VERGNÜGEN IN ACAPULCO
Elvis  Presley  als "Clavadista"

von Nordamerika nach Mexiko und zurück
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Richard Thorpe: FUN IN ACAPULCO

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Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite
"AVEZ-VOUS BOURBON . . . ?"
Reisefilme des 20. Jahrhunderts

Nun präsentiert Dikigoros seinen Lesern schon wieder einen Reisefilm mit dem Ausgangspunkt USA, obendrein einen so genannten "B-Film", der eigentlich nur die Rahmen-Handlung abgibt, um Elvis Presley ein paar neue Songs singen zu lassen, dazu noch solche mit reichlich Klischee-behafteten Titeln wie "Vino, dinero y amor [Wein, Geld und Liebe]" oder "No time for siesta [Keine Zeit für Mittagsschlaf]" - muß das eigentlich sein? Gibt es wirklich keine anderen, besseren Reise-Filme aus jener Zeit, oder ist Dikigoros einfach nur voreingenommen? Wahrscheinlich das letztere, sonst hätte er vielleicht den zwei Jahre vor "Acapulco" gedrehten - und in den Kinos erfolgreicheren - Elvis-Film "Blue Hawaii" ausgewählt. [Aber auf keinen Fall dessen drei Jahre nach "Acapulco" gedrehten dünnen Wiederaufguß "Paradise Hawaiian Style", mit einem schon ziemlich verfetteten Elvis, von einem Regisseur Michael Moore, der weder verwandt noch verschwägert war mit seinem Namensfetter, pardon -vetter, dem 37 Jahre später für sein anti-amerikanisches Machwerk "Stupid White Men [Dumme weiße Menschen]" ein 'Oscar' verliehen werden sollte!] Doch wie fleißige Leser von Dikigoros' "Reisen durch die Vergangenheit" längst wissen, hat ihn seine erste eigene Reise von den USA nach Mexiko geführt (auch wenn er sie nur in der Einleitung zu seiner zweiten Mexiko-Reise kurz erwähnt), und just auch nach Acapulco. Ach, war das eine tolle Zeit, als Acapulco noch nicht zur überteuerten Touristennepp-Metropole für alle Abzocker geworden war (gewiß, einige von ihnen sind inzwischen ins neu gegründete Cancún abgewandert, aber das ist ein schwacher Trost), sondern noch eine Reise wert, auch wenn man nicht nur auf käufliche Vergnügungen aus war - wiewohl der Song-Titel etwas anderes suggerieren mag: Damals brauchte man kein Geld für Liebe, und man trank keinen Wein, sondern Pulque oder Bacardi. Und mit dieser Aussage befindet sich Dikigoros auch schon auf Gegenkurs zu "Fun in Acapulco", denn dort trinkt man Bier und Tequila (und Limonade - Richard Thorpe hat der Versuchung widerstanden, Schleichwerbung für Coca Cola zu machen). Genauer gesagt nicht nur man[n], sondern auch frau, denn kaum ist Elvis Presley alias "Michael" von seinem amerikanischen Arbeitgeber gefeuert worden, weil er sich von dessen gesichtsalter Tocher nicht verführen lassen wollte, die ihn daraufhin bei ihrem Vater verleumdet hat, da landet er schon in einer Kneipe, wo er eine feurige Toreadora [Stierkämpferin] kennen lernt, die ihn auf einen Tequila einlädt, und bald darauf einen einheimischen Knirps namens Raul, der sich zu seinem Manager machen und ständig Bier trinken will.

Warum stellt uns der Film schon so früh eine "Stierkämpferin" vor, da wir doch im weiteren Verlauf keinen einzigen Stierkampf zu sehen bekommen? War es vielleicht ein Rückgriff auf einen anderen in Mexiko spielenden Musik-Film, den Richard Thorpe 16 Jahre zuvor gedreht hatte, der just den Titel "Fiesta" trug (das bedeutet "Stierkampf" - auch wenn er in deutschen Kinos als "Mexikanische Nächte" lief) und in dem eine Stierkämpferin sogar die Hauptrolle spielte? (Es war die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin Esther Williams, die sie "die goldene Meerjungfrau" nannten, als "Maria Morales". Leider hatte sie, zwei Jahre bevor "Fun in Acapulco" gedreht wurde, ihre Schauspieler-Karriere beendet und war nicht zu einem Comeback zu überreden; als Filmpartnerin für den jungen Elvis wäre sie aber mit 40 wohl eh schon etwas zu alt gewesen :-) Wie dem auch sei, in Acapulco gibt es bis heute keine Stierkampf-Arena, obwohl die "Corrida" in Mexiko eine Tradition hat, die auf das 17. Jahrhundert zurück geht, also fast ebenso alt ist wie in ihrem Ursprungsland Spanien. Mexiko ist übrigens das einzige Land in Lateinamerika, ja auf der ganzen Welt, das sie in dieser Form übernommen hat. (Und das liegt nicht etwa daran, daß es anderswo nicht genügend Stiere gäbe. Argentinien z.B. ist das Land der Rinder - aber dort gibt es keine Stierkämpfe. In Perú, Kolumbien und Venezuela hat man zwar mal kurzfristig versucht, sie einzuführen, es aber nach einigen kommerziellen Pleiten bald wieder aufgegeben.) Warum das so ist, kann Dikigoros nicht sagen; aber das liegt vielleicht daran, daß er selber dieser Art "Sport" aus guten Gründen nichts abzugewinnen vermag. Doch er kann mit Bestimmtheit sagen, daß es in den 1960er Jahren weder in Spanien noch in Mexiko weibliche Stierkämpferinnen gab - das war (und ist) eine Männer-Domäne. (Eine spanische Stierkämpferin, die in den 1990er Jahren vorübergehend hoch gejubelt wurde, wurde irgendwann einmal von einem Stier auf die Hörner genommen - seitdem hat man nichts mehr von ihr gehört :-) Aber man muß das ganze wohl im übertragenen Sinne verstehen: Das, was des Spanischen nicht mächtige Ausländer heute als "macho" bezeichnen (im Spanischen bedeutet das einfach soviel wie "Mann" oder "Mensch" - auch als Anrede, man sagt nicht mehr "hombre"), ist in Lateinamerika durchaus positiv besetzt, und einen besonders männlichen Mann bezeichnet man auch als "toro" - Stier. Umgekehrt darf es das eigentlich nicht geben; aber "Dolores" ist eine Frau, die sich an die Männer heran macht, ohne sich an einen einzigen binden zu wollen, geschweige denn vor dem Traualtar - für die damalige Zeit ein unerhörtes Verhalten, weshalb "Michael" ihr zwar zunächst höflich entgegen kommt, dann aber doch tapfer widersteht.

Statt dessen lernt er - inzwischen hat ihn Raul tatsächlich als Aushilfs-Bademeister und Aushilfs-Sänger in einem Hotel untergebracht - eine knackige Blondine kennen, die auch dort arbeitet und so heißt wie ein damals sehr beliebter Cocktail: Margarita. (Sie wird von der Schweizerin Ursula Andress gespielt, die ein Jahr zuvor an der Seite von Sean Connery als erstes "Bond-Girl" bekannt geworden war und von boshaften Angelsachsen auch "Ursula Undress" genannt wurde, obwohl sie sich vor der Kamera nie ganz ausgezogen hat, selbst wenn es - wie bei "[James Bond jagt] Dr. No" - eigentlich so im Drehbuch stand. Sie war übrigens eine gute Schwimmerin, während sich der unsportliche Elvis Presley selbst bei den einfachsten Szenen im Planschbecken doubeln lassen mußte.) Sie entpuppt sich als Tochter eines ehemaligen Großfürsten, den die Revolution aus Europa vertrieben hat (woher genau, kommt nicht heraus - der Nachname [Dauphin] ist französisch, vielleicht eine Anspielung auf die nach dem Zweiten Weltkrieg wegen "Collaboration" mit den Deutschen ins Exil gejagten Angehörigen des belgischen Königshauses?), und der nun als äußerst pingeliger Küchenchef im selben Hotel arbeitet, aber viel lieber in die USA auswandern würde. (Obwohl er von der amerikanischen Einstellung zum Essen seine Meinung weg hat, die in etwa der des Hotelmanagers Carlo Carlucci in Billy Wilders "Avanti" entspricht - wenn schon nicht den Tatsachen, die Dikigoros sicher besser beurteilen kann.) Ebenfalls dortselbst arbeitet ein gut gebauter Mexikaner namens Moreno, mit dem Michael bald Knatsch bekommt, wegen der Frauen, aber auch wegen seiner liebsten Beschäftigung, die man noch nicht als Beruf bezeichnen kann, wohl aber als Berufung: Er ist Klippenspringer, "clavadista". Im Film wird "clavar" etwas ungenau mit "Diving [Tauchen]" übersetzt. Genauer gesagt bedeutet es "eintauchen" (tauchen an sich heißt "bucear"), und wörtlich "einen Nagel einschlagen" - fast ebenso genau muß man nämlich das Ziel treffen, um es unbeschadet zu erreichen. Das Ziel ist der "canal" zwischen den Felsen der "quebrada [Schlucht]", in den man hinab springt. Ursprünglich war das nur ein Sport unter jungen Leuten, eine Geschicklichkeitsprobe, denn man mußte die an- und zurück rollenden Wellen (die man in einer Filmpassage sehr schön sieht) richtig abschätzen können, sonst hatte man bei dem relativ flachen Wasser (es ist selbst bei einrollenden Wellen nur ca. 4 m tief) gute Chancen, sich das Genick zu brechen. Die Leistung bestand darin, zwischen zwei Wellen möglichst weit an den Felsen hinauf zu klettern, bevor man erneut hinunter sprang; es war also weniger eine Mutprobe, von möglichst hoch oben abzuspringen, als ein Wettkampf, in der von der Natur vorgegebenen Zeit so hoch wie möglich zu klettern. Ganz an die Spitze kam man dabei nie, schon halbe Höhe war eine hervorragende Leistung, viertel Höhe "normal". (Der Felsen ist übrigens nicht 113 m hoch, wie es in der deutschen Fassung infolge eines peinlichen Übersetzungs-Fehlers heißt, sondern knapp 113 Fuß, knapp 35 m.)

Im Laufe der Zeit ist das ganze mehr und mehr zur Mutprobe verkommen; die "clavadistas" sind in dem Bestreben, einander zu übertrumpfen, die Klippen immer weiter hinauf geklettert - unter Auslassung einer oder mehrerer Wellen, also entgegen dem ursprünglichen Sinn und Zweck der Übung -, und nun springen die besten tatsächlich vom Gipfel ab. Dabei besteht nicht mehr nur die Gefahr, auf dem Meeresgrund aufzuschlagen, sondern es kann einen noch viel früher erwischen, nämlich auf den Felsen - der "canal" ist nur 7 m breit. Im Jahre 1934 hatte ein cleverer Kneipier die Idee, auf der "plazoleta" (Plätzchen) auf halbem Weg zum Gipfel ein Lokal aufzumachen, um Voyeure, pardon Gäste anzuziehen, die dem Schauspiel zusehen wollten. Dagegen ist solange nichts zu sagen, wie dadurch weder das Risiko der clavadistas nennenswert erhöht wurde noch die Getränkepreise: Als Dikigoros Acapulco zum ersten Mal besuchte, kostete die Cola zwar ein paar Groschen mehr als unten, aber das ließ sich verknusen - außerdem konnte man auch im Stehen zuschauen, wenn man sich den Platz am Tischchen denn wirklich nicht leisten konnte oder wollte. Das, obwohl seit 1967 "Weltmeisterschaften" im Eintauchen ausgetragen wurden - Dikigoros hat den kürzlich verstorbenen ersten Weltmeister, Rico, noch persönlich kennen gelernt, als der gerade in einem spektakulären Comeback seinen Titel zurück gewonnen hatte. (Er sollte diesen Husarenstreich in einem zweiten Comeback fünf Jahre später noch einmal wiederholen.) Heute ist das alles zum Touristennepp verkommen: Allein der Eintritt auf die exclusive plazoleta kostet für Voyeure, pardon Zuschauer 12.- US-$ (fotografieren und filmen wird extra berechnet), und auf Speisen und Getränke wird 50% Zuschlag erhoben, wenn "Sprungzeiten" sind - es darf nämlich auch längst nicht mehr jeder vom Felsen springen, wie es ihm gefällt, sondern nur zu bestimmten Zeiten (fünf zwischen Mittag und Mitternacht), festgesetzt vom Kneipier, pardon, vom "Geschäftsführenden Präsidenten des Direktions-Komitees", wie sich der alte Jude Ismael heute nennt. (Sonderveranstaltungen außer der Reihe im geschlossenen Kreis, etwa für ausländische Gruppen, die nicht mit dem einheimischen Pöbel in Berührung kommen wollen, kosten die Kleinigkeit von 2.100,00 US-$ zzgl. Mehrwertsteuer, Preiserhöhungen vorbehalten.) Dafür springen die clavadistas heute auch nicht mehr einfach nur so aus Spaß an der Freud' ins Wasser, sondern sie vollführen wahre Kunstsprünge, die jedem Olympioniken im Turmspringen zur Ehre gereichen würden - in ihren Broschüren wirbt die Direktion ungeniert mit dem "allerhöchsten Verletzungsrisiko", das die clavadistas dabei eingehen.

Aber Zurück zum Film. 1963, als "Acapulco" gedreht wurde, gab es noch nicht einmal die "Weltmeisterschaften" der Amateure, geschweige denn diese professionelle Abzocke; und Elvis Presley ging keinerlei Verletzungsrisiko ein, denn er ließ sich selbstverständlich auch bei seinen Sprüngen doubeln. Wobei er sich nicht doubeln ließ - und deshalb wurde die Hauptrolle ja überhaupt nur mit ihm besetzt - waren die Gesangsauftritte. Er singt fast alle zehn Minuten, und die Stücke sind nicht unbedingt die besten. (Keines wurde ein echter Hit; das Zeug dazu hätte allenfalls "no room to rumba [in a sports car]" gehabt.) Über Elvis Presley kann man geteilter Meinung sein. Den wenigsten dürfte die Hysterie, die er zu Lebzeiten auslöste, heute noch nachvollziehbar sein - an seiner Musik und an seinem Gesang kann es schwerlich gelegen haben. Vielleicht waren es die Life-Auftritte, bei denen er seine Hüften kreisen ließ und sein Becken obszön vor und zurück stieß (was ihm den Beinamen "Elvis the pelvis" einbrachte), aber davon abgesehen kann er in jungen Jahren so toll nicht gewesen sein. Es gibt Darsteller im Show-Geschäft, die sehr früh sehr großen Erfolg haben und dann immer mehr abbauen - Ursula Andress zum Beispiel. Andere werden im Laufe der Jahre nicht nur älter, sondern auch reifer und besser. Den jungen Elvis Presley fand Dikigoros etwa so beeindruckend wie den jungen Sean Connery, nämlich überhaupt nicht. Richtig gut wurden sie beide erst, also sie schon auf die 40 zugingen. Darin erschöpft sich die Parallele freilich, denn während der Schotte zwischen seinem fünften und siebten Lebensjahrzehnt von Erfolg zu Erfolg eilte, verfiel der Amerikaner nach dem Höhepunkt seiner Karriere - dem Hawaii-Konzert vom Januar 1973 - zusehens und starb mit nur 42 Jahren an den Folgen seiner Freß-, Sauf- und Drogensucht, gerade mal 14 Jahre nach "Fun in Acapulco", als er noch den jugendlichen Beau gab.

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Was treibt einen Amerikaner nach Mexiko, und warum will ein Europäer, der im sonnigen Acapulco einen bequemen Job hat, unbedingt mit seiner Tochter in die USA? Auf die erste Frage hat der Film eine Antwort parat: Michael war Zirkus-Artist am Trapez; und seit er dabei einen Unfall verursacht hat, bei dem sein Bruder zu Tode gekommen ist, traut er sich nicht mehr, diesen Beruf auszuüben und hat Höhenangst - selbst der Sprung vom 3-m-Brett ins Schwimmbecken schreckt ihn ab. Erst als Moreno das heraus bekommt und eine Schlägerei provoziert, bei der er selber an er Schulter verletzt wird, springt Michael notgedrungen für ihn ein, überwindet seine Angst und springt von ganz oben in den "canal" - vor den Augen der beiden Frauen, wobei längst klar ist, daß er sich für Margarita entschieden hat. (Dolores bleibt also für ihren Landsmann Moreno frei - und das ist ja auch gut so :-) Vor den Augen und Ohren der neunköpfigen Mariachi-Kapelle mit ihren überdimensionalen "Sombreros [Schattenspendern]" (die trägt man in Mexiko auf dem Kopf, und wiederum nur in Mexiko, obwohl die Sonne in anderen Ländern Lateinamerikas ebenso heiß vom Himmel knallt; aber Dikigoros hat sich sagen lassen, daß sie ursprünglich - wie der Stierkampf - aus Andalusien stammen), von denen er sich bei einem letzten Lied begleiten läßt, verkündet er, daß er in die USA zurück kehren und sie und ihren Vater mitnehmen wird. Warum? Auf diese zweite Frage gibt der Film keine Antwort - braucht er auch nicht, denn Anfang der 1960er Jahre konnte man noch zweierlei als selbstverständlich voraus setzen: Erstens wollte jeder halbwegs gescheite Mensch unbedingt in die USA einwandern, und zweitens wußte jeder, daß das so war. Heute, da die USA in einigen Teilen der Welt - auch bei ihren so genannten "Verbündeten" - beinahe als das Reich des Bösen verschrien sind, wird das manchem Leser unglaublich vorkommen. Aber es war damals noch die gute alte Zeit in den USA: Die Früchte des gewonnenen Weltkriegs reiften noch prächtig, der Wohlstand nahm immer mehr zu; es gab noch keine Wirtschaftskrise, keine Black Panthers und Rassenunruhen im Inneren, keinen Vietnamkrieg oder andere Konflikte in der Außenpolitik. Die Kennedy-Brüder waren noch nicht ermordet worden, sondern galten als tolle Hechte; das Währungs-System von Bretton Woods war noch intakt, der US-Dollar bärenstark, Benzin spottbillig (ca. 10 Pf pro Liter - kein Tippfehler!), denn in Persien regierte der Shah-in-Shah, in Libyen, Ägypten und im Irak Königshäuser, die mit den USA verbündet waren. Kurzum: Die USA hatten überall auf der Welt nur Freunde (mal abgesehen von der Sowjet-Union und ihren Satelliten - und von Fidel Castros Kuba :-), wer hätte da nicht alles daran gesetzt, ein Einwanderungs-Visum zu bekommen? (Die Idee, illegal die Grenze zu überschreiten, hatte sich noch nicht ausgebreitet - zumal damals gegen unerwünschte Immigranten sehr viel härter vorgegangen wurde als heute.)

Und noch jemanden nimmt Michael mit in die USA: seinen kleinen mexikanischen Freund Raul. Das ist nett - obwohl Dikigoros nicht glaubt, daß der dort glücklich werden wird. Es ist die einzige Rolle, die dieser (ansonsten mit Recht nur als "zweitklassiger" B-Film eingestufte) Streifen wirklich gut zeichnet - auch wenn der Zuschauer, der Mexiko nicht kennt, sie für die am wenigsten glaubwürdige halten wird. Mexikanische Jungen können von einer Pfiffigkeit und Geschäftstüchtigkeit sein, der ihre später, im Erwachsenenalter an den Tag gelegte Trantütigkeit Hohn spricht, ebenso wie mexikanische Mädchen von einer Rassigkeit... aber lassen wir das, es findet ja keine Stütze im Film. Es ist schon merkwürdig, wie manche Gesellschaften ihre noch so aufgeweckten Jugendlichen zu geistigen Krüppeln machen. Es hat dies offenbar nicht nur mit staatlichen Verblödungs-, pardon Bildungs-Anstalten zu tun, wie bei uns, sondern es geht auch anders. Auch am Alkohol- oder Drogenkonsum kann es nicht liegen, denn Rauls ständiger Wunsch nach Bier wird immer wieder abgelehnt. Statt dessen gibt es echte Limonade - nicht das mit Kohlensäure, Zucker und Farbstoff versetzte Zeug, das sich heute gemeinhin so nennt, sondern kaltes Wasser mit echtem Limonensaft. (Wer es nicht weiß, merkt das nicht; man muß selber in Mexiko gewesen sein, um solche feinen Unterschiede zu erkennen, über die der Film ohne großes Aufsehen hinweg geht.)

Aber wenn die Aussichten für unseren kleinen, pfiffigen Mexikaner schon zuhause so trübe sind - warum sollte er dann in den USA nicht glücklich werden? Darf Dikigoros, um diese Frage zu beantworten, etwas weiter ausholen und mit einer Gegenfrage beginnen: Warum reist man ins Ausland? Das kommt darauf an. Die ursprüngliche Form des Reisens - der man bei Dikigoros immer wieder begegnet - besteht darin, bewaffnet ins Ausland zu fahren und dort Verteidigungs- oder Befreiungskriege zu führen, ohne Rücksicht darauf, ob die "Befreiten" das wollen oder nicht; darin sind speziell die Amerikaner Groß-, wenn nicht sogar Weltmeister. Damit verwandt - sozusagen unmittelbare Nachkommen - sind die Reisen der internationalen Sportler, Geschäftsleute, Anwälte, Schriftsteller und anderer, die auf Reisen etwas "kriegen", pardon gewinnen wollen: Ruhm, Geld, Stoff für ein Buch usw. Dann sind da die Privatreisenden. Auch da gibt es solche, die etwas "kriegen" wollen, z.B. Fotos von einer Dschungel-Safari fürs Album oder neuerdings auch Aufnahmen für den DVD-Spieler. Andere fahren nur, weil ihnen der Konsumterror der Reiseveranstalter das so vorschreibt. (Nicht wahr, liebe Ossis, die Ihr solchen Nachholbedarf an Pattaya und Mallorca, an Susibar und Ballermann hattet - wie stand es auf Euren Reklametafeln und Werbebroschüren: "Ärgern Sie Ihren Nachbarn, fahren Sie dieses Jahr zum zweiten Mal auf Urlaub!") Sie bleiben meist unter sich und sind froh, wenn sie wieder zuhause sind. Andere wollen einfach nur etwas Abwechslung, d.h. wenn sie in den Bergen wohnen, reisen sie in wärmere Gefilde, ans Meer, und wenn sie dort wohnen, in kältere, zum Ski laufen - denn die Leute begehren immer das am meisten, was sie für gewöhnlich nicht haben. Andere besuchen Verwandte - Dikigoros' Eltern, die kein Geld für teure Reisen hatten, haben in den Ferien immer nur die Oma besucht, das war praktisch und billig. Wieder andere tun etwas für die Bildung - oder glauben das wenigstens zu tun -, wie Dikigoros' Schwiegereltern, die beide Lehrer waren, nicht ohne jede Mark zweimal umzudrehen (also meist mit Neckermann o.ä. :-), doch nie ohne Besichtigungs-Programm unter fachkundiger Führung. Aber auch sie waren immer froh, wenn sie wieder zuhause waren. (Was ja, pädagogisch betrachtet, kein schlechter Effekt ist :-)

Das andere Extrem sind die Aussteiger - auf Neu-Deutsch "Expats" -, Leute, denen zuhause die Decke auf den Kopf gefallen ist (oder die selber irgendwie auf denselben gefallen sind :-) und die deshalb gar nicht zurück wollen, sondern mit einer dauerhaften Auswanderung liebäugeln, in Gefilde, wo immer die Sonne scheint, wo das Leben billig und die Mädchen willig sind. Auch sie kehren in der Mehrzahl irgendwann zurück, wenn ihr Geld alle ist und sie erkannt haben, daß jemand, der es zuhause auf keinen grünen Zweig bringt, im Ausland noch viel weniger reüssieren wird. Dann gibt es ein paar Bekloppte (und es werden immer weniger), die aus Neugierde um die Welt fahren, um fremde Lebensformen anderer Menschen kennen zu lernen - über die schreibt Dikigoros an anderer Stelle. (Nicht mit diesen zu verwechseln sind die so genannten "Forschungs-Reisenden", die nicht nur vor den eigenen Landsleuten fliehen, sondern vor den [Mit-]Menschen überhaupt, indem sie einsame Wüsten, Gebirge und Pole erforschen.) Dikigoros selber ist wohl in dieser Hinsicht am beklopptesten (und den Schuh zieht er sich ungeniert an): er reist nämlich in fremde Länder, um dort die eigene Vergangenheit wieder zu entdecken - wie schon der Titel seiner Homepage sagt: nicht einfach fremde Lebensformen an sich, sondern solche, die früher vielleicht auch bei uns geherrscht haben, und die einige Apostel des Fortschritts um jeden Preis "primitiv" schimpfen mögen: Einfachheit, Gastfreundschaft, aber auch Härte und Wachsamkeit, wenn es darum geht, den eigenen Vorteil zu wahren. Wer in solchen Gesellschaften nichts zu geben hat oder nichts geben will, dem wird es genommen, ob mit Tücke oder Gewalt - und das ist gut so, denn das ist der Lauf der Natur. Noch im antiken Europa - gerade mal hundert Generationen zurück - konnte bei den alten Griechen "Xenos" und bei den alten Römern "Hostis" zugleich Fremder, Gast und Feind bedeuten. Wer als Gast in einem fremden Land selber neugierig die Nase in jeden Tempel steckt - vorzugsweise während die Einheimischen beten, Kamera und Blitzlicht vorweg -, sich aber selber schon belästigt fühlt, wenn ihm ein paar Straßenkinder "guten Tag" sagen oder ihn gar fragen, wo er her kommt (Dikigoros hat solche Zeitgenossen oft genug erlebt, vor allem in Asien), wer Menschen fotografiert, die Angst davor haben, sich abbilden zu lassen (pfui, wie abergläubisch - aber die gibt es bis heute, nicht nur in Afrika und Asien, sondern auch unter den mexikanischen Indios!) oder sich einfach nur genieren, weil sie schmutzig und halbnackt in Lumpen herum laufen, und sich nicht einmal die Mühe macht, ihnen diese Angst oder diese Scham mit etwas Kleingeld oder guten Worten zu nehmen, der darf sich nicht wundern, wenn er zum Feind wird, wenn man ihm die Gotteshäuser versperrt oder die Kamera klaut. Und das gilt erst recht für diejenigen, die nur ins Ausland reisen, um mal so richtig die Sau raus zu lassen, weil sie sich da mangels Sperrstunde 24 Stunden am Tag besaufen können und weil die Nutten billiger sind als zuhause...

Aber Dikigoros will nicht abschweifen. Kommen wir zurück zum Film und zu drei Beweggründen, die nur scheinbar Unterkategorien der drei eben genannten sind: Auch Michael ist vor etwas weg gelaufen - vor der eigenen Erfolglosigkeit als Zirkusartist und der Angst, noch einmal einen tödlichen Unfall zu verursachen. Er kommt nach Mexiko, um wieder Schwimmen, Springen und Tauchen zu lernen. Ist das schlimm? Aber nein, liebe Leser, im Gegenteil! Wenn uns ein Aufenthalt in anderen Ländern dazu inspiriert, den Eingeborenen etwas nachzumachen, was wir uns zuhause nicht (mehr) trauen und dabei etwas von ihnen lernen, dann ist das doch wunderbar - umso mehr, wenn das keine Eintagsfliege bleibt und wir diese neuen Erfahrungen und Fähigkeiten zuhause in der Praxis nutzbringend anwenden können! Für Michael hat sich die Reise also schon aus diesem Grunde gelohnt. Aber darüber hinaus hat er ja auch noch die Frau fürs Leben kennen und lieben gelernt - eine Ausländerin aus dem fernen, exotischen Europa, denn zuhause in den USA und nebenan in Mexiko gab es ja offenbar nicht genügend passende Frauen. Nun sah Ursula Andress ja viel amerikanischer aus als Elvis Presley, so daß sich die meisten Zuschauer diese Frage wohl kaum gestellt haben - aber ob es klug ist, eine Urlaubsbekanntschaft zu heiraten, die man nur von der Schokoladenseite des Lebens, dem Urlaub halt, kennt? Nun, ganz so ist es im Film nicht, denn die beiden haben sich ja nicht im Urlaub kennen gelernt, sondern sie arbeiten beide im selben Hotel - und auf der Arbeit finden sich ja heutzutage die meisten Paare (mit Recht, denn da lernt man die Alltags-Stärken und -Schwächen des anderen tatsächlich am besten kennen). Das ist sicher etwas anderes, als wenn man sich eine Einheimische am Strand aufgabelt oder gar in der Bar. (Damit meint Dikigoros nicht die Strand-Bar :-) Oder wenn frau sich einen Einheimischen... Darf Dikigoros ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern? Er hat gerade erst wieder in einer Scheidungssache eine Urlauberin vertreten, die sich im schönen Tunesien einen rassigen Araber angelacht hat. Er heiratete sie, ging mit ihr nach Deutschland (bekam dort prompt eine großzügige Aufenthaltsgenehmigung, obwohl er keine Arbeit hatte, sondern erstmal anfing zu "studieren") zog mit in ihre Wohnung ein und begann dann bald (genauer sagt nachdem das eine Jahr herum war, binnen dessen eine Trennung juristisch noch relativ leicht und schmerzlos - und preiswert - zu bewerkstelligen ist), den Pascha heraus zu kehren. Nun ist der Katzenjammer groß, denn der Mann widerspricht dem Scheidungsantrag, liegt ihr auf der Tasche und will vor allem nicht ausziehen. Ihr Freundinnen haben es alle gleich gewußt - jedenfalls im Nachhinein -, und die arme Frau verflucht ihre Reise nach Tunesien in den höchsten Tönen...

Und damit kommen wir zum dritten Grund, aus dem heutzutage wahrscheinlich weltweit die meisten Reisen unternommen werden: Es sind die Reisen, die als Ursache Armut und Unzufriedenheit haben (böse Zungen ergänzen: selbstverschuldete Armut aus Faulheit und die Unzufriedenheit damit, keinen Lebensstandard wie die Öl-Millionäre in den Fernsehserien "Denver" oder "Dallas" zu haben) und als Ziel die reichen Schlaraffen-Länder, in denen gut bezahlte (alles ist relativ!) Arbeitsplätze winken oder womöglich sogar Sozialhilfe, ohne selber einen Handschlag arbeiten zu müssen! Man braucht nur den Mund aufzumachen und das Wort "Asyl" auszusprechen! So schildern es jedenfalls die Nepper und Schlepper, die den gutgläubigen Schein-Asylanten dafür ihre letzten Groschen abknöpfen und ihre Hoffnung auf eine schöne neue Welt ausbeuten. Viele dieser Wirtschafts-Flüchtlinge erreichen zwar ihr Ziel - die "neuen Inseln der Seligen" -, aber sie werden damit nicht glücklich. In den "Gastländern" werden sie als Schmarotzer angesehen, wenn sie nicht arbeiten, und als Arbeitsplatzdiebe, wenn sie arbeiten (was sie meist nur illegal können - dann sind sie überdies noch als Schwarzarbeiter verhaßt, die das Lohngefüge durcheinander bringen). Außerdem stört es, wenn sie eine andere Hautfarbe haben, anders riechen, anders sprechen und überhaupt anders leben als die Einheimischen. Nein, so haben es sich die meisten nicht vorgestellt, und einfach nach Hause zurück kehren können sie auch nicht, denn dort hätten sie als "Gescheiterte" ihr Gesicht verloren.

Aber ist das nicht gerade in den USA alles ganz anders? Bestehen die nicht im Gegenteil nur aus Einwanderern mit unterschiedlicher Herkunft und Lebensart? Tja, das mag mal so gewesen sein, und bis zum Ersten Weltkrieg konnten diese Einwanderer ihre Lebenformen auch weitgehend bewahren - einige sogar noch etwas darüber hinaus. Aber dann setzte ein Vereinheitlichungsdruck ein, den sich ein Nicht-Amerikaner kaum vorstellen kann, gestützt vor allem auf die Medien - Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen. Zu Beginn der 1960er Jahre, als "Fun in Acapulco" spielt, hatte dieser Zwang zur Konformität seinen Höhepunkt erreicht. Im Grunde genommen hält er, allem äußeren Schein zum Trotz, bis heute an. Zwar hat sich die US-Gesellschaft in viele Subkulturen getrennt - schwarze, weiße, gelbe und lateinische -, aber innerhalb dieser Kulturen ist der Zwang zur Vereinheitlichung dafür umso stärker geworden (besonders die einstigen Kulturen der weißen Völker sind völlig im weißen Melting-pot untergegangen) - dies ist auch der Grund, weshalb sie immer mehr auseinander driften. Junge Mexikanerinnen und Mexikaner, die selber weltoffen und aufgeschlossen sind, sogar Fremdsprachen gelernt haben, um mit ausländischen Besuchern zu sprechen - und sei es nur, um ihnen die Schuhe zu putzen oder Nippes aufzuschwatzen - und diese, wenn sie nett zu ihnen sind, fragen, ob sie sie nicht mit nach Europa oder Nordamerika nehmen könnten, begreifen nicht, daß sie dort umgekehrt nicht ebenso weltoffen und freundlich aufgenommen werden würden. Dikigoros erinnert sich noch, wie schwer es ihm selber gefallen ist, jungen heiratswütigen, pardon heiratswilligen Mädchen, von der höheren Tochter eines mexikanischen Staatssekretärs bis zur indischen Ex-Prinzessin, zu erklären - ohne sie zu verletzen -, daß sie im reichen Nordamerika und Europa selbst der ärmste Unterschichtler als den letzten Dreck ansehen und behandeln würde, sich turmhoch über ihnen wähnend. Wie mag es der Ex-Prinzessin Margarita aus "Acapulco" in den USA ergangen sein nach der mutmaßlichen Scheidung? Und ihrem Vater, dem Ex-Fürsten, der in Mexiko noch Koch sein konnte, aber in den USA vielleicht nur Tellerwäscher? Und dem kleinen Mexikaner Raul, der allen Ernstes glaubt, er könnte als Manager ins Schallplatten-Geschäft einsteigen - in dem doch mit härteren Bandagen gekämpft wird als im Golfkrieg? Dikigoros wird den bösen Verdacht nicht los, daß der Stimmungsumschwung in der Dritten Welt gegen die Ausländer - vom häßlichen Amerikaner bis zum Bierbauch-Germanen in all seinen Varianten - nicht zuletzt von Menschen ausgegangen ist, die als junge Leute mit großen Hoffnungen ihr Glück im Ausland gesucht haben, und nachdem sich das als vergeblich heraus gestellt hat, enttäuscht und verbittert nach Hause zurück gekehrt sind und über die - tatsächlichen und vermeintlichen - Gründe und Hintergründe ihres Scheiterns ausgiebig geredet haben. Er hat sich diese Geschichten oft genug anhören müssen - und wenn nur ein Bruchteil davon wahr ist, kann er es den Betreffenden nicht verdenken. So gilt eben - nicht nur für Mexiko: Reise ab und zu ins Ausland und lerne etwas dazu, aber dann kehre nach Hause zurück und nähre dich redlich!



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Nachtrag anno 2010: Wer heute nach Acapulco fährt, der wird die einstige Perle des Tourismus nicht mehr wieder erkennen. Nix Elvis, nix Corridas, heute singt man die "Narco-corridos", Lieder über den Rauschgifthandel, der den Tourismus als Mexikos Devisen-Quelle Nr. 1 abgelöst hat und noch mehr Mexikaner als bisher schon dazu treibt, ins gehaßte und doch auch gelobte Land (mehr denn je :-) USA auszuwandern, legal, illegal, scheißegal. Die großen Touristen-Hotels beginnen dicht zu machen (und das ist ja auch gut so :-), aber auch die kleineren werden folgen; und obwohl die Clavadistas noch nicht verschwunden sind (inzwischen gibt es sogar Frauen, die diesen gefährlichen Sport ausüben - aber immer noch besser als Stierkämpferin zu spielen :-) ist auch deren Ende abzusehen: Es bringt einfach mehr, mit Drogen zu dealen - wenn die Touristen mehr und mehr ausbleiben sowieso. Aber vielleicht ist ja auch das gut so: Dann kann das Klippenspringen wieder zum harmlosen Vergnügen von einheimischen Amateuren werden, jeder kann singen, was er will, statt ausländischen Sängern zuzuhören, und die teuren Drogen muß man ja selber nicht nehmen (es reicht die Schnüffeltüte aus Plastik, die sich besonders bei Jugendlichen zunehmender Beliebtheit erfreut :-). Und die Touristen können sich ihren Sonnenbrand auch woanders holen.

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