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Calcutta, 30.April 1845

Ich habe Euch lange keine ausführlichen Briefe geschrieben, weil ich von China nichts Rechtes zu sagen wusste und ausserdem auch die Anerkennung von Eurer Seite gänzlich mangelte. Seitdem ich aber vor ungefähr 8 Tagen V's u.A's Epistel von Ende Januar erhalten und auch das chinesische Reich hinter mir habe, will es mir vorkommen, als ob ich keine Entschuldigung mehr hätte. Ich strenge mich daher an, Eure Erwartungen in etwas zu befriedigen.

Zuerst in Antwort auf Eure Briefe folgende Bemerkungen. Wenn man ins Innere von China reisen dürfte, würde ich gewiss mich nicht auf die Paar Häfen beschränkt haben; die 5 Häfen von Canton, Amoy, Foochowfoo, Ningpo u. Shanghai sind die einzigen im Frieden von Nankung stipulirten Plätze, auf denen Fremde zugelassen werden, Chusan und Koolongsu bei Amoy sind den Engländern pfandweise eingeräumt worden bis zur Bezahlung der ünglücklichen 21 Millionen und werden aufgegeben werden müssen.–

Hongkong ist den Engländern besitzlich abgetreten, und dass sie, als sie fordern konnten, was sie wollten, nichts Besseres genommen haben, als diese sterile, ungesunde Insel, wird dem Sir Henry von jedem Engländer verdacht. Die Aussichten in China sind aber so, dass in Zeit von 10 Jahren das Reich so ziemlich ganz offen geworden sein wird, und ich erwarte mit Zuversicht Peking und den Porzellanthurm von Nanking noch zu sehen. Die finanziellen Verhältnisse sind zu zerrüttet, als dass die Chinesen sich noch lange selbstständig halten könnten, besonders mit einem so unheilbaren Krebsschaden an Herzen, wie die Domiciplirung John Bulls in jedem Lande sich bisher erwiesen hat. Überhaupt geht eine ganz neue Aera für den Osten auf; auch Japan wird dem modernen Hunnenzuge nicht lange widerstehen können. Der Vorwand zum Angriff ist bald gefunden; man braucht nur ein surveying vessel an die Küste zu schicken, es unter dem Vorwande, das Fahrwasser und die Küsten wegen der Schiffahrt zu untersuchen, die Japanesen so lange ennuiren zu lassen, bis es insultirt wird, und dann kann die verletzte Ehre Englands nur mit der Einnahme der Inseln gesühnt werden. Neuerlich ist ein englisches Kriegsschiff an Japans Küste gegangen. In Borneo hat man auch eine englische Niederlassung gegründet, und auch diese Insel, ebenso gross als ganz Europa (?), wie man sagt, wird wichtig werden.

Die ausgedrückten Zweifel über die Bambuspfeifen von Singapore bitte ich dadurch zu beschwichtigen, dass das in der Wurzel befindliche Loch als Pfeifenkopf dient, in die man eine kleine von Tabak gedrehte Kugel hineinsteckt; die Wurzel verkohlt allerdings, aber sehr langsam. Spanische Röhre wollte ich damals mitschicken, hatte sie aber vergessen9 V's Wünschen soll entsprochen werden, mit Harkort kann ich aber nichts schicken, da er über Land gehend seine Bagage möglichst verringern muss. Einige Münzen für V's Sammlung soll er aber doch mitnehmen. Er wird im Anfang Juni hier abreisen und Ende Juli oder August in Leipzig sein. Dieses schicke ich mit einem H. Erichsen, der von der österreich.Regirung zu Sammeln von Informationen herausgeschickt wurde u. mit der Mai-mail zurückgeht. Seine Frau lebt in Dresden, wohin er nach kurzem Aufenthalte in Triest gehen will, und wenn Ihr Euch nach mir erkundigen wollt, so kann er von mir erzählen, was er mir auch versprochen hat. (Zu erfragen bei Wilh.Schulze am Neumarkt in Dresden)!

Ich selber bin munter und wohl. Von Singapore aus habe ich zuletzt geschrieben und bin von dort am 26.vor.Monats abgesegelt in einem grossen Schiffe Erneed, einem von denjenigen Schiffen, die man hier Country-Schiffe nennt, weil sie von Indischen (Calcutta- oder Bombay) Kaufleuten geeignet u.mit Eingebornen bemannt sind unter Europäischen Offizieren. Man hat ganz herrliche Schiffe unter diesen Country-Ships; die lascars aber - eingeborne Matrosen - können nichts machen ohne dabei zu singen oder auszurufen, und so ist denn immer ein schrecklicher Lärm.-

Wir passirten durch die Strasse von Malacca mit sehr schwachem Winde, kamen bei Malacca und Penang (oder Prince of Wales-Island) vorüber und passirten die Nicobaren und Andamanen, ohne sie zu Gesicht zu bekommen. Die Einwohner der Nicobaren sollen etwas civilisirt sein, dagegen sind die der Andamanen noch wild u.besonders feindselig gestimmt, haben auch mehrfach dort einlaufende Schiffe abgeschnitten und die Mannschaft ermordet. Dass übrigens die Nicobaren auf den Landkarten als dänisch angegeben sind, ist falsch, sie gehören Niemanden, und auch eine frühere englische Colonie auf den Andamanen, Port Cornwallis, ist wieder aufgegeben worden. Wir sahen weiter nichts als Narcodam, eine unbewohnte Insel, und die kleinen Cocosinseln, nördlich von den Andamanen, die sehr flach u., ich glaube, auch unbewohnt sind. In der Bai von Bengal hatten wir ziemlich leichte Winde, bis wir uns den Sands am Ausflusse des Hooghly naheten, wo wir sehr starke Brise bekamen. Ich berichtige hier den Irrthum, den ich in Europa hatte, dass Calcutta am Ganges liege; es liegt am Hooghly oder Hoogly, einem Arme des Ganges. Dieser Fluss nun mundet mit bedeutender Strömung und hat so eine Menge Sandbänke ausgeschwemmt, dass die Einfahrt sehr gefährlich ist und man gewöhnlich wegen der starken Strömung sich von Dampfböten nach Calcutta schleppen lassen muss. Wir trafen indes schönen Wind und kamen in 1 Tag den Fluss herauf bis hier, eine Strecke von etwa 60-70 engl.Meilen. Die Ufer sind sehr flach und bieten wenig Interessantes dar. Die Vegetation ist üppig, aber häufig von Dörfern unterbrochen. Der Fluss ist nicht besonders breit, etwa so wie die Elbe an den schmalsten Stellen; hier bei Calcutta etwa 3 mal so breit; aber die Schiffahrt ist sehr lebhaft u.Schiffe und Dampfböte begegnet man überall. Dieser Arm des Ganges soll der am heiligsten gehaltene sein, und die Indier baden täglich darin, Männer, Frauen und Kinder.

Calcutta selbst wird die city of palaces genannt u. hat superbe Häuser und grossartige Plätze, doch aber thun eine Masse elender Hütten und Baracken, die oft dem schönsten Hause in der Strasse gegenüber stehen, der Grossartigkeit des Ganzen bedeutenden Abbruch. Das Fort William dicht bei der Stadt gilt für unnehmbar, trotz dem dass es dem Auge des Laien nicht stark vorkommt. Es liegt etwas vertieft oder wenigstens ganz eben, so wie denn überhaupt hier von Bergen nichts zu sehen ist, und ist nach Vaubans System gebaut. Das grossartigste Gebäude ist das Governments-Haus, das sich auf einem grossen Platze stolz erhebt und mir stets vorkommt, wie das grosse Siegel der ostindischen Compagnie, allen ihren Unterthanen aufgedrückt. Von hier aus datirt der governor general seine Befehle über einen Flächenraum von vielen Tausend Quadrat-Meilen und über manche Million Menschen, wofür der gute Mann monatl. 25.000 Rupien (lRupie der Compagnie ist circa 1 Gulden Conv.) und alle andern Kosten, Reisekosten, Tafelgelder pp. empfängt. Mit welcher Grossartigkeit die Bezahlungen hier getrieben werden, glaubt man zu Hause nicht. Ein jüngster Leutnant in dem Companys Service bekommt 250 Rups monatlich, und wenn er Adjutant ist, 420 Rup. monatlich, ein wenig mehr, wie unsre Militärbesoldungen in der Bundesarmee. Freilich aber braucht man hier auch mehr und lebt ganz anders.-

Die Bevölkerung besteht aus Muselmännern und Hindus, und nicht dieses allein, sondern auch die Abtheilung in die verschiedenen Kasten bringt eine so bedeutende Spaltung hervor, dass man z.B. zum gewöhnlichen Leben 3 oder 4, in Haushaltungen 10-12 verschiedene Dienstboten haben muss. So z.B. bleibt ein Hindu nicht im Zimmer, wenn gegessen wird, und rührt nichts an, wovon ein Andersgläubiger gegessen hat, und ein Mann, dessen Geschäft es ist, Kleider zu reinigen, holt kein Wasser, pp. Zu all verschiedenen Handleistungen muss man verschiedene Diener haben, und die indische Sitte ist so verwöhnt comfortable, dass ein ächter Indier nichts selber thut; er lässt sich an- u.auskleiden, lässt sich baden, einschänken pp.- Man lebt hier in grossen Häusern, meist alle mit flachen Dächern u.Altanen versehen; die Zimmer sind hoch und luftig, und in jedem Zimmer wenigstens im sittingroom hat man eine Punka, oder eine mit Franzen versehene Holzplatte, die von der Decke an Haken perpendicular herabhängt und mittels einer Schnure von einem dienenden Geiste hin und hergezogen, die angenehmste Kühlung hervorbringt, indem sie als eine Art Fächer agirt. Man hat in jedem Zimmer easy-chairs, oder wie man bei uns sagt, fauteuils, Ottomanen, und allerlei Faullenzerinstrumente; man badet alle Tage, schläft nie ohne Muskitonetz, isst nie, ohne gefächelt zu werden und hat oft einen Knecht hinter sich, der nichts thut als Fliegenabwedeln. Viele Leute haben ganze Zimmer mit Muskitonetzen ausgeschlagen und lassen sich die Nacht über Punka ziehen, um recht kühl zu schlafen. Die Hitze ist hier im Allgemeinen bedeutend, und man verabsäumt nichts, was zur Kühlung geschehen kann, findet auch in der Unterthänigkeit der Dienerschaft sich hinlänglich dazu autorisirt. Eis ist sehr billig, obgleich es erst von Amerika hierher kommt; man trinkt beinahe nichts ohne Eis.-

Gehen ist ganz ausser Frage; sich der Sonne exponiren wäre hier eine unverzeihliche Thorheit, da die Sonne ganz gewaltig sticht. Niemand geht drei Schritte in der Sonne ohne Kopfbedeckung oder Sonnenschirm. Wer es vermag, hält sich Wagen und Pferde; unser einer aber begnügt sich mit einem palankeen, einem höchst eigenthümlichen Institute, das eigentlich ein portatives Sofa ist, überdeckt, mit Thüren an den Seiten, und das auf den Schultern von vier Menschen getragen wird. In diesen Sänften reist man ganze Tage und die Tour von hier nach Bombay zu Lande wird häufig in dergl. palkees gemacht. Ein solcher palkee kostet per Tag 1 Rupie (ein Wagen 16 Rup.); dafür aber benutzt man die Träger zum Austragen von Billets (chits) und zum Punkaziehen.-  Die Leute gehen meistentheils, was gewöhnliche Arbeiter, Palankieträger pp. sind, mit dem Oberkörper nackt, und um die Hüften ein grosses weiches Tuch geschlungen, das bis etwa an die Kniee reicht, in der Mitte aber in Gestalt von Beinkleidern aufgebunden ist. Eigene Diener tragen weisse Jacken, oft von dünnen Musselin, die über die Brust eine Oeffnung haben u. das braune Fleisch durchsehen lassen, dazu eine Art Turban, der aber nicht wie die türkischen Turbans aus einer Kappe mit umgewundenem Shawl besteht, sondern aus einer eigenen festgesteckten, sorgsam gefalteten Kopfbedeckung, rundem Kopf mit umlaufendem Wulst.-  Ein Diener darf nicht anders als im Turban vor seinem Herrn erscheinen, wenn er sich nicht einer Rüge, die hier hergebrachter Massen häufig in Züchtigung übergeht, aussetzen will. Dazu tragen beinahe alle Leute Schnurbärte und Kinnbärte, die, so wie alles indische Haar, schwarz sind, durch das häufige Baden aber oft fuchsig werden.-

Frauen sieht man wenig, und die auf den Strassen vorkommenden sind nicht gerade hübsch. Uebrigens ist das Bild, wie ich es wohl in Kupferstichen gesehen habe, von einer indischen Stadt, durchaus treu. Die in lange weisse Tücher eingewickelten Gestalten, eine Wasserurne auf dem Kopfe, die kleinen Karren mit den schweren unförmlichen Rädern, von kleinen Büffeln gezogen, die Leute mit den umhängenden Schläuchen, in denen sie das Wasser transportieren, und aus denen sie die Strassen besprengen, Alles dies findet man hier im Leben wieder.- Etwas, was mich immer an die alten Pastoren- u. Gevatterkutschen bei uns auf dem Lande erinnert, sind die von den hiesigen Eingebornen gebrauchten Kutschen. Vier Räder, darauf der runde 4sitzige Kutschkasten, statt des Lederverdecks hier of rothe Kattunüberzüge, und davor 2 kleine bengalische Pferde, die auf eigenthüml.Weise angespannt sind. Die Pferde haben nämlich eine Art Sattel, an welchen die kurze Deichsel befestigt wird, und ziehen so den Wagen ohne Stränge. Die Büffel ziehen mit der Stirne.

Mit der Sprache hier kann ich noch gar nicht recht fertig werden; man hat zweierlei Sprachen, Hindostanisch u. Bengalisch, die beide verschieden sind, und so viel ich mir bis jetzt habe sagen lassen, von der Urdusprache abgeleitet sind. Man schreibt beide mit verschiedenen Schriftzeichen. Unter den vornehmen natives aber und den Gelehrten soll man persisch schreiben und reden. Auf den hiesigen Banknoten befindet sich viererlei Schrift: Arabisch, Persisch, Bengalisch u. Hindostanisch. Ich fange auch hier wieder an zu bedauern, dass man nicht mit allen Zungen reden kann. Die Diener, die nicht englisch sprechen, sind die besten, denn es ist hier, wie in China, eine ausgemachte Sache, dass ein Eingeborner, so wie er anfängt, Englisch zu reden, zum Spitzbuben wird.- Mein bearer (gewöhnlicher Diener) spricht englisch, aber mein Kidnutbar (Tafeldiener) nur Hindostanisch, und so bin ich genöthigt, meine Wünsche bei Tische hindostanisch auszudrücken. Jedermann hat bei Tisch seinen eigenen Diener, und nimmt sogar, wenn man ausgebeten wird, seinen Kidnutbar zur eigenen Bedienung mit. Dann macht man seine erste Erscheinung im schwarzen Frack, schickt aber eine weisse Jacke mit und zieht diese nach der ersten Begrüssung an. In solchen kleinen Etikettensachen ist man überhaupt hier sehr eigen.

Um eine Idee der ganz gut klingenden Sprachen zu geben, diene hier Folgendes: 

1. Ek deutsch ausgesprochen Ek )
2. Do      "                " Do )
3. Teen      "                " Tien )
4. Char      "                " Tschar )
5. Panch      "                " Panch )Hindostanisch
6. Chha      "                " Tscha )
7. Sat      "                " Saat )
8. Ath      "                " Aat )
9. Now      "                " Nau )
10. Dus      "                " Doos )
Sonntag:    Hindostan: Etwar     bengalisch: Robeybar
Montag:   " Peer (Pier) " Somebar
Dienstag:   " Mungul " Mongolbar
Mittwoch:   " Boodh (Buud) " Boodbar
Donnerstag:   " Joomeraut (Jumeraut) " Breehuspothebar
Freitag:   " Joomah (Juma) " Shookrobar
Sonnabend:   " Sunnechar " Soneybar

Die hier angegebenen bengalischen Worte sind englisch auszusprechen.

Ich bin übrigens erst seit 10 Tagen hier und kann noch kein besondres Urtheil fällen über hiesige Verhältnisse. Ueber Religionsgebräuche etc. schreibe ich daher noch garnichts. Ich will durch Harkort wieder schreiben, bezweifle aber, dass ich überhaupt hier viel zu Hause sein werde, denn wir haben bis H's Abreise enorm viel zu thun, und dann will ich eilen von hier wegzukommen, denn zum Vergnügen kann man hier im Sommer nicht sein.

Ich schreibe einige Zeilen privatim und bitte übrigens meine eiligen Mittheilungen nicht gar zu sehr circuliren zu lassen. Es fehlt an Zeit zu sorgfältiger Ausarbeitung und der Styl kann nicht gerade sich verbessern, wenn man in seiner Muttersprache zu wenig verkehrt.
              Stets der Eure                       Richard Carlowitz.


Calcutta, den 1 .Mai 1845

Tausend Dank für Eure Briefe, die ich mit einem von Harkorts vom 2.März zugleich am 20.April bei meiner Ankunft hier vorfand. Dass meine Mittheilungen von so vielen Leuten gelesen werden, ist mir zwar sehr schmeichelhaft, aber dass sie nicht immer dazu geschrieben waren, werdet Ihr selber ersehen haben. Zum Briefdrechseln hat man hier draussen weder Zeit noch Lust. pp. Auf mein bisher geführtes Tagebuch würde ich aber rathen, sich nicht zu sehr zu spitzen, denn seit Ningpo habe ich keine Zeile mehr hineingeschrieben. Ich will es aber wieder anfangen. Man sieht nur gar zu wenig, wenn man immer beschäftigt ist; ein Mann, der zum Vergnügen reist, kann 1Omal besser Tagebücher führen.

Ihr fragt mich wegen meiner eigenen Aussichten. Ich habe hier Briefe von Leipzig vorgefunden, die mir eine ganz andere Festigkeit als bisher geben. Ihr werdet vielleicht manchmal in meinen früheren Mittheilungen etwas Kleinmuth verspürt haben, aber da unsre Leipziger zu meiner besondern Genugthuung uns ihre volle Zufriedenheit mit bisherigen Dispositionen ausgesprochen haben und von einem festen Etablissement auf einem von uns zu wählenden Platze sprechen, so bin ich wahrscheinlich noch vor Ende des Jahres irgend wo fest gesettlet, wie der Engländer sagt.-  Harkort geht nächsten Monat nach Hause; ich gehe dann nach Batavia, erwarte bei meiner Rückkehr nach Singapore im August oder 6eptember ein Schiff mit einer neuen Ladung und werde damit wahrscheinl. wieder nach dem Norden Chinas gehen. Manila werde ich dies Jahr aufgeben müssen; wenn ich nicht das neue Schiff in Singapore erwartete, würde ich im September hingegangen sein. Uebrigens dies entre nous. Unsere Leipziger Häuser werden einen festen Entschluss erst nehmen, wenn Harkort wieder zu Hause ist, und bis dahin lässt sich nichts sagen. Wahrscheinlich werde ich in Canton bleiben und vor einigen Jahren noch nicht wieder heimkehren. Ich bekomme einen neuen jungen Mann heraus zum Assistenten, ich bin neugierig, wer das ist und wie ich mich mit ihm werde vertragen können. Mit Hkt. bin ich superb ausgekommen.

pp. V. will einige Sachen haben. Wenn ich wieder nach China komme, will ich ihm einiges schicken; ich gebe ihm dann die Beträge dazu an und er kann sie an Harkorts für mich vergüten. Das Tischchen für Caroline hatte ich nicht vergessen, die Preise sind aber sehr verschieden von 15 bis zu 70 Dollars; ich habe zwei mit nach Leipzig geschickt, wohin wir überhaupt ein Sortiment chinesischer Sachen gesendet haben, u.C. kauft vielleicht einen von diesen. pp. Wenn V. Erichsen aufsucht, so kann dieser Euch directe Nachrichten von China und dem Osten geben. Ich habe ihn in Canton kennen lernen. Der Mann ist etwas grossartig,klagt sehr über das Clima, spricht aber doch vom Wiederherauskommen.

Schreibt mir nur etwas häufiger; bis jetzt bin ich inmer herumgereist; wenn. ich aber, wie wahrscheinlich, später in Canton festsitzen werde, so fühlt man den Mangel an Nachrichten lebhafter.

Tausend Grüsse an alle Bekannte u.Verwandte. Ich bleibe stets unverändert der Eure
                                                                     Richard.

(Durch Erichsen am 3.August 45 an
 seine Adresse in Dresden gelangt.)


Calcutta, 31.Mai 1845.

Ich habe Euch zuletzt am 30.April geschrieben und bin seitdem immer wohl geblieben, trotz eines 4 wöchentlichen, keineswegs angenehmen Aufenthaltes in Calcutta. Dieser Monat Mai zählt hier zu den heissesten im Jahre; wir haben früh bei Sonnenaufgang schon 80º, Mittags in der grössten Hitze,3 Uhr, 97º, also durchschnittlich eine Temperatur von ca. 88½º Fahrenheit = ca. 25º Reaumur, was auf die Dauer etwas drückend wird, da besonders nicht einmal die Nächte kühl, sondern oft auch schwül heiss sind. wenn wir einmal ein tüchtiges Gewitter mit einem Regenschauer bekommen, so herrscht allgemeines gaudium und alle Thüren u.Fenster werden geöffnet. Dazu kommt, dass die Strassen, wenigstens in dem von Europäern frequentierten Theile der Stadt, ungewöhnlich breit sind und nicht den geringsten Schatten gewähren, und ein im Allgemeinen schlechter Gesundheitszustand nicht nur der schwarzen, sondern auch der weissen Bevölkerung, so dass man in steter Unbehaglichkeit sich befindet. Die Cholera hat neuerlich bedeutend gehaust, und es ist die äusserste Sorgfalt in Nahrung und Kleidung unbedingt erforderlich.- Dass ich unter diesen Umständen mich nicht sehr herumgetummelt habe, um Merkwürdigkeiten zu sehen, könnt Ihr Euch vorstellen und ich bin in de? That nun über 1 Monat hier, ohne irgend etwas gesehen zu haben, u. kann daher auch aus meinem Leben nicht viel Interessantes schreiben.

Vor einiger Zeit machte ich mit einigen Bekannten eine Partie den Fluss hinauf, um die französische Colonie Chandernagor zu besehen. Wir fuhren des Abends weg und kamen am folgenden Morgen früh an. Der Fluss bietet nichts Besondres, die Ufer sind flach, man entdeckt keine Spur von Bergen, und sieht Wiesen, Aecker und Hüttendörfer mit schönen Waldungen untermischt; oft besteht das Gebüsch aus dem so zierlichen Bambus, oft aus andrem Gehölz, gemengt mit Cocos, Dattel, Ureca- u. andern Palmen.  Chandernagor ist ein kleiner Ort, den die Franzosen noch aus Ehrgeiz halten, hat wenig grosse Häuser, enge Strassen und in diesen kein Leben. Die Colonie hält sich, glaube ich, durch irgend eine Abgabe, die sie von den Engländern für Opium bekommt; der Gouverneur ist eine Null und die Besatzung besteht aus Sepoys oder eingebornen Soldaten in rothen Beinkleidern. Auf einem Spaziergange in den eingebornen Theil der Colonie trafen wir einen indischen Bildhauer, der aus Thon eine Gruppe Indischer Götter fertigte, darüber aber eine Art Wappenschild angebracht hatte, von Löwe u.Einhorn gehalten, das aussah, wie ein Britisches Wappen dem Wischnu aufgedrückt. Die Hütten sind meist wundernett gelegen unter eine Gruppe Bäume, und die kleinen Tempel oder Pagoden sind immer zwischen Bäumen gebaut. In den kleinen Tempeln, die wir besuchten, sah man weiter nichts, als einen grossen Stein in der Mitte, eine Art Altar, um den aber eine Rinne herumläuft, wahrscheinlich zum Ablaufen des Blutes der Opfer. Solche Steine sollen in allen Tempeln sein.- Des Abends hat man in Chandernagor auf dem sogenannten Strand eine hübsche Promenade, wo man allerlei Nationen trifft, hauptsächl. aber Franzosen mit indischem Blut vermischt, eine überhaupt hier häufige Race.

Von Chandernagor weiter aufwärts war eine holländische Colonie, Chiusurah, und auch eine portugiesische in Hoogly, beide sind aber, letztere schon seit langer Zeit zerstört, aufgegeben. Dagegen kommt man stromabwärts zurückfahrend nach Barrackpore, der Sommerresidenz des Gouverneurs von Indien. Ihm gegenüber liegt die ehemals dänische Colonie Serampore, über deren Verkauf an England die Verhandlungen noch im Gange sind; wenigstens ist der Vertrag noch nicht ratifizirt, obgleich der dänische Gouverneur schon weg sein soll, um neuerdings wieder von den Nicobaren Besitz zu nehmen. Serampore liegt äusserst freundlich am Flusse her, enthält aber an und für sich garnichts Merkwürdiges, ausser einem bedeutenden Missionsinstitut, dessen Mitglieder sich durch Uebersetzung der Bibel in alle mögliche Indische Dialecte ausgezeichnet haben.

Barrackpore hat einen schönen Park von 250 Acker Land ausgelegt, worin die schönsten Spazierwege zwischen den merkwürdigsten Pflanzen und Sträuchern, einige unglückliche gothische Gebäude als Gartenhäuser, Volièren u.dergl., und auch in ver3chiedenen Plätzen des Parks wilde lebende Thiere in Umzäunungen, während Tiger, Leoparden etc. in Käfigen gehalten werden. Ich habe hier die schönste Giraffe und den grössten Tiger gesehen, die mir noch je vorgekommen sind. Ein Leopard war so unfreundlich, mir einen Fächer, den ich mir in Chandernagor von einer hübschen Indierin hatte schenken lassen, zu zerreissen, als ich ihn damit fächeln wollte. Affen, Vögel und kleinere Thiere giebt es von allen Arten.-

Auf dem Rückwege von Barrackpore kamen wir bei dem sogenannten Verbrennungs ghaut vorüber, wo man die Todten verbrennt. Es war gerade in der Morgendämmerung, ein dünner Nebel verhüllte etwas das Ufer, dennoch sah man drei düster brennende Feuer und der weit zu uns über den Fluss dringende Geruch verkündigte uns bald, was das für ein Braten sei. Die Leichen werden nicht einmal ganz verbrannt, sondern meist zur Ersparung des Feuermaterials blos angesengt und dann an das Ufer geworfen, wo der Fluss die Körper mit wegwäscht oder wo sie von Vögeln vollends aufgefressen werden. Merkwürdig ist die Masse Geier und einer Art von den Indiern heilig gehaltener Störche, welche millionenweise auf dem Verbrennungsplatze erscheinen, widerlich sind namentlich die grossen Vögel anzusehen mit ihren langen Beinen, kahlen Hälsen und langen dicken Schnäbeln. Einen davon zu tödten kostet eine Polizeistrafe von 40 Rupies. Sie sind 5-7 Fuss hoch und sollen auf einmal so viel als 4 hungrige Menschen fressen. Ihr könnt Euch eine Idee von der Gefrässigkeit dieser Thiere machen aus Folgendem: In Bombay bilden Parsees die Hauptbevölkerung, eine ausgewanderte Secte Perser, Schüler des Zoroaster (die man übrigens hier und in China u.in Asien überall trifft). Diese beten die 4 Elemente an und um keines derselben durch ihre Todten zu verunreinigen, stellen sie sie in einem Thurme den Vögeln zum Futter aus. In Zeit von 5 Minuten soll von dem stärksten Cadaver kein Stückchen Fleisch übrig sein, nur noch die Knochen.-

Man sieht hier beinahe auf jedem Wege Todte tragen, mit denen man nicht viel Umstände macht, d.h. mit Eingebornen. Häufig trägt man sie, wie bei uns Kälber oder Schweine, an einem Stück Holz hängend, mit Händen und Füssen befestigt, welches 2 Männer tragen, oder auf einem einfachen Gestell von Bambus geflochten u.mit einem Tuche überdeckt. Im Flusse sieht man überall Leichen schwimmen.- Die Frauen verbrennen sich nur bei sehr reichen Personen mit, und auch diese thun dies jetzt sehr selten, da England diese Sitte möglichst ausgerottet hat.

Eine andere sehr angenehme Partie ist von Calcutta den Fluss etwas abwärts nach dem Botanischen Garten der Ost-Indischen Compagnie, der gegenwärtig unter der Aufsicht eines Deutschen, des Dr.Wallich, steht. Da Dr.Wallich so freundlich war, mich einzuladen, so hatte ich eine gute Gelegenheit, den Garten zu sehen. Er ist von bedeutendem Umfange, mehr Park ähnlich eingerichtet, mit schönen Pflanzschulen und schliesst beinahe alle Asiatischen Gewächse in sich, z.Th. von Dr.W. auf seinen vielen Reisen selbst gesammelt. Das was mir am Meisten auffiel, war ein sogenannter Banian-baum (ficus religiosa) von 1000 und mehr Fuss im Umfange. Dieser Baum, von den Indiern cubbir-burr genannt und heilig gehalten, weil Wischnu darunter geboren sein soll, hat die merkwürdige Eigenschaft von den horizontalen Aesten senkrechte Ableger zu schiessen, die in der Erde Wurzel fassen, sich zu Stämmen ausbilden und wieder Aeste und neue Bäume treiben, die nach und nach über ganze Flächen sich verbreiten. Einer dieser Bäume hat einmal eine Armee von 7000 M. unter seinen Aesten beschattet. Manchmal umschliesst er Stämme von andern Bäumen, Palmen z.B. und bildet so die eigenthümlichsten Naturverbindungen.

Dem Botanischen Garten gegenüber ist Gardenreach, eine hübsche Anlage, in der Landhäuser mit den schönsten Gärten abwechseln.

Calcutta selbst soll ausserordentlich viel von St.Petersburg haben, wie ich mir habe von Leuten sagen lassen, die beide Städte kennen. Man vergleicht die Bauart der Häuser mit den italienischen Porticus, die Breite und Geradheit der Strassen, ohne Pflaster, die Form der Karren, die Menge der Diener und hauptsächlich die grossen dinnerparties, als ganz ähnlich. Der schöne Theil von Calcutta erstreckt sich aber nicht weit, und nur die nächste Umgebung um das governmenthouse rechtfertigt den Titel der Stadt der Paläste. Geht man etwas weiter, so kommt man in enge, nur von Eingebornen bewohnte Strassen, die voll Schmuz, Gestank und Koth sind. Dazwischen durch sieht man ein altes zerfallnes Haus, früher von einem Indischen Reichen besessen und zerfallen noch die grandiose Bauart verrathend; nach 20 Schritten kommt man an einen Indischen Tempel und wohl auch an eine Muselmännische Moschee mit vergoldeten Kuppeln und unzählichen kleinen Thürmchen.-

Die Abwechslung in der Scenerie einer Strasse Calcuttas ist interessant; bisweilen geht man nur zwischen Bambus oder andern Bäumen. Von einer Strasse ab verliert man sich bald in ein Dorf, das allerdings in seinen niedlich aussehenden Hütten, in seinen schönen schattigen Gängen zwischen prachtvollen Bäumen und seinen Wasserplätzen dem Auge, keineswegs aber dem Geruchsorgane zusagt, da die widerwärtigsten Gerüche von faulem Wasser, Holzrauch, Cocosnussöl etc. und allerhand andern unangenehmen Sachen die Nase höchst unangenehm berühren. Dabei sind die Indier aber selbst die reinlichsten Menschen von der Welt; sie waschen und baden sich täglich und schon früh Morgens kann man Hunderte an der Wasserleitung in der Stadt sehen, die sich mit ihren kleinen metallnen Gefässen Wasser über den Körper giessen. Alle Morgen gehen die Leute in den Fluss, um zu baden und ihre Gebete zu verrichten. Sie bringen dann kleine Figürchen mit, einige ihrer 3C Tausend Millionen Götter, die sie anbeten; oder Andere machen sich aus dem Schlamme des Hoogly Bilder.

Männer und Weiber gehen zusammen ins Wasser, erstere in ihrem gewöhnlichen Anzuge, nur mit Weglassung des Turbans und der Pantoffeln, letztere ganz wie sie sich gewöhnlich tragen; doch werden die Kleider im Wasser oft ausgezogen, gewaschen und wieder angezogen; dann werden sie beim Herauskommen ausgerungen und am Leibe getrocknet. Wenn die schwarzbraune Farbe nicht gar zu sehr die Illusion benähme, könnte man manchmal wähnen, die leibhaftige Venus den Wellen entsteigen zu sehen, so wohlgeformte prächtige Gestalten sieht man die nassen Gewänder umschmiegen.

Die Weiber sind meistentheils, so lange sie jung sind, hübsch; sie tragen meist nur ein langes Tuch, das sie in gefälligen Falten um den Leib tragen, und dabei haben sie einen majestätischen stolzen Gang, der ihren kühnen Augen wohl ansteht. Sie gehen alle barfuss, nackte Arme und das Haar in einfachen Knauel zusammengebunden.

Calcutta hat die schönsten Spaziergänge oder vielmehr Reit- und Fahrwege, die man sich denken kann; und hierin in Wagen und Pferden herrscht ein enormer Luxus. Der zu Fuss gehende wird gänzlich verachtet, und ich habe schon manchmal Unannehmlichkeiten gefürchtet, wenn ich auf meinen Spaziergängen einmal von einem im Dactylus reitenden Mehlsacke umgeritten werden sollte. Des Abends nach Sonnenuntergang und auch schon des Morgens vor Sonnenaufgang sieht man Wagen an Wagen und Reiter an Reiter in prächtigem Aufzuge paradiren. Prater, Longchamps und Hyde-Park sind, glaube ich, nichts gegen den Calcutta Strand, und diese verschiedenen Arten von Wagen hier, Tilburies, Ghigs, Buggees, Gharries, Barouches etc., Englische, Arabische, Birmah und Indische Pferde und ponies, Weisse, Mulatten, Creolen, Chinesen, Araber, Persier, Armenier, Indische Fürsten und Nachkommen von Tippo Sahib etc. (à propos, Tippo Sahib heisst weiter nichts als "Herr Tippo". Sahib, ausgesprochen Sàb, ist die gewöhnliche Bezeichnung für Herr im Hindostanischen und wird dem Namen nachgesetzt, z.B. Carlowitz Sàb = Herr Carlowitz).-

Man hat hier noch eine grosse Moschee von Tippo Sahib, die schönste, die in Calcutta existirt. Man darf aber nicht hineingehen, auch wenn man die Schuhe abzieht. Ich wollte einmal den Eingang erschleichen und war schon einige Stufen hinaufgekommen; da ertappten mich mehre Wächter und verwehrten mir das Weitergehen. Nachher haben die armen Teufel einen halben Tag Stufen scheuern müssen, um meine unheiligen Fusstritte wieder abzuwaschen.- In einige Indische Tempel ist der Eintritt erlaubt, in andere aber nicht. Trotz dem öffnet man gern die Thüren, so dass man hineinsehen kann. Die Bramine sind überhaupt nicht bösartig gegen Fremde; sie bilden sich selbst sehr viel ein, sind aber vom Volke nicht eben ausserordentlich geachtet. Sie tragen sich eben so wie die andern Indier, oft auch mit ganz nacktem Oberleibe, tragen aber zur Unterscheidung einige Fäden baumwollenes Garn von der Schulter nach der Hüfte. Sie sind die erste Kaste, die aus dem Munde des Brama entsprungen sein soll, und sie allein befassen sich mit Literatur. Da sie die den Götzen geopferten Sachen verspeisen, so sind sie meist feiste Gesellen. Indess scheinen sie nicht so bigott zu sein, wie die Chinesen, die, als wir ein altes Buch, das dem Gott der Medizin geopfert Werden sollte, entführen wollten, behaupteten, Alle Chinesen würden dann krank werden, sondern ich habe selbst von einem Bramin grosse Blumensträucher geschenkt bekommen, die eben vorher ein devotes Hinduweib der beliebten Göttin geweiht hatte. Freilich fehlte es da nicht an Blumen, und die vielleicht 8 Fuss hohe Figur der Göttin Kalee war so mit Blumen überdeckt, dass man kaum etwas von ihr sehen konnte. Sie ist die beliebteste Göttin, obgleich die furchtbarste. Man bildet sie ab schwarz mit 4 Armen, zwei todte Körper als Ohrgehänge tragend, ein Halsband von Schädeln, die Brust voll Blut, in der einen Hand einen abgeschlagenen Kopf und in der andern ein Schwert haltend. Daneben steht sie auf einem eben getödteten Riesen. Sie ist nicht zufrieden, wie andre Götter, mit Opfern von Blumen, Milch, Fruchten etc., sondern man opfert ihr Ziegen, Schafe etc., früher auch Menschen.

Ihr ähnlich ist Doorga, die Gemahlin des Siva. Brama, Wischnu und Siva sind die drei Hauptgottheiten in ihren Transfigurationen, nachher aber kommt die Swerga oder der Himmel mit nicht weniger als 33 Millionen Götter, von denen wieder Einige Hauptrollen spielen.- Von Brama sind die verschiedenen Kasten ausgegangen, namentlich die Bramine aus dem Munde, die Cshatrya's vom Arm, die Vaisya's aus dem Schenkel und die niedrigen Sudra's aus dem Fusse. Diese Kasten werden streng geschieden, theilen sich aber wieder in eine Menge Unterabtheilungen. So giebt es an der Malabarküste noch eine Race, die Pariahs, mit denen zusammenzukommen für jeden einer andern Kaste für eine Schmach gilt, und die von Jugend auf der äussersten Verachtung Preis gegeben sind. So weit geht Aberglaube!

Der Character des Volks im Innern soll gut sein, aber in den grossen Städten ist er durch leidige Civilisation verdorben, und hier ist jeder Indier ein Spitzbube. Man darf nichts liegen lassen ohne befürchten zu müssen, es nie wieder zu sehen. Acquisitionsbegierde und Verstellungssucht müssen am Schädel des Hindus zu Vulcanen ausgebildet sein.- Das Bewusstsein, wieder unter ehrlichen Menschen zu sein, glaube ich, ist nicht der geringste Anziehungspunct der lieben deutschen Heimath. Man lernt alle dergleichen Lichtpunkte erst schätzen im Auslande, und ich kann wahrhaftig bis jetzt von dem, was ich auf meinen Wanderungen gesehen habe, noch nichts mit dem ehrlichen gemüthlichen Deutschland vergleichen.

In Beziehung auf Nahrung ist man hier auch nicht besonders gut weg; alles Fleisch ist gewöhnlich schlecht; das Bengalische Vieh ist klein und gering, ebenso die Hühner, bis auf eine ganz grosse Art, von der ich nächstes Mal ein Paar von Java aus, wo sie zu Hause sind, nach Colmnitz schicken werde. Dagegen hat man hier köstliche Früchte, namentlich ausgezeichnete Mangoes, gerade jetzt, eine Frucht zwischen Ananas, Tamarinde und Pflaume schmeckend. Sonst hat man in allen Jahreszeiten besondre Delicatessen, und ein Indischer gourmand bildet sich erst mit Studium und Eifer.- Die grösste Indische Delicatesse freilich, kaltes Wasser und kalte Luft, kann man nicht immer haben. Glücklicher Weise bringen die Amerikaner Eis hierher und liefern es so billig, dass man Alles eisen kann. Frische Luft ist ein höchst seltener Artikel, besonders Nachts, wo man vor Schwüle umkommen möchte; und schläft man bei offnem Fenster, so erkältet man sich und bahnt der Cholera den Weg.

Neulich war ich einmal in einer Kirche und habe mich gewundert über die Menge punka’s, die da hin und hergehen. Vor und über jeder Bank, über Altar und Kanzel bewegt sich ein schon früher beschriebner grosser Fächer, durch Schwarze hin und hergezogen, und die verschiedenen Richtungen und Tempos dieser Punkabewegung wirken für das erste Mal sehr störend ein. Mir ist versichert worden, ohne punka's sei es nicht zum Aushalten und auf die Dauer werde man ganz daran gewöhnt.

Eine andre Neuigkeit, die ich hier gefunden habe, sind die huka's oder langen Wasserpfeifen, womit bedeutender LuXL1S getrieben wird. Unter den Europäern soll es sehr abgekommen sein, huka zu rauchen; doch aber haben wir noch jetzt Leute im Hause, die sich nach Tisch erst einen Teppich und dann die huka bringen lassen. Als ich ein solches Unthier zum ersten Male ins Zimmer kommen sah, glaubte ich, es sei eine Feuerspritze, so gross war das Ding mit Ellenlangen Schläuchen. Ihr Zweck besteht darin, dass der Tabak über einem Kohlenbecken gehalten, dann der Dampf mittels langer Schläuche durch Wasser gezogen und durch meist parfümirte Spitzen eingesogen wird. Die Einzelheiten sind aber sehr umständlich; eine huka erfordert einen eigenen Teppich und einen eigenen Diener, der nichts Andres thut, als die Pfeife in Ordnung halten. Ich wollte eine für Victor kaufen, sie sind aber kostspielig, von 50, 100-200 Rupien eine, und wenn ich keinen Diener mitsenden könnte, würde V.   gar nicht Bescheid wissen. Ich habe es gar nicht einmal versucht, da mir alle Leute sagten, Jemand, der es nicht gewohnt sei, würde allemal krank danach. Die natives haben eine sehr simple huka; eine Cocosnuss hat eine Röhre nach Oben gehen, die in einem kleinen Becken ausläuft, in welches Kohlen und Tabak gelegt werden; in der Cocosnuss ist Wasser und auf einer Seite oben eine kleine Röhre, aus der gesaugt und geraucht wird.

In einer Woche schwimme ich, so Gott will, wieder auf dem Meere und habe das unglückliche Calcutta hinter mir. Meinen nächsten Brief von Batavia und dem Paradiese Java.

Gehabt Euch wohl; die herzlichsten Grüsse an Alle von Eurem
                                                 stets unveränderten
                                                                   Richard.

(durch H. Harkort am 13.August 1845
 an die Adresse gelangt)


Batavia, 30.Septbr.1845.

An Herrn Bernhard Harkort

Ich habe Ihren Brief v.28.Juli aus Alexandrien wohl erhalten. Alles, was Sie mir von Ihrer Reise von Calcutta bis dahin u. den österreichischen Dampfschiffeinrichtungen schreiben, interessiert mich sehr.- Wenn das Schicksal mich einmal nach jenen Gegenden führen sollte, werde ich mir für die Vans (Vans sind die Karren, in denen die Passagiere auf ihrer 24stündigen Reise durch die Wüste von Suez nach Kairo transportirt werden, und welche sehr harte, unbequeme Sitze haben) ein Luftkissen mitnehmen.

Ich bin immer noch hier und bin ungeheuer contrariirt, dass ich morgen nicht fort kann, wie ich es mir vorgenommen hatte. Das Dampfboot hat früher stets Passagiere mitgenommen; wahrscheinlich haben sich Einige auf der letzten Tour unnütz gemacht, und nun wollen die Offiziere nicht mehr, und werden immer obstinater, je mehr man sich bemüht. Was hilft es? - "Die Königin" wird so schnell wohl nicht kommen, besonders da der Capitain in diesen Gewässern ganz unbekannt ist. Mit dem Fortkommen haben wir Beide es immer recht unglücklich getroffen.-

Mit den Leuten hier habe ich mich ganz gut eingerichtet und bin von Allen ausgezeichnet aufgenommen worden. Bei Wdals bin ich ganz zu Hause, obgleich ich im Gasthofe wohne; der alte Consul Metzendorff, der sonst ein so grosser Menschenfeind war, ist ganz aufgethaut, und wir sind zusammen 2 Tage beim Gouverneur in Buitenzorg gewesen, wohin ich wohl sonst schwerlich gekommen sein würde.- .... Das Geschäft von Martin Dyce & Co. wird von einem gewissen Campbell, dem Bruder des Buchhalters in Singapore, und von einem Mr. Taylor geführt. Campbell ist ein guter Geschäftskenner und sehr freundlich; nebenbei ist er in der haute volée, da er mit einer Tochter des Grafen Hogendorp, eines der 4 Räthe v.Indien, verheirathet ist.  .... Des Abends giebt es eine Menge Leute und Familien zu besuchen.- .... Theater haben wir auch hier, eine französische Truppe. Da aber alles dieses sehr theuer ist, so frequentire ich es wenig. Das Leben kostet überhaupt viel. Das Hôtel liegt, da es in der Stadt sehr ungesund ist, etwa 2 Meilen davon. Nun muss man immer fahren; 5 fl. p.Tag board, 3 fl. des Morgens für den Wagen, 3 fl. für Wagen, wenn man Abends ausfahren will, sind schon 11 fl. ohne irgend eine Extraausgabe.

Ich habe eine wundervolle Reise durch einen Theil Java’s mit Metzendorf zusammen gemacht. Das Land ist sehr schön, aber doch hatte ich nach allen den Vergleichen mit einem Paradiese mehr erwartet als ich gefunden. Wir hatten freie Postpferde meist 6 vor einem leichten Wagen, sonst aber auf ganz ebenem Wege immer 4, die ventre à terre gehen müssen. Ausser diesen Pferden bekommt man noch bei steilen Bergen (das Innere Java's ist ungeheuer bergig) Karabauen oder Büffel vorgespannt. Manchmal hatten wir 6 Pferde und 6 Büffel; Alles umsonst bis auf Trinkgelder.

Wenn Sie eine grosse Karte von Java haben, so können Sie uns verfolgen, wenn Sie Buitenzorg, Tjangor, Bandong, Garut, Soemadang, Cheribon, Tagal, Pegalongan, Djäng, Batur und Samarang aufsuchen, unsere Hauptstationen. Auf den meisten dieser Plätze gab es meistens früher eingeborne Regenten, die aber in ganz Java mediatisiert sind (bis auf die noch unabhängigen Fürsten von Djukjukarta und Solo oder Soerakarta - dem Todes- u. Begräbnisort Grube’s, wo wir aber nicht gewesen sind) und nur noch Hof, Pferde., Tänzerinnen etc. halten, von den Holländern für Alles, was in ihrer Regentschaft gebaut wird, ein Gewisses bekommen, z.B. 1 fl.20 für jeden Pic. Kaffee u.dergl., so dass sich Einige sehr gut stehen. (Der Regent von Bandong hat eine jährliche Einnahme von 300.000 Gulden.) und die machen können, was sie wollen, d.h. soweit es die Holländer erlauben. In Bandong habe ich die Tänzerinnen gesehen, die zwar sehr reich gekleidet sind, aber durchaus langweilig tanzen und sich nur in apischen Menuettbewegungen ergötzen. Auch plagt sie eine übertriebene Schönheit nicht.-

Wenn man eine Partie von dem Hauptplatze ab machen will, so müssen die Regenten Reit- und Wagenpferde stellen, und das Fortkommen kostet Einem gar nichts, wenn man, so wie ich an die Residenten empfohlen ist. Wir haben die. superbsten Kaffeeplantagen, Thee-, Zucker- und Indigo-Pflanzungen, Vulkane, heisse Schwefelquellen, arbeitende und ausgebrannte Krater, Bergseen, Wasserfälle, inländische Höfe und Fabriken aller Art <ich habe batticken - batticken ist das Drucken der wollenen Zeuche zu den Gewändern der Eingebornen, namentl.der Frauen-, Indigo, Zucker, Thee u. Kaffee machen lernen) gesehen, haben geschwitzt und gefroren, und haben für weniges Geld viel gesehen und uns gut amüsirt.

Java ist auch der einzige Platz im Osten, wo man menschlich leben kann. Gestern hatten wir hier den feierlichen Einzug des Gouverneurs Rochussen, der eben von Holland angekommen, meinen Freund, den bisherigen Vicegouverneur, in seine gewöhnliche Sphäre herabgesetzt. Das Klima ist mir ziemlich gut bekommen, as yet, ich bin aber doch etwas bange. Es geschieht so manchmal, dass man heute mit Jemandem in Gesellschaft ist, und der in einer Woche begraben ist. Man spricht von Testamenten, wie von einem Steuerzettel, und das Schlimmste ist, dass, wenn man ohne Testament stirbt, das ganze Besitzthum, Papiere, Bücher etc. von der Weeskammer hier in Besitz genommen und nur mit grossen Kosten und grossen Schwierigkeiten wieder herauszubekommen ist. So geht es jetzt mit Grubes Sachen, die immer noch von der Weeskammer festgehalten werden.

Ich höre eben von einem kleinen Schooner von 50 Tonnen, der in diesen Tagen nach Singapore geht, und werde so wohl eine zwar schlechte, aber doch wohl schnelle Ueberfahrt finden.-  Lassen Sie doch auch meinem Bruder wissen, dass ich wohl bin.
etc.                       ADio.
                                                   Der Ihrige
                                               Richard Carlowitz

(am 26.November 45 an die
 Adresse nach Leipzig gelangt.)


Batavia, 20.August 1845.

per Malvina via Hamburg.

Ich habe Euch, glaube ich, zuletzt von Calcutta aus durch Harkort geschrieben, Anfang Juni. Seitdem wird Harkort nach Hause gekommen sein und Euch erzählt haben, wie der Osten aussieht, und wie es hier zugeht. Ich gedachte 2 oder 3 Tage nach Harkorts Abreise auch Calcutta zu verlassen, das einzige Dampfboot  indess, das zwischen Calcutta und Singapore geht, kam etwas beschädigt ein und wurde einen ganzen Monat aufgehalten; so dass es anstatt Anfang Juni erst Anfang Juli ging. Ich wartete, da mich ein Segelschiff gegen den Monsoon (Passatwind) auch nicht eher als Mitte Juli nach Singapore gebracht haben würde. 14 Tage dieses Monats wollte ich benutzen, um einen Ausflug nach dem eigentlichen Haupt Ganges und einigen Indigofactoreien zu machen, und die übrigen 14 Tage noch fleissig in Calcutta sein. Ich hatte mich mit einem Freunde verabredet, diese tour zu machen, da wurde er krank. Ich wartete 8 Tage, und darauf fand das Geschick nicht für gut, dass wir die Reise machten; denn ich wurde krank und bekam das Fieber, so dass ich 14 Tage lang das Bett und Zimmer hüten musste. Das Calcuttafieber setzt meist mit dem Aufhören der Cholera und mit der Regenzeit ein und besteht in heftiger Affizirung der Kopfnerven. resp. des Gehirns und wird manchmal besonders in den Monaten August und September, und namentlich unter Wirkung und Einfluss der englischen Pferdemedizinen tödtlich. Ich hatte einen französischen Arzt, der mich mit 4 Dutzend Blutegeln und verschiedenen andern Mitteln in 17 Tagen wieder auf die Beine brachte. Trotz dem war ich aber später so matt, dass ich kaum gehen konnte. Erst die See hat mich wieder völlig stark gemacht und jetzt befinde ich mich wieder vollkommen wohl.

Von Calcutta ging ich am 6.Juli und kam nach einer für ein Dampfboot langen Reise erst am 21.Juli nach Singapore. Wir hielten uns 2 Tage auf der Insel Pinang (Pub  Panang oder Prince of Wales Island) am Eingang in die Malaccastrasse auf. Eine herrliche Insel. Von der nichts Besondres bietenden Stadt hat man eine prächtige Excursion nach dem Berge, der der gesundeste Theil des ganzen Ostens sein soll. Das Thermometer ist Jahr aus Jahr ein immer auf demselben Punkte. Man fährt bis zum Fusse des Berges, dann besteigt man eins von den kleinen Bergpferden, die mit dem sichersten Schritt einen in circa 1Y2 Stunde auf den Gipfel bringen. Der Weg führt an tiefen Bergabhängen und Schluchten vorüber, die alle mit den prächtigsten Bäumen bestanden sind, von immenser Höhe, die tief im Abgrunde ihre Wurzel schlagen und schlank wie eine Kerze die Gipfel nach der Sonne treiben, auf der andern Seite sieht man Berge steil aufsteigen, aber auch mit der üppigsten Vegetation. Die ganze Partie gehört zu den romantischsten, die ich gesehen habe. In dem Dickicht schaukeln sich Affen und flattern allerhand Vögel, Blumen in den verschiedensten Farben wechseln mit bunten Beeren und Früchten ab. Vom Gipfel des Berges hat man eine wunderschöne Aussicht; man erblickt tief unter sich die grünenden Gefilde der fruchtbaren Insel, die Stadt und das Fort auf einer Landspitze, die Schiffe auf der Rhede und drüben über dem Wasser die blauen Berge von Queda, einer sich jetzt von Siam losgerissenen Provinz. Der Gouverneur wohnt auf dem Berge, der ausserdem noch einige andre Wohnungen, alle mit lieblichen Gärtchen umgeben, enthält. Ich brachte eine Nacht auf dem Berge zu in einem leeren zu vermiethenden Hause. Wir fanden dicke wollene Decken sehr wohlthätig, während wir am Tage unten eine  ächt tropische Sonne empfanden. Am andern Morgen sandte uns der Gouverneur, dem einer von uns einen Besuch gemacht hatte, ein superbes Frühstück.

Ausser dieser superben Bergpartie hat Pinang noch einen hübschen Wasserfall, eine Schönheit, für die mich freilich der Niagara etwas abgestumpft hat, und einen grossen Baum, der 35 Fuss im Durchmesser hat und 95 Fuss bis zu seinem ersten Aste in schönster Proportion kerzengrade in die Höhe steigt. Es ist ein Milchbaum, aus dem, wenn man ihn ritzt, ein weisser Saft herausfliesst, der höchst angenehm wie frische Milch schmeckt. Den botanischen Namen habe ich nicht erfahren.

Die Stadt Malacca, wo wir uns auch 6 Stunden aufhielten, ist schlecht gebaut und schmuzig, der Gouverneur, unter dem zugleich auch Singapore und Pinang stehen, ist selten da, und der Platz ist eigentlich von gar keiner Bedeutung. Er war anfänglich Portugiesisch, dann Holländisch und ist jetzt Englisch. Die Menschenrace ist theilweise aus portugiesischem, theils malayischem, theils chinesischem Blute gemischt. Eine schöne Mixtur!

In Singapore war ich glücklich genug, ein Schiff für Batavia zu finden und blieb nur 4 Tage dort, während welcher Zeit ich eine Trauung nach englischem ritus mit ansah. Wir hatten die Braut mit von Calcutta gebracht, eine hübsche kleine Schottin. Die Trauung war öffentlich in der Kirche und ging mit der gewöhnlichen nichtssagenden Steifheit der englischen Kirche ab. Das Einzige, was mir neu vorkam, war, dass die Braut im Hut mit darüber geworfenem Schleier getraut wurde. Dies soll immer so sein. Zur Feier der Hochzeit war ich nicht eingeladen, da ich eigentlich schon vorher segeln sollte.-

Die Reise von Singapore nach hier machte ich in einem Amerik.Schiffe; wir hatten den Monsoon gegen uns, segelten gerade Ost auf Borneo los, arbeiteten uns dicht an der Küste herunter bei Sambas und Pontiana - holländ.Niederlassungen - vorüber, wollten die Caramatastrasse gehen, fanden aber den Wind conträr, gingen um Billiton herum, die Strasse von Gaspar (zwischen Billiton u.Banka) und waren nach einer famosen Reise von nur 10 Tagen hier, nachdem wir, um 600 Meilen geraden Weg zu machen, etwa 1500 Meilen durchlaufen hatten. Ein andres, als Schnellsegler bekanntes Schiff, das 4 Tage vor uns von Singapore segelte und den näheren Weg durch die Bankastrasse ging, kam erst 8 Tage nach uns an.

Wenn man auf die Rhede von Batavia kommt, sieht man von der Stadt gar nichts, sondern nur ein flaches mit Gestrüpp bewachsenes Land. Ein kleiner Fluss, der bei Batavia ausläuft, ist durch künstliche Steindämme weit ins Meer hinaus verlängert und diesen sogenannten revier muss man wenigstens ½ Stunde weit hinaufrudern, ehe man an die Stadt kommt. Hier sieht man auch weiter nichts, als Geschäftshäuser am Flusse hin liegend und andere boutiquen der Eingebornen und Chinesen. Die natives sind Malayen, welche für eine Schönheit halten, wenn die Zähne durch den scharfen Saft der Betelnüsse und Siriblätter schwarz oder ganz abgefressen werden. Sie tragen sich, wie in Singapore und haben häufig Raufereien und Todtschlag mit den Bugesen, den benachbarten Insulanern und den Chinesen. Der Javanese ist faul u.diebisch. Die Sprache ist malayisch in einem etwas andern Dialecte als in Singapore.-

Java selbst ist die schönste Insel auf Gottes Erdboden nach den Aussagen aller Reisenden, und die fruchtbarste Colonie, die die Engländer, nach dem Wiener Congress auch nur mit schwerem Herzen an die Holländer ausgeliefert haben. Man hat in Java Alles. Die Holländer ziehen viel Geld von der Insel, haben aber auch, um ausländischen Einfluss im Keim zu unterdrücken, die engherzigste Politik, die man sich denken kann. Ein Fremder hat nur 6 Wochen freien Aufenthalt, dann muss er um die Acte des zeitlichen Verbleibens nachsuchen und dafür 110 Gulden bezahlen, auch sogleich mit Milizdienst thun. Ins Land zu reisen ist schwer; wer schon längere Zeit im Lande ist, bekommt selten Erlaubnis, aus Furcht, dass man mit den Leuten im Innern Contracte gegen das Interesse des Gouvernements, das den Handel monopolisiren möchte, abschliessen wollte.

Die Regirung besteht aus einem vom holländ.Gouvernement ernannten: Gouverneur generaal van Nederlandsch Indie und 4 Räthen von Indien. Der frühere Gouverneur ist nach Hause gegangen, gegenwärtig ist der Vicepräsident vom Rath (der gouverneur ist ex officie Präses des Raths) wahrnehmender Gouverneur mynheer Reinst, bis der neue Gouverneur, der frühere Finanzminister Rochussen herauskommt.- Ich hatte einen Empfehlungsbrief vom Minister der Colonien Band, und dieser verschaffte mir sofort Einlass. Der Gouverneur wohnt für gewöhnlich in Buitenzorg, etwa 35 engl. Meilen von hier. Dort ging ich hin, hatte denselben Abend Audienz u.den andern Tag eine Einladung zum Mittagessen.  Auf meine Bitte, ein wenig ins Innere reisen zu dürfen, antwortete seine Excellenz, die von mir projectirte Tour sei nicht gross genug, ich solle soweit reisen, wie ich wolle, er werde mir überall 4 freie Extrapostpferde und Empfehlungen an alle Residenten (Untergouverneure) der inneren Provinzen geben. So viel hatte ich freilich nicht erwartet, indess ich finde ganz angenehm, dass mich die holländ.Regierung mit ihren Pferden herumfahren lässt. Nur habe ich wenig Zeit. Ich könnte die ganze Insel mit ihren inländischen Fürstenhöfen besuchen und Alles für wenig Kosten sehen; statt dessen muss ich, da ich bis Ende September wieder in Singapore sein muss, mich auf einen kleinen Theil beschränken. –

Ich wähle die schönen Gegenden, Zucker- und Caffeeplantagen und Samarang, wo ich noch nützlich sein kann, in Vorzug der Fürstenhöfe, wo eingeborne Sultane sich einbilden, unumschränkt zu herrschen, aber unter holländ.Aufsicht stehen und unter dem Namen einer Ehrenwache stets gefangen sitzen, die mit Orden und Ehrentiteln überhäuft werden, um sie desto unterthäniger zu halten, und die noch manche glänzende Hoffeste, Tiger- und Büffelgefechte geben. Letztere im Stiche zu lassen, thut mir besonders leid. Grube war nach einem dieser Höfe, dem des Kaisers von Solo gewesen, starb aber auf der Rückreise von da nach Batavia. Sein Tod wird dazu beitragen, das Klima von Java ganz in Verruf zu bringen; es ist aber lange nicht so schlimm, wenn man sich nur in Acht nimmt.

So wie ich von meiner Reise durch Java zurückkome, schreibe ich Euch wieder. Heute kommt mir der Abgang des Hamburger Schiffes etwas über den Hals.- Ich bin wohl und munter und grüsse Euch herzlichst.

                          Stets unverändert der Eure
                                                   Richard.

(per Malvina. Stempel: Schiffsbriefpost.
 Hamburg 1O.Dec.1845. Poststempel: Hamburg 1O.December.-
 am 13.Decbr. an die Adresse gelangt.)


 

 
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