Do widzenia Zakopane

Dies ist keine Geschichte po polsku, aber sie ist hat unbedingt polnischen Charakter. Ungefähr so wie mein Ehemann Georg, der sich stark zu seiner im ehemaligen Oberschlesien lebenden Cousine hingezogen fühlt. Mindestens einmal im Jahr muss er sie besuchen, genauer gesagt, müssen wir sie besuchen. Und jetzt wo sie aufs Land gezogen ist, erst recht. Zugegeben befindet sich ihr renoviertes altes Landhaus wunderschön gelegen, inmitten eines Rapsfeldes. Und zur Blütezeit macht es sogar richtig Spaß, die gelbgestrichene Chata erst auf den zweiten Blick erspähen zu können. Mal abgesehen vom leuchtend roten Blechdach, bringt der blau gestrichene Zaun den Rest-Farbe malerisch ins Spiel. Bemerkenswert, wie die Cousine es schafft, mit so wenig Aufwand so viel Frische ins Triste zu bringen. Angefangen von bunten Übergardinen welche sämtliche Fenster schmücken, sollten die an Farbenpracht alles übertreffenden Brücken und Teppiche verboten werden. Ich meine natürlich damit das Betreten, denn sicherlich waren die überall herumliegenden Szmatas bestimmt nicht billig. Aber gleichzeitig sollte man auch Verständnis aufbringen, denn schließlich müssen in irgendeiner Form die wunderschönen uralten knarrenden Holzdielen geschützt werden.

Nachdem mein Mann und ich zwei Tage von der Cousine und ihrem aus der Ukraine stammenden Ehemann von früh morgens bis abends spät abends polnisch -vom Feinsten- bekocht wurden, beschlossen wir im Eifer des zungenbrecherischen Wortgefechtes noch einige Tage in der Tatry zu verbringen. Natürlich nur nach vorheriger Inaugenscheinnahme der "Schwarzen Madonna" in Czestochowa. Fast päbstlicher als der Pabst verabschiedeten wir uns mit "do widzenia" von den Lieben, Male Borki und natürlich Bytom. Ehrlich gesagt, fällt mir zu Bytom überhaupt nichts ein, außer dass mein Mann dort das Licht des Lebens vor 52 Jahren erblickte. Welch Gerüche aus solcher einer großen bzw. rissigen Großstadt die Geruchsorgane belästigen, kann man sich wohl vorstellen. Entschädigt fühlte ich mich daher in Krakow. Von leckeren Grillgerüchen angezogen, landeten wir in einer der urigsten Lokale die ich je gesehen habe. Echt cool, was man dort den Gästen bot, deshalb zogen wir es auch vor, die Jacke anzubehalten. Von Grillfleisch mit Kartoffeln vom Feuer und Kapusta, vorab einer verpfefferten Roten Burak Suppe, wurde es uns dann doch etwas wärmer. Aber so richtig heiß ging es in der historischen Altstadt zu. Menschenmassen von Schulklassen und Reisegruppen ohne Ende stürzten durch die Gassen, dass wir gezwungen waren mit ihnen Schritt zu halten. Aufs Nase platt drücken an Schaufensterscheiben mit Auslagen von Bernsteinschmuck verzichtete ich gerne, als sich mir die älteste Kaufhalle (Tuchhalle) Europas als ein meisterhaft architektonisches Kunstwerk vom Marktplatz entgegendrängte. Mitgerissen von einer Bayerischen Touristengruppe zeigte ich mich meinem finanzkräftigen Mann hingerissen, speziell von den unzähligen Verkaufsständen in der Halle. Schon immer galt meine Vorliebe der Bunzlauer Keramik, was ihm auch diesmal einige Zloty kostete. Jeder Besuch in Polen trug zur Vervollständigung meiner Sammlung an Krügen bei, wobei ich mittlerweile zu stolzen zwanzig aufs Regal über dem Küchenfenster hinaufschauen kann. Vielleicht sollte ich mit einer Vasensammlung beginnen, im nächsten Jahr, wenn ich wieder bei der Cousine am Rapsfeld vorbeischauen muss.

Etwa fünf Stunden brauchten wir um von dort aus auf Umwegen in Zakopane anzukommen. Aber es hat sich gelohnt, was ich wirklich ohne jeden Zynismus behaupten möchte. Schneebedeckte Bergzipfel und kalter Wind gaben mir schon mal eine echte Vorfreude auf den bevorstehenden Winter. Mit Sommersachen im Gepäck und knurrendem Magen hielt dagegen mein sonst so naturverbundener Ehemann ausschließlich Ausschau nach einem Hotel, und das obwohl Frauen aller Altersklassen mit selbstbeschrifteten Schildern "wolny pokoj" auf sich Aufmerksam machten. Nun denn, nichts desto trotz buchten wir für drei Tage ein Doppelzimmer mit Übernachtung und Frühstück in einer von vielen landschaftsschändenden Hotelburg. Vielleicht wären wir doch besser privat runtergekommen, aber wer konnte ahnen, dass das Heizungsthermostat erst bei fünf Grad minus reagierte. Gottlob funktionierte die Dusche und lief mir schön heiß über den durchgefrorenen Rücken, unter der Duschtasse hinweg, Richtung Toilette. Als kleines Rinnsal verwandelte es sich vor Örtchen zu einem Bächlein, was mir in meiner Müdigkeit nicht mal mehr einen zweiten Augenaufschlag entlockte. Fast im Stehen wäre ich eingeschlafen, hätte mich mein treusorgender Ehemann nicht behutsam gebettet. Dass ich nicht auf einem Bett sondern auf einer ausklappbaren Couch zu liegen kam, spürte ich erst am nächsten Morgen. Nämlich in sämtlichen Knochen. Mein Magen machte sich ebenfalls laut bemerkbar, also freute ich mich auf ein original polnisches Frühstück mit Herbata. Mit Herbata? Du liebe Güte, kein Kaffe, nur schwarzer Tee. Wie soll man denn da richtig wach werden? Und ich wurde richtig wach, spätestens beim Anblick von Krakauer Würstchen und geräuchertem Fleisch. Da sich bekanntlich der Mensch an alles gewöhnt, schmeckte mir auch am dritten Tag immer noch nicht Weißbrot mit Speck. Nach dem Motto, in der Not frisst der Teufel Fliegen, spülte ich mit schwachen Tee mein Frühstück hinunter. Na gut, ganz so schlimm war es nun auch nicht, denn in der Einkaufsmeile von Zakopane machte der beste Cappucino den ich je leise vor mich hin schlürfte, alles wett. Hausgemachter Käsekuchen war die absolute Krönung und gleichzeitig das zweite Frühstück.

Echt merkwürdig, dass ich bei so viel Völlerei nicht hundert Gramm zugenommen habe. Auf jeden Fall zeigt meine Waage nur zwei Pfund an. Wie dem auch sei, Schlemmen gehört einfach dazu, genauso wie gutes Wetter. Oder zumindest einigermaßen gutes Wetter, aber wenn der Regenschirm ständig aufgespannt bleiben muss, kann man ja wohl nur noch von Schietwetter sprechen. Eigentlich hatte ich gehofft, im September noch ein paar schöne warme Tage abzubekommen. Das einzigste was ich gekriegt habe, war eine saftige Erkältung und die hätte ich mir auch im kalten und verregneten Deutschland holen können.

Aber nicht so schöne warme Puschen, aus Wildleder, für umgerechnet sieben Euro. Um unter dem Sommercape nicht so jämmerlich frieren zu müssen, überredete ich meinen Mann mir eine Strickjacke zu spendieren. Beinahe an jedem zweiten Verkaufsstand wurden einem die dicken Dinger zu unglaublichen Preisen sprichwörtlich um die Ohren gehauen. In einer solch Selbstgestrickten, typischen schwarz-weiß Gemusterten, sah ich aus wie eine Schäferin..... und roch auch so. Leicht säuerlicher stinkender Dunst drückte sich erbarmungslos unter dem Cape empor, in geballter Kraft vermischt mit Chanel No.5. Es haute mich fürwahr fast um. Meinen Mann wohl auch, denn urplötzlich wollte er nicht mehr mit mir Schritt halten. Fast getrennter Wege erreichten wir das Hotel, aus dem unüberhörbar folkloristische Klänge auf ziemlicher Entfernung zu vernehmen waren. Unser letzter Abend sollte offensichtlich eine lange Nacht werden. Mit einem Kilo rote Äpfel, einer Glühbirne und zwei Bücher über die Tatry arbeitete Jerzik mein Mann daran, neben dem Zimmer auch mein Gemüt zu erhellen. Nicht dass es hier den Eindruck erwecken soll wir hätten kein Strom gehabt, betonen möchte ich, dass lediglich die Glühbirne kaputt war. So was kann schließlich passieren und das Zimmermädchen hatte bestimmt nicht mit Absicht vergessen, eine neue Birne einzuschrauben. Entgegengesetzt, also im Bad, vergaß sie ja auch nicht am Abreisetag eine Rolle Toilettenpapier aufs Waschbecken zu legen.

Da ich oft verreise, lässt sich mit Unvoreingenommenheit beurteilen, wie unterschiedlich es um den Service der Hotels bestellt ist. Von Ameisenstraßen quer durchs Zimmer in Italien, wie ausnahmslos kalten Kaffee in Spanien oder Kuhkacke auf dem Bettvorleger im Allgäu weiß ich zu berichten. Und auch darüber, dass meine Tochter trotz dreißig €uro Taschengeld für nur knapp eine Woche, die wir uns stahlen, unbestechlich blieb. Zimmerpflanzen wurden von Oma versorgt und die Katze machte vor Freude einen Satz, statt Dosenfutter auch mal wieder ein Leckerchen zu bekommen.

Hildegard Grygierek

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