Was ist
„Ausnahmezustand“?
Die Definition des
Ausnahmezustandes erweist sich als sehr schwierig. Der Begriff erweist
eine
enge Beziehung zu „ Bürgerkrieg“, „Aufstand“ und „Widerstandsrecht“. Im
allgemeinen kann man ihn als Gegenteil des Normalzustandes
bezeichnen.
Ausnahmezustand zu Deutsch
auch: Notstand
Italienisch: decreti di urgenza
Französisch:
etat de siege fictif
Englisch:
martial law
Sinngemäß ergibt sich der
Begriff Ausnahmezustand aus der römischen Rechtlehre. Iustitium
heißt:
Anhalten/ Suspendierung des Rechts. Durch Ausübung des Iustitiums wird
ein Ort
rechtlicher Leere erzeugt.
„Wenn der römische Senat
von einer Situation erfuhr, durch die der Republik Gefahr drohte,
erließ er ein senatus consultum ultimum.... dieses stützte
sich auf einen Erlass, der
den tumultus erklärte und er sich für gewöhnlich die Ausrufung
eines
Justitiums nach sich zog.“
( Agamben,
Ausnahmezustand, S. 52)
Der Begriff Iustitium
kann im allgemeinen auch mit dem Wort: „allgemeine Trauer“ übersetzt
werden.
Dabei stellt sich die Frage, wie ein „ Terminus des Öffentlichen
Rechts, der
die Suspendierung des Rechts in der Situation äußersten Notstands
bezeichnete,
die mehr als harmlose Bedeutung einer Totenfeier bei einem Trauerfall
in der
Familie annehmen?“ (Agamben, Ausnahmezustand, S.78)
Versnel versucht in einer
Studie 1980 eine Analogie herzustellen. Dabei argumentiert er in beiden
Fällen
damit, dass ein Zusammenbruch der normalen Sozialstrukturen
stattfindet. Die
sozialen Rollen und Funktionen werden zerrüttet.
Adolphe Nissen ist einer
der ersten, der 1877 über das übliche Verständnis des Justitiums als
„Gerichtsferien“ hinaus argumentiert. Er sagt, dass die Bedeutung
„öffentliche
Trauer“ erst viel später entstanden ist. Seiner Meinung nach sperrt das
Iustitium „ das Recht und es treten daher alle Vorschriften des Rechts
ausser
Wirksamkeit.“ (Agamben, Ausnahmezustand, S. 56, aus Nissen, S. 105)
Agamben fasst den Ausnahmezustand
zusammen als einen rechtsfreien Raum, eine „ Zone der Anomie, in der
alle
rechtlichen Bestimmungen... deaktiviert sind.“ Dazu
zählt er auch die Unterscheidung von
öffentlich und privat.
Ein lateinisaches
Sprichwort sagt: necessitas legem non habet- Not kennt kein
Gebot.
Der Jurist, Santo Romani
sieht Not nicht nur als etwas der Rechtsordnung nichts Fremdes, sondern
bestimmt sie als erste und ursprünliche Quelle des Rechts.
Agamben verneint die
Lehren, die den Ausnahmezustand FÜR das Recht vereinnahmen
wollen und
damit auch die Theorie, die den Notstand als ursprüngliche Quelle des
Rechts
erklärt.
„ Der Notstand ist kein
Rechtszustand, sondern ein Raum ohne Recht. ( Agamben, Ausnahmezustand,
S.62)
Ein Hauptproblem in diesem
Zusammenhang sieht er im wesen der Handlungen, die während des
Iustitiums
vollzogen werden. Sie müssen an einem Nicht-Ort angesiedelt
werden.
Der Ausnahmezustand ist
für Agamben ein Nullpunkt des Gesetzes. Es hätte keine Richtigkeit dass
das
Recht versucht „ sein eigene Abwesenheit in sich einzuschließen und
sich den
Ausnahmezustand zu eigen zu machen“
|