historisch ungebildeten Literatur-"Wissenschaftler" haben es nie der Mühe für wert befunden, einmal zu überlegen, welche geografischen Vorbilder Swift bei "Gullivers Reisen" wohl im Hinterkopf hatte; für sie waren das alles reine Fantasiegebilde, halt zu Zwecken der Satire ausgedacht; die Handlung spielte im der englischen Gesellschaft zu Swifts Zeit und sollte ihr einen Spiegel vorhalten. Ja, wenn das so einfach wäre... Dikigoros hält diese These in zweierlei Hinsicht für falsch: Erstens kann man "Gullivers Reisen" - die Originalfassung, nicht das Kindermärchen - auch heute noch der Gesellschaft (nicht nur der englischen!) als Spiegel vorhalten, und zweitens hat Swift sich durchaus etwas dabei gedacht, wenn er beschreibt, wo die einzelnen Kapitel spielen sollten - sonst hätte er uns wohl schwerlich Landkarten mitgeliefert, auf denen diese "verborgenen Staaten" eingezeichnet waren: "Lilliput" und die Nachbarinsel "Blefuscu" (deren Einwohner ebenso klein sind) liegen angeblich einige Tagesreisen südwestlich von Sumatra. Gehen wir aber mal um die gleiche Entfernung in nordwestlicher Richtung von Sumatra aus, dann kommen wir zu den Nikobaren und ihren Nachbarinseln, den Andamanen, und beide wurden und werden von zwergwüchsigen Negritos bevölkert, primitiv, boshaft und untereinander spinnefeind; der Aufhänger war also durchaus nicht abwegig; und wenn Swift hier etwas zeigen wollte, dann vielleicht, daß sich "primitive" und "zivilisierte" Länder und Völker gar nicht so sehr voneinander unterschieden wie man manchmal meinte (und meint).

Aber Brobdingnag, die Halbinsel vor der nördlichen Westküste Nordamerikas? Was soll damit gemeint sein? Die untere Hälfte der Karte, die uns Swift mitliefert, läßt sich noch nachvollziehen: Monterey in Kalifornien gibt es auch heute noch, ebenso San Francisco. [Exkurs: Warum nennt Swift das aber "S. Francis Drake", nach dem wohl bekanntesten Piraten ihrer Majestät Elizabeth II.? Der soll zwar auf seiner Weltumseglung 1577-80 tatsächlich dort vorbei gekommen sein, und er soll das Land rings umher - das heutige Kalifornien - frech "Neu Albion" genannt haben; aber daß er dort einen Ort gegründet oder einen schon bestehenden umbenannt haben sollte, ist nicht bekannt. Und überhaupt: Entnehmen wir dem Lexikon nicht, daß besagter Ort erst anno 1776 gegründet wurde, zwar von Mönchen des Franziskaner-Ordens, aber unter dem Namen "Yerba Buena" und erst 1847 seinen heutigen Namen erhielt? Konnte Swift denn hellsehen? Nein, liebe Leser, aber Swift war nicht nur geografisch und ethnologisch umfassend gebildet, sondern auch historisch, denn er spielt auf ein Ereignis aus der Geschichte an, daß schon damals kaum noch jemandem geläufig gewesen sein dürfte (geschweige denn heute :-) Als anno 1588 die spanische Armada gen England segelte, wo Sir Francis Drake schon auf sie wartete, hieß ihr Flagschiff "Florencia". Na und? Na und: Ursprünglich hatte es "San Francesco" geheißen (das ist die italienische Form von "San Francisco") und hatte dem Großherzog der Toscana gehört, bevor es die Spanier im Hafen von Lissabon (Portugal gehörte damals für einige Jahrzehnte zu Spanien) gekapert hatten. Ein damals in England umlaufendes Gerücht besagte, daß Drake während der Schlacht vorübergehend in spanische Kriegsgefangenschaft geraten sei und just auf diesem Schiff gefangen gehalten wurde - welches er als "San Francisco" bezeichnete. Ihr meint, dieser Zusammenhang sei weit her geholt? Mag sein, aber einen anderen, der Swift bekannt gewesen sein könnte, gibt es nicht. Exkurs Ende.] Auch das etwas weiter nördlich gelegene Cape [Kap] Mendocino gibt es - es ist allen Schlagerfreunden aus Dikigoros' Generation spätestens seit 1969 zumindest dem Namen nach bestens bekannt. Doch weiter nördlich waren die Forschungsreisenden zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch nicht gelangt. Machen wir es also wieder wie bei Lilliput, kehren wir die Himmelsrichtungen um und gehen statt zur nördlichen zur südlichen Westküste Amerikas. Fleißige Leser von Dikigoros' "Reisen durch die Vergangenheit" wissen bereits aus einer anderen Geschichte, daß dort rund zwei Jahrhunderte vor Entstehung von "Gullivers Reisen" ein gewisser Magellan (genauer gesagt sein Vertreter Pigafetta) Riesen gesichtet haben wollte, oder jedenfalls ihre Fußspuren, nach denen das Land dort unten bis heute "Patagonia [Großpfotien]" heißt.

Aus dem Schauplatz der dritten Reise macht Swift kein Geheimnis: Japan und die umliegenden Inseln im japanischen Meer, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kein Ausländer betreten durfte, so daß niemand in Europa seine Angaben nachprüfen konnte. Aber eine fliegende Insel? Japan fliegt doch nicht, oder? Und erinnert "Laputa" nicht eher an "Perdita", die schwebende Insel aus der antiken europäischen Mythologie? Pardon, liebe Leser, aber erstens sollte diese Insel nicht in der Luft, sondern "nur" auf dem Wasser eines Sees schweben, und zweitens war der große Herodot eigens dort, um das nachzuprüfen, und sein Fazit lautet: "Die Insel sah ich wohl, allein sie schwebte nicht". Also müssen wir sie wohl doch in Japan suchen, und dort werden wir auch fündig, nämlich im "Kojiki"; und wer das nicht glaubt, der kann es hier nachlesen. (Oder sich den Zeichentrickfilm "Das Schloß im Himmel" anschauen, den Hayao Miyazaki 1986 über die Suche nach jenem fliegenden Königreich Laputa drehte :-) Ihr meint, Swift könne doch unmöglich den alten japanischen Schöpfungsmythos gekannt haben? Ganz recht, er konnte auch unmöglich wissen, daß es zwei Marsmonde gibt, denn die hat bekanntlich erst Hall anno 1877 - also 132 Jahre nach Swifts Tod - entdeckt; dennoch erwähnt Swift sie in "Gullivers Reisen"; und auch die "Royal Dublin Society" (die offenbar der "Grand Academy of Lagado", an der lauter Blödsinn getrieben wird, als Vorbild diente, wurde erst 1731 gegründet, also fünf Jahre, nachdem "Gullivers Reisen" zum ersten Mal erschien. (Aber wer weiß, vielleicht verfügte Swift ja über hellseherische Fähigkeiten :-) Dann war da noch Glubbdubdrib, die "Insel der Zauberer". Auch die sollten wir nicht nahe südöstlich Japans suchen, sondern vielmehr weit südwestlich Japans, in dem Archipel, der seit seiner Entdeckung durch die Spanier nach deren damaligem König Felipe "Filipinen" heißt; und da stoßen wir tatsächlich auf ein Inselchen namens Siquijor, das von den Einheimischen "Insel der Zauberer" genannt wird. Und für die sprachlich interessierten Leser sei noch angemerkt, daß die Namen, die Swift auf der dritten Reise gebraucht, und die westlichen Ohren so unwirklich klingen, lautmäßig allesamt dem Tagalog entstammen könnten, der Sprache der Filipinos. Aber auch das konnte Swift natürlich unmöglich wissen - das hatten wir ja schon. Darf Dikigoros noch die alternative These aufstellen, daß Swift der fliegenden Insel, die über den Archipel eine schwebende Fremdherrschaft ausübt wie die Spanier über die Filipinen, aus purer Bosheit "Laputa" genannt hat, weil das im Spanischen "die Hure" bedeutet?

Etwas schwieriger wird es mit der Insel der Pferde aus der vierten Reise, die Swift gegenüber vom "Lewins Land" eingezeichnet hat, also an der Südwestecke Australiens. Australien hieß damals noch "Neu-Holland" (die Briten kamen erst lange nach Swifts Tod dorthin und machten es zu ihrer Sträflings-Kolonie), und "Lewins Land" ist eine englische Verballhornung von Leeuwenland bzw. Leuwinland, was niederländisch für "Löwenland" ist (die Ecke heißt denn auch heute wieder "Lions Land"), obwohl es dort nie Löwen gab - warum sollte man also davor nicht eine Pferde-Insel ansiedeln, die es nie gab? Aber so einfach machte es sich Swift wie gesagt nicht. Statt nahe südlich von Australiens Südwestecke müssen wir vielmehr weit östlich von Australiens Nordostecke auf die Suche gehen. (Nein, das hat sich Dikigoros nicht einfach so ausgesponnen; Swift schreibt doch im 11. Kapitel des 4. Buchs ausdrücklich, daß er die geografische Lage Australiens ganz anders ansetzt als die herrschende Meinung, und daß Gulliver folglich viel weiter östlich unterwegs ist!) Gehen wir also bis nach Polynesien. Die meisten von Euch, liebe Leser, werden da sicher an Tahiti denken, geliebt und viel gelobt von Reisenden wie Melville, Stevenson, Gauguin und Jacques Brel, schon etwas kritischer beschrieben von Colin Ross und vernichtend abgefertigt von Paul Theroux; aber viel interessanter und urtümlicher ist eigentlich eine andere Inselgruppe, nämlich die der Marquesas. Und dort gibt es tatsächlich eine "Insel der Pferde [Ua Huka]", und zwar eine, die nicht nur so heißt (wie das "Löwen"-Land ohne Löwen), sondern eine, die wirklich den wilden Pferden gehört - was umso erstaunlicher ist, als das nicht ihre eigentliche Heimat ist, sondern sie von ein paar traurigen Exemplaren abstammen, die irgendwelche europäische Segler (wahrscheinlich die Spanier unter Kapitän Mendaña) dort zurück gelassen hatten. Welche der umliegenden, von Menschen bewohnten Inseln die der "Yahoos" sein soll, dürft Ihr Euch aussuchen, liebe Leser; Dikigoros tippt - aus lautmalerischen Gründen - auf Tahuata, aber die Eingeborenen (die sich selber "Kanaken [Landeskinder]" nennen) sind alle gleich verrückt - jedenfalls in den Augen eines "vernünftigen" PferdesEuropäers.

Exkurs. Ihr seht, liebe Leser, mit der Kenntnis und dem richtigen Verständnis von Namen - vor allem alten Namen - kann man eine Menge geograficher Rätsel lösen. Generationen von "Forschern" und Abenteuren haben die sagenhaften Schätze von Swifts Zeitgenossen Käpt'n Kid, Käpt'n Schwarzbart u.a. Piraten auf der "Kokos-Insel" vor der Küste Costa Ricas gesucht und im Laufe der Zeit buchstäblich jeden Quadratmeter Erde umgegraben und durchwühlt - ohne Erfolg. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam der clevere Weltreisende R. L. Stevenson - dem Durchschnittsleser nur bekannt als Autor des Romans "Treasure Island [Die Schatzinsel] - auf die Idee, mal woanders zu suchen, nämlich auf einer der samoanischen Tonga-Inseln, die heute "Tafahi" genannt wird, aber damals ebenfalls "Kokos-Insel" hieß. Jüngst hat der Schweizer Walter Hurni - und im Anschluß an ihn sein Landsmann Alex Capus - schlüssig dargelegt, daß Stevenson dabei auch fündig geworden ist und so spät im Leben noch zu Reichtum gelangt ist. Von den so genannten "seriösen" Forschern wird "Reisen im Licht der Sterne" zwar nicht ganz ernst genommen - denn damit wären ihre großartigen "wissenschaftlichen" Bemühungen einmal mehr von "Amateuren" ad absurdum geführt worden -, aber sie selber haben noch keine bessere Lösung gefunden. Und so ist es halt auch mit denen, die sich "professionell" mit Swift und seinem "Gulliver" befassen. Exkurs Ende.

[Karte von Lilliput und Blefuscu] [Gulliver bei den Lilliputanern] [Gulliver entführt die Flotte]

Zurück zu Swift. Ein "vernünftiger" Europäer reist also erst als Schiffsarzt (genauer gesagt als Chirurg - der galt zu Swifts Zeiten, ähnlich wie der Dentist, als Arzt zweiter Klasse, ja als halber Handwerker, da er nicht mit geheimnisvollem Hokuspokus, wie ein Quacksalber, pardon "echter" Arzt, zu heilen versuchte, sondern mit Zange und Säge), später als Kapitän um die Welt. Auf der ersten Reise passiert nicht viel Satirisches. Der schiffbrüchige Gulliver wird im Schlaf von den Einwohnern der Insel Lilliput gefangen genommen. Da sie Angst haben, ihn gleich umzubringen - sein riesiger Leichnam könnte anfangen zu faulen und eine Seuche verursachen - benutzen sie ihn, um die Kriegsflotte ihrer feindlichen Nachbar-Insel zu kapern. Doch da Undank der Welt Lohn ist und die Lilliputaner ihn dann doch beseitigen wollen - sie beschließen, ihn zu blenden und langsam verhungern zu lassen, an einem abgemagerten Gerippe kann nicht mehr viel verfaulen - läuft er zu den Feinden über und gelangt von dort wieder nach England. Nun widmet Swift einige Kapitel der lilliputanischen Gesellschaftsordnung, vor allem der Rechtspflege und dem Erziehungswesen. (Da er das so schön isoliert, bietet es sich für spätere Herausgeber geradezu an, das heraus zu streichen.) Über die Justiz erfahren wir nichts Weltbewegendes - nur daß Justitia besser mit 6 Augen, um möglichst viel zu sehen, dargestellt werden sollte, statt mit einer Augenbinden, die sie blind macht, wie bei uns -, und daß der - nicht vererbbare - Adelstitel "Snilpall" [der Gerechte - wie bei den Juden] nur an Leute verliehen wird, die 73 Monate lang nicht gegen das Gesetz verstoßen haben. Was noch? Unschuldig verfolgte werden umfangreich entschädigt, und auf falsche Verdächtigung stehen hohe Strafen für den Denunzianten. Das klingt gut und ist sicher auch gut gemeint; aber Swift war kein Jurist, und laßt Euch von Dikigoros sagen, liebe Leser, daß dieser Vorschlag zumindest für die heutige Praxis der Gerechtigkeit eher hinderlich als förderlich ist. "Denunzianten" und Zeugen sind noch immer die wichtigsten Beweismittel; und sie werden immer knapper. Nicht wahr, gar mancher Großsprecher hat alles genau gesehen - und sagt das auch vor der Fernsehkamera; aber wenn es darum geht, das auch als Zeuge vor Gericht auszusagen, dann will er entweder gar nicht aussagen oder beruft sich auf ein schwaches Gedächtnis. Das ist übel, hat aber gute - oder besser gesagt schlechte - Gründe: Wer sich heutzutage als Zeuge zur Verfügung stellt, riskiert von den Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern ordentlich in die Mangel genommen zu werden, und am Ende wird der Täter frei gesprochen, und gegen ihn wird ein Verfahren wegen "falscher Verdächtigung" oder "Falschaussage" eingeleitet. (Nicht weil es so wäre, sondern vielleicht nur, weil die Gegenseite genügend "bessere" Zeugen, Richter und Staatsanwälte gekauft hat.) Und selbst wenn der Täter verurteilt wird: vielleicht bekommt er Bewährung oder Freigang oder wird nach kurzer Zeit wegen guter Führung entlassen - wird er sich nicht rächen wollen? Wer wird sich überhaupt noch als Zeuge zur Verfügung stellen, wenn zu allem Überfluß die Strafandrohung für so genannte "falsche Denunzianten" erhöht wird? Statistisch sinkt unsere Kriminalitätrate von Jahr zu Jahr - in Wirklichkeit steigt die Kriminalität immer mehr an; nur die Anzeigen gehen zurück, weil die Opfer es nicht nur für sinnlos, sondern womöglich auch für gefährlich halten, Strafanzeige zu erstatten.

Was die Kindeserziehung anbelangt, so erfahren wir, daß Swift Anhänger der Gesamtschule und der Ko-Edukation war. Das ist für uns heutige nichts besonderes mehr, denn wir haben beides schon hinter uns, d.h. ausprobiert und für schlecht befunden, und sind gerade dabei (so wir nicht gerade von sozialistischen Dummköpfen regiert werden, wie in einigen Teilen Mitteleuropas) es wieder abzuschaffen. Aber halt: Ist Swift eigentlich wirklich dafür? Ist das tatsächlich sein Ideal, oder will er uns nur das andere Extrem aufzeigen? Dies ist eine Frage, die sich in noch viel stärkerem Maße bei Swifts ungarischem Epigonen Szathmári stellt. Als Dikigoros damals seinen Dozenten fragte, meinte der: "Aber natürlich war das sein Ideal!" - aber der Dozent war Sozialist. Und Gulliver? Sehen wir das Buch doch einmal im Kontext: Er erlebt am Hof von Lilliput Neid, Mißgunst, hinterhältige Intrigen (die ihn schließlich zu Fall bringen) Verrat und Grausamkeit - das mag man als Persiflage auf den englischen Hof ansehen. Aber wenn das lilliputanische Gesellschaftssystem ansonsten so perfekt ist, daß es uns zum Vorbild dienen sollte, wie das einige aus "Gullivers Reisen" heraus lesen wollen, wieso bringt es dann solche Verhältnisse hervor? Wenn die Leute nicht gegen das Gesetz verstoßen und trotzdem Schlechtes tun - sind dann vielleicht die Gesetze schlecht? Nein, Swift stellt diese Frage an keiner Stelle, er läßt uns mit ihr ganz allein, uns, die wir darüber nachdenken; die anderen mögen in ihrer Oberflächlichkeit darüber hinweg lesen. Und das Erziehung- und Schulsystem? Also, die Ideen, welche der Gesamtschule und der Koedukation zugrunde liegen, sind ja gar nicht so falsch: Es tut einer Gesellschaft nicht gut, wenn die Ausbildung ihrer Jugend nur davon abhängig gemacht wird, wessen Eltern wieviel Geld haben oder nicht; auf die Dauer werden dann nämlich Dummköpfe den Marsch durch die Institutionen antreten (der große Cyniker Parkinson nannte diese krankhafte Erscheinung "Injelititis", eine Zusammensetzung aus "Incompetence" und "Jealousy [Neid]"); es ist besser, wenn alle gleichermaßen die Möglichkeit erhalten, gemäß ihren Fähigkeiten ausgebildet zu werden, Jungen und Mädchen. Nun ist es aber so, daß junge Menschen ganz unterschiedliche Anlagen mit bringen, und das ist - allem Emanzengewäsch zum Trotz - auch geschlechtlich bedingt: Mädchen sind besser in Fremdsprachen, Jungen in Naturwissenschaften, das ist nun mal so; und sie in diesen Fächern zusammen zu unterrichten führt nur dazu, daß entweder die einen über- oder die anderen unterfordert werden - oder beides. [Über die Frage, wie sinnvoll es ist, Jungen und Mädchen überhaupt die gleichen Fächer lernen zu lassen, kann man lange und trefflich streiten; Dikigoros hält sich selber für einen Meister dessen, was man auf Neudeutsch "Haushalts-Management" nennen könnte (anderer Ansicht ist nur seine Frau :-) und findet, daß die meisten jungen Frauen von heute in diesem Fach ein enormes Ausbildungsdefizit aufweisen; aber das ist eine andere Geschichte.]

Die Gleichheit der Ausbildungschancen darf aber nicht verwechselt werden mit der Gleichheit der Ausbildung. Es macht keinen Sinn, alle - Kluge und Dumme, Faule und Fleißige - das gleiche lernen zu lassen und ihnen hinterher allen den gleichen "Bildungs"-Abschluß nachzuwerfen. Eine frühzeitig strukturierte Berufs- und Arbeitswelt ist ein ernormer Stabilisierungsfaktor für eine Gesellschaft; sie beugt auch der Fehlausbildung vor, die zu Facharbeitermangel, Akademikerschwemme, also zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen, von Arbeitslosigkeit auf der einen bis zur Notwendigkeit von "Greeen-card"-Importen auf der anderen Seite. Wenn alle "gleich" gemacht werden, versucht jeder, sein Leben lang zu rudern, radzufahren und zu intrigieren, wo er nur kann, um auf Kosten anderer seinen "Aufstieg" zu machen. (Auf Neudeutsch sagt man wohl "Mobbing" dazu.) Die dabei erzeugten Reibungsverluste sind so hoch, daß man bisweilen kaum noch zur vernünftigen Arbeit kommt, und sie sind eine direkte Folge des Gesamtschulsystems. Dikigoros weiß, daß das, was er hier schreibt, nicht zeitgemäß ist; aber wir wollen doch festhalten, daß dies jedenfalls das Ergebnis bei den Lilliputanern war, und daß man deshalb Swift nicht ohne weiteres unterstellen darf, daß er die dort geschilderten Zustände für "ideal" hielt.

* * * * *

[Brodbdignag] [Gulliver bei den Brobdingnagen]

Auf der zweiten Reise passiert noch weniger als auf der ersten. Gulliver erleidet erneut Schiffbruch und landet diesmal bei den Riesen. Auch dort wird er ausgenutzt - man führt ihn zur Volksbelustigung als Zwerg vor - und landet schließlich als Spielzeug eines jungen Mädchens am Königshof. Es ist eine einfache Gesellschaft, ohne gelehrte Bücher, ohne kompliziertes Justizwesen, ohne fortgeschrittene Kriegstechnik, und ohne große politische Machtkämpfe und Intrigen. (Originalzitat eines Bürgers von Brobdignag: "Wer immer es schafft, zwei Ähren oder zwei Grashalme wachsen zu lassen, wo zuvor nur eine[r] wuchs, würde der Menschheit und seinem Lande einen besseren Dienst erweisen als das ganze Politikerpack zusammen genommen.") Ja, liebe Leser, das ist schön, und das ist das genaue Gegenteil von Lilliput - oder auch von England? Das ist halt wieder die Frage, die sich stellt: Meinte Swift das so? War er selber ein Anhänger des Milizwesens im Gegensatz zur stehenden Berufsarmee der Söldner? Er hatte das Glück, in einem relativ friedlichen England zu leben: Die furchtbaren Bürgerkriege und die Terror-Herrschaft Cromwells hatte er nicht mehr mit erlebt; die "Glorreiche Revolution" des Oraniers Wilhelm war so gut wie unblutig verlaufen, und den Spanischen Erbfolgekrieg - den ersten Weltkrieg der Neuzeit - schaute sich der Durchschnittsengländer zwar noch nicht im Fernsehen an, aber außer ein paar Berufssoldaten, wie Churchills Urahn Marlborough (damals noch nicht "Marlboro" geschrieben, wie später die Zigarette), brauchten sie in der ganz überwiegenden Mehrheit nicht mit zu kämpfen. Das war das Verdienst - des fehlenden Milizwesens. Machen wir uns nichts vor, damit ist es in etwa wie mit der Gesamtschule und der Koedukation: Wir haben es ausprobiert und für schlecht befunden und kommen nun allmählich wieder davon ab. Zu Swifts Zeiten wurde es freilich - wie so vieles, was man noch nicht oder noch nicht so genau kennt - als wünschenswert empfunden, und auf dem Papier hat es ja auch ebenso viel für sich wie jene beiden Institutionen. Man braucht keine fremden Söldner zu bezahlen, die am Ende womöglich die Waffen gegen ihre Auftraggeber wenden (vor allem wenn sie ihren Sold nicht pünktlich bekommen) und sich bisweilen mehr wie Besatzer aufführen denn wie Beschützer, und wenn es hart auf hart kommt, zum Feind überlaufen oder die Waffen wegwerfen und davon laufen. Wieviel besser ist es da doch, wenn man die eigenen Söhne (und warum nicht auch gleich die Töchter? :-) der Städte und Dörfer, kurz die Landeskinder, bewaffnet, und zwar immer nur, wenn sie gebraucht werden. Sie werden doch aus purer Vaterlandsliebe viel besser kämpfen als die Söldner, und kosten überdies weniger Geld.

Ja, liebe Leser, das klingt gut; aber was daraus wird, wenn das alle tun, haben wir seit dem Zeitalter des Nationalismus, das mit der Französischen Revolution von 1789 eingeläutet wurde, doch nur zu gut - oder zu böse - erfahren: Bis dahin hatten sich Söldnertruppen aus aller Herren Länder herum gekloppt, wenn Krieg war, hatten gewiß auch marodiert, geplündert und gemordet, oder wenn nicht, dann jedenfalls herum gesoffen, gezockt und gehurt und viel Geld gekostet; aber nach heutigem Verständnis hielt sich das doch alles noch in Grenzen. Dann kam die Levée en masse; jeder Volksgenosse mußte, nein durfte - man riß sich um diese Ehre! - mit kämpfen, bald wurde aus der Ehre eine [Wehr-]Pflicht, bald standen allenthalben Millionen Menschen unter Waffen, und wo früher Tausende gefallen waren (oder zu Krüppeln wurden, was oft noch schlimmer war), da traf es nun Millionen. Und die letzte Konsequenz blieb nicht aus: Als jeder Bürger zum potentiellen Soldaten wurde, war es nur logisch, auch die Zivilisten im Hinterland zu töten, als die Erfindung des Flugzeugs das erst ermöglicht hatte. Gewiß, die Riesen von Brobdingnag hatten keine fortschrittliche Wehrtechnik und folglich auch keine Flugzeuge; aber wer groß und stark ist, hat da gut reden: Kriegstechnischer Fortschritt (und technischer Fortschritt überhaupt - der Krieg ist der Vater aller Dinge :-) geht immer von den Kleineren, Schwächeren aus, die ihre körperliche Unterlegenheit durch irgendwelche Erfindungen ausgleichen müssen, und das beginnt nicht erst im 19. oder 20. Jahrhundert, sondern ist ein Kennzeichen der menschlichen Geschichte von Anbeginn: Als der erste Steinzeitmensch Speer und Keule (und später Pfeil und Bogen) erfand, um ihm körperlich überlegene Tiere zu erlegen, war dieser Weg eingeschlagen. Wenn man alle Waffen vernichten würde - einschließlich der potentiellen, wie Küchenmesser und Stricknadeln -, wie es einige pazifistische Utopisten fordern, was würde dann geschehen? Würde der ewige Friede ausbrechen? Kaum - die Kriege würden dann halt mit bloßen Händen geführt (wie Jean Giraudoux das seinem Hektor in "Der Troianische Krieg findet nicht statt" in den Mund legt), und diejenigen, die am besten Judo, Karate oder Taek Won Do gelernt hätten, würden siegen - oder die, deren Heere am größten sind. Wollt Ihr unter rotchinesischer Herrschaft leben, liebe Leser? Eben - dann doch besser ein paar Bombenflugzeuge in Bereitschaft! (Und wenn Ihr anderer Meinung sein solltet, lest bitte das Kapitel über Alan Sillitoe, vielleicht ändert Ihr sie dann :-)

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[japanische Inseln [Laputa, die fliegende Insel] [Balnibari]

Und damit kommen wir schon zur dritten Reise, die just mit dieser - wieder einmal von Swift hellseherisch vorweg genommenen - Erfindung beginnt: Gulliver, seines Schiffes beraubt von Piraten (die es auch heute noch im chinesischen Meer und in der südlich davon gelegenen Inselwelt reichlich geben soll), gerät auf die "fliegende" Insel Laputa (die eigentlich gar nicht fliegt, sondern aus Magnetgestein besteht und mittels einer besonderen Vorrichtung in größerer oder geringerer Entfernung von der Erdoberfläche gehalten wird). Auf ihr lebt die Ober-Schicht eines Völkchens, das sich hauptsächlich mit theoretischer Mathematik, Astronomie und Musik beschäftigt. Der König beherrscht die Bewohner der unter ihr liegende Insel Balnibarbi - "Unter-tanen" im wahrsten Sinne des Wortes - dadurch, daß er sie, wenn sie aufmüpfig werden, mit großen Steinen bombardieren läßt. Die haben es aber auch gar nicht besser verdient, denn wie Gulliver feststellt, als er sich aus Neugierde in ihre Niederungen hinab begibt, sind sie trotz großer theoretischer Errungenschaften ziemlich dämlich, wenn es darum geht, diese in die Praxis umzusetzen: Die Häuser sind schief und krumm gebaut, die Klamotten verschnitten, und die Felder liegen oftmals brach. Wie Gulliver von einem in Ungnade gefallenen Höfling erfährt, war früher alles ganz anders - nämlich so ähnlich wie in England -, bis jemand auf die Idee, alles "wissenschaftlich" zu verbessern. So sind die Akademie der Landvermesser (wo neue Methoden der Landwirtschaft und der Architektur erprobt werden) und die Große Akademie von Lagado (eine Art Mischung aus Theologischer und Philosophischer Fakultät) in Gullivers Augen die reinsten Irrenanstalten. Stimmt das so? Swift mokiert sich u.a. über den Versuch, das ganze Jahr lang Obst und Gemüse ernten zu wollen - bei dem am Ende gar nichts heraus kommt. Heute haben wir es geschafft, mit Hilfe der Gewächshäuser. Ist das nicht schön? Und verdanken wir das nicht der Wissenschaft? Schon, liebe Leser, und die meisten Menschen möchten das auch nicht mehr missen. Dennoch fragt sich Dikigoros manchmal, ob es nicht besser wäre, jeweils das zu essen, was "von Natur aus" gerade Saison hat (und im Winter Sauerkraut :-) und es dafür unverfälscht genießen zu können, statt das ganze Jahr Tomaten, Erdbeeren usw. essen zu können, die buchstäblich nach nichts mehr schmecken - schon gar nicht nach den gleichnamigen Produkten, die er mal in seiner Kindheit aus Omas Garten kannte. (Aus dem erbitterten Streit zwischen denen, die z.B. genetisch veränderten Mais propagieren und denen, die dem "Bio"-Wahn erlegen sind, kann er sich getrost heraus halten, denn er selber ißt weder die auf Hochglanz polierten Neuzüchtungen noch die verschrumpelten Dinger aus dem Bioladen, sondern nur die guten, alten Bosköppe, an denen sich nichts verderben läßt :-). Auch die Architektur hat bei uns große Fortschritte gemacht: Wir leben in Palästen aus Glas und Stahlbeton - und werden doch krank davon; nicht einmal Swift hätte freilich ahnen können, wie weit die "Baumeister" unserer Zeit gehen würden, um sich all das zusammen zu pfuschen.

Große Aufmerksamkeit widmet Swift - wie immer - dem Erlernen von Sprachen (eine Übung, der Gulliver ja ständig ausgesetzt ist auf seinen Reisen). Die "Wissenschaftler" lassen auch auf diesem Gebiet nichts unversucht, um althergebrachte Methoden zu verbessen. Zum Beispiel wollen sie das mühsame Lernen dadurch ersetzen, daß sie die Schüler und Studenten beschriebenes Papier schlucken lassen (das ist auch nicht weniger originell als etwa die Idee des berühmt-berüchtigten "Nürnberger Trichters" :-) Oder die Sprache radikal vereinfachen, z.B. in dem sie alles bis auf die Substantive abschaffen. Und damit man sie gleich als universelle Weltsprache benutzen kann, sollten die Leute alle möglichen Gegenstände immer mit sich herum tragen, damit sie diese ihrem Gesprächspartner zeigen können - Verständigung ohne Worte, ist das nicht schön? (Ja, liebe Leser, fühlt Euch ruhig an die Quasi-Zeichensprache gewisser Comic-Hefte und gewisser Computer-Programme erinnert - wieder ein Beweis für Swifts hellseherische Fähigkeiten!) Andere Ideen dünken Dikigoros recht vernünftig: Wenn es zwischen den politischen Parteien mal wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommt, sollte man je 100 Vertreter einer jeden einer Operation unterziehen, dergestalt, daß man ihnen die Schädeldecke aufsägt und je ein halbes Gehirn entnimmt, das man dann den Vertretern der anderen Partei einsetzt. So können sie dann ihren Streit in jeweils ein- und demselben Gehirn austragen, bis sie zu einer vernünftigen Lösung gelangt sind. Oder zum Steuersystem: Warum nicht Schönheit, Intelligenz, Tapferkeit, Höflichkeit u.a. Tugenden besteuern? (Ihr meint, da käme, objektiv betrachtet, zu wenig heraus für den Finanzminister? Das meint Swift auch - deshalb plädiert er für subjektive Selbstveranlagung :-)

In der Nachbarschaft Balnibarbis liegt Glubbdubdrib, die "Insel der Magier" (eine Bezeichnung, die man früher in England für die Filipinen gebrauchte - s.o.). Dort frönt man der "Nekromantie". Was das ist, liebe Leser, die Ihr des Griechischen nicht mächtig seid? Ganz einfach: Die Fähigkeit, die Toten wieder auferstehen zu lassen, und sei es nur in der Form von Geistern. Für diesen Sport hatten und haben die Engländer von je her eine große Vorliebe: Keines der großen Dramen Shakespeares ist denkbar ohne den Geist eines Toten, der entscheidend in den Verlauf der Handlung eingreift, und bis heute feiern Dracula und seine untoten Epigonen in den angelsächsischen Romanen und Filmen fröhliche Urstände. Aber Swift geht es hier um ein viel seriöseres Anliegen: Er läßt berühmte Gestalten der Geschichte auftreten, um ihnen die Masken vom Gesicht zu reißen, die ihnen verlogene "Historiker" aufgesetzt haben - im Guten wie im Bösen: Alexander der Große, Hannibal, Caesar, Pompeius und Brutus, Cato, Thomas Morus, Homer, Aristoteles, Descartes, Gassendi und viele andere müssen antanzen; und am Ende gelangt Gulliver zu dem vernichtenden Urteil, das Euch Dikigoros als Eingangszitat ausgesucht hat. Er braucht das gar nicht weiter auszuführen, denn in den meisten Fällen ist er mit Swift völlig einer Meinung; einige seiner "Reisen durch die Vergangenheit" handeln just von jenen "Größen" der Geschichte und ihren "Heldentaten", wie seine altgedienten Leser ja wissen - und alle anderen mögen einfach mal die letzten Links anklicken, um sich einen kleinen Überblick zu verschaffen. Denen, die sich speziell für das Thema "Geschichtsfälschung" interessieren, empfiehlt Dikigoros seine Seite über George Orwell, unter besonderer Berücksichtigung seiner Anmerkungen zu 1984; er will sich an dieser Stelle nicht wiederholen. Aus purer Bosheit läßt Swift auch einige Personen gemeinsam auftreten, die zeitlich gar nicht zusammen passen, nämlich Senatoren aus dem alten Rom und moderne Parlaments-Abgeordnete. Die letzteren bezeichnet er im Vergleich zu den ersteren als eine Ansammlung von "Taschendieben, Straßenräubern und Zuhältern". Nun, Dikigoros zweifelt zwar seit der Lektüre von Syme's "The Roman Revolution" an der Integrität der römischen Senatoren; aber er ist überzeugt, daß Swift die Parlamentarier seiner Zeit nachsichtiger beurteilt hätte, wenn er die unserer Zeit gekannt hätte...

Bleibt noch das Inselchen Luggnagg und ein sehr ernstes Thema, über das Dikigoros, je älter er wird, auch selber öfters nachdenkt: Neben dem Biowahn gibt es ja noch viele andere Wahnvorstellungen, z.B. den Jugendwahn. Wie war das? Jeder will lange leben, aber niemand will alt werden. Die "Struldbrugs" auf Luggnagg haben es geschafft, uralt zu werden - ob sie unsterblich sind, wird nicht ganz klar -; aber mit zunehmenden Lebensjahren werden sie immer kränker, schwächer und häßlicher; und je mehr von der Sorte Gulliver kennen lernt, desto mehr verliert er die Angst vor dem Tode. Aber darüber solltet Ihr selber nachdenken, liebe Leser, ohne Euch von Dikigoros oder sonst jemandem beeinflussen zu lassen, denn das ist eine Frage, auf die jeder für sich selber eine Antwort finden muß. Wenn Ihr Swifts Ausführungen dazu im "Gulliver" nachlesen solltet, behaltet bitte im Hinterkopf, daß er, als er das schrieb, Ende 50 war. Vielleicht ist das ein gutes Alter, um abzutreten; aber er selber lebte noch fast zwei Jahrzehnte weiter - gequält von einer unbekannten Krankheit, die ihn erst ständig Stürme, Meereswellen und Trommeln hören ließ und ihn am Ende lähmte; er wurde erst entmündigt und dann für geisteskrank erklärt. Nein, nicht wegen seiner Bücher - niemand nahm ihm seine Satiren übel, nicht einmal die Zensur, und speziell "Gullivers Reisen" wurde ein großer Verkaufserfolg, der ihm ein Vermögen einbrachte (11.000 Pfund Sterling - nach heutiger Kaufkraft gut zwei Millionen Euro), das er testamentarisch einer Irrenanstalt in Dublin vermachte. Ob er in jenen letzten Jahren noch manchmal an seine "Struldbrugs" gedacht hat? Wenn, dann hat er jedenfalls keine ernsthaften Konsequenzen daraus gezogen - aber vielleicht hatte er auch den Zeitpunkt verpaßt, an dem er das noch aus eigener Kraft hätte tun können. Sammelt Ihr auch die letzten Worte berühmter Leute, liebe Leser? Welche haltet Ihr für besonders traurig? Dikigoros' Kandidat ist Swift: Als man ihm in einer seiner letzten lichten Stunden eines seiner Bücher zu lesen gab, soll er gesagt haben: "Gott, was war ich doch für ein Genie." Der Rest von Gullivers dritter Reise ist schnell erzählt: Er gelangt per Boot ins japanische Nagasaki (Swift schreibt es - fonetisch korrekt - mit einem "n" zwischen dem "a" und dem "g"), wo er sich als Holländer ausgibt und mit dem nächsten Segler nach Europa zurück kehrt.

* * * * *

[Gulliver bei den Houyhnhnms]

Was treibt der Mensch da auf dem Buch-Cover? Er ringt die Hände, und das Pferd steht daneben und versteht nicht, warum. Swift verrät es dem Leser: Auf der Pferdeinsel, wo Kapitän Gulliver auf seiner vierten und letzten Reise von seiner meuternder Besatzung ausgesetzt worden ist, sind nicht die Menschen Herren über die Pferde, sondern umgekehrt die Pferde über die "Yahoos" genannten Menschen. Die geben ihnen so mancherlei Rätsel auf, wie Gulliver erfährt, nachdem er binnen fünf Monaten die Pferdesprache erlernt hat (die nach Swift am ehesten dem Deutschen ähnelt, und zwar dem Hochdeutschen :-). Einiges läßt sich aus ihrem primitiven Entwicklungsstand erklären, anderes überhaupt nicht - jedenfalls nicht aus Sicht eines vernünftigen Pferdes: zum Beispiel daß sie so scharf auf ein bestimmtes gelbes Gestein sind, obwohl man das weder essen noch sonst irgend etwas Sinnvolles damit anstellen kann. Sie kämpfen erbittert darum, und wenn sie es erkämpft haben, horten sie es ohne Sinn und Verstand in irgendwelchen Verstecken. Und was geschieht, wenn man es ihnen heimlich weg nimmt (was die Pferde aus Neugier einmal tun)? Nun, die Yahoos werden, sobald sie das Verschwinden bemerken, krank vor Verzweiflung, setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um es wieder zu bekommen, verdächtigen jeden Mitmenschen, es ihnen gestohlen zu haben, gehen einander an die Gurgel usw. Als die Pferde es wieder an den Ort zurück bringen, wo es die Yahoos versteckt hatten, werden sie sofort wieder gesund und glücklich. Man erkennt unschwer, daß es sich um Gold handelt. Tja, liebe Leser, was ist sinnvoller zu horten als Gold? Das Pferd denkt natürlich an Getreide, und andere Menschen zu anderen Zeiten haben sich andere Dinge ausgedacht, um Werte [auf] zu bewahren. Im alten China z.B. waren es Teeziegel, bei den alten Griechen und Römern Schafe, bei den Arabern noch bis vor kurzem Kamele, bisweilen auch Frauen. Heute glauben die meisten, ein Bankkonto, Immobilien oder Aktien wären eine bessere Wertanlage, aber das eine steht nur auf dem Papier (oder heute nicht mal mehr das, sondern nur noch in einer Computer-Datenbank), das andere kann man - anders als Tiere - nicht mitnehmen, wenn es brenzlich wird, und Anteilsscheine an Unternehmen sind so viel wert wie die Unternehmen, die im Falle eines Krieges sehr schnell über die Wupper gehen können. Und Gold? Nun, das kann man jedenfalls auf der Flucht mitnehmen, man braucht es nicht zu füttern und zu tränken, und es wird qua Konvention überall als Wert angesehen. (Warum das so ist und ob das sinnvoll ist? Darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle.)

Aber das ist ja nicht der einzige Punkt, auf den Swift bei dieser Geschichte hinaus will. Beginnen wir mit der Schilderung des Pferdelebens: Die leben friedlich und gesund (vor allem vegetarisch, aber auch ohne Alkohol, Zigaretten u.a. Laster) bis ins hohe Alter, dann sterben sie ebenso friedlich, und zwischendurch machen sie nicht viel Gedöns, sondern leben freundschaftlich zusammen, jeweils ein Paar und zwei Kinder (wer zwei Jungen hat, tauscht einen mit einem Paar, das zwei Mädchen hat; nur die Unterschicht - ja, die gibt es auch bei den Pferden! - darf bis zu sechs Kinder pro Paar haben!), ohne Lug und Trug, ohne Politiker (wozu und worum soll man streiten? Es kann doch für alle Probleme nur eine richtige Lösung geben, und die ist meist ganz einfach zu finden!), und mit eigentlich nur einem echten Problem: Wie wird manpferd mit den Yahoos fertig, jener zänkischen Brut, die immer nur Ärger macht, und von der niemand so genau weiß, wie und wo sie eigentlich her gekommen ist: Eines Tages tauchte ein Paar auf, das sich vermehrte wie die Kanickel, und nun sind sie zu einer echten Bedrohung des insulären Friedens geworden. (Schuld sind die braven Pferde freilich selber, denn sie fanden es anfangs ganz praktisch, die Yahoos als Sklaven zu halten und die Drecksarbeit machen zu lassen. Erinnert Euch das an etwas, liebe Leser? Ja, auch die Briten holten sich die afrikanischen Neger als Sklaven in ihre Kolonien; und einmal mehr scheint Swift hellseherische Fähigkeiten besessen zu haben; denn heute bereiten deren Nachkommen den Amerikanern ganz ähnliche Probleme wie die Yahoos den Pferden.) Gulliver, nicht faul, macht sich daran, seinen Gastgebern zu erzählen, daß es sich bei den Yahoos um eine ganz einmalige, degenerierte Sorte Mensch handelt, während alle anderen Menschen auf der Welt viel zivilisierter sind, insbesondere die Engländer. Er schildert ihnen deren segensreiche staatliche Einrichtungen und löbliche Personen - unter besonderer Berücksichtigung der PolitikerFürsten, Advokaten und Ärzte (diese Passagen fallen in der Regel noch heute der Schere des ZensorsHerausgebers zum Opfer) -, was die Pferde indes zu der Schlußfolgerung veranlaßt, daß jene "zivilisierten" Menschen ja noch um vieles schlimmer seien als ihre primitiven Yahoos. Man könne von Glück sagen, daß die Menschen so schwach gebaut seien, daß sie bei ihnen Kriegen und Bürgerkriegen ja keinen großen Schaden anrichten könnten. Aber da kommt Gulliver erst richtig in Fahrt; er schildert die großartigen Errungenschaften der menschlichen Waffentechnik und rechnet vor, daß im letzten Krieg (die Erzählung soll gegen Ende des "Spanischen Erbfolgekriegs" spielen) rund eine Millionen Menschen umgekommen sein seien. (Die Zahl dürfte etwas hoch gegriffen sein, obwohl - wenn man die zivilen Opfer, vor allem von Seuchen und Hungersnöten mitzählt...) Es kommt, wie es kommen muß: Während Gulliver sich gerade gut eingelebt hat (er ernährt sich jetzt von in Milch gekochtem Hafer, wie die Pferde - die merkwürdigerweise Kühe halten) und schon darauf freut, den Rest seiner Tage auf jener friedlichen Insel verbringen zu können, fassen die Pferde den Beschluß (jawohl, alle vier Jahre gibt es eine Art parlamentarische Versammlung, auf der solche Fragen erörtert werden!), vor dem die Politiker der Insel Europa heute noch zurück schrecken: "Yahoos raus!" Denn sie sind keine Eingeborenen - haben also kein natürliches Bleiberecht -, sondern wilde Invasoren, die sich nicht integrieren wollen und nur Unfrieden auf die Insel bringen. Bleibt nur die Frage wie: Soll man sie gleich umbringen, oder...? Aber Gulliver bringt sie auf eine bessere Idee: So wie die Menschen anderswo auf der Welt die Tiere, vor allem die Pferde, kastrieren, damit sie zahmer werden, so könnte man doch auch die Yahoos kastrieren; und bis die letzten sterben, kann man wieder die - fast schon ausgestorbenen - Esel züchten, die sich ohnehin viel besser zum Arbeiten eignen. So wird es denn beschlossen; allein Gulliver bekommt eine Extrawurst gebraten (nachdem manpferd den Vorschlag verworfen hat, ihn zu den Yahoos zu verjagen, weil er die bei seiner gefährlichen Intelligenz zum Aufstand aufwiegeln und womöglich die ganze Insel zerstören könnte): Er darf sich ein Kanu bauen und zurück paddeln, wo er her gekommen ist. (Worüber er tief betrübt ist; aber darauf nehmen die Pferde - anders als die europäischen Politiker heute - keine Rücksicht.) Das wäre zwar etwas viel verlangt; aber Gulliver schafft es immerhin bis nach Australien ("Neu-Holland" - s.o.), wo er von einem portugiesischen Segelschiff aufgegabelt und nach Europa zurück gebracht wird. Wieder zuhause in England - bei dessen Herrschern er sich ausdrücklich entschuldigt, weil er es versäumt hat, seine vier Reiseziele als Kolonien für die britische Krone in Beschlag zu nehmen, damit sie dort ihren Abschaumihre tüchtigsten Menschen zur Besiedlung hin schicken können -, kauft er sich zwei Pferde und widmet sich statt seiner menschlichen Familie lieber jenen beiden friedlichen Mitlebewesen. Amen.

Tja, liebe Leser, das ist alles recht hübsch ausgedacht - und vieles ist sogar richtig. Einiges hält allerdings den Tatsachen nicht so ganz stand - was man freilich erst seit kurzem weiß. Zum Beispiel die Ansicht, daß die YahoosMenschen als einzige Art intraspezifische Kriege führen, d.h. über Leichen ihresgleichen gehen, während es im Tierreich nur in Einzelfällen mal zu tödlichen Kämpfen um Futter und/oder Weibchen kommt. Aber das ist ein Irrtum, wie wir heute wissen. Nicht nur unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, führen regelrechte Kriege auf Stammesebene gegen einander, sondern schon gewisse hoch entwickelte Insektenstaaten tun das. (Und was immer man von Insekten halten mag; fest steht, daß die als einzige höhere Art wahrscheinlich auch einen vom Menschen angezettelten großen Atomkrieg überleben würden; mit der Ausrottung der Menschen würden die Kriege auf Erden also nicht aufhören :-) Und aus der Verhaltensforschung wissen wir, daß auch die Angehörigen anderer Arten ihresgleichen täuschen, belügen und betrügen - nicht nur in sexueller Hinsicht; auch da ist es also Fehlanzeige mit der "Sonderstellung" des Menschen - die ja bei Swift eine negative ist. Nein, ein Justizsystem wie beim Menschen gibt es im Tierreich nicht - da hat Swift mal recht; aber darüber schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr, ebenso über das leidige Problem der Kindererziehung, das die Pferde in Swifts Augen besser gelöst haben als die Menschen, indem sie alle Kinder, männlich oder weiblich, gleich erziehen. Da sind wir also wieder bei Gesamtschule und Koedukation. Man könnte das damit relativieren (ja, auch in einer Zeit, da "Relativieren" strafbar ist :-), daß die Alternative, wie Swift sie aus dem England des 18. Jahrhunderts kannte, womöglich noch schlimmer war: Da gab es für Jungen der Unterschicht und für Mädchen generell gar keine Schulen - von den "Sonntagsschulen" mal abgesehen, die in etwa das Niveau heutiger Koranschulen gehabt haben dürften, halt nur auf christlicher statt auf muslimischer Basis, d.h. der Pfarrer brachte ihnen ein wenig Lesen, Schreiben und vor allem Beten bei. Und die Knaben der Oberschicht wurden noch bis ins 20. Jahrhundert auf "Public Schools" gedrillt und gequält, die um vieles schlimmer waren als etwa die viel geschmähten "Kadetten-Anstalten" in Deutschland. Aber das hätte Swifts Pferde wahrscheinlich gar nicht gestört, denn die bringen ihrem Nachwuchs nicht einmal das bei: Lesen und Schreiben kennen sie nicht (ihre Wissensweitergabe erfolgt mündlich), und schon gar keine Religion. (Auch die kommt übrigens - wie der Glaube an sonstige Ideologien - als Haupt[bürger]kriegsgrund schlecht weg bei Gullivers Schilderungen des British way of life.) Der Schwerpunkt der Erziehung liegt vielmehr auf der körperlichen Ertüchtigung - die Pferde haben so viele Stunden Sportunterricht am Tag wie unsere heutigen Kinder allenfalls in der Woche.

Das ist aber nicht der einzige Punkt, in dem Swifts Pferdestaaat in den Augen der heutigen Gutmenschen (und ihrer Zensoren) peinlich an den bösen National-Sozialismus im 20. Jahrhundert erinnert: Ihre Wirtschaft ist autark - und das steht in krassem Widerspruch zu der englischen Praxis, die schon im 18. Jahrhundert mit dem begann, was man heute unter dem Stichwort "Globalisierung" zusammen faßt. (Swift versteht darunter, daß die - eigentlich mehr als ausreichende - Lebensmittel-Produktion in solchem Umfang exportiert wird, daß die Unterschichten hungern müssen, weil dafür - eigentlich überflüssige - Luxuswaren aus aller Welt für die Oberschicht importiert werden: teure Stoffe und Kleider für die Frauen, Tabak und Wein für die Männer, Zucker und exotische Gewürze für beide. [Gulliver braucht dagegen auf der Pferdeinsel nicht einmal Salz - was Dikigoros sehr zu bezweifeln wagt -, und statt Zucker nimmt er Honig, wie es die Europäer vor Entdeckung der "Zuckerinseln" durch Kolumbus ja auch taten. Die Pferde haben auch kein Problem mit Luxusklamotten, da sie ja durchweg nackt gehen - aber ob das auf den naßkalten britischen Inseln so opportun wäre? Gulliver selber trägt auch auf der Pferdeinsel Kleidung - darin unterscheidet er sich ja hauptsächlich von den Yahoos! -, und als diese im Laufe der Jahre verschlissen ist, macht er sich neue, aus Kaninchenfell und Yahoohaut.]) Am schlimmsten aber - und allemal ein Grund, dieses Kapitel in den Ausgaben ad usum Dummviehi zu streichen - ist, daß die Pferde auch das betreiben, was heute als "Eugenik" verteufelt wird: Auf ihrer Insel gibt es keinen unerfreulichen Rassenmischmasch ["disagreeable mixture in the breed"], da treiben es weiße Pferde nur mit anderen Weißen, schwarze Pferde nur mit Schwarzen und rote Pferde nur mit Roten. (Dagegen wird der arme Gulliver, als sein pferdischer Bodyguard - ein "roter Klepper" - mal kurz nicht aufpaßt, beim Baden von einem 11-jährigen Yahoo-Mädchen vergewaltigt :-) Die Pferde ziehen nur ihren gesunden Nachwuchs auf. (Alles andere wäre ja auch gar nicht möglich, da es bei ihnen keine Ärzte gibt; wenn ein Kind vorzeitig stirbt, etwa durch einen Unfall, wird ein neues "nachgemacht".) Wir machen es heute beinahe umgekehrt, zumindest wir "zivilisierten" Westler, die wir inzwischen medizinische Möglichkeiten haben - im Guten wie im Bösen -, von denen Swift in seinen schlimmsten Albträumenkühnsten Träumen nichts geahnt hätte. Es beginnt damit, daß wir nicht mal mehr bereit sind, unseren gesunden Nachwuchs aufzuziehen, sondern ihn millionenfach schon im Mutterleib töten. (Welches Pferd täte das? Welcher Mensch hätte das zu Swifts Zeiten getan? Doch nur ein paar Kriminelle!) Dafür werden im Gegenzug auch solche bedauernswerten Geschöpfe mit Gewalt - und ungefragt - am "Leben" erhalten, die gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Das mag interessant sein für Ärzte (als Einkommensquelle) und für Forscher, denen jene armen Kreaturen als Versuchskaninchen dienen. Aber die Übergänge zwischen dem, was die Nazis "erbgesund" und "lebensunwert" nannten, also zwischen kerngesund und nicht lebensfähig, sind fließend. Die wirklich gefährlichen "Erbkranken" sind nicht die paar körperlich oder geistig Angematschten, die ihr in den entsprechenden "Heimen" auf ihren Rollstühlen vor sich hin vegetieren seht, sondern die Millionen Menschen, die es für ganz normal (Dikigoros erlaubt sich, das Wort "natürlich" zu vermeiden) halten, auf Plattfüßen, mit krummem Rücken, schwachem Herzen und kurzsichtigen Augen durchs Leben zu schleichen, weil der "technische Fortschritt" ihnen das ermöglicht. (Dikigoros darf das schreiben; auch er ist Brillenträger :-) Aber für die wird es bald ein böses Erwachen geben, denn es gibt noch Pferde (nein, Dikigoros meint nicht die wirklichen - über deren Aussterben schreibt er an anderer Stelle), im übertragenen Sinne von gesunden, gemäß der Natur lebenden Völkern, die sich einen Teufel um unsere Zivilisation scheren und weiter wild, primitiv, fruchtbar und aggressiv sind. Jeden Tag strömen Tausende vor allem aus Afrika in unsere dekadenten Länder, wo sie sich wie die Kanickel vermehren; längst geht ihre Zahl in die 'zig Millionen; und der Zeitpunkt ist abzusehen, an dem sie die Mehrheit haben, also ganz "demokratisch" die Macht ergreifen können und mit unserem kranken Nachwuchs verfahren werden wie Gullivers NazisPferde mit den Yahoos. Den meisten Menschen im Westen fehlt es offenbar an Fantasie, sich ihr Ende auszumalen, sonst hätten sie längst etwas dagegen unternehmen müssen - sowohl defensiv gegen die Eindringlinge als auch offensiv für eigenen, gesunden Nachwuchs. Oder ist es dafür schon zu spät? Vielleicht, sogar wahrscheinlich. Aber wenn man noch etwas retten will, dann ist Einsicht der erste Weg zur Besserung. Und da alle Werke des 19. und 20. Jahrhunderts, die diese Einsicht vermitteln könnten, mit dem Geruch der politischen Unkorrektheit behaftet sind, sollte man vielleicht auf ein Werk des 18. Jahrhunderts, das man als "Satire" tarnen kann, zurück greifen und es den Leuten im Westen zu lesen geben: das vierte Buch von "Gullivers Reisen"!

**[Ich fand die Welt irre geführt von käuflichen Schreibern, die Feiglingen die größten Kriegserfolge zuschreiben, Narren den weisesten
    Rat, Schmeichlern Aufrichtigkeit, Vaterlandsverrätern Tugend, Gottlosen Frömmigkeit, Sodomiten Keuschheit, Spitzeln Wahrhaftigkeit]

[Swifts Totenmaske]

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