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Die Hongs, in welchen die Ausländer wohnen, sind lange Gebäude, in denen 6 kleine Häuser zwischen Höfen stehen,. und ein solches kleines Haus ist der Aufenthalt eines Handlungshauses, das vielleicht Millionen umsetzt. Ausser den vorderen nach dem American Square zugehenden Hongs haben die Leute gar keine Aussicht, sie sehen sich gegenseitig in die Fenster, und die Häuser sind äusserst dunkel.

Von Bewegung ist nicht die Rede, man sitzt den ganzen Tag in den hongs und Abends, oder jetzt vor Tisch von 5-1/27 Uhr – es wird gewöhnl. während des Winters um 7 Uhr dinirt – wandelt man den American Square oder den Company's garden auf und ab, oder begiebt sich, besser ausgedrückt,- ins allgemeine Rennen; denn von allen etwa anwesenden 150 Europäern und Amerikanern laufen wenigstens 50 des Abends im Kreise herum, als wenn ihr Seelenheil davon abhinge, und die unfruchtbare endlose Arbeit hat mich schon oft zum Lachen gebracht und gelangweilt. Der Kreis ist so gross, dass man ihn in ½ Minute umlaufen kann, und so begegnet man alle Gesichter wohl 100 Mal in kurzer Zeit. Wir musterten vor einigen Tagen 8 Deutsche in Canton und von einem in Whampoa liegenden Schiffe jetzt nur 4, von denen 2 in hiesigen Häusern angestellte Commis, einer meine Wenigkeit und einer mein alter Reisegesellschafter von Bremen' nach Singapore, Frohn, ist, der von Singapore aus jetzt auf der Heimreise hier einige Tage zum Besuch ist.- Nachdem man sich müde gelaufen hat, geht man nach Hause, isst, trinkt gegen 9 Uhr Thee, liest etwas, nimmt eine Nachtmütze in Gestalt von schlechtem Brandy & Water, und begiebt sich in sein von Muskitonetzen aufgebautes Nachthaus.- Gegen 7 Uhr wird aufgestanden, beim Aufstehen eine Tasse Kaffee genossen, dann gegen 9 Uhr gefrühstückt, und um 1 oder 2 Tiffin, alias Lunch, genommen.- Ich sitze am Tage viel zu Hause, mit Schreiben beschäftigt, und laufe viel herum, um aus allen möglichen Quellen Informationen zu schöpfen, die aber meist so widersprechend sind, dass man immer im Finstern tappt.

Viel gesellschaftlicher Intercourse ist nicht; man wird häufig zu Tisch gebeten, und dann entwickelt sich ein ruhiges whist nach Tische oder ein eigenthümliches Hazardspiel, Bragg, das neuerlich sehr en vogue gekommen ist, an mir aber, als unpassionirten Spieler, keinen Jünger gefunden hat. Ein andres, aber auch ausschliessend das einzige Vergnügen, ist Rudern; es existiren eine Menge Amateurs, die in eigenen Booten den Fluss auf und abrudern und diesem Vergnügen mit Leidenschaft nachhängen.- Von fremden Damen giebt es hier blos eine, die als einziges solitäres Exemplar ihres Geschlechts am Arme ihres keineswegs sehr beliebten Ehemannes, Dr. Parker, des Abends auch im race-course erscheint und ein höchst tristes Leben führen muss. Für unsere deutschen Mädchen und Frauen wäre es ein zweiter Tod, auf längere Zeit in Canton zu leben; Englische Damen oder einzelne Amerikanische allein können es aushalten mit ihrem starren, festen und für Gemüthlichkeit unempfänglichen Character.

Das Verhältnis der Ausländer zu den Chinesen ist hier in Canton länger feindselig gewesen, als irgendwo anders in China, weil die Veränderung der Verhältnisse zwischen früher und jetzt auf Canton mehr unmittelbar eingewirkt hat, und der gemeine Volkshaufe von lange her von den Mandarinen aufgewiegelt, noch immer eine gewisse bravour darin sucht, seine oft eingebildete Feindseligkeit in Gemeinheiten zu zeigen. Dazu kommt der allgemeine Zustand der Verworfenheit in denen Canton zunächst gelegenen Provinzen, /-neulich haben sie ein Kind lebendig gebraten-/ genährt durch die gute Gelegenheit für Seeräuberei, Raub, Diebstahl und Mord; und man kann sich nicht wundern, wenn die Uneinigkeit so lange in Canton in Flammen geblieben ist.

Noch neuerlich hatte man gedroht, die Mauer, die die Ausländer um den Garten der Factoreien ziehen, und neue auf dem Platze der alten Ostindischen Compagnie zu bauende Häuser niederzureissen, und man war eines neuen Ausbruchs gewärtig. Seit der Zeit sind aber von der Chinesischen Regirung sehr vernünftige, den Amerikanern und Europäern Vorrechte einräumende Verordnungen erschienen, die Ruhe zu sichern scheinen.- Man sagt, dass diese Verordnungen den Bemühungen des Amerikanischen Consuls, Mr. Forbes, zu danken seien, der es den Behörden wiederholt vorgehalten habe, dass der nächste Aufruhr vielen Chinesen das Leben kosten würde. Was überhaupt hier in Canton Heilsames geschieht, kann meist nur den Amerikanern zugeschrieben werden; die Politik der Engländer in China ist viel zu furchtsam und zaghaft, um ihren Handeltreibenden entscheidenden Schutz angedeihen zu lassen. Das Englische Consularsystem in China ist ein künstlich nach Sir Henry’s eigener Theorie aufgebautes Kunststück, das in den Consuln nicht Beschützer der englischen Kaufleute schafft, sondern nur Zolleinnehmer für die chinesische Regirung und Bürgen für den richtigen Eingang der Zölle hinstellt, und so eine Gêne in die freien Handelsbewegungen der britischen Kaufleute bringt, die selbst in den rechtlichsten Handelstransactionen - von Opium gar nicht zu sprechen - äusserst unangenehm ist. Mit einem englischen Schiffe in einen chinesischen Hafen zu kommen, ist mit zehnmal mehr Weitläufigkeiten verbunden als mit einem Amerikanischen oder Deutschen.

Vor der Hand sieht man jetzt ruhigeren Zeiten entgegen, wenn der neuerlich in Hongkong sich aufgethane Zwiespalt zwischen Gouverneur und Kaufleuten, so wie sehr deutlich manifestirter Unwille der chinesischen Population gegen ein neues Gesetz nicht vielleicht zu ernsten Folgen führt. Der Gouverneur hat das Gesetz zurückgenommen; man fürchtet, dass die Chinesen es auslegen werden, als sei es aus Furcht geschehen und fernere Opposition darlegen.- Ganz sicher sitzt übrigens hier keiner von uns, und viele Leute bezweifeln lange Dauer des Friedens. Wenn hier ein Aufruhr wieder ausbricht, müssen wir uns vor der Hand selber vertheidigen, und alle Ansichten stimmen darin überein, dass es das nächste Mal scharf hergehen wird.

Die Stadt Canton an und für sich ist zwar nach dem Tractate dem Zutritte der Fremden offen; wenn man aber in die Thore hineinkommt, d.h. in die eigentlichen Stadtmauern, so wird man gesteinigt, und ebenso auf der Canton gegenüber liegenden Seite Honan. Der Verkehr ist auf einen kleinen Theil der Vorstädte beschränkt und beiliegender Riss, der aus dem Kopfe und ohne richtige Proportion gemacht ist, wird Euch eine ungefähre Idee von dem Theile Canton’s geben, der von Fremden meistentheils besucht wird. Nur drei Strassen sind auf Englisch benannt: Hoglane (chinesisch: Sin-tan[to]-lan), New China Street (Tung-wan) und Old China Street (Tsing-yuen); und letztere enthalten nur Shops mit den bekannten chinesischen Curiositäten gefüllt, die alle sehr hübsch ausgestattet sind. Die ersten Tage gewährt es eine reiche Unterhaltung  in diese Läden zu gehen, und die verschiedenen Sachen zu sehen, Schnitzereien allerlei Art in Perlmutter, Elfenbein, Schildpatt, Sandelholz pp., geflochtene Sachen aus Bambus- u. Rattaus, Seidenzeuche, Crapeshawls, grass Cloth, lakirte Arbeitstische, Kisten und Kasten, verzerrte und merkwürdige Figuren aus Stein, Metall und Holz, dann wieder die netten Malereien auf Reispapier und Elfenbein, worin die Chinesen sich auszeichnen; die Freundlichkeit, mit der man überall herumgeführt wird, ist erfreulich, freilich aber von der Erwartung beseelt, dass man überall Dollars sitzen lassen wird.

Nachdem man diese Sehenswürdigkeiten angesehen und das Neue sich verwischt hat, bleibt aber nichts als der traurige Rückstand von engen schmutzigen Strassen mit ihrem Gewühl von Menschen, die Einem aller Schritte Rippenstösse versetzen oder einen an die Wand klemmen, von comfortlosem Leben und Mangel an erheiternder Gesellschaft u.Gemüthlichkeit. Dazu kommt eine arge Hitze im Sommer, während es im Winter sehr kalt sein soll, und eingeschlossene Luft in den engen Häusern. Wenn man sich einmal amüsieren will, geht man auf ein Paar Tage nach Whampoa, etwa12-15 Meilen und verbringt sie an Bord eines befreundeten Schiffes in frischer Luft und Gottes freier Natur, von der man in den Vorstädten Cantons verzweifelt wenig sieht und geniesst.

Ich bin vollkommen wohl auf und mir geht es so weit gut; das warme Clima und namentlich die frische Seeluft, die ich auf meinen Fahrten so reichlich geniesse, sagt mir zu. Nur wünschte ich in geschäftlicher Hinsicht etwas besseren Erfolg, als wir bis jetzt gehabt haben, um die viele aufgewandte Mühe und Kosten zu belohnen. Was daher aus dem späteren chinesischen Geschäfte und meinem längeren Hierbleiben werden wird, ist noch sehr ungewiss, und über künftige Pläne kann ich gar nichts sagen. Ich halte mich gern von jeder Verantwortlichkeit frei, mag auch meinen Leipziger Herren nichts anrathen, sondern habe ihnen alle Dinge, von allen Seiten betrachtet, vorgelegt, sodass sie 3ich selber entscheiden können. Unsere Aufgabe ist äusserst schwierig und eine höchst undankbare; die Verantwortlichkeit ist so schon gross genug, und so will ich mich wohl hüten, irgend eine Massregel anzurathen, die später schlecht ablaufen könnte. Mit Harkort habe ich mich ganz gut eingerichtet; wir sind allerdings bisher nicht viel zusammengewesen; er blieb länger als ich in Singapore, ich bin allein an der Küste 4 Monat lang gewesen, bei meiner Rückkehr nach Hongkong traf ich Harkort eben noch ehe er nach Manila ging, ich ging hierher und in einigen Tagen erwarte ich ihn hier. Er wird dann nach Calcutta gehen, wohin ich ihm im Dezember oder Januar folgen werde; und von dort aus werden sich unsre Wege wieder theilen; er wird von da wahrscheinlich nach Hause gehen - um übers Jahr wieder zurückzusein nach zweijähriger Abwesenheit, und ich werde von Calcutta wahrscheinlich wieder über Batavia oder Siam nach hier zurückkommen, um die ferneren Bescheide von Hause zu hören. Unter 2 Jahren ist demnach wenig Aussicht, dass ich wieder nach Hause komme.

Die Zeit verstreicht in der steten Abwechslung ausserordentlich rasch; man sieht viel und gewöhnt sich an das herumschweifende Leben ......

Ueber einzelne Gebräuche und Einrichtungen behalte ich mir einstweilen weitere Mittheilungen vor, und grüsse Euch inzwischen herzlichst.
Auch in der Ferne stets der Eure
                                                             Richard Cz
 

 

 

 
O.J.F.
 Platz der alten Ostindischen Factorei, der jetzt bebaut werden soll.
6 H.F.
  Die 6 Hauptfactoreien.
A.S.    American Square.
C.G.    Companys Garden.
E.C.     Englisches Consulat
F.C.     Französisches Consulat.
R. abgesondertes Haus, meine Wohnung.
a. new China Street.
b. old China Street.
c. Hoglane.
d. Canal (Creek).

Poststempel: Hongkong 14.November 1844. desgl:
Indes or. Marseille 4.Fevr.45
per overland mail. Care of Messrs.C.& G.Harkort
Leipzig. Messrs Rabaud frères & Comp.
Marseille.
/: gegen Mitte Februar 1845 an die Adresse gelangt :/


Victoria, Hongkong, 20.Januar 1845.

Ich bin noch immer wohl auf und munter, Gott sei Dank, und wenn ich Euch nicht so oft schreibe, als ich an Euch denke, so müsst Ihr dies entschuldigen. Meine Zeit ist bedeutend in Anspruch genommen und zu ausführlichen Briefen habe ich gar keine Zeit übrig, Beschreibungen zu geben aber auch keine Lust, da mich die Lebensweise und Alles in China eigentl. anekelt. Trotz dem aber bin ich überzeugt, dass man hier noch vorwärts kommen kann und ich will lieber ein Paar Jahre ein elendes Leben führen, um etwas Geld zu machen, als nach Hause zurückkehren, wo ich nicht viel habe. Ich hoffe, der gute Himmel wird Uns Allen ein fröhliches Wiedersehen verstatten, auch wenn es erst nach Jahren sein sollte. Ich habe eine gute Speculation vor und bitte --- dazu. Schenkt mir der Himmel das Leben, so will ich ihn voll wieder aufmachen, ist aber das Clima mir fatal, dann muss ich Euch überlassen, meine Rechnung abzuschliessen.

Bis jetzt habe ich gefunden, dass meine Constitution sich mit allem Climawechsel verträgt, ich bin stets gesund gewesen und werde mit Gottes Hilfe alle Unannehmlichkeiten ertragen. Das Reisen von einem Orte zum andern spricht mich sehr an und ich fühle mich wohl dabei ... Dahin, wo es ungesund ist, gehe ich nur in den kalten Monaten, und schone mich.... Von Heirathen ist freilich hier draussen keine Rede; dazu ist es immer noch Zeit....

Von Euch habe ich seit dem im vorigen März geschriebenen Briefe noch keine weitere Notiz. Seit der Zeit sind 3/4 Jahr verflossen. Harkort schreibt manchmal an seinen Sohn und daraus entnehme ich, was er von Euch weiss, aber wenn der junge Harkort jetzt nach Hause geht, hört diese Quelle meiner Nachrichten auf. Dann müsst Ihr mir ein wenig häufiger schreiben. Obgleich bei dem Herumgeworfenwerden von einem Orte zum andern und immer neuen Bekanntschaften die Gedanken absorbiert werden und man nicht so nach Hause träumen kann, als wenn man wie ich in New York, an einem Orte festsitzt, so ist es doch immer eine höchst angenehme Nachricht von dem Wohlsein der Seinigen, woran man alle seine Liebe knüpft, zu hören

Entschuldigt mich für heute; mein Zweck war blos zu sagen, dass ich wohl und vergnügt bin und dass ich noch immer mit der grössten Liebe der guten Mutter und aller Geschwister denke mit derselben Anhänglichkeit, wie Ihr gewohnt seid von Eurem aufrichtig ergebenen
                                                                                 
Richard.

(durch Einschluss an die Herren Harkort
 am 26.April 45 an die Adresse gelangt.)


Macao, 15.Februar 1845.

Mein liebes Brüderchen!

Obgleich ich selbst mich des 1O.Februars in Hongkong erst spät am Nachmittage erinnerte, als ich das Datum schrieb, hoffe ich doch, hast Du Dich des gemeinsamen Geburtstages erinnert und zu gleicher Zeit unsres Correspondenzversprechens. Meinen im November geschriebenen Brief wirst Du wohl zu rechter Zeit als Gratulationsbrief erhalten haben. Erlaube mir heute Dir meine wärmsten und aufrichtigsten Wünsche zu wiederholen; möge der Himmel Dich glücklich sehen und uns ein frohes Wiedersehen verstatten.

Von Euch habe ich althergebrachter Weise keine Briefe; Dein Brief vom März vor.Jahres ist der letzte; ich erhielt ihn im September. Von Leipzig haben wir nur Briefe bis zum 1.Sept. worin die Notiz: Familiennachrichten: All well. Ich bin nicht mit Harkort zusammen und weiss daher auch nicht, was ihm sein Vater privatim schreibt.

Ich bin nun seit 9 Monaten im himmlischen Reiche, und kann die Gelegenheit nicht erwarten wieder davon wegzukommen. Wenn das Geschäft noch ginge, wie es sollte, wäre noch Alles gut; aber so ärgert man sich täglich und führt nebenbei ein Leben, das möglichst trist ist. Aber was hilft das Klagen; ich bin gesund und munter und hoffe für die Zukunft auch ein gutes Geschäft, und wünsche weiter nichts als dass die Leipziger Alles billigen, was man thut.

Ich bin bis Anfang dieses Monats in Canton gewesen, volle 4 Monate, ohne mich vom Platze zu rühren, bin dann auf einige Tage nach Hongkong gegangen, am 12. hier angekommen und gedenke in 3-4 Tagen mich mit einer sehr angenehmen Reisegesellschaft, 2 Leuten aus Peru, und einem Major in der Bengalischen Armee, der den ganzen Krieg in Afghanistan mitgemacht hat, nach Singapore einzuschiffen. Einmal von hier weg werde ich einige unruhige Monate haben; unsre Waaren sind meist alle disponirt, so dass es nicht nöthig ist, an einem Orte ihretwegen zu bleiben, und ich werde, nachdem ich Harkort von Calcutta aus nach Hause expedirt habe, die nächsten 6-7 Monate benutzen, um Java mit Batavia, womöglich Siam und Manila zu besuchen Ich reise dann blos mit offnen Augen und Ohren und habe nicht den täglichen Zank mit Käufern, Geld und Waarenlagern pp.

Von Singapore an und Calcutta will ich mein Tagebuch wieder anfangen; China ist mir so im Kopf, dass mich es anekelt, auch nur ein Wort darüber niederzuschreiben, und ich werde, da ich höchst wahrscheinlich hierher wieder zurückkomme, Zeit genug haben, die Lücke im Tagebuche auszufüllen. Der Mensch ist ein sonderbares Geschöpf! Wenn man an einen fremden Ort kommt, so hat man allerhand auszusetzen, man wünscht sich weiter, und jeder subsequente Ort hat wieder seine neuen Unannehmlichkeiten, die den verlassenen Ort in der Erinnerung viel besser erscheinen lassen, als den neubesuchten. So ist es mir bisher ergangen.

Singapore, schöne fruchtbare Insel mit schönen Wegen und Spazierritten, mit Billards und andern Vergnügungen, gefiel mir nicht, weil kein sociales Leben da ist und man in geschäftl. Hinsicht bei jedem Schritt Jemandem auf die Hühneraugen tritt. Dann kam der Norden von China, echt chinesisch. Freiheit Spaziergänge zu machen, freundlich gesinnte Bewohner und überall herzliche Aufnahme; - da war wieder nicht die geringste Accomodation, ich musste am Bord bleiben, am Tage mich mit den Chinesen ärgern, die wenig oder gar kein Englisch verstanden, am Tage 120º Fahrenheit im Schatten, in der Nacht von Muskitos aufgezehrt; - dann Canton, wo man sich überall verständlich machen kann, wo das Emporium des Handels und wo Alles zu haben ist; - aber da wieder enge schmuzige Strassen, gemeines boshaftes Volk, das jeden Ausländer möglichst insultirt und betrügt; keine Bewegung ausser einem Kreislaufe im Americ.Square, der nicht so gross ist, als der Markt in Leipzig, und Chinesische Häuser, wo kein Feuer und nichts ist. Ich habe in den kältesten Tagen in meinem Zimmer gesessen, oft bis spät in die Nacht, und zwar nicht mit Heulen, aber doch mit Zähneklappern mich beschäftigt; man wird empfindlich für Kälte, wenn man in einem Jahre die Linie 2mal passirt und wochenlang in einer Temperatur von 1200 Fahrenheit im Schatten lebt. Ausserdem ist auch Canton dies Jahr in geschäftlicher Hinsicht nicht ein Viertel von dem, was es andre Jahre war. –

Dann Hongkong, eine zwar unfruchtbare, sandige, schwarze, eklige Insel, wo man um Victoria, dem Hauptsitz, keine Pflanze sieht, aber trotz dem sich verständlich machen kann und immer noch manche agréments hat, - und nun Macao, ein portugies.Platz, wo unter 100 Menschen in den Strassen kaum Einer englisch oder eine andre Sprache, als chinesisch und portugiesisch spricht, wo man ausser einem Spaziergang am Wasser auf und ab, nichts hat, wo das beste hôtel im Ort kein Zimmer hat, dessen Thüre schliesst, und wo man für miserables Essen und Aufwartung 4 dollars = 6 rh.preuss.Ct. per Tag bezahlen muss.

Ich habe einen Empfehlungsbrief an den Gouverneur von der portugies.Regirung, aber da der gute Mann nur Portugiesisch, nicht einmal spanisch sprechen soll, so habe ich es aufgegeben, ihn zu besuchen, da Portuguez nicht gerade meine force ist. 

Als ein Beispiel der portug.Disciplin Folgendes: Gestern ging der Gouverneur mit einem Adjutanten spazieren, fünf Schritte hinter ihm her seine Ordonnanz mit brennender Cigarre im Munde!-

Adieu, mein braver Bruder, herzliche Grüsse an Mutter u. Geschwister. Ich schrieb an Mama den 20.Januar.
                              Stets der Deine
                                                   Richard

Auf dem Siegel steht Ca-lo-wi-tsz.

(durch Einschluss an die Herren Harkort, gegen Anfang
 Juni 45 an Alfred von Carlowitz Maxen gelangt)


Leipziger Zeitung No.40. v.15.Februar 1845.

Leipzig, 14.Februar.
Handel Deutschlands mit Ostindien und China.

Diejenigen, welche sich für diesen höchst wichtigen Gegenstand interessiren, werden gern erfahren, dass die Versuchsexpedition, welche die hiesigen Häuser C.Hirzel u.Co.und Carl u.Gustav Harkort zu Ende des Jahres 1843 gemeinschaftlich unternommen haben (nach dem von denselben den Interessenten 1844 erstatteten Bericht) den Hauptzweck derselben: "zuverlässige Data über die Absatzfähigkeit deutscher Erzeugnisse in jenen fernen Gegenden zu erlangen und weitern Unternehmungen dadurch eine sichere Unterlage zu geben", in befriedigender Weise zu erfüllen verspricht. Die damit beauftragten Agenten (Herr R.v.Carlowitz und Bernh.Harkort) haben, nach den bis jetzt eingegangenen Nachrichten, die Plätze Singapore, Manila, Shanghai, Tschusan, Ningpo, Amoy, Hong-Kong und Canton berührt, angemessene Zeit auf Explorirung des Waarenabsatzes verwendet und die erforderlichen Notizen gesammelt, und werden in gleicher Weise noch Batavia, Calcutta, Bombay etc. besuchen. Ihre Bemühungen um gründliche Aufschlüsse werden wesentlich durch den Umstand unterstützt, dass sie ein Assortiment Waaren besitzen, welches ihnen gestattet, praktische Erfahrungen über die Hauptartikel deutscher Fabrikation zu gewinnen, während blosse Muster diesen Zweck nur höchst unzureichend erfüllen können.

Bei der Schwierigkeit, welche die Einleitung von Geschäften der Art darbietet, und bei dem grossen Risico, welches mit einer Aussendung auf gut Glück verknüpft ist (-da auf zweckmässige Wahl der Artikel und der Märkte Alles ankommt-), scheint nicht genug empfohlen werden zu können, sich nur auf zuverlässige Anleitungen zu stützen, wenn man die schwersten Opfer vermeiden will, und Diejenigen, welche ihren Absatz auch in jenen Richtungen auszudehnen wünschen, dürften daher wohl thun, sich an die obengenannten Häuser zu wenden, welche dem Vernehmen nach entschlossen sind, den betretenen Weg zu verfolgen und zu dem Ende selbstständige Einrichtungen für den Debit deutscher Waaren in jenen Weltgegenden zu treffen.


pr.French Steamer. Via Marseille                    Singapore, 17.März 1845.

Ich bin noch immer wohl auf und munter und befinde mich gegenwärtig wieder auf unsrem ersten Landungsplatze, wo wir vor ungefähr einem Jahre (12 Tage von heute) die Indischen Gestade zum ersten Male betraten. Die Zeit vergeht mir sehr rasch und ich kann mir nur mit Mühe vorstellen, dass ich schon wieder 1½ Jahr vom Haus weg bin. Die Hitze bekommt mir gut und meine Constitution hält sich ausgezeichnet. Da ein Freund von mir morgen mit eigenem Schiffe nach Bremen segelt, so sende ich an Harkorts für Euch ein kleines Kistchen von chines.Sachen, die Ihr unter Euch vertheilen möget; für Mama aber habe ich das Stück schwarzes Seidenzeuch bestimmt, damit sie einmal ein chinesisches Kleid tragen möge. Der Stoff ist schön, aber wie ich von Damen höre, etwas zu schwer. Ferner enthält die Kiste: 2 lakirte Theekasten, einer für H's, einer für A's Haushaltung, 1 Markenkästchen für V., ein Elfenbein-Spielzeug (bilboquet) für die kleinen Osteroder, 1 chines.Damenperrücke, 1 Pfeife, Tabaksbeutel und Feuertäschchen, 2 chines.Rasirmesser, 1 Compass, 1 pr.chines.Frauenschuhe, 1 Pack Tabak, 1 in Elfenbein geschnittener Napoleon, 1 Reibstein und Tusche, eine cameelgarnene Matte und 2 Bilder aus Pooto, einer Insel bei Chusan, wo ich im August war, mit 400 Tempeln, zur allgemeinen Vertheilung. Für die Schwestern hatte ich ein Paar in Elfenbein geschnittene schöne Fächer gekauft, habe sie aber aus Versehen mit zu den Leipziger Sachen gepackt. (Harkorts haben mir einen davon für 13 rh. verkauft. V.) Nach Leipzig haben wir ein ganzes Assortiment chinesischer Sachen geschickt, unter andern auch Nähtische, so wie Caroline einen haben wollte; die Dinger sind mir aber zu Geschenken ein wenig zu theuer.

Harkort geht in wenigen Monaten nach Hause zurück und wird wohl das liebe Sachsen im Juli oder August wiedersehen. So lange ich gesund bin und weiss, dass es Euch wohl gehet, habe ich keine besondere Eile, wieder nach Hause zu kommen. Der Mensch muss sich tummeln, so lange er jung ist, und da ich nun einmal die Gelegenheit dazu habe, so will ich mich auch tüchtig in der Welt umsehen. Von der Eigenschaft des reichen Onkels habe ich aber bis jetzt nicht viel wegbekommen können. Ich sammele mir indess eine Menge Bekannte, so dass mir um meine eigene Zukunft gar nicht bange ist, auch wenn die Leipziger von ihrem chinesischen Projecte abstehen.

Ich freue mich nach Calcutta zu kommen und werde mit dem ersten Schiffe dahin abgehen. China hat nicht gerade einen brillanten Eindruck in mir zurückgelassen; von Gemüthlichkeit und angenehmen geselligen Verhältnissen ist gar nicht die Rede; man lebt nur als Kaufmann, und wenn es dann nicht geht, wie es gehen soll, langweilt man sich; doch wenn ich es gethan habe, brauche ich Euch damit doch nicht zu ennuyren. Was soll ich aber andres schreiben? Ich habe so manche Correspondenten, ich habe hierin und dorthin eine Art Beschreibung zu geben und gegeben, dass ich einmal nicht weiss, was ich Euch geschrieben habe, nachher aber durch das häufige Wiederholen derselben traurigen Geschichten einen Abscheu davor bekomme. Wenn ich demnach nicht so häufig mit Brocken von Reisebeschreibungen komme, als Ihr erwartet, so müsst Ihr das entschuldigen. Ausserdem aber wird der Mensch auch in der Hitze matt und träg. Am Tage über schwitzt man, trotz dem dass man sich so leicht als möglich kleidet, und wenn dann die kühlen Abende kommen, so freut man sich sie zu geniessen auf einem Spazierritt durch die Palmenwäldchen und Malayischen und Chines.Dorfschaften, so dass man, wenn man eben seinen Geschäften nachgeht, an Privatcorrespondenz nicht viel denkt. Ueberdies aber ist es, wenn man von China zurückkommt, eine wahre Erholung hier unter freiem Himmel und unter üppiger Vegetation wandeln zu können, so dass man es so viel wie möglich benutzt. Dort sind nur steile unfruchtbare Berge, die wenigen Thäler sind mit Reisfeldern angefüllt, die Leute leben von der Hand zum Munde, und der ganze Eindruck ist ein höchst prosaischer. Die Gegend hier bekommt man wohl auch überdrüssig; die Palmen und Hütten der fremden Menschen sind lange nicht mehr so reizend, als man sonst sich sie denkt und zu Hause wohl davon träumt; trotz dem aber stechen sie gegen eine unfruchtbare Landschaft gewaltig ab. Von Calcutta aus will ich über Batavia und Manila nach China zurückkehren und werde dann wohl hören, was unsre Leipziger beschliessen; wollen sie mich hier draussen behalten, so werdet Ihr mich so bald nicht wieder sehen, es sei denn, dass ich mal nach Hause käme, um mir eine Frau zu holen. Der Mensch wird alt hier draussen; ich stemme mich möglichst dagegen, kann es aber doch nicht recht helfen. Wenn Ihr bedenkt, dass man hier 15 deutsche Meilen von der Linie lebt, gegenwärtig gerade die Sonne über dem Haupte, so werdet Ihr eine Vorstellung bekommen von der Temperatur. Im Januar und December habe ich in Canton gefroren wie ein ächter Tropenländer, und ich weiss nicht, wie viel Pelze ich in Sachsen werde tragen müssen.

Grube, unser preussischer Generalkonsul wird auch im Laufe des Jahres nach Hause zurückkehren; ich bin nachher der einzige Vereinsländer hier, und wenn die Leute nachher irgend China und den Osten von Asien überhaupt pussiren wollen, so habe ich für meine Strapazen eigentlich gerechten Anspruch auf Berücksichtigung.

Amüsant sind die vielen Bekanntschaften, die man hier macht, und wenn man irgend etwas von den vielerlei Sprachen capiren kann, die man hört, so hat man viel zu lernen. Ich spreche gegenwärtig beinahe immer englisch, sehr wenig deutsch, etwas französisch, Malayisch, chinesisch, portugiesisch, spanisch, bengalisch, etc. und denke mich noch mehr auszubilden. Wenn nur das Chinesische nicht so schwer wäre. Unter drei Jahren ernsten Studiums hat man gar keine Chance etwas zu lernen; ein musikalisches Ohr ist die Hauptsache, und das besitze ich nicht in hohem Grade. Man modulirt den Ton auf zwanzigerlei verschiedene Weise, und drückt damit ganz heterogene Begriffe aus, und dann giebt es noch etwa zwanzigerlei verschiedene Dialekte. Dagegen ist malayisch und bengalisch leicht. Mein westphälisches Plattdeutsch hilft mir zum Holländischen.-

Unsere Leipziger schicken uns allerhand Kisten Zeitungen heraus, Leipziger Zeitung, Tageblatt etc. und wenn ich dann in diesen ächt Leipziger Anzeigen vertieft bin, auch die Glocken von irgend einer Capelle läuten höre, so habe ich mich manchmal so in die Heimath versetzt, dass ich Zeit nöthig hatte, mich in Singapore oder China wiederzufinden. Dergleichen Träumereien sind die glüc1~ichsten, die man im Auslande haben kann, und ohne sie würde man sich manchmal sehr verlassen fühlen.

Wir erwarten täglich die "Pauline" von Bremen, und mit ihr erwarte ich Nachrichten von Euch.
         Mit den herzlichsten Grüssen an alle ....
                                                                Richard.


Singapore, l7th March 1845.

My dear Sister

As you have always been an english scholar, I dare say you wont take it amiss to receive a couple of english lines from your affectionate Brother in the East. I address this to you, not knowing where to findMa, and as the Count de Grise, a french gentleman, who is attached to the French Legation to China, and who is going home tomorrow, has promised to take care of my private correspondence, I am rather inclined to think he will do so better if the letter is addressed to somebody of high standing as yourself are. It is a strange thing with the Nobility. You will have to pay a pretty good postage for the honour! So much for it! But do not get angry, I am only joking . You will see, that I am very well, I do not think of amusements as you do, but have my good share of trouble, but as long as I am well, I do not mind it.- I should very much like to know what the Saxon government thinks about China; the Prussian Councillor, Mr.Grube, whom the Dresden government also interested itself in, is returning home, and if you could find out and drop me a line, I should feel obliged to you. I have no doubt but Mr.de Z. would tell you his mind about it. I do not care much for honourable situations, if they are not subject to a good revenue, but should the question be raised of a German Consul to be nominated in China, I hope you will use your influence in my favour. But at all events let me know, what the general opinion is by Mr. Grube's report. I have never had a single line of your and I never did ask for it, as I always supposed your time was so much engaged in important Courtaffairs, now I hope you will not be adverse to my demand. ... If I take up the Correspondence with you now (for the first time since a great many years). I hope you will follow suit. My kindest respect to all the brothers, Clementine etc.

The French propose being at Paris 50 days hence and being back in China in 5 months after a months stay at Paris.
                                                Your affectionate Brother
                                                                       Dick.

(Poststempel: Marseille 3 Juin 45.-
 Lyon 4.Juin 45,- Purifié .. aret, Marseille.
 C.F.4 R.- Am 9.Juni 1845 an seine Adresse in
 Dresden gelangt.)


 

 
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