V. S. NAIPAUL

Widyādhar Sūrajprasād Nāypāl (1932-2018)

[Naipaul im Garten] [Naipaul am Schreibtisch] [Naipaul bei der Verleihung des 
Booker-Preises]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' SEITE
ALS ES NOCH KEIN INTERNET GAB -

Große Reiseschriftsteller des 20. Jahrhunderts

Bis 2018 konnte Dikigoros schreiben, daß dies sein Lieblings-Schriftsteller unter den noch lebenden sei; und an seiner Wertschätzung hat sich auch danach nichts geändert (während viele andere - auch und gerade Reise-Schriftsteller - ihn in den letzten Jahren doch arg enttäuscht haben). Dies, obwohl sein Hindī-Lehrer - ein großer Gelehrter, der Naipaul persönlich kannte und die Übersetzung seiner Werke ins Deutsche betreut hat - ihn genau so beschrieb, wie das alle seine Kritiker tun (sogar die, die ihm ursprünglich wohlwollend gegenüber standen, wie sein langjähriger Freund Paul Theroux): als im zwischenmenschlichen Umgang schwierigen, misanthropen, hochnäsigen Brahmanen, dessen giftiger Sarkasmus an nichts und niemandem ein gutes Haar läßt, der immer etwas zu nörgeln, zu mäkeln und zu kritisieren hat. (Schon sein Gesicht sieht immer aus, als hätte er gerade auf eine Zitrone gebissen.) Deshalb hätte er wohl auch nie den Nobel-Preis für Literatur bekommen, für den er schon wiederholt vorgeschlagen war - denn wer läßt sich schon gerne kritisieren? -, wenn nicht... aber dazu kommen wir gleich. "Mit Rushdie komme ich wesentlich besser zurecht, obwohl der Muslim ist und ich Hindu," pflegte Dikigoros' alter Guru zu sagen, der sehr darunter litt, selber nur ein ("zweitkastiger") Kshatriya zu sein und das Gefühl nicht los wurde, trotz seiner unbestrittenen Verdienste von den ("erstkastigen") Brahmanen nicht als gleichberechtigt angesehen zu werden, auch nicht von diesem Schriftsteller, dessen Sanskrit-Kenntnisse gleich Null und dessen Hindī-Kenntnisse alles andere als überragend sind (Naipaul hatte auf der Schule in Trinidad Lateinisch und Französisch als Fremdsprachen gelernt) - und so einer schreibt nun Bücher über Indien... (Der alte Gelehrte tröstete sich mit dem Gedanken, daß in seiner Heimat, dem Panjāb, viele Erstkastige sich inzwischen als Bedienstete verdingen müssen bei wirtschaftlich erfolgreicheren Leuten aus seiner, der Krieger-Kaste: "Mahārāj ist bei uns gleichbedeutend mit Koch," pflegte er - auf seine Art kaum weniger boshaft als Naipaul - zu sagen.) Von ihm hat Dikigoros gelernt, wie Naipaul richtig heißt. Hinter der Abkürzung "V.S." verbirgt sich vermeintlich - so steht es jedenfalls in einer der ersten deutschen Übersetzungen seiner Werke - ein nichtssagendes "Vidiahar Suraiprassad". Tatsächlich hat Naipaul einen Namen, der Programm ist - wenn man ihn denn richtig liest: Widyā-dhar bedeutet "Wissens-Träger" (gemeint ist natürlich "heiliges, religiöses Wissen", wie es die Kenntnis der Weden vermittelt), Sūraj-prasād "Opfergabe an den Sonnengott (den guten Herrscher)" - ein Name, der fürwahr eines Brahmanen würdig ist und jedem Insider sofort zeigt, welch hoher Abstammung sein Träger nach hinduïstischem Verständnis ist.

Über Naipaul's Erstlingswerke, "Der mystische Masseur" (1957) und "Ein Haus für Herrn Biswas" (1961), zwei autobiografisch angehauchte Romane über Naipaul's Heimat, die West-"Indischen" (also karibischen) Inseln, regte sich noch niemand sonderlich auf, fast ebenso wenig über "Die Mittel-Passage" (1962), die Beschreibung einer Reise durch die Karibik. (Die "gutmenschliche" Ausnahme findet sich hier - aber wohlgemerkt mit fast 40 Jahren Verspätung :-)

Doch dann kam Naipaul die Idee, auf die Suche nach seinen Wurzeln zu gehen, in Indien (wo seine ältere Schwester Kamla Ende der 1940er Jahre als Stipendiatin der indischen Regierung studiert hatte). Resultat seiner zweijährigen Reise - von der Naipaul später sagen sollte, sie sei so traumatisch gewesen, daß sie sein Leben entzwei gebrochen habe - war "Eine Zone der Finsternis" (1964, deutsche Übersetzug unter dem irreführenden Titel "Land der Finsternis. Meine Heimat Indien" - Indien war eben nicht Naipaul's Heimat!), ein Reisebericht, der in der Feststellung gipfelte: "In Indien ist alles Schrott" ("shoddy" ist sein Lieblings-Wort über Indien). Nun kennt Dikigoros Indien recht gut (sicher besser als Naipaul :-) - auch für ihn war seine erste Reise dorthin ein Schlüssel-Erlebnis. Und obwohl er einräumen muß, daß dort tatsächlich Mensch und Material bis zum Äußersten (und das heißt halt oft: bis zur Schrott-Reife) beansprucht werden, hat es ihm dort fast immer sehr gut gefallen. Woher diese unterschiedliche Einschätzung? Vielleicht ist es eine Frage des Erwartungs-Horizonts: Dikigoros freut sich über jeden pünktlichen Zug, jedes saubere Hotel und jedes Restaurant, in dem das Essen gut ist; Naipaul ärgert sich über alles, auf das diese Aussagen nicht zutreffen - und hat deshalb vielleicht öfter Grund als Dikigoros, seine Stimme zu erheben.

Über ein Jahrzehnt später versuchte Naipaul es noch einmal; aber auch nach seiner zweiten großen Indien-Reise fällte er ein nicht minder vernichtendes Urteil: "Indien, eine verwundete Zivilisation" (1977). Gewiß, was er schrieb stimmte durchaus; aber es blieb eine Frage des Standpunkts: Naipaul kam aus der materiell "reichen" westlichen Zivilisation und konnte deshalb die Inder nicht begreifen, die unter Reichtum noch andere, natürlichere Dinge verstehen als ein dickes Bank-Konto und ein schnelles Auto, z.B. den Reichtum an Kindern - für den sie materielle Einschränkungen gerne in Kauf nehmen. Aber wie soll man das der Leserschaft einer kinderfeindlichen Welt vermitteln, bei der ein Spruch wie "Kinder statt Inder" bestenfalls Heiterkeit, meistenteils Unverständnis und schlimmstenfalls Aggressionen auslöst und die glaubt, Inder betrachteten ihre Kinder bloß als Alterssicherung, d.h. als Ersatz für die nicht vorhandene Renten-Versicherung? Die im Winter auf Ski-Urlaub jettet, mit dem Sessel-Lift auf Bergspitzen fährt und auf überfüllten Pisten die Hänge hinab brettert, die einen indischen Pilger, der wochenlang zu Fuß ins Garhwal-Gebirge an die Quellen des Ganges tippelt, unterwegs in schäbigen Unterkünften pennt und fastet, statt im Luxus-Restaurant einzukehren, schlicht für verrückt hält? Die über ärmliche, schmutzige, von Menschen, Affen und Ratten überfüllte Tempel nur die Nase rümpft (Naipaul tut das auch), da doch bei ihr zuhause die prächtigsten Gotteshäuser herum stehen - meist ziemlich leer, aber so bleiben sie wenigstens schön hygienisch-sauber! Nein, Dikigoros ist kein Aussteiger-Typ, aber über Naipaul's Indien-Bücher muß er lächeln. Weniger Humor hatten die ethno-linken Gutmenschen - bei denen war der Aufschrei groß: Wie konnte es ein "Inder" wagen, so etwas über die Heimat seiner Vorfahren zu schreiben? So ein kolonialistischer Nestbeschmutzer...

In der Tat fühlten sich nun erst einmal diejenigen bestätigt, die schon immer meinten, am islamischen Wesen (das immerhin monotheistisch war, also den tausenden hinduistischen "Götzen" theologisch "überlegen") sollte die indische Welt genesen, von alten britischen Kolonial-Offizieren a.D. bis zu pseudo-wissenschaftlichen Mode-Schriftstellerinnen wie Gisela Bonn oder Annemarie Schimmel. Naipaul erteilte ihnen die passende Antwort in "Unter den Gläubigen. Eine islamische Reise" (1981), Resultat einer Reise, die ihn - wie zur gleichen Zeit Dikigoros - durch den Iran, Pākistān, Malaysia und Indonesien geführt hatte. (Interessiert Euch übrigens, wie man "Among the Believers" ins Indische übersetzt? Bitte sehr: "Amãg dä bilīwars" :-) Mit beißendem Sarkasmus schildert er die "Errungenschaften" der muslimischen Religion in diesen Ländern - nun war er auch dort persona non grata. Bereits zuvor hatte Naipaul in "Guerillas" (1975) und "Ein Knick im Fluß" (1979, deutsche Übersetzung unter dem Titel "An der Biegung des großen Flusses") das düstere Schicksal des schwarzen Kontinents behandelt (er hatte dort - wie sein Freund Theroux - als Entwicklungshelfer gearbeitet), nachdem "die verwünschte Sonne der Unabhängigkeit über Afrika aufging", nachdem "die Weißen vertrieben und ihre Denkmäler zerstört waren" und als bereits abzusehen war, daß nach der "Entkolonisierung" auch die Inder vertrieben werden würden - die zusammen mit den Europäern das politische und wirtschaftliche Rückgrat jener Länder gebildet hatten. Nur vordergründig handelt es sich um Romane - Naipaul kann so seine Hauptfigur drastischer formulieren lassen, z.B.: "Was Hunde (er läßt "und Nigger" unausgesprochen :-) brauchen, ist ein ordentlicher Tritt."

Als ob er sich nicht schon zwischen alle Stühle gesetzt hätte, wandte sich Naipaul nun dem Westen zu - der ihn inzwischen für einen seiner engagiertesten Verfechter hielt. "Das Rätsel der Ankunft" (1987) schildert seine eigenen Erfahrungen (und Enttäuschungen), als er als junger Mann in das Mutterland des einstigen Empire kam, nach Groß-Britannien, das längst nur noch dem Namen nach "groß" war. Dahinter verbarg sich eine doch erschreckende materielle und kulturelle Armut, die Naipaul nun mit der gleichen zynischen Kritik - "trockener noch als der Gin, den er dabei trinkt" - beschreibt wie die in Asien und Afrika. Aber das allein macht dieses Buch nicht interessant; es sind vielmehr die Rückblicke auf seine frühen Reisen, mit Erfahrungen und Erkenntnissen, die er damals nicht hatte - und auch nicht haben konnte. Nicht nur die Fahrten nach Indien - das Gelobte Land seiner Fantasie - waren für ihn ein Schock, sondern auch die Rückkehr in die Karibik - die Inseln seiner Erinnerung -, denn nun bemerkte er, wie sie sich geändert hatte: Nach dem Ende der weißen Kolonialherrschaft hattem sich fast überall rassistische Negerregimes gebildet - nicht anders als in den meisten "dekolonisierten" Ländern Afrikas -, unter denen vor allem die wenigen noch verbliebenen Inder litten, die nun erst wußten, was sie an den Weißen gehabt hatten. Und urplötzlich erkannte Naipaul auch, daß er selber 1950 Teil einer "großen Völkerwanderung" war, die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, und mit der nicht nur die Europäer aus ihren einstigen Kolonien in die Heimat zurück kehrten, sondern auch ihre einstigen Untertanen, die sich anschickten, die "Mutterländer" allmählich zu erobern. 37 Jahre, nicht mal ein Menschenalter, hatte ausgereicht, um die Orte so zu verändern, daß sie nicht mehr die seinen waren, wie er schrieb. Wohlgemerkt, ganz emotionslos und durchaus nicht resigniert; er nimmt das vielmehr mit filosofischer Gelassenheit: "Jede Forschungsreise, jedes Buch erweiterte mein Wissen und relativierte meine frühere Vorstellung von mir und der Welt." Und er meinte von ihm selber geschriebene Bücher und die Forschungen, die er dafür anstellen mußte, nicht etwa die Bücher, die andere geschrieben hatten - ganz im Gegenteil: "Die Vorstellung, daß die historische Wahrheit (Naipaul war, wenn er reiste, immer auch auf der Suche nach der Vergangenheit - wie Dikigoros -, denn ohne deren Kenntnis kann man die Gegenwart nicht verstehen) irgendwo in Bibliotheken aufbewahrt wird, in halb heiligen Bänden, mit halb göttlichen Wächtern, haben viele von uns... Doch Bücher sind greifbare Gegenstände, geschaffen oder hergestellt, um einer Nachfrage zu genügen..." Wohl wahr - aber welcher Hüter der Heiligen Grale der so genannten "historischen Wahrheit" will das schon hören? Wundert es Euch, daß so ein bekennender "Relativierer" und potentieller "Revisionist" sich nicht gerade beliebt machte? Solche Untertanen kann die Politik nicht brauchen, und solche Reisende, die auf eigene Faust in der nicht-verordneten Wahrheit herum schnüffeln, schon gar nicht. Nun, die Umerziehung - Glauben statt Wissen - trägt ja schon Früchte, wie Naipaul durchaus richtig erkannt hat, wenn er über die "neue Generation junger Menschen gegen Ende des 20. Jahrhunderts" klagt, die ihr Weltbild nicht mehr aus eigenen Reisen gewinnen, sondern es sich von Politikern und Religionsführern aus zweiter und dritter Hand vorsetzen und sich so verblöden lassen.

Damit nicht genug, ließ Naipaul 1989 "Eine Rundreise im Süden" (deutsche Übersetzung unter dem Titel "In den alten Sklavenstaaten") folgen - er beschreibt darin die Südstaaten der USA wie das tiefste Afrika. Seine Kritik an der "multi-kulturellen Gesellschaft", die bei allen Beteiligten zu "Wurzellosigkeit und Identitäts-Störungen" führt, könnte nicht profunder und radikaler sein. Das pauschal mit "Kultur-Pessimismus" zu umschreiben, wie es einige seiner Gegner tun, trifft die Sache nicht. Naipaul hat seinen eigenen Stil entwickelt, und der ist nun mal "erbarmungslos kritisch", wie es ein Kritiker erbarmungslos genannt hat; er hat nichts mehr gemein mit seinen einstigen literarischen Vorbildern Balzac und Maugham (über den er promoviert hatte).

Exkurs: Macht Ihr Euch auch manchmal Gedanken über die Wandelbarkeit der Buchcover und deren - gewollte oder ungewollte - Symbolik, liebe Leser? Dikigoros bildet die hier ja nicht von ungefähr ab. Er hätte dazu auch schon weiter oben etwas schreiben können, aber an dieser Stelle scheinen sie ihm besonders interessant. Gehen wir dennoch chronologisch vor und lassen die "harmlosen" Frühwerke aus. Ist es nicht ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob das "Land der Finsternis" schon auf dem Buchumschlag düster eingefärbt ist, oder ob, wie in der Neuauflage, eine lichthelle Szene aus dem Himālay einen - völlig unpassender Weise - förmlich anlacht? Oder ob man, wie in der ersten deutschen Ausgabe, mit "Finsternis" eine heidnische Gottheit assoziieren soll oder in der Neuauflage... ja was wohl? Außer den beiden schwarzen Streifen, die der List-Verlag auf jedem der Bücher Naipauls als Untergrund für den hell geschriebenen Autorennamen nebst Titel angebracht hat, fällt einem da nichts zu ein. (Durch das abgebildete, relativ große Fenster müßte eigentlich genug Licht kommen, um drinnen nicht im Finsteren zu sitzen :-) Auch zu einer "verwundeten" Zivilisation oder Kultur paßt der blutrote Umschlag mit der verletzlichen jungen Frau viel besser als der nichtssagende Schriftzug auf dem ersten Cover; dagegen dürfte ein potentieller Leser - der ja zum Kauf angeregt werden soll - einer Miniatur aus der Muģāl-Zeit oder einem imposanten Palast, wie bei der deutschen Ausgabe, beim besten Willen nicht ansehen, was daran "verwundet" sein soll. Und auch die Biegung eines Flusses kann man auf mannigfache Art darstellen: als drei stilisierte Striche - bei denen man schon Mühe hat, überhaupt einen Fluß zu assoziieren -, als häßliche Negerfratzen - damit man gleich ahnt, wo die Geschichte spielt -, als Naturlandschaft, als herunter gekommene Hafenanlage oder... überhaupt nicht, wie in der Mitte! Und wie stellt sich Old Blighty (das ist zwar ein ursprünglich indischer Ausdruck; aber einem Inder aus der Karibik würde er womöglich nichts sagen :-) Old England für einen Neuankömmling aus Übersee dar? Als vollständiges, düsteres Abstraktum? Als ebensolches, aber nur ausschnittsweise und durch die rosarote Brille betrachtet? Als verschneite Winterlandschaft? Oder als bukolisches Idyll, wie bei der deutschen Ausgabe? Aber nun zu den Südstaaten der USA: Auf dem nichtssagenden ersten Cover kommt man gar nicht auf die Idee, daß es um die gehen soll, denn so ein matschiger Waldweg könnte so ziemlich überall liegen - halt irgendwo im Süden irgendeines Landes. Nun ja, wer Dikigoros' immer noch nicht fertige Webseite über Roxanne Dunbar-Ortiz angelesen hat, assoziiert er damit vielleicht - aber auch nur vielleicht - den "roten Dreck" von Oklahoma, das man im weitesten Sinne zu den Südstaaten zählen kann - aber darum geht es in dem Buch gar nicht. Worum es geht, sieht man dagegen auf dem zweiten Cover gleich auf den ersten Blick: Es zeigt ein Denkmal auf General Lee, den Oberbefehlshaber der Konföderierten im Sezessionskrieg, der es aus unerfindlichen Gründen - er war militärisch ein Versager und politisch eine Null - zum Nationalhelden der Südstaaten brachte. Die Yankees plünderten die Südstaaten zwar vollständig aus und zerstörten, was sie nicht mitnehmen konnten; aber sie versuchten nicht - jedenfalls zunächst nicht - sie einer "re-education" zu unterwerfen; anders als im und nach dem Zweiten Weltkrieg in Italien, Frankreich und vor allem Deutschland zerstörten sie auch ihre [Kultur-]Denkmäler nicht; selbst ihre "Helden" durften sie behalten, zumindest für die nächsten anderthalb Jahrhunderte. Dann, im neuen Jahrtausend, geschah das, wovon das mittlere Buchcover - unbeabsichtigt oder nicht? - Zeugnis ablegt: Lee u.a. Südstaatler wurden von left lunatic liberals [linksliberalen Spinnern] politisch korrekten Gutmenschen rückwirkend zu "Nazis", "Rassisten" und "Unmenschen" erklärt; ihre Denkmäler wurden zerstört und ihre Flagge verboten; über ihren symbolischen Grabsteinen flattert nun das Sternenbanner. (Wer weiß, wie lange noch - müßten nicht die weißen Streifen zwischen den blutroten eigentlich durch schwarze Streifen ersetzt werden? Oder gleich die ganze Flagge durch die falschen "Regenbogenfarben" der Schwuchtel-, Lesben- Bi- und Transen-Bewegung LGBT? :-) Und die Befindlichkeiten der deutschen Herausgeber? Das Cover vom List-Verlag findet Dikigoros eigentlich sehr gelungen. Auch für ihn versinnbildlichte das "French Quarter" in New Orleans "die" Südstaaten schlechthin, obwohl er es nur ein paar Mal als Tourist besuchte, jedenfalls viel mehr als Atlanta, wo er einmal lebte und arbeitete. (Aber das war halt "nur" das moderne Atlanta - das alte war ja vom Winde verwehtim Bürgerkrieg zerstört worden -, mit Coca Cola und CNN... Und dennoch - Naipaul hätte das Cover vom dtv-Verlag ganz rechts wahrscheinlich besser gefallen, die Zeichnung mit dem winzig erscheinenden Raddampfer auf dem Mississippi vor den übernatürlich großen Pflanzen, die wie Unkraut in die Höhe sprießen; denn sie versinnbildlichen viel besser das, was er unter den Südstaaten verstand - auch schon 15 Jahre, bevor der Wirbelsturm "Katrina" New Orleans und große Teile der umliegenden Küste vorübergehend in eben jenen "Naturzustand" zurück versetzte. (Vorübergehend? Wer den vorigen Link angeklickt hat, weiß, daß es nicht gar so schnell "vorüber ging"; aber zumindest das "French Quarter" wurde ja bevorzugt wieder aufgebaut - den Touristen zu Liebe, auf deren Kosten man siches sanieren wollte.) Und wenn Dikigoros gleich noch etwas vorgreifen darf: Von den folgenden vier Buchdeckeln scheint ihm kein einziger zum Inhalt zu passen - die beiden äußeren sowieso nicht, und von den beiden inneren zeigt der linke eine durchaus friedliche Menschenmenge, und der rechte ist eine schlecht getürkte Foto-Montage, denn er zeigt den Goldenen Tempel von Amritsar im Hintergrund und im Vordergrund Turbanträger, die garantiert keine Sikhs sind, denn die tragen ganz andere Kopfbedeckungen. Exkurs Ende.

Keine zwei Jahrzehnte später - Naipaul sollte es noch mit erleben - griff in den USA zum ersten Mal ein [Halb-]Neger nach der politischen Macht, die dort das Präsidentenamt verleiht. Aber es war kein Nachkomme jener Sklaven, wie sie im Süden (und nicht nur dort) lebten, denn die kamen ja von der afrikanischen Westküste. Nein, er kam ganz im Gegenteil von der Ostküste, war in Kenya geboren - sein Vater war ein Häuptling vom Stamme der Luo -, in Indonesien als Muslim aufgewachsen und mit einem Ausländer-Stipendium in die USA gekommen. Die überwiegend weißen Wähler der DemocrapsDemocrats stellten ihn auf - kann es einen besseren Beweis geben für Naipauls These, daß auch die an "Wurzellosigkeit und Identitäts-Störungen" litten? Die Schwarzen, die ihn wählten sowieso, denn Barack Hussein Obama war ja wie gesagt gar keiner der ihren, die sie durchweg anderen Ethnien angehörten.

Naipaul's drittes Indien-Buch: "Indien. Eine Million Meuterer jetzt" (1990, deutsche Übersetzung unter dem Titel "Ein Land in Aufruhr") betitelte er so in Anlehnung an die "große Meuterei" im 19. Jahrhundert. Es ist ein reifes Alterswerk, mit großem Hintergrundwissen geschrieben, aber ihm fehlt die Unbefangenheit und Spontaneität seiner beiden Vorgänger. Naipaul war halt inzwischen weltberühmt; er konnte nicht mehr unerkannt und unbelästigt durch die Lande fahren, sondern jeder versuchte, ihm Indien von seiner besten Seite zu zeigen - freilich ohne ihn letztlich zu überzeugen. Auch die muslimischen Staaten durfte er noch einmal besuchen, ohne sich bekehren zu lassen: "Jenseits des Glaubens. Unter den bekehrten Völkern" (1998) heißt sein jüngstes Werk. Und allen, die ihn darob als "brahmanischen Muslim-Fresser" zu verunglimpfen suchen, hält er nur entgegen, daß er seit Jahren in zweiter Ehe mit einer Muslimin verheiratet ist: der pakistanischen Schriftstellerin Nadir Alwī. Zuletzt hat Naipaul mit dem - bewußten und vorsätzlichen - Tritt in ein weiteres politisches Fettnäpfchen von sich reden gemacht: So wie er einst Mobutu, den blutrünstigen Diktator und Totengräber des Kongo, demaskiert hatte (ja, liebe Leser, angesichts der vielen dummen Ethno-Linken, die so manches, was in der "Dritten Welt" vor sich ging, nicht durchschauten und auch gar nicht durchschauen wollten, war das durchaus demaskierend), so riß er zwei Jahrzehnte später dem britischen Polit-Clown Blair seine ewig grinsende Maske vom Gesicht, geißelte ihn als "Piraten", Philister und Totengräber der englischen Kultur und verglich ihn mit seinem Freund, dem rhodesischen Banditen Mugabe. Aber da war Naipaul längst zur Unperson geworden - und das verdankte er nicht zuletzt dem Schriftsteller, den Dikigoros Euch im nächsten Kapitel dieser "Reise durch die Vergangenheit" vorstellen will.

[Nobelpreis für Literatur]

So endete die Ursprungsfassung dieses Kapitels vom September 2000. Ein Jahr später war alles anders: Nach dem Kamikaze-Angriff islamischer Terroristen auf das World Trade Center in New York City war Naipaul plötzlich nicht mehr der unverbesserliche, griesgrämige Kritikaster, der die braven Muslime runtermachen wollte, sondern ein weiser alter Mann, der das alles vorausgesehen und rechtzeitig gewarnt hatte. Endlich wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen; Und alle Kritiker, die ihn bisher verrissen hatten, beeilten sich, ihn mit Lob zu überschütten. Insofern ist diese Seite jetzt beinahe überflüssig geworden, denn nun braucht Dikigoros keinen Reisenden mehr vorzustellen, der im deutschsprachigen Raum fast unbekannt ist, sondern könnte noch selber etwas dazu lernen aus der Fülle des Materials, das allenthalben über Naipaul zusammen getragen wird. Dennoch bevorzugt er nach wie vor, dies durch die Bücher Naipauls selber zu tun, und kurz nach der Preisverleihung erschien denn auch sein bisher letzter autobiografischer Roman: "Ein halbes Leben".

(...)

Auch Dikigoros ist sein halbes Erwachsenen-Leben durch die Welt gereist. Wie oben dargelegt, hat er vieles ähnlich, aber einiges auch ganz anders gesehen als Naipaul, und lange dachte er, daß seine Sichtweise die richtige sein müsse. Aber im Rückblick hat er erkannt, daß die Wahrheit - wenn es die" Wahrheit denn überhaupt gibt - auf solchen Reisen (und auch, wenn man zu Hause bleibt und "nur" sein eigenes Land betrachtet :-) immer nur ein Ausschnitt ist, abhängig von Raum und Zeit. Dikigoros hatte das Glück - das er erst jetzt, im Alter, richtig zu schätzen weiß - Länder wie England, Indien und die USA (und noch ein paar andere, die Naipaul aber nicht bereiste :-) in ihrer besten - oder jedenfalls ihrer letzten guten - Zeit kennen zu lernen. Vielleicht war er auch zu blind oder zu blauäugig, um den Keim des Verfalls zu erkennen, den sie wahrscheinlich damals schon in sich trugen, und den Naipaul messerscharf sah und zu Papier brachte. Umso mehr ist sein Respekt für den letzteren im Laufe der Jahre gewachsen.

Naipaul veröffentlichte noch ein weiteres Buch - für das ihn seine alten Kritikaster[innen] wieder übel anfeindeten: "Abschied von Eldorado". Das sei doch keine sauber recherchierte, geschweige denn vollständige Kolonialgeschichte, sondern eine episodenhafte Anreihung von Einzelschicksalen; und es mangele Naipaul noch immer an dem von den Gutmenschen doch nun lange genug als politisch korrekt verordneten "Mitgefühl" mit den armen, ausgebeuteten Kolonialvölkern... Stimmt, liebe Leser, stimmt. Das ist keine universelle, politisch-korrekte "Kolonialgeschichte", wie sie ein Schreibtisch-Historiker verfaßt hätte, sondern eine Reise durch die Vergangenheit der Kolonien, speziell seiner Heimat. Und sie ist ganz unsentimental - na und? Sonst wäre Naipaul ja nicht mehr Naipaul - oder soll er, nur weil er den Literatur-Nobelpreis verliehen bekommen hat, jetzt auf seine alten Tage genauso jämmerlich daher schmieren wie die anderen, die ihn - mit viel weniger Recht - vor und nach ihm erhalten haben? Dann wäre er ja nicht mehr Naipaul... Und so haben seine Fans - die ja allmählich immer mehr werden - allen gutmenschlichen Anfeindungen zum Trotze auch dieses Buch wieder mit klammheimlicher Freude gelesen.

[Abschied von Eldorado]

Und, wie das so ist, verschwand mit der weltweiten Anerkennung auch der bittere Zug aus Naipauls Gesicht. Jetzt sieht er annähernd aus wie ein zufriedener alter Mann, der erreicht hat, was er wollte: den Menschen die Augen öffnen für die Welt, so wie er sie auf auf seinen Reisen gesehen hatte.

* * * * *

Aber ach, liebe Leser, das Gedächtnis der Menschen ist kurz, und im neuen Jahrtausend gilt das mehr denn je. Der Nobelpreis für Literatur - der eine Zeit lang die Neuauflagen aller Bücher Naipauls zierte - verlor immer mehr an Ansehen (und das zu Recht), ebenso die Kämpfer gegen den verfluchten Islam. In aller Welt kamen islamofile Verbrecher-Regimes an die Macht, zuerst in Frankreich und der BRDDR, dann wählten sogar die USA einen kenyanischen Krypto-Muslim zum Präsidenten. Am schlimmsten aber erwischte es England, genauer gesagt London, Naipauls Wahlheimat: Dort wählte die mittlerweile mehrheitlich muslimische Bevölkerungsmehrheit einen einen ihren zum Bürgermeister - dazu noch einen fundamentlistischen Hardliner, der die einstige Hauptstadt des britischen Empire seelenruhig in einen Hort des Islam umwandeln konnte, wo alles Christliche aus der Öffentlichkeit verbannt ist, während überall muslimische Propaganda gemacht wird, sogar auf öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Steuergeldern.

Und als Naipaul im Alter von 86 Jahren für immer die Augen schloß, las man in den politisch-korrekten Mainstream-Medien gehässige Nachrufe, nach dem Motto: "Nun ist er endlich bei den Gläubigen..." Dikigoros hat lange geschwankt, welches Bild er daneben setzen soll: Das mit dem Big Ben, welches den Titel eines Romans von Ernest Hemingway - "For Whom the Bell Tolls [Wem die Stunde schlägt]" - versinnbildlicht, oder das aus dem Film "London has Fallen" - über den er an anderer Stelle schreibt (ebenfalls am Ende) -; dann hat er sich für beide entschieden.

Warum? Nun, irgendwie gehören sie doch zusammen: Wie Ihr seht, haben die muslimischen Terroristen bei der Zerstörung der Londoner Wahrzeichen den "Big Ben" ausgespart - sie wollen ihn umwandeln in ein Minar für die neue Westminster-Moschee! Aber das mit zu erleben blieb Naipaul zum Glück erspart; und da er als Hindu das Krematorium dem Friedhof vorgezogen hat, braucht er sich auch in ein paar Jahren, wenn es so weit ist, nicht im Grabe umzudrehen...


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