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Vorwort
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Nachtrag

 

7.  Hans Georgs und Jeanettens Ehe; Anstellungs-
schwierigkeiten; der Schlossbau in Oberschöna

as Liebesverhältnis zwischen Hans Georg und Jeanette hatte noch manche Prüfung zu bestehen, ehe es zur Erfüllung reifte.  Am 13. Januar 1800 hatte Hans Georg von Pfaffroda aus einen Brief an Jeanettens Vormund, den Konferenzminister Grafen von Hopfgarten, geschrieben, indem er ihn zugleich im Namen Jeanettens um seine Zustimmung zu dem noch bei Lebzeiten des Vaters zustandegekommenen stillen Verlöbnis begrüßt.  Carlowitz hatte dabei als besten Fürsprecher den heimgegangenen Vater Jeanettens:  den dieser hatte vor seinem Tode den Wunsch geäußert, daß Hans Georg zum Vormund seines einzigen Sohnes Heinrich Curt von Schönberg (geb. Freidberg, 25. Juli 1782, gest. Teplitz, 29. Sept. 1843) bestellt werde.  Ein deutlicheres Bekenntnis des Vaters Jeanettens zu Hans Georg war wohl kaum denkbar.  Trotzdem enthält der Antwortbrief des Vormunds auf die Werbung Carlowitzens in sehr gewundener Form nur das, was er ihm schlechterdings nicht versagen konnte:  „Allererst aus dem anfangs erwähnten an mich erlassenen geehrten Schreiben erfahre ich es, daß  Ew. Hochwohlgeb. Es selbst übernommen haben, Ihre, auf eine nähere Verbindung mit dem Fräulein von Schönberg gerichtete Absicht diesem zu eröffnen, und daß diese von letzterem nicht gänzlich zurückgewiesen sein solle, worüber Sie mir noch diese Erläuterung gegeben, daß vor der etwaigen Anwendung einer verbindlichen Erklärung gegen Sie zur Zeit um deswillen ein Gebrauch umsoweniger gemacht werden könne, als von Ew. Hochwohlgeb. Selbst ihr noch immer die Entschließung über eine auch mit einem anderen einzugehende eheliche Verbindung frei gestellt worden sei.  Es kann daher auch von mir der Fräul. von Schönberg gegen Ew. Hochwohlgeb. beschehene Erklärung vor der Hand als völlig verbindlich nicht gehalten werden.”

Man wird sich unter Berücksichtigung des Aufsehens, das der Verlauf des früheren Verlöbnisses Hans Georgs mit Lili von Schönberg genommen hatte, über die sehr vorsichtige Zurückhaltung des Vormundes Jeanettens nicht allzusehr wundern dürfen.  Besonders die zahlreichen Duellforderungen konnten Hans Georg in den Augen eines gewissenhaften Mannes leicht als Raufbold erscheinen lassen.  So schleppten sich Verdächtigungen und böse Reden über Hans Georg bis in die Zeit fort, in der der Vormund seinen anfänglichen Widerstand gegen die Verlobung aufgegeben hatte und die Hochzeit des Paares nahe bevorstand.

Und gerade damals türmten sich für den Bräutigam die Schwierigkeiten zu einer kaum überwindlichen Höhe empor.  Seit Novalis’ Tod (25. März 1801) kränkelte er infolge der Aufregung.  Um den Schmerz zu überwinden, war er gegen Ende des Monats nach Dresden gegangen, wo sich die Allheilerin Jeanette im Hopfgartenschen Hause aufhielt.  Aber hier kam das Fieber zum Ausbruch, und doch mußte er als Vormund des Bruders der Braut baldigst nach Pfaffroda eilen, um dort noch den Erbvergleich zwischen Jeanette und ihrem Bruder zum Abschluß zu bringen, ohne den die Hochzeit unmöglich schien.  Er schreibt darüber an seinen Bruder:  Dresden, den 1. 4. 1801.  „Morgen muß ich nach Pfaffroda, um — drei Wochen in dem Neste zu bleiben.  Wenn ich jetzt nicht an die Spitze der dortigen Angelegenheiten trete, sterbe ich noch für Verdruß über die elende Verwaltung in allen Teilen.  Meine Heirat ist Anfang Mai festgesetzt, unter der Voraussetzung, daß bis dahin der Erbvergleich konfirmiert wird; ist dies nicht, so gestattet die Regierung durchaus nicht, daß ich Vormund bleibe, und so gern ich auch dies Geschäft abgeben wollte, so wenig will die Familie davon hören.  Kurz, Jeanettens Hand hängt noch von einer Arbeit ab, die ich jetzt angreife und die ich auch, ich weiß es im voraus, beendige, es koste, was es wolle.”

Dazu kamen noch Klatschsucht und Ränke aller Art.  In diesen verderblichen Dunstkreis leuchten der am 8. April 1801 abgefaßte Brief seines Bruders Carl Adolf und Hans Georgs Dankbrief desselben Datums hinein, Briefe, die als getreue Spiegelbilder der damaligen Gesellschaftsverhältnisse in Dresden gelten können.

*

Carl Adolf von Carlowitz an seinen Bruder Hans Georg.  Liebstadt, 8. 4. 1801.  „Lieber Bruder! . . . Einen Tag aß ich mit dem Rittmeister Bosen (v. Bose) beim Traiteur Lehmann [in Dresden], wo Offiziere der Garde zu Fuß hinkamen, die mich nicht kannten.  Das Gespräch kam auf die S.[chönberg].  Man zog ihre Figur und ihren Anstand sehr bitter durch und ließ ihr bloß das Hauptverdienst des Reichtums.  Zuletzt versicherte einer ganz offiziell, daß aus ihrer Heirat mit dem Menschen, mit dem sie versprochen gewesen wäre, nichts würde.  — ,Wie heißt der Mensch‘, fragte ein Dritter — man nannte Deinen Namen, und nun sahen mich verschiedene an.  Der ,Mensch‘ verdroß mich — ich sagte:  Die Sache hat viel Ähnliches mit dem Besitz des linken Rheinufers — man redet und wünscht viel — weiß bestimmt garnichts — wahrscheinlich aber behält’s der, der Mainz hat — und damit reckte ich die Hand wie eine Kralle empor, woran ich den Ehering stecken habe — es entstand ein rasendes Gelächter, — der Offizier wurde rot, über und über — und kein Mensch sprach ein Wort weiter.

Wie alle weg waren, redete ich mit Bosen allein über die Sache, und er versicherte mich, daß er mir den anderen Tag bestimmte Nachricht von der eigentlichen Lage geben wolle, weil er verschiedene Herren näher sondieren wollte.  Ich wollte Dir von Dresden aus schreiben, allein den anderen Tag versicherte mich Bose, ich könnte ganz unbesorgt sein, die ganzen Nachrichten wären possenhaftes Gewäsch und weiter nichts — die Sache sei im besten Gleise und im Hopfgartenschen Hause ahnte kein Mensch etwas von dem Gemurmel der Partien=Jäger.”

Hans Georg von C. an seinen Bruder Carl Adolf.

Pfaffroda, 8. 4. 1801.  „Tausend Dank für Deinen freundschaftlichen Brief.  Er hat mich völlig beruhigt und unendlich gefreut.  Ganz Dresden hat unrecht und — Bose allein hat recht.  — Nie bin ich mit mehr Wohlwollen von Jeanetten und ihren Verwandten mit mehr Auszeichnung aufgenommen worden als eben jetzt in Dresden, und auf den 12. Mai ist unsere Heirat für das Publikum festgesetzt.  Du hast recht, daß Du Dich nicht nach Dresden wagst, — jetzt sehe ich es mehr ein als je.  Seine Reputation kann man bei dem Gesindel verlieren, aber erwerben kann man keine — und wenn man die Kerle zu Dutzenden erwürgte.  Man mißbilligt mein Betragen aus sehr richtigen Gründen, denn ich bin erstaunend brüsk gegen den Pöbel, von dem ich weiß, daß er mir übel will.  Meine Verachtung gegen ihn hat sich durch die elende Art, wie er mir zu schaden suchte, gegründet, aber sie ist bis zur Verfolgung gestiegen, da keiner von so vielen das Herz hat — nicht etwa mich öffentlich anzugreifen, das wäre zuviel vorausgesetzt, — nein, nur gegen meine öffentlichen Angriffe sich öffentlich zu verteidigen.  Niemand paßt weniger zum Don Quichotte als ich, und doch preßt mich der Zufall nun schon seit sieben Jahren in eine ähnliche Lage.  Kann ich einem Gegner noch ganz auf die Spur kommen, so nehme ich ihn doch bei den Ohren, und für Dein Diner bei Lehmanns gäb’ ich 100 L’dor.

Jeanette wundert sich, daß ich so heftig über albernes Gewäsch sein kann, das sie ebenso gut als ich weiß, aber nur mit Verachtung ignoriert.  Über das Gewäsch bin ich auch nicht böse, über die Bosheit nur, die es veranlaßte, und über die niedrige Kriecherei, wenn ich vis à vis den kontemplativen Spektatoren stehe.  Du kannst mir zutrauen, daß auch ich nicht wieder sobald nach Dresden kommen werde, wenn einmal Jeanette bei mir ist . . .”

Übrigens nahm der Vormund Jeanettens in diesem häßlichen Spiel der Intriguen und Kabalen durchaus für den Bräutigam Partei, und das Hopfgartensche Haus, das sich in einem schönen Garten etwa an der Stelle von „Lüdickes Wintergarten” befand, also auf dem Areal zwischen der Gerock= und Elisenstraße, wurde später für Hans Georg und Jeanette ein Ort echt verwandtschaftlichen Verkehrs und geselliger Freuden.

Endlich am 21. Mai 1801 läuteten dem vielgeprüften Paare die Hochzeitsglocken in der evangelischen Hofkirche zu Dresden.  Die Kirchenbücher melden, daß der Hofprediger D. Hacker die Trauung vollzog.  Wir wissen es auch aus dem Briefe Hans Georgs an Jeanette vom 2. Januar 1804, worin er erzählt, der Hofprediger Hacker habe ihn bei einer Hoffestlichkeit gefragt, wie er mit der Frau zufrieden sei, die er ihm gegeben habe.

Viele Tage lang vor der Hochzeit waren die Wagen von Pfaffroda meist unter sicherer Bedeckung nach Oberschöna gefahren, um das Hausgerät, die Wäsche, die Kleider und das Silberzeug Jeanettens in ihren neuen Wohnort zu bringen.  Während der letzten Wochen hausten die Maler, Tapezierer und andere Handwerker in dem einstweilen zum Herrenhause einzurichtenden Wirtschaftsgebäude, um alles für die junge Frau schön herzurichten.  Denn das eigentliche Schloß Oberschöna lag noch vom Siebenjährigen Kriege her, seit 1761, in Schutt und Asche[1].  Das Getöse der Arbeiter war derart, daß Hans Georg am 15. Mai 1801 schreibt:  „Der Lärm im Hause wird mir zu groß, kein Winkel war mehr ruhig, ich bin also auf die Insel (noch heute im Schloßteiche erhalten) gezogen und bin schon so einheimisch geworden, als ob ich lebenslang da bleiben sollte.  Bis zu Deiner Ankunft wird die ganze Einrichtung der Zimmer zustande sein, aber die Maler und Tapezierer arbeiten auch halbe Nächte durch.”  Unter welchen Veranstaltungen und Festlichkeiten die junge Gutsherrschaft in Oberschöna vom Verwalter, Gesinde, den Gutsuntertanen und den Freunden aus Pfaffroda und den benachbarten Gütern empfangen wurde, entzieht sich unserer Kenntnis, aber aus welcher freundschaftlichen Gesinnung, ja Begeisterung das geschah, das schließen wir aus dem Briefe, den Hans Georg am 8. April 1801 aus Pfaffroda an seine Jeanette richtete:  „Auf die Nachricht von meiner Ankunft kamen ganze Scharen Deiner Verehrer aus der Nähe und Ferne bei mir zusammen — nicht meinetwegen, sondern wegen Dir, meine Geliebte, wegen Dir, dem Genius der hiesigen Gegend.  Die Sophie, Friederike, Hartwigs, das ganze übrige Haus, Kraußens, Brauers, Wiese, Kranz; alle, die ich sah, empfehlen sich Deiner Gnade und erwarten mit Ungeduld Deine Rückkehr . . .”

Der Sommer 1801 scheint dem jungen Paare in Oberschöna, Pfaffroda und Forchheim im ungestörten Genuß der Flitterwochen vergangen zu sein; daran schloß sich in der zweiten Hälfte des Augusts ein zweiwöchiger gemeinsamer Aufenthalt in Karlsbad (s. Hans Georgs Urlaubsgesuch usw. HStA. Loc. 32743 Gener. Nr. 826b vol. II, fol. 107f.), der Anfang des Herbstes aber brachte den jungen Gatten die erste Trennung, als Hans Georg in allerhand Geschäften nach Leipzig und von da noch Merseburg fuhr, um sich dort an Stelle des aus dem Domkapitel ausgeschiedenen Grafen Einsiedel zum Domherrn investieren zu lassen.  Drei sehr anziehende Briefe berichten von seinen Reiseerlebnissen und vor allem von seiner unstillbaren Sehnsucht nach der Geliebten.

Seit dem Weihnachtsfeste stand die Sorge um die Niederkunft der jungen Frau im Vordergrunde alles Handelns.  Sie litt öfters an sogenannten Brustkrämpfen.  Unter diesen Umständen siedelte das junge Paar auf einige Monate nach Freiburg über.  Der erste von dort an den Bruder Carl Adolf geschriebene Brief ist vom 26. Januar 1802.  Wie sorglich Hans Georg war, geht daraus hervor, daß er schon am 25. Februar einen geschickten Akkoucheur ins Haus genommen und außerdem zwei Hebammen und einen Arzt zur Besorgung der Frau angenommen hatte.  Aber seine Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt.  Erst am 1. April 1802 wurde ihm sein Sohn Albert in Freiberg geboren.  Dieser nahm selbstverständlich im Gemütsleben des Vaters bald einen wichtigen Platz ein; in jedem Briefe des Abwesenden an die Frau wird er erwähnt.  Als der Vater in Merseburg Domherr wird und die Ahnenprobe sehr leicht bestanden hat, fragt er noch vor der Geburt des Kindes Jeanette in seinem Brief:  „Ob man unseren Kronprinzen wohl ebenso gut durchlassen wird?”  Am 17. Dezember 1805 schreibt er mit Bezug auf den dreijährigen Sohn:  „Habe ich Dir schon gesagt, daß Herr Jahn (bisher Hofmeister beim Bruder Jeanettens) mit mir überein gekommen ist, Alberts Hofmeister zu werden?  Ich glaube an ihm eine große Akquisition gemacht zu haben und habe Albert einen Dienst getan, den er mir als Staatsminister noch danken wird.” In der Tat übertrug der König Friedrich August II. Im Jahre 1846 das Staatsministerium der Justiz an Albert von Carlowitz.  Im Dezember 1848 berief ihn Friedrich Wilhelm IV. Zu den Potsdamer Verhandlungen über eine neue preußische Verfassung, 1866 war er Mitglied des konstituierenden norddeutschen Reichstags, am 9. August 1874 starb er kinderlos auf dem Weinbergsgrundstück Wackerbarths Ruhe in der Niederlößnitz.

Geringer beurteilte der Vater damals die Fähigkeiten seines zweiten Sohnes Ernst Maximilian (geb. 11. August 1803 zu Oberschöna), wenn er im Sommer 1805 schreibt:  „Ich riskiere alles, um Alberten meiner höchsten Protektion zu versichern, denn er wird doch einmal mein Nachfolger im Reiche, indes Ernst auf der Öderschen Reutbahn höchstens Pferde dressiert.”  Aber auch Ernst hat, wenn auch dem Bruder an Selbständigkeit des Geistes nachstehend, eine beachtliche diplomatische Laufbahn zurückgelegt.  Ihm war es vergönnt, den Oberschönaer Zweig der Familie fortzupflanzen:  Günter von Carlowitz, bis 1932 Besitzer von Oberschöna, ist sein Enkel.

Das dritte Kind der Ehe war endlich das ersehnte Mädchen:

Ottilie Jeanette Clementine (geb. In Dresden am 28. Dezember 1804).  Von ihr schreibt der Vater am 30. Dezember 1805:  „Das Mädchen hat ein Air de famille, es sieht Carlowizen von Rauenstein ähnlich, ich wollte aber, es sähe garnicht in unsere Familie.” Sie verheiratete sich am 30. Aug. 1830 mit dem kurfürstl.  Hessischen Generalmajor von Altenbockum († 1841), starb am 21. Okt. 1886 und hinterließ eine für die Familiengeschichte wichtige Selbstbiographie.

Das vierte Kind Pauline (geb. 22. 4. 1806, gest. 21. 2. 1872) vermählte sich mit dem späteren Geh. Legationsrat und Abteilungschef im auswärtigen Ministerium in Berlin Friedrich Carl von Bülow.

Der dritte Sohn Woldemar (geb. 31. 1. 1808, gest. 12. 12. 1892) trat aus dem sächsischen Heeresdienst 1831 in die neugebildete belgische Armee und stieg in ihr bis zum Obersten und zum Kommandanten der Festung Mecheln.  Er verlebte sein Alter in Freiberg und hinterließ sein ansehnliches Vermögen zur Vergrößerung des Majorats Oberschöna.

Als Jeanette der Geburt des zweiten Kindes entgegenging, verlor der Vater fast die Geduld, noch länger auf die von ihm erhoffte und verdiente Anstellung in einem ausreichend besoldeten Staatsamte Sachsens zu warten.  Zwar war er Assessor des Oberhofgerichts in Leipzig und bezog als solcher einen kleinen Gehalt, aber für seine Tätigkeit als „überzähliger” Amtshauptmann in drei weitläufigen Ämtern bezog er weder Gehalt noch Tagegelder für die vielen erforderlichen Reisen; nur ein Vorspannpatent wurde ihm von Jahr zu Jahr immer wieder verliehen.  Es hing von der Sterblichkeit der Vordermänner, von der größeren oder geringeren Einsicht des Herrschers, aber auch vom Stande der gesamten Staatswirtschaft ab, wie lange es dauerte, ehe sich ein „Überzähliger” zu einer bezahlten Stellung durcharbeitete.

Nicht jeder wurde von diesem veralteten System so schwer geschädigt wie Hans Georg.  Er war wohl dazu berechtigt, wenn er am 22. Januar 1803 von Oberschöna aus eine bewegliche Bittschrift an den Kurfürsten richtete, in der es heißt:  „Ohngeachtet nun die durch mein Offizium veranlaßte oftmalige und bisweilen langwierige Entfernung von meinen Angelegenheiten mir schon manchen Verlust zuzog und die häufigen Reisen, der Aufenthalt in fremden Orten viele bare Ausgaben verursachten, wobei ich nur eine wegen der im Jahre 1798 bei Dippoldiswalde ausgebrochenen Viehseuche mir gnädigst erteilte Kommission submissest erwähne, die mich zehn Wochen vom Hause entfernte und mehrere hundert Taler kostete, so habe ich doch nie gewagt, Ew. Kurfürstl.  Durchlaucht mit einem untertänigsten Gesuche um einigen Ersatz zu behelligen . . . Allein jetzt, gnädigster Herr, da beinahe mein achtes Dienstjahr verflossen ist, da jener durch offizielle Reisen verursachte Verlust und Aufwand wegen der häufiger vorfallenden Geschäfte und großen Teuerung sich beträchtlich vermehrt und mit der zu entrichtenden Personensteuer, den zu bezahlenden Kopialien und anderen dergleichen Ausgaben zusammengerechnet, eine Summe erreicht hat, die ich aus meinem eigenen Vermögen fast nicht mehr zu tragen imstande bin, unterfange ich mich, Ew. Kurfürstl.  Durchlaucht um gnädigste Bewilligung einer Interimsbesoldung submissest zu bitten etc.”

Der Kurfürst wußte sich sehr zurückzuhalten:  er gab dem Bittsteller in der Erwartung, daß sich bald eine passende Stelle für ihn finden werde, zunächst keinerlei Entschädigung.  Als aber im Sommer 1803 eine Supernumerar=Obersteuer=Einnehmerstelle frei wurde, gab er diese am 2. Juli 1803 dem bisherigen besoldeten Amtshauptmann im Erzgebirgischen Kreise Hans Georg von Watzdorf, der einige Monate dienstälter war, beließ ihm aber außerdem die besoldete Amtshauptmannstelle, auf die sich Carlowitz Hoffnung gemacht hatte und entschädigte Carlowitz (1803) durch ein mageres Interimsgehalt von jährlich 200 Talern.

Diese für Carlowitz sehr unvorteilhafte Regelung drückte ihn um so mehr, als er gerade damals für den Neubau des Herrenhauses in Oberschöna große Summen aufzubringen hatte (s. S. 57, A. 1).  Der Gedanke, Oberschöna wieder aufzubauen, beschäftigte Hans Georg schon bald nach dem Tode des Vaters.  Er schreibt an seinen Bruder Carl Adolf am 7. Dezember 1793:  „Von Oberschöna habe ich . . . meiner Mutter einen Riß geschickt, wie ich Oberschöna bauen will.  Schreibe mir doch, wie Dir mein Bauplan gefällt, und tadle ihn, wo er Dir mißfällt, da mir viel daran liegt, daß es Dir einmal bei mir in Oberschöna gefällt.”  Und am 8. 4. 1794:  „Bis jetzt ist der ganze Plan noch nicht zustande, ich selbst bin noch nicht entschlossen, wie ich mich am besten rette, es kann aber dieses Frühjahr nichts geschehen als die Abtragung der alten Mauern, so weit sie zum Soutient der Keller=Scheuer entbehrlich sind, denn da ich das Bauholz erst im Dezember fällen lassen kann, jetzt weder Steine noch Werkstücke noch Bretter habe, so ists gar nicht möglich, heuer schon mit dem Aufbau anzufangen.”  Auch als Hans Georgs Verheiratung bevorstand, wurde wohl ein Wirtschaftsgebäude als verläufige Herrschaftswohnung eingerichtet, aber der Schloßbau noch nicht begonnen.  Die ersten Pläne dazu hatte der Universitätsbaumeister Siegel in Leipzig entworfen; sie wurden nicht ausgeführt.  Darnach finden wir Hans Georg in Verbindung mit dem berühmten Leipziger Baudirektor Johann Friedrich Carl Dauthe (geb. 1749, gest. 1816), der der alten Nikolaikirche ihr eigenartiges, die Pfeiler mit Palmen unwindendes Stuck= und Marmorkleid übergelegt und 1780 den wegen seiner schönen Akustik unvergessenen Gewandhaussaal in Leipzig geschaffen hat.  Dieser gehört zu den begabtesten und eigenartigsten Vertretern des Klassizismus, insbesondere des Stiles Louis Seize, jedoch nicht ohne eine persönliche Note.  Seine Pläne für Oberschöna bewegen sich in der Form einer schlichten, hier und da etwas feierlichen Vornehmheit; daher der griechische Giebel des Mittelbaues und das sehr stark hervorgehobene, das Hauptstück der ganzen Anlage bildende Treppenhaus mit der in kühnen Bogen und in zwei Bahnen etwas unbequem aufwärts leitenden Treppe.  Ausgeführt wurde der Bau unter der Leitung des jungen Architekten Koch 1803 bis 1804.  Doch weicht die Ausführung von Dauthes Plänen ab:  es fehlen, wohl aus technischen Gründen, die Fenster des Kellergeschosses, das in der Hauptsache wohl noch von dem älteren Haus herrührt (s. oben), und vor allem die schöne, in zwei Windungen einem offenen Podest zustrebende Treppe, auf der man aus dem Speisesaal des Erdgeschosses in den Garten gelangen sollte, ebenso die beiden Terrassen, die die Flügel des Schlosses nach rechts und links hin verlängern sollten.  Nach einer Briefstelle hat Hans Georg auch einmal bei dem Dresdner Meister des natürlichen Gartenstils, bei Christian Schuricht, über den Oberschönaer Bau sich Rat geholt.  Überdies wurde, wie einzelne Briefstellen beweisen, an der inneren Einrichtung und an den Figuren des Vordergiebels, auch noch in den folgenden Jahren gearbeitet (Akta den Bau eines neuen herrschaftlichen Wohnhauses auf dem Rittergut Oberschöna betr. 1800 etc.  Darin fol. 56 ein Brief Dauthes vom 11. März 1803.)

Carlowitz war, wie seine Briefe zeigen (s. unten) durch die ihn betreffenden Verfügungen des Kurfürsten sehr erregt, wollte den sächsischen Staatsdienst am liebsten verlassen und sich in Bayern eine Anstellung suchen.  Zwar wurde ihm nachträglich versprochen, daß er die nächste offen werdende Stelle als Geheimer Finanzrat bestimmt erhalten werde, aber Hans Georg verläßt sich nicht auf die Zusage des Präsidenten des Obersteuerkollegiums, „weil der Kurfürst nichts davon weiß und auch bekanntlich von niemand etwas anhört”.  Hans Georg fährt dann fort:  „Wahrscheinlich, höchstwahrscheinlich schlägt auch dieser letzte Versuch fehl, meinem Vaterlande meine ferneren Dienste zu widmen, und ich suche dann mit desto ruhigerem Bewußtsein ein neues, weil ich meine Zurücksetzung hier bei aller Protektion, bei aller Zufriedenheit mit meiner Dienstleistung nun für einen Wink der Vorsehung halten muß — weil nichts unversucht blieb, mir mein altes Vaterland zu erhalten.  Auch an den fernen Ufern der Donau kann ich für das Beste der Menschheit wirksam sein, und der Richter der Welt wird mich nicht nach dem, was ich in Sachsen, sondern nach dem, was ich den Menschen genutzt habe, richten.”

In dieser Zeit hatte Hans Georg auch in der eigenen Familie unangenehme Zerwürfnisse mit seinen beiden jüngeren Brüdern Friedrich (Fritz geb. 1774), Besitzer des Vorwerks Steina bei Hartha und seit 1795 auch von Kroptewitz bei Leisnig, und Franz (geb. 1779), die mit ihrem Erbteil und der Verwaltung desselben während der Zeit ihrer Minderjährigkeit nicht zufrieden waren; außerdem befand sich Fritz mit seiner Frau in einem tiefgehenden Zerwürfnis, das auch durch ein mehrfaches Eingreifen Hans Georgs (s. seine Briefe an Carl Adolf 1800—1804 A. K.) nicht beseitigt werden konnte.  Franz hatte später Liebstadt von seinem Bruder Carl Adolf gepachtet und starb dort am 8. März 1808.

Für den Schulverbesserungsplan des Seminardirektors Dinter (1760—1831) hegte Hans Georg damals das lebhafteste Interesse und verbreitete ihn mit Hilfe seines Bruders.  Auch wurden beide durch Vermittlung des preußischen Prinzen Ferdinand, nachdem sie durch Vorlegung ihrer Ahnenreihe die Berechtigung dazu nachgewiesen hatten, durch den Ritterschlag auf Schloß Sonneburg bei Küstrin in den Johanniterorden aufgenommen.  Seinen schon oben erwähnten Plan, sich eine Anstellung in Bayern zu suchen, förderte er durch eine im zeitigen Frühjahr 1804 unternommene Reise nach Würzburg, die zugleich einen Güterkauf im Würzburgischen vorbereiten sollte.  Im Mai 1804 plante er im Verein mit seinen Brüdern Carl Adolf und Anton eine gemeinsame Reise nach Würzburg, aber er kam von diesem Gedanken zurück, da ein jüngerer Bruder durch ungeschicktes Auftreten in Bayern in eigenen Angelegenheiten den guten Eindruck der ersten Reise Hans Georgs verdorben hatte.  Damit zerrann aber auch sein Plan, sich eine Anstellung in Bayern zu suchen.


Unterschrift aus dem ersten Jahre der Ehe von Hans Georg von Carlowitz
an Jeanette.


 


[1] Aus Nr. 173 des A.D. „Acta die durch eine unvermutet entstandene Feuers=Brunst erfolgte Einäscherung des Herrenhofes zu Oberschöna betr.”  Ist zu entnehmen, daß das Herrenhaus nebst den Wirtschaftsgebäuden und der Kirche mit dem Glockenturm in der Nacht vom 20.—21. November 1761, als österreichische Kavallerie unter dem General Haddick hier im Winterquartier lag, bis auf die Mauern abgebrannt ist.  Das Feuer brach, wahrscheinlich infolge von Vernachlässigung, gegen 2 Uhr nachts aus dem Dach des Herrenhauses hervor über dem Zimmer, in dem der Feldmarschall=Leutnant Graf von Bellegrin sein Logis hatte.

 

 

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