VOR 6 JAHRZEHNTEN

 Die Herrschaftsbestrebungen des Volksgruppenfuehrers und Machtmenschen Andreas Schmidt und die Deutsche Volksgruppe in Rumaenien (1940-1944) als Paradebeispiel fuer NS-Fanatisierung und –Instrumentalisierung


 

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            Mit der Wahl des Begriffs "Machtmensch" statt "Machtpolitiker" wird auf den einen Schwerpunkt dieser Analyse hingewiesen. Der andere liegt im Komplex des Karrierismus, der unter Bedingungen des NS-Totalitarismus besonders ausgepraegt war und in dessen Sog mancher "Volksdeutscher" aus Rumaenien gelangte. Doch Volksgruppenfuehrer Andreas Schmidt veranschaulicht wie kein zweiter, wie verheerend sich die Identifikation des einzelnen mit den NS-Idealen in der Konstellation von Grossdeutschem Reich und "Deutscher Volksgruppe in Rumaenien" (DViR.) auswirkte. In der Person von Andreas Schmidt fliesst auch die Volksgruppendoktrin zusammen, die ihm persoenlich, seinen engsten Anhaengern und der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien die alleinige und absolute Vorherrschaft unter den "Volksgruppen" des europaeischen Suedostens gewaehrleisten und sichern sollte. Letzteres Projekt beruhte auf dem abwegigen Glauben, der Weltkrieg wuerde zu Gunsten des Hitlerreiches ausgehen und dass es von dem Dienstleistungsvolumen fuer die expansionistischen Ziele des NS-Staates abhaengen wuerde, welchen Stellenwert das siegreiche Grossdeutschland/Grossgermanien als neue "Ordnungsmacht"  jeweiligen Individuen, Interessen- und "Volksgruppen" in seiner Rangordnung einraeumen wuerde. Damit war Individual- und Gruppenegoismen in der Form von Anpassertum (Opportunismus) und von billigstem Parteikarrierismus Tor und Tuer weit geoeffnet. Allerdings sassen auch in diesem Bereich die Entscheidungsfaktoren im "Reich". So laesst sich anhand der im Bundesarchiv aufbewahrten Urkunden recht einwandfrei verfolgen, dass das Machtgerangel innerhalb der Volksgruppe der Deutschen in Rumaenien wie auch auf der Ebene der suedosteuropaeischen "Volksgruppen" sich parallel zu gleichen Entwicklungen in der Berliner Machtzentrale entwickelte.

            Andreas Schmidt war schon fruehzeitig, naemlich 1937/38 auf seine spaetere Statthalterrolle des NS-Reiches in seiner Volksgruppe waehrend seines "Studiums" abgerichtet und ausgebildet worden. Diese Stossrichtung ist recht eindrucksvoll in dem von Hans Wolfram Hockl veroeffentlichten Briefmaterial von A. Schmidt (29.7.1938-29.4.1943) 1   belegt. So schreibt Schmidt seinem spaeteren Adjunktus, Stabsfuehrer Andreas Ruehrig, am 8. September 1938, dass die Loesung der internen Probleme der Volksgruppe in Berlin geschehen muss. Grundlegend fuer die "Machtuebernahme" sei das Zustandekommen eines "Auslesekorps", die Vergroesserung der "Auslese des H.H.". 2 Schmidt betont die Notwendigkeit, dass "jede Volksgruppe im Reich ihren "Kommissar" haben muss", der allerdings "alle 3 Jahre od. frueher gewechselt werden muss".3 Auch aeussert Schmidt seine Ueberzeugung, er und seine Gruppe 4   wuerden "Arbeit auf lange Sicht" leisten. 5

            Bis zu seiner Ernennung zum Volksgruppenfuehrer am 27. September 1940 durch den Leiter der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), SS-Obergruppenfuehrer Werner Lorenz,6   erfuellte Schmidt verschiedene Auftraege genannter Stelle quasi als Lehrlings- und Meisterstuecke. Zunaechst sollte er den im Banat zwischen zwei nazistisch orientierten Gruppierungen tobenden "Genossenschaftsstreit" zu Gunsten der radikalen Kraefte ausbuegeln. Ueber den erfolgreichen Ausgang seiner Aktion berichtet Schmidt Ende April 1940 seinem Auftraggeber, der VoMi. 7   Der Grundsatz, den er seiner Schlichtung zu Grunde legte, kennzeichnete seine spaetere Politik als Volksgruppenfuehrer:

weil den volksdeutschen Angelegenheiten im Verhaeltnis zu den Weisungen des Grossdeutschen Reiches, um die es heute geht, kein groesserer Wert zugemessen werden kann. Ich glaube eben nicht an eine volksdeutsche Sendung und dergleichen mehr, sondern ich glaube nur an eine deutsche Sendung. Und es ist Aufgabe aller Volksdeutschen, auch der in Rumaenien, dazu beizutragen, alles in den Dienst dieser deutschen Sendung zu setzen.
            Damit ist die Entmuendigung der Deutschen in Rumaenien, die skrupellose Auslieferung dieser Menschen und ihrer eigentlich an Rumaenien, den Staat des Mehrheitsvolkes gebundenen Interessen an die Hegemonialpolitik des Hitlerreiches festgeschrieben. Und Andreas Schmidt verstand sich durchaus als "Kommissar" dieses "Reiches".

            Die Gleichschaltung der Volksgruppe nach seinem "Machtantritt" schritt zuegig und recht reibungslos voran, so dass Schmidt bereits am 28. Januar 1941 in Verbindung mit der Legionaers-Rebellion die Rolle und Stellung der Volksgruppe als Pol politischer Ruhe und Stabilitaet im Vergleich zum aufgewuehlten Rumaenentum seinen vorgesetzten Reichsstellen empfehlen konnte: 8

In der ganzen Zeit des Chaos, das im Land geherrscht hat, hat sich die Volksgruppe vorbildlich gehalten. Die Deutschen sind in vollkommenster Ordnung ihrer Arbeit nachgegangen und haben durch ihre Haltung in Siebenbuergen und im Banat die Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe als die einzigen beeinflusst. Es ist in Siebenbuergen und im Banat auch nirgends in den Staedten zu Auseinandersetzungen zwischen der Bevoelkerung mit dem Militaer oder der Legion gekommen, wie das in allen Staedten des rumaensichen Altreiches der Fall gewesen ist. 9
            In der Besprechung, welche Schmidt am 25. Januar 1941 mit dem deutschen Gesandten v. Killinger in Bukarest fuehrte, betonte der Volksgruppenfuehrer in Verbindung mit dem Legionaersaufstand:
dass die Unordnung und die steten Putsche, die in diesem Land seit dem Bestand des rumaenischen Staates, stattgefunden hatten, rassisch bedingt seien. Es sei dringend notwendig, dass der Einfluss des Reiches in Rumaenien so stark werden muesse, um in Zukunft die Ordnung und die Ruhe eine Angelegenheit des Reiches werden zu lassen.
            Hier wird zum ersten Mal das zentrale Postulat des „Kommissars des Reiches“, Andreas Schmidt, als blinder Erfuellungsgehilfe der NS-Herrschaftsgelueste deutlich. Der rassisch begruendeten Unfaehigkeit der Rumaenen, fuer Ordnung und Stabilitaet im eigenen Staat zu sorgen koenne nur das „Reich“ als Ordnungsfaktor entgegenwirken. Dabei koenne das Reich auf die bedingungslose Einsatzbereitschaft der Deutschen Volksgruppe zaehlen:
Ich verweise darauf, dass die deutsche Volksgruppe in Rumaenien ein ernster Faktor fuer die Einhaltung der deutschen Parole: Ruhe, Ordnung und Produktion darstellt. Ich glaube, dass das Auswaertige Amt durch den deutschen Gesandten von Killinger es Antonescu klarmachen kann, dass die Angehoerigen der deutschen Volksgruppe fuer die Einhaltung der deutschen Parole wichtiger und noetiger sind, als fuer die Unterstuetzung des rumaenischen Heeres.
            Der im letzten Abschnitt geaeusserte Wunsch, die Deutschen in Rumaenien moegen der rumaenischen Armee, nicht aber dem Dienste des "Reiches“ entbehrlich sein, sollte durch den Eintritt Rumaeniens in den antisowjetischen Krieg im Juni 1941 einen Daempfer erfahren und bis April 1943, zumindest zurueckgestellt werden. Die innere Stabilitaet der Volksgruppe fuehrt A. Schmidt in seinem Bericht auf die erfolgreich durchgezogene Gleichschaltung zurueck, in deren erster Phase die Militarisierung den Ausschlag gab:
Allein die Partei und die Formationen haben uns in dieser schweren Zeit die Moeglichkeit gegeben, auf die Angehoerigen der Volksgruppe einzuwirken und unsere Anordnungen zur Durchfuehrung zu bringen. Gerade die straffe Organisation der Volksgruppe hat es ermoeglicht, in der Zeit der Unordnung bei uns Deutschen die Ruhe zu bewahren.10
            Ein heikler Punkt im Angleichungsprozess der deutschen Minderheit an das deutsche "Muttervolk" wurde im Rahmen der Versammlungswelle der Volksgruppenfuehrung vom 30. Maerz bis 9. April 1941 in Angriff genommen und thematisiert. So heisst es in den Redner-Anweisungen: 11
Unser Beitrag zum Krieg: die restlose Einsatz- und Opferbereitschaft fuer die Aufgabe, die uns der Fuehrer als Pioniere des Deutschtums gestellt hat und die Bereitschaft , die groessten Opfer auf uns zu nehmen. Wenn wir bereit sind, in der Opferbereitschaft, die Volksgenossen im Reich nachzuahmen und zu uebertreffen, koennen wir erst den Anspruch erheben, dass zwischen Volksdeutschen und Reichsdeutschen kein Unterschied mehr besteht. Denn diese beiden Begriffe sind nur aeusserliche Unterscheidungen, im tiefsten Sinn gibt es nur Deutsche, die an Adolf Hitler glauben. Niemand soll von uns sagen koennen, dass wir vor dem Sieg in diesem Glauben klein geworden sind, weil sich uns Schwierigkeiten entgegengetuermt haben. Heute, wo wir unseren Glauben an den Fuehrer offen bekennen duerfen, werden wir alle Schwierigkeiten ueberwinden.
            Dieser auf betraechtliche Minderwertigkeitsgefuehle weisende Angleichungswunsch des Volksgruppen-Deutschtums an das reichsdeutsche, das "Deutschersein als die Deutschen" wird die Andienungs- und Auslieferungspolitik der menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen der deutschen Minderheit bis zum ehrlosen Ende der "Volksgruppe" am 23. August 1944 begleiten. Man ging von der Ueberzeugung aus, nur dann als gleichwertige Deutsche von den Reichsstellen anerkannt zu werden, wenn der verbrecherischen Politik Adolf Hitlers bedenkenlos Folge geleistet wuerde. Aus diesem Gleichstellungswunsch entspringt Schmidts Vorstoss, die "Neuordnung" des mittelost- und suedosteuropaeischen "Raumes" durch das Hitlerreich unter massiver Beteiligung der dort siedelnden deutschen Minderheitengruppen zu verwirklichen. In dem "Lagebericht erstattet im Auftrag des Volksgruppenfuehrers Andreas Schmidt 15.4.1941" 12   heisst es:
Im Suedosten leben 2,5 Millionen Deutsche in einem zusammenhaengenden Kranz von Siedlungen entlang der Donau bis zum Karpatenbogen. Diesen Deutschen und den deutschen Reichsheeren verdankt der umstrittene Suedosten seine Zugehoerigkeit zu Europa. Die Anwesenheit der 2,5 Millionen Deutschen, die - beginnend mit dem Jahr 1000, im unmittelbaren Anschluss an die germanischen Wanderungen - in den Suedosten zogen, ist ein Beweis dafuer, dass das Deutsche Volk sich stets der Verantwortung fuer die Gestaltung dieses Raumes bewusst war.
Die uebrigen Voelker dieses Raumes haben niemals ein solches europaeisches Verantwortungsbewusstein besessen, sondern haben entweder mit Tuerken und anderen Feinden Europas paktiert oder untereinander Chaos gestiftet. So stellt selbst heute noch der ungarisch-rumaenische Gegensatz, der immer wieder auszubrechen droht, eine ernste Gefahr fuer die deutschen Nachschublinien und fuer die Ordnung im wirtschaftlichen Ergaenzungsraum dar. Entzieht man diesem Raum die Deutschen und ueberlaesst ihn den Ungarn, Rumaenen usw., wird er immer einen Keil gegen die Ruhe Europas darstellen und die wirtschaftliche Autarkie des Grossraumes unmoeglich machen.
Selbst wenn die grosse Entscheidung im Osten faellt und der weite Osten die Aufgabe des Deutschen Volkes fuer ein Jahrtausend wird, kann der Suedosten nicht dem Chaos der kleinen Voelker ueberlassen bleiben, weil hier immer die Gefahr eines Vorstosses gegen die Raumeinheit des Kontinentes bestehen wuerde und weil der Raum ohne die Deutschen in die Kulturlosigkeit zuruecksinken wuerde, die ueberall dort herrscht, wo keine Deutschen siedeln (z.B. Rumaenien jenseits der Karpaten. Siehe auch der rapide Verfall der Siedlungen der umgesiedelten Deutschen in der Bukowina und Dobrudscha!) 13
            Die unueberbietbare Arroganz dieser Ausfuehrungen findet ihren Hoehepunkt im propagandistischen Postulat, nur die Deutschen des "Reiches" und die im suedosteuropaeischen "Raum" als nationale Minderheiten siedelnden Deutschen besaessen die Faehigkeiten, diesen Raum zur Ordnung und Ruhe zu fuehren quasi als Erfuellung ihrer geschichtlichen Sendung. Schmidt faehrt in seinem ueberheblichen Kauderwelsch fort:
Der geordnete Suedosten mit seiner deutschen Besiedlung wird daher als Flankenschutz neben der grossen Ost-Loesung stehen muessen. Die 2,5 Millionen Deutschen besitzen die Kraft, von sich aus nicht nur als Ordnungsfaktor den Zusammenhalt und die Wirtschaftsleistung des Raumes zu garantieren, sondern, als Reichsbuerger, deren Soehne deutschen Wehrdienst ableisten und nicht der Sklaverei in minderwertigen Heeren mit halbasiatischen Feldwebeln ausgeliefert sind, ein Anziehungszentrum darstellen, das mit der Rueckgermanisierung wertvoller Blutsteile besonders im ungarischen Raum beginnen kann.
            Im Folgenden wird das Projekt eines "Donauprotektorats", oder, wenn dies nicht realisierbar sei, eines "Grossungarn" vertreten. Dass beide Varianten eine Aufloesung des Staates Rumaenien voraussetzen, nachdem Jugoslawien als Staat aufgeloest worden war, ist fuer die Volksgruppenfuehrung kein Thema.
Von den Moeglichkeiten, die eine Loesung des Suedostproblems in diesem Sinne darstellen wuerde, ist die Schaffung eines Donauprotektorates, das mindestens Ungarn und Rumaenien umfasst, die idealste. Hier wuerden die 2,5 Millionen Deutschen ein fest geschlossener Ring, von Wien ueber Pressburg, die Zips, Sathmar, Siebenbuergen, Banat, Batschka, Baranya, Schomodei (die sogen. Schwaebische Tuerkei), das Deutschtum um Ofenpest und im Bakonyer Wald und zurueck zum ostmaerkischen Volksraum. Propagandistisch kann der deutsche Kultur-Charakter des Suedostraumes jederzeit ebenso schlagend bewiesen werden wie bei Lothringen, Luxemburg, Boehmen-Maehren usw.
Als Zwischenloesung – falls das Donauprotektorat nicht tragbar ist - kann zur Deutscherhaltung des Suedostens auch die Schaffung eines Grossungarns beitragen, das ganz Siebenbuegen bis zum Karpatenbogen, das ganze Banat, Batschka usw. umfassen wuerde, kurz alle Gebiete, die von Deutschen besiedelt sind. Mit allen Rechten ausgestattet, koennten die Deutschen auch in diesem Rahmen aus eigener Kraft rueckgermanisieren und den Raum erhalten. Jedoch duerfte diese Loesung durch die Ereignisse schon ueberholt sein.


            Der Garant fuer die Verwirklichung solcher Plaene stellt Schmidts Ziehvater und Heimorganisation, die SS dar:

Die zentrale Stelle fuer den Schutz des deutschen Volkstums ist der Reichsfuehrer-SS und Reichskommissar zur Festigung des deutschen Volkstums. 14
            In seinem "Halbjahresbericht 1942", den Andreas Schmidt am 6. August 1942 dem Adjutanten des Reichsfuehrers-SS, Dr. Brandt, zuschickte, 15   bilanziert Schmidt mit sichtbarem Stolz die Erfolge seiner kompromisslosen Entmuendigungs-, Militarisierungs- und Auskaufpolitik. Der Bericht benennt diese Entwicklung mit den euphemistischen Termini "erzieherische, politische und propagandistische Massnahmen". Dabei sollen folgende Aussprueche des Volksgruppenfuehrers massgebend gewesen sein:
Wir sind nichts anders als ein Teil des grossen deutschen Volkes und unser Verhaeltnis zum Staat ist das Verhaeltnis Deutschlands zu Rumaenien.
Rede in Hermannstadt am 9. Februar 1941
Kein Opfer ist fuer uns zu gross, mit dem wir dazu beitragen koennen, dass die Ziele der deutschen Aussenpolitik und des Reiches erfochten werden.
            Der Bericht unterstreicht, dass
niemals etwas [haette] erreicht werden koennen, wenn nicht die Volksgruppe in den anderthalb Jahren vorher durch die Partei und die Formationen bereits zu einem soldatischen Geist der Pflichtauffassung und zu einer grossdeutschen Haltung gerade auch gegenueber dem deutsch-rumaenischen Buendnis erzogen worden waere.
            Dann wird das Thema angeschnitten, das die ueber das deutsche Siedlungsgebiet in Rumaenien hinausgehenden politischen Ambitionen Schmidts fortan beherrschen wird: seine Penetration in andere Volksgruppen und die allmaehliche Unterordnung dieser unter seinen persoenlichen Machtanspruch. Es wird sichtbar, dass der Emporkoemmling und Karrierist Andreas Schmidt weit ueber die engen Grenzen der auf die deutsche Minderheit in Rumaenien beschraenkte Volksgruppenpolitik zielte; er war schon lange bevor die aussenpolitische Lage es ermoeglicht haette, bemueht, seinen Einflussbereich auf andere Volksgruppen, vor allem auf die Ungarns, auszudehnen. Das verbirgt sich hinter seiner Formulierung:
ehe noch die Aufgabe der Volksgruppen im neunen Europa ihre endgueltige Klaerung gefunden hat.
Es heisst:
Sie [die Volksgruppe] hat damit gleichzeitig unter Beweis gestellt, dass bei eiserner Disziplin eine Volksgruppe als Instrument der Reichspolitik schon heute, ehe noch die Aufgabe der Volksgruppen im neunen Europa ihre endgueltige Klaerung gefunden hat, eingesetzt werden kann und Aufgaben in den zwischennationalen Beziehungen fuer das Reich zu erfuellen vermag.
            Die "zwischennationalen Beziehungen", denen die Volksgruppen im Interesse des Reiches dienen koennen, entpuppen sich in dieser Phase als terminologische Tarnung fuer Schmidts volksgruppenuebergreifende Machtambitionen. Dem gleichen demagogischen Akzent folgen auch die weiteren Ausfuehrungen des "Berichts":
Die Volksgruppe hat durch ihre Haltung und ihre Opfer dem Rumaenentum gerade in dieser kritischen Zeit bewiesen, dass Deutschland keine imperialistische Politik treibt, sondern von seinen eigenen Soehnen Opfer im Interesse der Freundschaft mit seinen Verbuendeten fordert.[...]
            Dann bruestet sich Schmidt mit der
Anerkennung, die ihr [der Volksgruppe] fuer ihre Haltung von seiten des Reiches durch den Reichsfuehrer-SS Heinrich Himmler und dem Herrn Reichsaussenminister von Ribbentrop zuteil geworden ist. Sie bringt die Bestaetigung, dass die Volksgruppe grossdeutsch gehandelt und der Verwirklichung der Ziele des Reiches gedient hat.
            Schmidt schreckte also in seinen karrieristisch-eigennuetzigen Bestrebungen nicht davor zurueck, neben der Minderheit, der er entstammte und die er dem NS-Expansionismus gnadenlos ausgeliefert hatte, auch weitere deutsche Minderheiten zu missbrauchen. Dabei spielte die Missachtung der rumaenischen Nationalstaatlichkeit, wie ueberhaupt jeder mittelost- und suedosteuropaeischen Nationalstaatlichkeit die entscheidende Rolle:
Deutschland ist nicht Rumaenien zu Dank verpflichtet, sondern umgekehrt, da dieses Land allein durch die deutschen Truppen, unmittelbar vor der Vernichtung und vor dem Versinken in den bolschewistischen Abgrund, gerettet wurde.
            Der durch Andreas Schmidt Reichskanzleiminister Lammers im August 1942 zugesandte "Leistungs- und Lagebericht der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien vom Beginn des Russland-Feldzuges bis zum 1. Juli 1942" 16   setzt neue Akzente neben die bereits bekannten ideologischen Verbortheiten und propagandistischen Floskeln ("grossdeutscher Schicksalskampf", "innere Ordnung" und "interner Aufbau der Volksgruppe"; die Volksgruppe als "positiver Faktor der grossdeutschen Politik in Rumaenien", als "der sicherste Faktor von Leistung, Ordnung und Disziplin in Lande"; die "Mission" dieser Gruppe "als Repraesentant des Reiches"). Der Fortbestand der nun als NS-Volksgruppe organisierten deutschen Minderheit sei nur "als Kampfgemeinschaft unseres Blutes und unserer Rasse in dem Raum" gewaehrleistet, "den sie beherrschen soll." 17   Schmidt deutet an, dass die deutsche Minderheit in ihrer NS-Ausgestaltung zur Beherrschung des Raumes auserkoren sei, den der rumaenische Staat bildet. Dieser Herrschaftsanspruch erfordert, "dass immer der beste und kaempferischste Nationalsozialist der Fuehrer der Partei und des Volkes in dem jeweiligen Hoheitsgebiet ist". 18 Mit letzterem meint Schmidt offenbar sich selbst, moeglicherweise im Angesicht der inneren Opposition, die sich in der Spitze der NSDAP der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien (DViR) gegen ihn seit dem Tod des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Reinhard Heydrich am 4. Juni 1942 zu kristallisieren begann. Der nun unter Zugzwang geratene Schmidt wird bis zu seinem Ende als Volksgruppenfuehrer bestrebt sein, den Reichsstellen zu beweisen, dass er, weil er der Beste ist, auch als Volksgruppenfuehrer unentbehrlich sei. Wenn seine bisherigen politischen Berichte unpersoenlich waren, so gewinnt  ab diesem Bericht die Betonung seiner Qualitaeten als Fuehrerpersoenlichkeit einen wichtigen Stellenwert. In diesem Sinn gibt Schmidt zu verstehen, dass alle "Erfolge", welche die Volksgruppe erzielt, einzig und allein seinem persoenlichen Einsatz zu verdanken seien. Dieser absolute Fuehrungsanspruch harmoniert durchaus mit dem Anspruch,
dass durch die bisherige Aufbauarbeit die Volksgruppe schon sozusagen ein „Staat im Staate" geworden ist und alle Belange der Deutschen in Rumaenien wahrnimmt. Ohne die geschaffene straffe Organisation und die durch sie ermoeglichte straffe Fuehrung, Arbeit und Leistung, waere die Volksgruppe unter der gegenwaertigen Belastung zusammengebrochen.
            Der Bericht hebt hervor, dass die Ausrichtung auf das „Reich“ nicht nur propagandistisch und politisch, sondern auch im konkreten wirtschaftlichen Umfeld der Volksgruppe voranschreitet:
Das Hauptarbeitsziel des Landesbauernamtes war die weitere Steigerung der Produktion und ihre Ausrichtung auf die Erfordernisse des Reiches.
            Dass die "ordnende" und "stabilisierende" Rolle, welche die Volksgruppe wahrnimmt, dass das Volksgruppen- und Reichsinteresse mit den Interessen der Mehrheit der rumaenischen Arbeiterschaft unvereinbar sein konnten, war belanglos angesichts des Umstandes, dass durch die "Standhaftigkeit" der volksdeutschen Arbeiterschaft, die somit in der Rolle des eindeutigen Streikbrechers aufscheint, die Kriegsproduktion ungestoert gewaehrleistet werden konnte:
Die disziplinierte Haltung der Deutschen Arbeiterschaft hat durch ihr Vorbild des oefteren Streikabsichten der rumaenischen Arbeiterschaft verhindert und sich damit als Garant der Kriegsproduktion bewaehrt.
            Neu und besonders ergiebig fuer Schmidts volksgruppenuebergreifende Machtambition ist die Vorreiterrolle und Modellfunktion der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien vor anderen und fuer andere suedosteuropaeische Volksgruppen:
Die Formationen der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien waren vorbildlich fuer die Aufstellung der Mannschaften im serbischen Banat, in Kroatien und in Ungarn.
            Die NS- und "Reichs"-Verblendung Schmidts kommt in dem von diesem eigenhaendig gezeichneten Bericht ueber die Beziehungen der Volksgruppe zum Staatschef, Marschall Antonescu und zum Vizeministerpraesidenten Mihai Antonescu (8. April 1943) einwandfrei zum Ausdruck. Der Volksgruppenfuehrer findet es empoerend und unannehmbar, dass bei der 25-jaehrigen Anschlussfeier Bessarabiens an Rumaenien
Zum ersten mal [...] eine Feierlichkeit stattgefunden [hat], wo deutsche Fahnen nicht vorhanden gewesen sind; auch das Bild des Fuehrers nicht. Die Feier wurde in Chisinau abgehalten, der Stadt Bessarabiens, nach deren Eroberung Marschall Antonescu das Ritterkreuz erhalten hat, das er bei dieser Feierlichkeit aber nicht trug.
            Schmidt stellt ferner fest, dass
Das Reich [...] in einem einzigen Satz in der langen grundsaetzlichen Rede [des Staatsfuehrers Antonescu] erwaehnt [wurde], wo er mitteilte, dass die Wehrmacht des Grossdeutschen Reiches mitgeholfen habe, Bessarabien wieder zu gewinnen.19
            Dass mit dieser Handhabung der Feierlichkeiten durch die rumaenischen Behoerden betont werden sollte, dass es sich um eine nationalrumaenische, nicht um eine „Reichsangelegenheit“ handelte, das uebertraf Schmidts NS- und Reichssatrapen-Befangenheit.

            Der allmaehlich durch seine in SD-Diensten stehenden Widersacher in Bedraengnis geratene Schmidt beklagt in einem Brief an seinen Schwiegervater, SS-Obergruppenfuehrer Gottlob Berger, Chef des SS-Hauptamtes und des SS-Ergaenzungsamtes, dass seine Person durch hohe Besucher aus dem Reich systematisch ignoriert wird, obwohl Kronstadt (Brasov) deutsches Siedlungsgebiet ist und dem Reichsfuehrer-SS unterstehe. Schmidt beabsichtige einzig und allein

Das Prestige des Reichsfuehrer-SS, die SS-Kameradschaft und das meiner Volksgruppe stets auf dem hoechsten [zu] wahren.
            Denn er hat seine
Volksgruppe auf den Reichsfuehrer geschworen, die Partei wird nur von SS-Fuehrern gefuehrt, die ganze Arbeit alles steht zu Euch zur Schutzstaffel – nicht zu mir !!.20
            In dem vor dem 27. Januar 1944 verfassten "Leistungs- und Lagebericht der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien vom 1. Juli 1942 bis 1. September 1943" bilanziert Volksgruppenfuehrer A. Schmidt:
Im Kampf um Sein und Nichtsein des Deutschen Volkes steht heute die Deutsche Volksgruppe in Rumaenien mit in der vordersten Front. Maenner, Frauen und Jugend versehen in selbstverstaendlicher Pflichterfuellung den ihnen zugewiesenen Platz.
Die nationalsozialistische Partei als politischer Willenstraeger, als Fuehrungs- und Arbeitsinstrument, entfesselt die noetigen Kraefte und sorgt fuer ihren Einsatz. Die kleinlich-eigenstaendige Blickrichtung der Volksgruppenpolitik ist beseitigt. Ueber allem steht der Fuehrer, steht das Reich.
            Schmidt schwebt noch immer die Utopie vor Augen, mit seiner Volksgruppe im Namen des Reiches im bestimmenden Jahr 1944 „in diesem Raum einzugreifen“. Die dringende Notwendigkeit dieses Vorgehens begruendet er damit, dass
solange der Suedosten Europas nicht im Interesse des Reiches geordnet ist, [...] die Sicherheit des Reiches stets gefaehrdet sein [wird]. Den Suedosten kann man jedoch nur dadurch ordnen, dass die Macht des Reiches hier entsprechend vorhanden ist und ausgeuebt wird. Allein unsere Macht wird auch bestimmend auf die Haltung des Voelkergemisches im Suedostens sein. Je frueher wir eingreifen, desto kleiner sind die Schwierigkeiten fuer die Zukunft und desto besser wird es fuer die kaempfende Front sein, da in ihrem Ruecken komme was kommen mag, die Schwierigkeiten zur rechten Zeit geordnet werden koennen. Es gibt Mittel politischer und militaerischer Natur, in jeder Beziehung vorzubeugen. 21
            Etwas vorsichtiger formuliert Schmidt in seinem politischen Lagebericht fuer den Monat Mai 1944.22
eines ist klar: dass Deutschland die absolute Moeglichkeit besitzt, Rumaenien bis zum Kriegsende als wertvollen Partner auszunuetzen, sowohl in der Gestellung von Soldaten, als auch im wirtschaftlichen Beitrag fuer die Fortfuehrung des Krieges /Petroleum/, wie auch fuer die Ernaehrung der Menschen /durch Erhoehung der landwirtschaftlichen Produktion/, bei der Voraussetzung: dass Deutschland in die Fuehrung Rumaeniens taktvoll eingreift und Rumaenien hilft, aus dieser Desorganisation wieder einen lebens- und kampffaehigen Organismus zu gestalten.
            Schmidts autoritaeres, selbstherrliches Gebaren nach innen und seine ausschliessliche Ausrichtung auf die von seinem Schwiegervater Gottlob Berger vertretene Interessenpolitik der SS-Fuehrung unter gleichzeitiger Verprellung der SD-Faktion in der NSDAP der DViR und des Chefs der SiPo und des SD Ernst Kaltenbrunner sowie der Fuehrung der deutschen Volksgruppe in Ungarn artete in einer Schlammschlacht aus,23   die durch Rumaeniens Ausscheren aus dem Axenbuendnis am 23. August 1944 ein jaehes Ende fand. Sie zeigt den Karrieristen und Autokraten Andreas Schmidt von seiner schwaerzesten Seite. Ein vor dem 7. Juni 1944 durch Hans Jung, den Kreisleiter des Kreises Prinz Eugen angefertigtes Gedaechtnisprotokoll eines Gespraechs mit dem SD-Angehoerigen Hans Herrschaft wirft Schmidt vor,
"die Kameradschaft unter den Amtswaltern zerschlagen" ,
"ein byzantinisches, unduldsames System in der Volksgruppe eingefuehrt"
zu haben, andere Volksgruppen bevormunden und
Fuerst des Suedostens
werden zu wollen. Besonders zutreffend ist der Vorwurf, Schmidt habe mit der Volksgruppe
innerlich nichts zu tun, er betrachtet seine jetzige Stellung nur als Steigbuegel zu einer groesseren Stellung in Berlin, wenn es mal so weit ist, wird er fuer uns nichts mehr uebrig haben. 24  
            Dieses politische Profil rundet ab und bestaetigt das aus der Analyse mehrerer Schmidt-Texte abgeleitete Bild eines vom NS gepraegten herrschsuechtigen, intoleranten, egoistischen und skrupellosen Emporkoemmlings, Karrieristen und Fanatikers. Dabei ist zu bedenken, dass Andreas Schmidt nur die Spitze eines Eisberges darstellt. Auch das mehrere Tausend Koepfe umfassende Heer von „Amtswaltern“ und fuehrenden Parteigenossen war aehnlich verfasst und ausschliesslich auf die vom NS-Filz gebotenen Karrieremoeglichkeiten und Machtchancen erpicht. Die Masse der deutschen Minderheit blieb auf der Strecke dieser nimmersatten volksdeutschen NS-„Elite“, indem sie nach der Niederlage des Hitlerreiches die traurigen Konsequenzen fuer diese verantwortungslose Kaste  politischer Angeber und Demagogen ziehen musste.


Veroeffentlicht  in der " Halbjahresschrift fuer suedosteuropaeische Geschichte, Literatur und Politik ", Jg. 16, Heft Nr. 1, Mai 2004, S.54-62. Dies ist eine revidierte Fassung.


Vgl. KEINE FUENFTE KOLONNE ?


1.  Hans Wolfram Hockl, Deutscher als die Deutschen. Dokumentarische Studie ueber NS-Engagement und Widerstand rumaeniendeutscher Volkspolitiker, Linz 1987, Kapitel 4, Ein Leben fuer die Macht. Handgeschriebene Briefe A. Schmidts an A. Ruehrig, S.75-102.
2,  Reichsfuehrer-SS Heinrich Himmler.
3. Hockl (wie Anm.1), S.77, 80. Das Rotationsprinzip geriet in Vergessenheit, sobald Schmidt an der Spitze der Volksgruppe stand.
4.  Zu der Fritz Cloos, Emo Connert, Willi Depner (damals Leiter der Jugendorganisation der Volksgruppe), Richard Langer, Hans Kaufmes, Otto Schwarz, Otto Liess, Kurt Auner, Franz Herbert, Josef Schoenborn, Hans Ewald Frauenhoffer  u.a. gehoerten.
5.  Brief vom 20.3.1939, Hockl, S.89.
6.  Vgl. Johann Boehm, Die Deutschen in Rumaenien und das Dritte Reich 1933-1940, Frankfurt am Main etc. 1999, S.256.
7.  BAB (Bundesarchiv Berlin), NS 19/3888, S. 82-85.
8. Damit vollzog die Volksgruppenfuehrung ihre stille Abwendung von ihren frueheren ideologischen und politischen Bundesgenossen, den rumaenischen Legionaeren, mit denen, solange sie an der Macht waren, "kameradschaftlich" zusammengearbeitet wurde.
9.  BAB, R 58/112, S.28-32; hier S. 29.
10. Ebenda, S.32.
11. Verfasst vor dem 30. Maerz 1941, in: BAB, NS 19/2724, Bll. 48-63. Die kursiven Stellen entsprechen Hervorhebungen in der Vorlage.
12.  BAB, NS 19/2724/Bll. 41-43.
13.   Hier S. 41.
14.   Hier S. 42.
15.  BAB, NS 19/2859, S.123-132.
16.  BAB, R 43/II/1487, S. 83-117.
17.   Hervorhebung K. Popa.
18. Hier S. 84-85.
19.   BAB, NS 19/2859, S.157-160.
20.   BAB, NS 19/2859, S.47r+v, S. 48, 6. Dezember 1943, Kronstadt.
21.   BAB, R43/II/1487, S.119-148.
22.   BAB, NS 19/2146, S.1-2; 2. Juni 1944, Kronstadt.
23.   Vgl. dazu die ausfuehrliche Dokumentation „Die Affaere zwischen Volksgruppenfuehrer Andreas Schmidt und Volksgruppen-SD-Chef Mathias Liebhardt“ in Halbjahresschrift fuer suedosteuropaeische Geschichte, Literatur und Politik, 16.Jg., Heft 1, Mai 2004, S.97-107.
24.   BAB, NS 19/1489, S.4r+v.

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