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An Bord der Anna & Elise, von Bremen
nach Singapore, in 3
º südl.Breite, in
der Strasse zwischen Sumatra u.Banka,
12.März 1844.

Wenn gleich ich nicht glaube, dass diese Zeilen die ersten sein werden, die Euch von mir zukommen, da ich sie mit einem uns begegnenden Segelschiffe schicke, und Ihr per overland mau vorher wohl schon Nachricht von unsrer Ankunft haben werdet, so mag ich doch eine so gute Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, um zu sagen1 dass wir bis hierher 3268 deutsche Meilen ohne Unfall zurückgelegt und also bis auf noch etwa 65 deutsche Meilen vom Orte unsrer Bestimmung glücklich gekommen sind. Ich bin vollkommen wohl auf und habe meine gewohnte ausgezeichnete Constitution auch hier in den verschiedenartigsten Temperaturwechseln bewährt; von Seekrankheit habe ich auf der ganzen Reise auch keine Spur vermerkt, obwohl meine Reisegefährten alle mehr oder weniger davon ergriffen worden sind.

Wir sind 4 Passagiere, Herr Harkort, ein gewisser Herr Frohn aus Schlesien, früher in Westindien gewesen, und ein Herr Heineken aus Bremen, und wir haben uns Alle wohl oder übel mit einander eingerichtet, wenn gleich auf so beschränktem Raume bei so verschieden zusammengewürfelten Menschen etwas quarreling nicht vermieden werden kann. Von unserer Reise nur wenige Data, da im Uebrigen ein Tag so wie der andere vergeht, und Himmel, Luft und Wasser, unsre einzig erspähbaren Gegenstände, sich in allen Erdregionen ziemlich gleichen.

- Der Weg nach der Westküste von Südamerika läuft v.d. westlichen Mündung des engl. Canals gerade nach Südsüdwest, indem Cap Finisterre 20-30 deutsche Meilen links liegen bleibt, auf der Westseite von Madeira u. den kanarischen Inseln vorüber, doch in der Regel so, dass man Palma zu Gesicht bekommt. Hier hat der Schiffer während des grössten Theils des Jahres den Nordostpassat zu erwarten, mit dem er weiter südlich fährt u. ohne von den capverdischen Inseln Landkennung zu nehmen, bis zum Parallel von 12º nördl.  Breite steuert, um alsdann den Curs etwas östlich von Süden zu setzen, der bis zur Aequatorialgränze des Nordostpassats beibehalten wird, damit die Zone der Calmen und der Aequator zwischen 18 u. 23º westl.  Länge geschnitten werden könne.

Am 45.Tage nach der Abfahrt von der Elbe pflegt man den Aequator zu kreuzen. Die Beschleunigung der Reise hängt wesentlich ab von den Winden ausserhalb des Passats, sodann aber auch vom Zustande der Luftbewegungen im Gürtel der Calmen, (wo ein Schiff wohl 10-12 Tage aufgehalten werden kann), die, geschickt benutzt, in wenigen Tagen durch diese Zone führen. Dann segelt man nach dem Felseneiland Trinidad, das ungefähr 110 östlich von der brasilian.  Küste entfernt liegt, um den Südostpassat; so viel als möglich zu benutzen, umschifft die genannte Insel auf der Westseite u.kommt ausserhalb des Südostpassats in eine bis zum 35º südl.  Breite u. bis zum Meridian v.Greenwich reichende Gegend, in welcher d.ganze Jahr hindurch ein frischer Wind weht, welcher zwischen Nordost u.Nordwest schwankt. Mit diesem Winde in der östlichen Driftströmung fährt d.Schiff dem Südende v. Afrika in der Art zu, dass der Parallel von 30º südl.  Breite etwa unter 20º westl.Länge u. der Meridian v.Greenwich auf dem Parallel von 34½º südl.Breite geschnitten wird. Auf diesem Wege kann man das Vorgebirge der guten Hoffnung v.Europa aus in 2 Monaten erreichen.

(Berghaus: "Die oceanischen Strassen des Welthandels", im "Märzheft der Monatsblätter zur Ergänzung der allg.Zeitung.1845") –

Am 2.  November früh verliessen wir Bremerhaven, am 8.  Abends sahen wir die ersten Leuchtfeuer vom Canal, am 12. kamen wir aus dem Canal in den Atlantischen Ocean; am 19. passirten wir Madeira, das wir sehr undeutlich an einem trüben Morgen ungefähr 6 deutsche Meilen von uns aufsteigen sahen, am 27.Nov. kamen wir dicht bei St.Antonio, einer der Inseln des grünen Vorgebirges, vorüber, ohne in dem dicken zu der Zeit liegenden Nebel Land sehen zu können; von da aus steuerten wir südwestlich nach Brasilien zu, um den von dort regelmässig nach dem Cap der guten Hoffnung wehenden Passatwind benutzen zu können; am 16. Dezember sahen wir Trinidad, eine kleine an der brasilianischen Küste liegende Insel, in 20º 28' Südbreite und 28º 51’ Westlänge von Greenwich. Am 6.December, als an V's Geburtstage, passirten wir den Aequator in ungefähr 23º West von Greenwich, wurden aber mit der viel besprochenen Linientaufe, vor ,der uns unsre Matrosen bange machen wollten, und die Euch Allen aus dem "Weltumsegler wider Willen" erinnerlich ist, glimpflicher Weise verschont. Die schönen Weihnachtsfeiertage, so wie Sylvester u. Neujahr vergingen in der traurigen Monotonie eines Schifflebens, nur dass wir Sylvesterabend ausnahmsweise etliche Bowlen Glühwein tranken, und am Weihnachts-Abend der Capitain uns einen kleinen Baum anputzte, mit allerhand Schiffsprovisionen behangen. In der Nähe des Caps der guten Hoffnung hatten wir sehr unfreundliches Wetter, stets hohe See und kalte unangenehme Temperatur.

Am 5.Januar passirten wir die Länge des Caps, etwa 5º südlich davon, also etwa 70-75 deutsche Meilen südlich, so dass wir natürlich nicht die Spur von Land sehen konnten, hielten uns dann in etwa 4º Süd-Breite ostwärts, bis wir am 25.Januar die Insel St.Paul in 38º 52' SB. und 77º 53' Ost von Greenwich erreichten, eine kleine unbewohnte felsige Insel, die wir vorübersegelten, und von welcher ab wir nordöstlich nach der Sundastrasse steuerten.

Am 14.Februar erblickten wir zuerst wieder Land, die hohen Berge von Sumatra, am 15. segelten wir in die Sundastrasse, die enge Passage zwischen Sumatra und Java ein, kreuzten dann wegen conträren Windes im Angesichte der vielen kleinen darin gelegenen, herrlich und üppig bewachsenen Inseln, zwei Tage herum, kamen am 17. heraus und haben seit der Zeit ganze 3 Wochen theilweise gesegelt, und uns nun endlich durch den ewig conträren Wind und widerwärtigen Strom bis hierher, den Eingang der Bancastrasse gearbeitet.

Wann wir nun das letzte Stück der Reise zurücklegen werden, weiss der liebe Himmel, der Wind ist uns total entgegen und unsere Geduld ist oft schon am Ende gewesen, denn nachdem man über 3000 Meilen zurückgelegt hat, über lumpige 90 Meilen von der Sundastrasse nach Singapore 4-5 Wochen hinbringen zu müssen, ist höchst lang-weilig. Der Südpassat setzt erst im Laufe nächsten Monats ein, und es ist möglich, dass wir bis dahin noch hier herum liegen müssen, im Angesicht der niedrigen dicht bewachsenen Sumatraufer und der bergigen Bankainsel, die das weit und breit bekannte Bankazinn bergen. Wenn wir guten Wind hätten, könnten wir in 2 Tagen recht gut nach Singapore kommen.

Unsere jetzige Lage ist höchst langweilig und entmuthigend. Unser Wasser, denkt Euch, beinahe 5 Monate alt, hat sich bis jetzt leidlich gehalten; jetzt fängt es an, gewaltig faul zu werden; wenn etwas Regen fällt? schlürfen wir das Regenwasser mit Dilice! Gewitter haben wir alle Tage, aber eben weil sie so häufig sind, sind sie nur gelind! Die Sonne steht uns gerade über dem Kopfe, Ihr könnt Euch denken, was für eine Hitze bei den häufigen Windstillen, wo kein Bischen Luftzug kühlt.

Insecten, Fliegen, Käfer und allerhand kriechendes Gethier nimmt immermehr überhand, von dem nahen Lande haben sich Muskitos auf das Schiff übergesiedelt, und vor Mäusen können wir uns kaum noch bergen!-

Sturm haben wir auf der ganzen Reise eigentlich nicht gehabt, dann und wann hohe See, aber in Gefahr sind wir nie gewesen. Hier zwischen den Inseln ist das Wasser so ruhig und eben, wie auf einem Teiche,-

Seltenheiten haben wir auch nicht gesehen; dann u. wann haben wir einen Schweinefisch (Bestien von 10-12 Fuss Länge, die viel Thran und Oel liefern) und Delphine gefangen, auch Albatrosse (moutons du Cap), enorme, nur am Cap der g.H. und Cap Horn (Südspitze Amerika's) einheimische 10-15 Fuss von Flügelspitze bis Flügelspitze messende Vögel, geangelt und ihren sehr nach Thran schmeckenden Braten gekostet. Haifische und Wallfische haben wir auch oft gesehen, aber sonst nichts Besondres.

An Land sind wir ein einziges Mal gewesen, und das wäre uns beinahe übel bekommen.- Wir lagen vor Anker unfern einer kleinen unbewohnten Insel Lucipara, am Eingang dieser Strasse, der Wind versprach durchaus. kein weiteres Fortkommen und wir drangen in den Capitain, uns ans Land rudern zu lassen. Nach langem Weigern bewilligte er es. Nachmittags gegen 4 Uhr fuhren wir in einem kleinen Boote ab, kamen aber erst gegen 6 Uhr an die Insel, eine Strecke, die wir in einer Stunde zurückzulegen gedacht hatten. Wir mussten uns durch Corallenriffe durcharbeiten und als wir das Land betraten - welche Vegetation vor uns! Die herrlichsten fetten Palmblätter mit dem verschiedenartigsten feingefiederten Laube andrer Stauden und Sträucher abwechselnd, Riesenstämme umgeworfen, und darüber wuchernde Schlingpflanzen mit dem obern Laube die köstlichsten Lauben und Parthieen bildend, rothe und gelbe Blätter, Blüthen, Früchte und Beeren aller Farben und Gattungen! Erschöpfend zu beschreiben ist eine solche Vegetation nicht; vielleicht gelingt es mir ein andres Mal, wo mein Raum weniger beschränkt ist, Euch eine Idee davon zu geben.

Und die Massen von Vögeln, wilde Tauben zu Millionen, Papageien und andere buntgefiederte Wesen, deren genus und species mir unbekannt sind. Im Innern der Insel, wohin wir der Kürze der Zeit wegen gar nicht vordringen konnten, und wovon wir auch gleich beim ersten Versuch durch eine enorme Schlange zurückgeschreckt wurden, mögen allerhand Affen und andere Thiere leben, obwohl die Insel kein frisches Wasser haben soll und kaum eine Quadratmeile gross ist.

Wir waren nur 3/4 Stunde auf der Insel, schossen verschiedene Male auf die fliegenden Schwärme wilder Tauben, und hatten wenig erbeutet, als die einbrechende Dunkelkeit uns zur Rückkehr mahnte!

Wir ruderten 2 Stunden; sahen aber unser Schiff nicht; wir hatten erwartet, eine ausgehängte Laterne zu sehen, aber auch der aufgehende Mond liess uns kein Schiff erkennen; wir schossen verschiedene Male; keine Antwort. Da mussten wir uns wohl oder übel bequemen, die Nacht im Boote zuzubringen; 9 Mann, wovon der Obersteuermann das Commando hatte, 4 Matrosen und wir 4 Passagiere, wir alle in einem kleinen Boote. Gegen 1 Uhr fing es heftig an zu wehen, die See ging immer höher, und wir wurden von einer Welle auf die andre geschleudert. Traf uns eine von der Seite, so schlug das Boot unfehlbar um und wir alle waren verloren. Der Himmel dicht bewölkt, kein Stern und kein Mond zu sehen. Es wurde angestrengt gerudert und um das Boot schwerer zu machen, meine drei Gefährten unten ins Boot als Ballast gelegt, ins Wasser, denn das Boot leckte bedeutend und die Wellen sprützten häufig übers Boot. Ich musste beständig schöpfen, und als ich gegen Morgen ermattet die Augen zufallen liess und mir einer der Matrosen zurief: Mein Gott! schöpfen Sie doch, Herr Heineken ertrinkt sonst, und ich darauf gewahrte, dass das Wasser diesem friedlich eingeschlafenen Gefährten bereits am Mund und Nase stand, - da überlief mich ein sonderbares Gefühl der imminenten Gefahr, und ich begann meine Schöpfarbeit mit neuem Eifer.

So dauerte es fort von 1 Uhr bis früh 5 Uhr; als es Tag wurde, erkannten wir oben die äussersten Mastspitzen unsres Schiffes am entferntesten Horizont nördlich von uns, und dreistündiges angestrengtes Rudern brachte uns wieder an Bord. Wir waren von dem laufenden Strom so weit südlich versetzt worden, dass wir, während wir dicht am Schiffe zu sein glaubten, 3 deutsche Meilen südlich davon entfernt  waren. Der Capitän hatte uns schon alle für verloren gegeben und ein andres Boot ausgesandt, um nach uns oder unsern Leichen zu suchen.-

Das war eine famose Nacht, die ich nicht sobald wieder durchzumachen verlange. Wenn der Wind noch etwas zugenommen oder der Steuermann nicht so genau jede ankommende Welle beobachtet und den Kopf des Bootes dagegen aufgesteuert hätte, wären wir unrettbar verloren gewesen. Der Capitain hat uns hoch und theuer versichert, uns nicht mehr von Bord zu lassen.

Neulich kam ein Boot von Malayen auf uns zu gerudert, um sich etwas zu erbetteln, scheussliche Kerls, bis auf eine kurze Schwimmhose totaliter nackt, schwarze Haare, eine Art Turban auf, und feuerrothes Zahnfleisch, abgefressene Zähne, deren Wurzeln pechschwarz, eine Folge des Betelnusskauens. Während sie sprachen, lief ihnen beständig eine rothe Suppe zum Munde heraus. Ihre Sprache klang gar nicht schlecht; im Uebrigen verstanden sie kein Wort Englisch oder Holländisch, und wir ebensowenig von ihrer Sprache. Unter diesen Menschen soll man leben; sie bilden die Hauptbevölkerung von Singapore.

Weiteres von Singapore aus, wo ich bald etwas von Euch zu hören hoffe .......  Grüsst mir ja alle lieben Leute recht herzlich; die gute Mama wird bei Ankunft dieser Zeilen, etwa Juli, auch wieder im lieben Sachsenlande sein; sie versichere ich besonders meiner unveränderten aufrichtigen Gesinnungen, Euch Alle aber grüsse ich aus weiter Ferne mit der Euch von Eurem Dick bekannten alten herzlichen Anhänglichkeit und Liebe.

Euer Richard.

Solltet Ihr, wie ich vielleicht denke, mit der Heloise geschrieben haben, der Schiffgelegenheit, die ich Euch von Bremerhaven aus andeutete, so wird man wohl bald etwas hören. Von Harkort erwarte ich jedenfalls schon Briefe bei Ankunft vorzufinden.

Sollte W., wie ich ihn bat, die Reisebeschreibung (meiner Reise nach den Niagarawasserfällen in Amerika) nicht an Meier in Bremen geschickt haben, so lasst die Sache nun nur ganz gut sein.  An Reiseaventuren denke ich noch reich genug zu werden; die Amerikanischen müssen in der Erinnerung nachlahmen! –

Vom Winter haben wir gar nichts gespürt; wir haben Decbr., Janr. u. Febr. stärker geschwitzt, als man bei Euch im Juli; wenn Einem die Sonne so gerade über dem Haupte steht, brennt sie ganz gewaltig. Unser Aller Teint hat bedeutend gelitten, ich bin schon so braun, im Gesicht, wie ein Eingeborner.

Zu A's Geburtstag nachträglich meinen Glückwunsch; meine Gesinnungen kennt er. Diesmal ging es nicht; aber später müssen wir es doch einrichten, dass wir uns zum 10.Febr. wieder gegenseitig schreiben. Es ist doch gar zu angenehm, zu einer gewissen Zeit einen Brief erwarten zu dürfen.

Ich denke, ich werde nicht lange in Singapore bleiben. Wenn die Sache etwas eingerichtet ist, werde ich wohl nach Canton vorweg gehen, und H. Harkort, mit dem ich mich bis jetzt recht gut vertrage, nachkommen lassen. Sollte der Krieg aber ausgebrochen sein, so werdet Ihr mich über kurz oder lang bald einmal wieder in Europa sehen. Uebrigens habe ich grosse Erwartungen, und wenn ich es nun, wenn ich wieder zu Euch komme, noch zu nichts gebracht habe, so wird nimmermehr ein Hans aus mir.

Meinen letzten Brief aus Bremerhaven habt Ihr doch erhalten! Unterrichtet mich doch, wenn Ihr etwas von Ernennung eines Vereinskonsuls in China hört, überhaupt werde ich stets gern politische movements erfahren, denn so ausführlich, wie die Amerikanischen Zeitungen werden die chinesischen kaum sein.

Nochmals A Dio!  Ich könnte Tagelang schreiben, um die Langeweile zu vertreiben, vor der Hand aber sic satis.


per Elisa, via Bombay.                                     Singapore, 5.April 1844.
                                                            angekommen Anfang August 44.

Erst vor 8 Tagen am 29. Abends sind wir hier angekommen nach einer langen Reise von 5 Monaten weniger 2 Tagen, die ich Euch in einem ziemlich langen Briefe in See näher beschrieben habe, von der ich aber, weil ich besagten Brief nicht unterwegs habe anbringen können und weil ich denselben der Portoersparnis halber mit einem Segelschiffe direct schicken will, hier wiederhole, dass wir am 2.Nov. aus Bremerhaven gingen, am 8. in den Canal und am 12. aus demselben kamen, am 19. Madeira passirten, am 27.Nov. die Cap-Verd Islands, am 6.December über die Linie, aber ohne Linientaufe kamen, am 16.December Trinidad an der Brasilianischen Küste sahen, am 5.Januar um das Cap segelten, am 25.Januar die kleine Insel St.Paul um südl.Ocean vorbeikamen, und am 14.Februar zuerst die Küste von Sumatra erblickten, und in die Sundastrasse zwischen Java und Sumatra einsegelten. Von da ab hatten wir stets schlechten Wind, wir brauchten, nachdem wir bis zur Sundastrasse 3223 deutsche Meilen glücklich gemacht hatten, über den letzten 100 Meilen noch 6 Wochen, quälten uns förmlich durch die engen Strassen zwischen Sumatra und Banca und der Rhiostrasse zwischen Bintam und Battang durch und waren seelenvergnügt, als wir das Land von Singapore am 29., heute vor 8 Tagen, erblickten. Wir haben beinahe immer schönes Wetter gehabt, und Gefahr auf der ganzen Reise gar nicht, und ich habe mich stets ganz wohl befunden, bin auch von der Seekrankheit totaliter verschont geblieben. Indess Näheres davon in einem Briefe, den Ihr mehrere Monate nach diesem für billiges Porto erhalten sollt.

Singapore ist eine Insel an der Südspitze von Malacca gelegen, und die Stadt seit 18 Jahren englische Besitzung, liegt an der Südseite der Insel. Früher war hier ein Malayischer Fürst, der Seeräuber unterhielt, heut zu Tage ist der Fürst von den Engländern apanagirt und lebt dicht bei der Stadt als Privat-und liederlicher Mann; die Seeräuber treiben indess ihr Handwerk nach wie vor. Der Geschäftstheil der Stadt am andern Ufer eines Canals gelegen, über den man für ungefähr 1½ npf (2 pice) überfährt, ist sehr geschmacklos gebaut, von einigen, etwa 15 Europäischen Grosshäusern und einer Anzahl von chinesischen Läden und Professionisten bewohnt. (Die Hauptbevölkerung sind Chinesen.) - Der andere Theil der Stadt ist hübsch gebaut, es wohnen da die Europäer in grossen luftigen Häusern mit Gärten umgeben; und der Anblick dieses Theiles ist sehr freundlich. Die Häuser sind alle ohne Fenster, nur mit Jalousieen versehen und haben sehr hohe Zimmer, damit es immer möglichst kühl sei; denn nur 20 D.Meilen vom Aequator ab, denkt Euch, ist eine leidliche Hitze. Winter und Sommer gibt es hier nicht; Gras und Bäume sind Jahr aus Jahr ein grün; ringsherum ist die üppigste Vegetation von Palmen u. anderem Laubholz.

Wir leben bis jetzt in einem Hotel, von einem Franzosen gehalten, wo wir täglich 2 Dollars, etwa 2 rh. 25 ng. bezahlen, werden aber wahrscheinlich bald ein eigenes Haus auf ein Paar Monate miethen, da dies viel billiger ist. Man hält sich da seine Diener und seinen Koch und führt eigene Menage. Die hiesige Lebensweise ist sehr einfach; wir stehen gegen 6 Uhr auf, nehmen ein Bad in einer orientalischen Badestube, man trinkt dann eine Tasse (Thee oder) Caffee, arbeitet bis gegen 9 Uhr. Um 9 Uhr wird ordentlich gefrühstückt mit Fleisch, Eiern und allerhand consistenten Speisen; man geht dann gegen 10 Uhr nach der 3tadt ins Geschäft, bleibt dort bis 1/25 Uhr, kehrt dann zum Essen zurück, trinkt dann eine Tasse Caffee und macht einen Spaziergang bis gegen 8 Uhr, kehrt dann heim und verfügt sich zeitig zu Bett oder besser gesagt, in sein Nachthaus, denn die hiesigen Betten sind enorm gross, Matratzen von 7 Fuss Länge und 51/2 Fuss Breite, und rings umgeben von einem Musquitonetze, da von diesen Thierchen hier auch genug vorhanden sind.- Mit seinem Spaziergange muss man sich bedeutend einschränken, da ganz dicht vor der Stadt in den nahen Wäldern Massen von Tigern leben, die beinahe täglich Menschen umbringen; man rechnet hier jährlich 400 Menschen von Tigern gefressen, und doch kann man den Bestien nicht zu Leibe, weil der Wald undurchdringlich dicht ist; die wenigen, die man fängt, werden in Gruben gefangen! Wie ernst die Sache ist, möge Euch der Umstand beweisen, dass für jeden getödteten Tiger die Regirung 50, eine dazu zusammengetretene Gesellschaft Chinesen 100 Dollars Prämie bezahlt; ausserdem wird der Tiger ausgeschlachtet, das Fleisch gegessen und mit Y2 Dollar per Pfund bezahlt; das Fell bringt auch noch etwas ein. Man hört täglich Tigergeschichten.

Die meisten Leute halten sich Ponies, grosse Pferde giebt es in ganz Singapore, glaube ich, nur 3, und es fällt bei schlechtem Wetter Niemandem ein zu gehen; man fährt dann in sogenannten Palankeens, kleinen vierrädrigen bedeckten Wagen, die von einem Pony gezogen werden, das nicht etwa vom Bocke aus geleitet wird (Böcke haben die Wagen gar nicht) sondern an dessen Kopf ein halbnackter Malaye anpackt, und, es so an einem ganzkurzen Zügel führend immer neben dem Pferde einhertrabt. –

Es giebt hier eine merkwürdig gemischte Bevölkerung, etwa 150 Europäer, viel Engländer, mit uns 19 Deutsche, einige Spanier, Portugiesen, Amerikaner und Franzosen, dann aber Malayen, Klings, Hindoos, Araber, Armenier, Chinesen, Cochinchinesen und Siamesen, von welchen, die Nicht[?] Europäer und Amerikaner ausgenommen, alle halbnackt gehen, sich aber alle durch ihre Kleider und Physiognomie unterscheiden. Die Malayen sind rothbraun, haben schwarze struppige Haare, schlechte Zähne, tragen sich bis auf eine kurze Schwimmhose und einen Shawl als Gürtel um den Leib ganz nackt; die Klings sind schwarzbraun, haben meist glatt rasirten Schädel, tragen alle Schnurbärte, Kopftuch oder Turban und bunte Schwimmhosen, sonst sind sie nackt; sie sind schön gebaut, haben schöne Zähne, und die Vornehmen tragen weisse Ueberwürfe; Aehnlich tragen sich die Hindoos; Die Chinesen tragen Zöpfe, grosse spitze Strohhüte oder blossen Kopf, weite Beinkleider bis an die Kniee, und die etwas Besseren weite weisse Jacken. Wer nicht Grossvater ist, darf bei ihnen keinen Schnurbart tragen. Die Cochinchinesen kleiden sich dunkel; die Armenier und Araber tragen lange seidene Caftans, und die Siamesen kann ich selber noch nicht unterscheiden.

Beinahe Alle reden Malayisch, eine sehr wohlklingende Sprache, die ich jetzt auch lerne. Englisch hilft bei Vielen durch; die Chinesen sprechen chinesisch, viele auch Malayisch. Ich kann versichern, in meinem Leben noch keine Sprache gehört zu haben, die so absolut abstossend, grell und hart klingt, als die chinesische. Malayisch ist leicht, und ich denke, ich werde es bald lernen, ohne dasselbe kommt man hier gar nicht fort. Den chinesischen Character mit all seinen Eigenthümlichkeiten kann man hier schon viel beobachten; ich will mich aber aller Bemerkungen enthalten, da ich bald nach China selbst zu kommen denke. Es giebt viele Junken hier, unförmliche Kasten, höchst ungeschickt gebaut, au deren Bord man Massen von kleinen Sachen kaufen kann, die sie direct aus China mitbringen, aber alle ziemlich theuer sind. Ich habe allerliebste Sachen schon gesehen.

Die Tracht der Europäer ist sehr einfach; es tragen Alle weisse Jacken und weisse Beinkleider, Mützen und Filzhüte. Das Zeug ist sehr billig, man bezahlt ½ Doll.für Facon von einem Paar Beinkleider und einer Jacke; ebenso ist die Wäsche äusserst billig; man zahlt 3 Doll. für 100 Stück zu waschen, dagegen leidet die Wäsche beim Waschen so, dass sie bald caput geht. Im Uebrigen wird viel Luxus mit weisser Wäsche getrieben, stets ganz reine Kleider, täglich reine Wäsche u. bei warmen Tagen oft zweimal in einem Tage gewechselt.

Wir haben hier unsern eigenen Store und verständigen uns mit den Käufern mittels eines Dolmetschers; eine etwas weitläufige Weise des Unterhaltens; aber anders geht es nicht. Besonders gut gehen die Geschäfte aber nicht; aber doch haben wir den ganzen Tag unsere Shop voll von allerhand Leuten, und sind gerade gegenwärtig, wo wir unsere Sachen noch gar nicht einmal alle von Bord haben, sehr beschäftigt; heute habe ich erst gehört, dass morgen ein Schiff nach Bombay geht und um Euch noch die Nachricht zukommen zu lassen, dass ich glücklich angekommen bin, habe ich Gegenwärtiges eben noch geschrieben. Mitternacht ist. schon längst vorüber; bei Euch ist es erst 6 Uhr Abends, denn volle 6 Stunden bin ich Euch hier vor. Ich denke noch etwa 2 Monate hier zu bleiben, nachher, vielleicht noch etwas eher, will ich gen China. Herr Harkort wird wahrscheinlich noch länger hier bleiben. Bis jetzt vertragen wir uns ganz ausgezeichnet.

Ein neuer Mitbewohner unserer Zimmer hier, den ich früher nicht gekannt habe, sind Eidechsen, die an allen Wänden herumlaufen, denen man aber nichts thut, weil sie Fliegen, Musquitos und allerhand Käfer auffressen und durchaus unschädlich sind. Schlangen giebt es in hiesiger Umgegend viele, aber zur Stadt kommen sie nicht.

Opiumraucher habe ich hier auch schon gesehen; diese Menschen sehen scheuslich aus, abgezehrt und abgestorben; aber lassen können sie es nicht, wenn man ihnen auch viele Tausend Doll. böte. -  Chinesen mit ihren beiden Stöckchen Reis essen sehen, zählt auch bereits unter meine Erfahrungssachen; auch ein grosses chinesisches Leichenbegängnis, wo man auf offener Strasse einen Tisch aufstellte, mit allerhand Speisen überlud u. Gott und alle Welt einlud, mitzuessen. Dazu winkten sie von sich ab, wie man bei uns Einem zu verstehen giebt, er möchte gehen, - das heisst aber bei ihnen: Komm her! Dann wurde eine scheusliche chinesische Musik verführt, allerhand Opferkerzen und Papiere angezündet und grosse Ceremonie gehalten, die ich ein andres Mal beschreiben will, wenn ich mehr davon verstehe.

Manilla-Cigarren, die man hier raucht, sind sehr klein und stark und durchaus nicht billig; ich habe für die 4. Qualität 9 Dollars per Mille bezahlen müssen.

Im Ganzen ist Singapore ein Nest erster Grösse; alle 8 Tage ist blos einmal frisches Ochsenfleisch zu haben; und dann muss man noch auf ein paar Pfund vorher subscribiren, wenn man etwas haben will.

Dagegen giebt es schöne Früchte, Ananas, Bananen, grüne Apfelsinen (eine chinesische Frucht) etc., und von pickles ist man besonders Freund. Auswahl schöner Seefische hat man hier.

Vergnügungsorte giebt es gar nicht. Wenn sich die Leute des Abends ein besondres Vergnügen machen wollen, so kommen sie in das hôtel, wo wir wohnen, und spielen Billard; in ganz Singapore giebt es ausser in unsrem hôtel kein andres. Die gemeinen Leute gehen Abends in die Opiumhäuser und in diesen Theilen der Stadt ist man Abends seines Lebens nicht sicher.- Frauen sieht man fast gar nicht; ich habe seit ich hier bin, glaube ich, erst zwei gesehen, die aber vollständig angekleidet waren. Die hier lebenden Europäischen Damen fahren Nachmittags in Palankeens spazieren, sehen aber alle elend aus, denn sie haben gar keine Bewegung, auszugehen ist sehr unanständig für sie.

Dies, meine lieben Leutchen, ist das resumé meiner achttägigen Beobachtungen; begnügt Euch vor der Hand einmal damit, und erwartet mehr, wenn ich selbst mehr erlebt habe. Zu erzählen wird es genug geben, wenn ich mal wieder nach Hause komme.

Grüsst mir die brave Mama recht herzlich und behaltet unverändert lieb

                                           Euren Alten
                                                                    Richard.

(am 11.Aug. durch Einschluss
 an die Herren Carl & Gustav Harkort
 an die Adresse gelangt.)


Gratulationskarten, wie sie in Canton zu Weihnachten und Neujahr herumgeschickt werden.

 

 



p.  Anna & Elisa, via Hamburg

Singapore, 25. April 1844.

Wenige Zeilen, die ich Euch bald nach meiner Ankunft hier durch die Overlandmail an Harkort eingeschlossen habe, werdet Ihr lange schon erhalten und Euch von meiner bis hierher glücklich erfolgten Reise überzeugt haben. Ich hatte mir lange vorgenommen, Euch mit unserm nächste Woche über Batavia nach Hamburg zurücksegelnden Schiffe einen recht ausführlichen Brief zu schreiben, aber ich sehe mich leider genöthigt, mich sehr kurz zu fassen, da ich wahrlich so beschäftigt bin, dass mir der Kopf oft brummt, und auch heute schon schreiben muss, wenn gleich die Anna & Elise erst in vielleicht 14 Tagen segelt, denn ich will nächsten Sonntag (heute ist Donnerstag) wieder von hier weg und habe bei einem schnell gefassten Entschluss alle Hände voll zu thun.-

Wir haben näml. ausgefunden, dass es verlorene Zeit und weggeworfenes Geld ist, wenn wir beide hier länger bleiben, haben deshalb ein Schiff, die englische Brig Vanguard genommen, es voll geladen, und ich will damit alle die neuen chinesischen Häfen besuchen, erst nach Chusan, einer Insel an der Chines. Küste, dann nach Shang-hai, einem Hafen am Ausflusse des Jantsekiangflusses, unfern Nanking, von da nach Ningpo, dann nach Futchenfu und über Amoy nach Macao gehen, und gedenke etwa Ende August oder Anf.September nach Macao oder Hongkong und von da nach Canton zu kommen. In Macao werde ich H. Harkort wieder treffen, der jetzt noch etwa einen Monat länger hier bleibt, dann Manila besucht und im Juli nach Macao kommen wird. Von da aus oder vielleicht noch eher bei passender Gelegenheit von einem der chines.Häfen schreibe ich Euch wieder. So sind bis jetzt die Pläne; der Mensch denkt, Gott lenkt. Wenn Ihr diesen Brief bekommt, werde ich von dieser ebengenannten Expedition wieder zurück und in dem Hauptpunkte Chinas, Canton, wohl sein. Aber deshalb schreibt nur immer zu, ich werde überall Briefe bekommen, wie ich denn auch vor wenigen Tagen A's Brief vom 11.Novbr. per Heloise bekommen habe, wofür meinen besten Dank.  pp . . .

Ich habe während meines hiesigen Aufenthaltes allerdings etwas malayisch profitirt ......  Als Beispiel, wie melodisch die malayisohe Sprache ist, dienen hier die Zahlen: 1 satu, 2 dua, 3 tiga, 4 ampat, 5 lima, 6 anam, 7 tujo (dscho), 8 delaban, 9 sampilan, 10 sabulo, 11 sablas, 12 dua blas, 13 tiga blas etc., dann dua pulo  20, tiga pulo  30, u.s.fort bis sampilan pulo und Saratus 100; Kaki Füsse, Kapala Kopf, bibir Lippen, ayer Wasser, roti Brod pp.- Die Hauptsprache ist malayisch, auch die meisten Chinesen hier sprechen es, ebenso die Klings, von Bengalen, und die Hindoos, welche letztere indess leidlich englisch sprechen. Auf das Sprachenstudieren bin ich jetzt mächtig aus, das Chinesische wird mir aber schwer werden.

Das Leben hier ist sehr langweilig; von Vergnügungen kennt man hier weiter nichts als Spazirenreiten u.Fahren und dann Billardspielen. Wenn sich die Leute hier ein Vergn'1~en des Abends machen wollen, so kommen sie in unser hôtel und spielen ein Paar Partieen Billard, deren in diesem Hause die einzigen in der ganzen Colonie, u. trinken dazu ein Glas Cognac und Wasser. Das ist Alles.

Dann und wann bin ich auch spaziren geritten, da man aber hier blos die kleinen ponies hat, die bekannter Massen nur einen Zotteltrab gehen, besonders auch da man der Tiger wegen nicht weit reiten darf, so habe ich darin kein besonderes Vergnügen gefunden.

Es giebt wenig Deutsche hier, und diese wenigen leben wie Hund und Katze zu einander, wie ich denn, zur Schande unsrer Landsleute in fremden Welttheilen sei es gesagt, überall gefunden habe, dass sie unter einander die aller unverträglichsten sind. Auch unter den andern Europäern ist wenig Geselligkeit; jeder geht des Abends seinen eigenen Weg und von Zusammenkünften ist gar keine Rede.

Ein Liebhabertheater ist allerdings hier, wo mehrere Kaufleute alle Monat einmal öffentlich spielen und Frauen von Männern dargestellt werden; aber für diesen Scherz lassen sie sich von jedem Zuschauer 1 u. 2 Dollars, je nach dem Platz, bezahlen und wenn die Leute auch für ihre Art - das Eintrittsgeld ist blos zu Bestreitung der Miethe des Locals und der Costumes - recht brav spielen, so ist doch das Orchestre aus lauter Dilettanten zusammengesetzt, ganz besonders pitoyable.

Uebrigens ist Singapore ein wunderhübsch gelegener Ort, aber im ganzen ein Nest erster Grösse. Wöchentlich einmal nur ist Rindfleisch zu haben, und wenn ein Ochse oder ein Hammel geschlachtet werden soll, wird vorher allemal ein Circular herumgeschickt, auf dem man sich unterschreiben muss, wenn man ein paar Pfund Fleisch haben will. Ausserdem besteht unsere tägliche Nahrung ohne alle und jede Abwechselung in Hühnern, Enten Fischen, Schildkröten und Reis, welches allemal früh und Mittags auf dem Tische zu finden ist. Von Gemüsen kennt man nur kleine Bohnen und schlechte Kartoffeln und noch eine Art sämiger grosser Bohnen, die nach nichts schmecken. Die schönen Früchte, Ananas, Bananen und Orangen lernt man bald gering schätzen. Die Insel selbst produzirt weiter nichts als Pfeffer, Muscatnüsse, etwas Zucker und Caffee, und fabrizirt viel Perlsago, der auch von hier nach Europa exportirt wird.

Ein englischer Gouverneur, gegenwärtig Colonel Butterworth, zugleich Gouverneur von Malacca und Pinang, residirt hier und ist vom Bengalischen Gouvernement eingesetzt. Garnison ist nicht viel hier; sie besteht aus Schwarzen in englischen rothen Jacken, die barfuss gehen, ausserdem aber völlig equipirt sind, weisse Offiziere haben, und unter dem Namen d. Sepoy's einen ausgezeichneten Ruf der Tapferkeit geniessen, da sie sich nebst allen eingebornen Regimentern in dem Indischen und Chinesischen Kriege ausgezeichnet haben.

Schiffe giebt es ziemlich viel hier, gegenwärtig mehre Englische u. Französische Kriegsschiffe, welche letztere auf den französischen Gesandten für China hier warten, und es ist eine meiner besonderen Recreationen, wenn ich aus unserm luftigen kühlen Speisesaale auf die vor Anker liegenden Schiffe sehen, oder Abends in einem Nachen dazwischen herumfahren und das rege Treiben darunter beobachten kann. Da sind chinesische Junken, enorm hohe, ungeschickt gebaute, roth und bunt angestrichene Fahrzeuge, mit einfachen Masten ohne Raen, an welchen die aus Matten zusammengenäheten Segel hängen, dann die Cochinchinesischen Schiffe, mehr europäisch eingerichtet, aber schwarz, und mit kleinen Masten und einer Menge von Tauwerk behangen, Hamburger, Bremer, Holländische, Englische, Arabische Schiffe von allen Grössen. Dazwischen fahren die scharfgebauten Boote der Sampans herum, mit Matten ausgelegt und mit einem leichten Binsendach bedeckt, von halbnackten Menschen gerudert, dann einzelne Canoes aus Baumrinde von einem einzigen mit Doppelruder à la Esquimeau versehenen Manne bewegt, dann wieder schwerere Boote, in welchen ein Chinese in seinem spitzigen Strohhute u. langem Zopfe, stehend mit jeder Hand ein Ruder bewegt, ferner Lichterfahrzeuge, Segelboote, von einer Masse halbnackter schwarzbrauner Menschen belebt, u.s.w. –

Dies im Vordergrunde; im Mittelgrunde freundliche Rasenplätze, auf welchen sich Pferde, Kinder, die en passant soit dit, oft in puris naturalibus gehen, und allerhand anderes Gethier tummeln, und im Hintergrunde den dunklen Wald, den die Einbildung wegen der vielen darin hausenden Bestien um so interessanter macht, von einem hübschen Gebüsch frisch grünender Palmen umsäumt. –

Denkt Euch dies, und Ihr habt das Bild, wie ich es hier alle Tage vor Augen habe, wenn ich Abends nach Tisch, i.c. 6 Uhr, bei Sonnenuntergang beim Genuss einer Tasse Caffee und einer ausgezeichneten Manilacigarre von unserm Söller aus blicke.

Einzelne Partieen hier in den Vorstädten, Campongs, sind reizend. Die kleinen Hütten und Häuschen mitten in einer Gruppe Cocos- und Arekapalmen gelegen, und dichter noch von den niedriger wachsenden breitblättrigen Bananenbäumen beschattet, geben Scenerieen, wie man sie sich nur im Bilde wünschen kann.

Dagegen giebt es andere Partieen hier in der Stadt, die schmuzig, geräuschvoll und namentlich Abends nur mit Lebensgefahr zu passiren sind; das sind die Strassen, wo sich die Opiumhäuser befinden. Dort sitzen die Leute, rauchen aus ihrer winzigen Pfeife eine Kugel Opium, und versetzen sich auf Kosten ihrer ganzen Existenz in einen eingebildeten Himmel, in dem erst Taumel und Stumpfsinn, dann aber nach verwehetem Rausche Zank und Streitsucht vorherrschen. Wenn ein Mann 6 Mal Opium geraucht hat, so lässt er sich eher todt schlagen, als dass er es aufzugeben im Stande wäre, und in einem Abende 3-4 kleine Kugeln zu rauchen, ist eine Affaire von 5-6 dollars.

Ueber chinesische Sitten verbreite ich mich hier nicht, weil ich sie alle an Ort und Stelle näher studiren und beobachten will; ebendeswegen füge ich auch der kleinen Kiste, die ich mit Cap. Kahle nach Hamburg schicke und Euch zum Scherz sende, nichts eigentlich Chinesisches bei, da ich dergl.Sachen alle in China öriginaliter erhalten werde, sondern begnüge mich mit hier eigenthümlichen Gegenständen, namentlich Schuhen und Mützen, wie sie von den Malayen und Klings - letztere sind, wie bereits erwähnt, ein Stamm der Hindoos von Hindostan - getragen werden, die Mützen auf glattrasirtem Kopfe, von den Armeniern und Parsen mit einem Tuche als Turban umwunden,  ferner einer Art sehr guter Fidibusse, die stets glimmend (wie Lunten) erhalten werden, von denen man einen Stab in ein langes bootähnlich geformtes lakirtes Gefäss legt, dann einem hier gebräuchlichen Wasserkruge, worin sich das Wasser sehr kühl hält, zwei hier allgemein, auch von Europäern, benutzten Regen- und Sonnenschirmen, chinesischen Ursprungs, und einigen chinesischen Pfeifen. Aus den kleinen Köpfen wird auch Tabak geraucht, der in kleine Kugeln gedreht, hineingelegt wird.

Unsere Reise scheint übrigens in Europa Aufsehen zu machen; die Heloise brachte einige Bremer Zeitungen mit, in denen 2 Aufsätze standen, einer aus der Leipz.Allg.Z. und einer aus der grossherz.Hess.Z., worin wir Beide namentlich genannt waren, und die Sache mit etwas Uebertreibung abgehandelt war. Aehnliche Aufsätze habe ich schon in Englischen Blättern gesehen. Die auf uns liegende Verantwortung ist allerdings gross; ich denke aber, wenn man nach bestem Wissen und Gewissen handelt, wird man überall Rede und Antwort stehen können. Aengstlichkeit ist hier nicht am Platze, wo man über 3000 Meilen von Hause weg ist und nicht wegen jeder Kleinigkeit anfragen kann. Wenn nur durch das viele Gerede keine allzu sanguinen Hoffnungen angefacht werden; denn dass dazu keine Berechtigung vorliegt, kann ich von hier aus schon sehen.

In kaufmännischer Hinsicht haben wir einen schlechten Stand hier; die Leute sind alle äusserst brodneidisch und sehen uns als sehr unerwünschte Gäste mit scheelen Augen an, thun auch Manches, um uns zu vertreiben - "aber Bange machen gilt nicht"!

Ich befinde mich in einem ausgezeichneten statu von Gesundheit; die Hitze ist hier gross, aber ich mag es wohl; freilich geht das auf einer 5 monatlichen Reise angesammelte Fett wieder durch die Poren. Im Norden Chinas wird es wohl nicht so warm sein.

Wäsche wird hier furchtbar ruinirt. Die Leute schmieren das Zeug mit Seife ein, gehen dann ans Ufer und schlagen die Wäsche so lange gegen die Steine, bis ein gewisser Grad von Reinheit erlangt wird; das Fehlende muss Stärke thun. Dass die Knöpfe alle kurz und klein geschlagen werden, kann man sich denken; ich habe bleierne Knöpfe so ausgehauen gesehen, als wenn sie breit gehämmert wären, und nach drei-viermaligem Waschen versieht sich alle Wäsche mit Franzen, die regelmässig beim Empfang der Wäsche vom Waschmann eine Scheere erforderlich machen. Dagegen kann man hier ein Dutzend schöne baumwollene Hemden für 10-12 Dollars fix und fertig haben, und ich werde nächstens, wenn es in China auch so geht, ein Surrogat für meine gute Wäsche anwenden, um noch etwas davon zu haben, wenn ich einmal nach Europa zur~~c1Ur ehre. Freilich kostet das Waschgeld hier nicht viel; für 3, oft auch für 2 Dollars, kann man 100 Stück waschen lassen. Dagegen braucht man bei der ganz weissen Kleidung (weisse Beinkleider und Jacken) täglich 5 reine Stück, da man auch bei Schuhen stets auf reine Strümpfe halten muss. Diese etwas sehr ins Häusliche gehende Bemerkung in Gemässheit der . . . . . .

Man lebt hier sehr einfach. Um 6 Uhr wird aufgestanden, dann gearbeitet (zu thun giebt es immer), um 9 Uhr gefrühstückt, und um 10 Uhr nach unserm Contor gegangen  Dort plagt man sich mit allerhand Leuten, deren oft 15-20 auf einmal da sind, die nach Allem fragen, die man, wenn sie nicht zufällig etwas Englisch reden, gar nicht verstehen kann, und die die lästigsten Leute sind, die ich jemals gesehen habe, einem, wie einem Juden, regelmässig die Hälfte bieten von dem, was man fordert, und dann nach abgeschlossnem Kauf noch allerhand Chicanen machen, so dass man oft vor Ungeduld und Aerger die Leute alle zusammen zur Thüre hinauswerfen möchte; man kommt dabei keine Minute zur Ruhe, zu einer vernünftigen Arbeit noch weniger u. verbringt so die Zeit bis 1/25 Uhr; dann in den Gasthof zurück, dinirt und nachher eine Stunde in Ruhe zugebracht oder etwas spazirt, gerudert oder geritten, um 7, 8 Uhr wieder ins Zimmer, wieder etwas gearbeitet und zeitig zu Bett. So vergeht ein Tag wie der andere, Sonntags bleibt man bis 4 oder 5 Uhr zu Haus, und dann spielt dieselbe Nachmittagsscene wie an den andern Tagen.

Ich freue mich wieder hier weg zu kommen; die Vanguard ist ein sehr nettes Schiff, und da wir sie befrachtet haben, und ich der einzige Passagier bin, kann ich darauf frei schalten u. walten. Jedenfalls, d.h. wenn wir am Leben bleiben, gedenken wir noch im Laufe dieses Jahres wieder von China hierher zurückzukommen, um im Decbr. oder Januar in Calcutta sein zu können. Von da ab werde ich wohl noch einige Ostindische Märkte besuchen und später wieder nach China zurückgehen, während H. Harkort vielleicht schon nächstes Jahr wieder nach Hause zurückkehren wird.- So denken wir bis jetzt; freilich kann sich noch Vieles ändern.

Da ich ein Kistchen candirten Ingwer, soviel ich weiss, bei Euch ein grosser Leckerbissen, für einen Spottpreis angeboten bekomme, so schicke ich es mit, damit Ihr Euch einen ächt ostindischen Genuss verschaffen könnt. Auch ein Paar ächte spanische Röhre, die hier auf der Halbinsel Malacca und gar nicht in Spanien wachsen, schicke ich als etwas Aechtes mit. Hier sind das alles tägliche ganz billige Sachen und Euch werden sie amüsiren. Ich bitte Harkort, das Kistchen durch seinen Vater an Victor nach Dresden befördern zu lassen, da ich schon wieder auf der See schwimme, wenn es von hier abgeht.

Einen auf See geschriebenen Brief schicke ich mit, weil er Euch eine Idee geben wird, wie man sich auf See befindet.

Grüsst mir Alle recht freundlich, die sich meiner erinnern; und vergesst nicht, von Zeit zu Zeit zu schreiben. Der guten Mama besonders meine herzlichsten Grüsse, Allen aber die Versicherung der unveränderlichen Anhänglichkeit von
                                                                          Eurem Richard.
(am 10.October durch Einschluss
 an die Herren Carl u. Gustav Harkort
 an die Adresse gelangt.)


 

 
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