Home
Origin
Christoph
Hans Carl
Georg Heinrich
Anton
Hupp Kalender

Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde,
52. Band. Seiten 249-264.  Dresden, Baensch, 1931.

Anton von Carlowitz

Pariser Briefe eines sächsischen Diplomaten aus der
Zeit nach den Freiheitskriegen (1816-17) und eine
von ihm verfaßte Denkschrift über seine Laufbahn.

Von Otto Eduard Schmidt


   Durch die Einzelforschungen zur Geschichte des Zeitalters Napoleons und der Freiheitskriege ringt sich allmählich die Erkenntnis durch, welche große Rolle in der damaligen Geschichte Sachsens die drei Brüder Carl Adolf, Hans Georg und Anton von Carlowitz gespielt haben:  der älteste als Mäzen von Kunst und Wissenschaft und als Soldat, der mittlere als Freund des Novalis und organisierender Staatsmann, der dritte als hervorragender Diplomat und Finanzmann.  Durch Vermittlung der Frau Margarethe von Carlowitz-Oberschöna ist mir von dem Carlowitzischen Geschlechtsverbande der Auftrag zuteil geworden, aus den reichen handschriftlichen Schätzen der Carlowitzischen Archive ein Lebensbild der drei Brüder zu gestalten und herauszugeben.  Die folgenden Blätter bieten daraus einen kleinen Ausschnitt, der uns den am wenigsten bekannten jüngsten der drei Brüder etwas näher bringen soll.
   Christoph Anton Ferdinand von Carlowitz[1] war als jüngster Sohn des Hans Carl August von Carlowitz am 6. Juni 1785 in Großhartmannsdorf bei Freiberg geboren.  Früh verwaist – die Mutter starb bald nach seiner Geburt, der Vater, als er 8 Jahre alt war – fand er von 1799–1801 auf der Fürstenschule zu Grimma den Ort, seine Schulbildung zu vollenden und studierte von 1801–1805 in Leipzig die Rechtswissenschaften.  Schon in der Studentenzeit war ihm der 1801 begründete Hausstand seines älteren Bruders Hans Georg und seiner Schwägerin Jeanette von Carlowitz, einer geb. von Schönberg-Pfaffroda, die Zufluchtsstätte, wo sich der zarte, leicht erregbare, auch von schreckvollen Ahnungen und Gespensterfurcht heimgesuchte Jüngling immer wieder kräftigte.  Hier entwickelte sich zwischen ihm und der nur 4 Jahre älteren Schwägerin, die auch von einer leicht anfälligen Gesundheit war, eine zarte Freundschaft, die sich auch in den weiterhin abgedruckten Briefen ausprägt.  Während der ältere Bruder seinen Fuß kaum über die Grenzen des deutschen Reiches bzw. des deutschen Bundes hinaussetzte, unternahm Anton, zum Teil in Rücksicht auf seine Gesundheit, schon 1808 eine längere Reise durch Deutschland und die Schweiz und auch, als er 1809 in Dresden Hof- und Justizienrat geworden war, reiste er 1810 und 1812 nach Italien und erweiterte dadurch seine Menschenkenntnis, seinen Blick für wirtschaftliche Belange und sein Geschick, Verwicklungen zu lösen.  So gehörte Anton zu den frühreifen Menschen, die schon in jungen Jahren wertvolle Urteile über die verschiedenartigsten Gegenstände abzugeben vermochten.  In dem kritischen Jahre 1813 wurde er als 28jähriger durch das Vertrauen seiner Standesgenossen zum ersten Mitglied der Kreisdeputation des Meißner Kreises ernannt und damit an die Spitze der ständischen Verwaltung dieses Kreises gestellt.  Bald darauf sah er sich gleichzeitig von den Franzosen, die ihn zum Verpflegungskommissar machen wollten, und vom König Friedrich August umworben, der ihm eine Stelle im sächsischen Staatsdienste nach eigener Wahl anbot.  Anton erklärte sich damals bereit, die Stelle des Kreishauptmanns im Meißner Kreise zu übernehmen, aber der König, wohl unter dem Einflusse des Ministers Grafen Einsiedel, gab diese Stelle und dazu auch den Vorsitz in der Kreisdeputation einem anderen, so daß Anton nichts übrig blieb, als den sächsischen Staatsdienst zu verlassen.  Als aber nach der Leipziger Schlacht das russische General-Gouvernement eine Kreigsverwaltungskammer einrichtete, wurde ihm in ihr die Stelle des dritten Rates übertragen[2].  Als solcher begegnet er uns mehrfach in den ungedruckten Briefen Dieterichs von Miltitz.  Auch in Preußen wurde man auf den tüchtigen Beamten aufmerksam.  Fürst Hardenberg bot ihm, als die Abtretung von 3/5 des sächsischen Gebiets an Preußen bevorstand, eine Stellung im provisorischen Generalgouvernement in Merseburg an mit der Aussicht, daß er später in Preußen als Regierungsdirektor angestellt werden sollte.  Anton lehnte ab.  Dagegen wurde er, als sich der Krieg gegen den aus Elba entflohenen Napoleon erneuerte, beauftragt, den von Sachsen geforderten fünf monatlichen Verpflegungsbedarf für 72 000 Russen in Franken zu beschaffen.  Er löste diese schwierige Aufgabe in einer für Sachsen sehr günstigen Weise und vermochte darüber hinaus den englischen Gesandten, die für die sächsischen Hilfstruppen in Aussicht gestellten Hilfsgelder schon im voraus zu zahlen, d. h. noch ehe das englische Parlament den Subsidienvertrag genehmigt hatte[3].  Dadurch kam der König von Sachsen in die Lage, die verpfändeten Wertstücke des Kronschatzes wieder einzulösen.  Er belohnte Anton durch den Zivilverdienstorden und gab ihm nach dem zweiten Pariser Frieden im August 1816[4] den schwierigen Auftrag, in Paris die Liquidation der K. Sächsischen Forderungen an Frankreich zu betreiben.  Schon waren die Papiere, auf die sich die Sächsischen Forderungen gründeten, vom Preußischen Gouvernement aus Dresden mit nach Berlin genommen worden, und es bestand die Gefahr, daß Sachsen bei der Eintreibung dieser Beträge leer ausgehen könnte, da gelang es Anton, in Paris eine gemeinschaftliche preußisch-sächsische Liquidation einzuleiten, so daß die sächsischen Papiere noch rechtzeitig von Berlin nach Paris geschickt wurden und Sachsen nach beinahe einjährigen Bemühungen seines außerordentlichen Gesandten die für jene Zeit sehr bedeutende Summe von 930 000 Talern in Frankreich ausgezahlt bekam.  Anton wünschte dieses Geld als Tilgungsfond für die in der Kriegsnot von den Städten aufgenommene 5%ige Anleihe von 6 Mill. Talern zu verwenden.  Er wollte nämlich die 5%ige Anleihe in eine 4%ige verwandeln und von den 930 000 Talern diejenigen Gläubiger befriedigen, die ihre 5%igen Schuldscheine nicht in 4%ige umtauschen wollten.  Die dadurch herbeigeführte Verringerung des Zinsendienstes um jährlich 60 000 Taler hätte eine jährliche Tilgungsquote von dieser Höhe ergeben.  Aber der Kabinettsminister Graf Einsiedel, der schon 1813 die Ernennung Antons zum Kreishauptmann verhindert hatte, trug auch diesmal die Schuld, daß der König, der schon den Plan Antons und der Stände genehmigt hatte, im letzten Augenblicke auf Einsiedels Seite trat.  So sah sich Anton von Carlowitz durch den unheilvollen Einfluß eines altständischen Ministers zum zweiten Male kaltgestellt.  Aber er stand hoch in der Achtung seiner beiden Brüder und der meisten seiner Standesgenossen, und im Jahre 1824 wurde er in die sehr ehrenvolle Stellung eines Kammerpräsidenten und damit an die Spitze der Verwaltung des Herzogtums Coburg berufen und hat als solcher auch noch das Emporsteigen des Hauses Coburg zu seiner weltgeschichtlichen Stellung fördern können.  Überdies lenkten sich die Blicke der in Sachsen Regierenden, des Königs Anton und des Mitregenten Friedrich August, von neuem auf Anton von Carlowitz, als es im Herbst 1831, nach der Annahme der Konstitutionellen Verfassung galt, dem Staate einen neuen Finanzminister zu geben.  Der Mitregent forderte Anton von Carlowitz auf, selbst eine Denkschrift über seine im sächsischen Staatsdienst durchmessene Laufbahn abzufassen und berief ihn, nachdem er die Schrift gelesen hatte, als Finanzminister in die Heimat zurück.  Anton von Carlowitz aber lehnte den ehrenvollen Ruf ab, da er seinem Herzog treu bleiben wollte (vgl. S. 262, Nr. 9).
   Die im folgenden abgedruckten 8 Briefe, die Anton von Carlowitz aus Paris an seine Schwägerin schrieb, geben uns einen lebendigen Begriff des damaligen Pariser Lebens und der Schwierigkeiten, mit denen der mutige Sachse bei der absichtlichen Unzuverlässigkeit und Hinterhältigkeit der Franzosen zu kämpfen hatte, ehe er zum Ziele kam, zugleich aber auch einen deutlichen Begriff seiner Heimatliebe, seiner umfassenden Bildung und seiner geläuterten Menschlichkeit.  Anton von Carlowitz hatte damals in raschem Aufstieg seinen ältesten Bruder, dessen militärische Stellung in Preußen noch nicht genügend befestigt schien, eingeholt und ebenso hatte er, wenigstens auf einige Zeit, den zweiten, Hans Georg, überflügelt, der durch Einsiedels Aufsteigen auf seinen alten Platz als Geheimer Finanzrat zurückgedrückt worden war.  Diese momentane Verschiebung der Verhältnisse drückt sich auch in dem Urteil aus, das Hans Georg, der früher Antons Entwicklung manchmal etwas skeptisch betrachtet hatte, in dem Briefe an Carl Adolf vom 12. März 1815 schrieb:  „Was Du tun wirst, um Deine Zukunft zu gründen, interessiert mich mehr, als meine eigene Zukunft.  ... Aber ich wage nicht, einen Rat zu äußern.  Ich bin erbittert und überhaupt störrischen Gemüts, aber nicht unbefangen und praktisch genug, um in einer so wichtigen Sache ... zu urteilen.  Anton mag Dir raten; er ist zwar auch bös gemacht wie jeder ehrliche Mann, aber doch gefügiger und in vielen Dingen gescheiter als ich.“  Dieses Urteil ist, obwohl Hans Georg von Beiden der tiefere Geist war, nicht ganz unberechtigt.  Anton war unbefangener und weltmännischer als sein stolzer, streng aristokratischer Bruder.

 

1.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette.  Paris 26. Oktober 1816.
   Beste Freundin, zwar haben mich alle mit Nachrichten verlassen, denn außer dem Baron Manteuffel wüßte ich nichts von Dresden, allein dennoch soll meine Stimme nicht verhallen, und oft, sehr oft denke ich nach Hause und recht offengestanden, das verdammte Heimweh fängt an mich zu plagen.  Nicht wenig mag hierzu die ganz andere Lebensart beitragen, an die ich mich durchaus nicht gewöhnen kann.  Es ist nicht zu leugnen, man führt hier einen lukullischen Tisch, aber ich lobe mir den heimischen.  Gestern z. B. war ich bei einem Diner, welches sämtliche Liquidations-Commissaire vereinigt angestellt hatten.  Es kostete das Couvert ohne Wein 10 Taler, und meine übrigen Collegen waren höchst vergnügt, denn es giebt starke Schwelger darunter, mir waren die Kunstsachen völlig zuwider, die Natur-Erzeugnisse waren so maskiert, daß ich niemals bestimmt wußte, was es war, noch weniger, wie dessen Kunstbenennung hieße, eine Sache, die hier förmlich zur Wissenschaft erhoben worden ist.  Mit unangenehmem Stickhusten ist man übrigens hier nicht verschont, das ganze Geschäft ist eine Unannehmlichkeit zu nennen.  Die größten Schwierigkeiten seitens der Gegner, die unverkennbare gegenseitige Mißgunst und noch mehr Intriguen von Collegen, dies alles macht wenig annehmliche Momente.  Das größte Vergnügen für mich ist das Spaziergehen.  Letzthin besuchte ich den Mont-Martre an einem sehr hellen Tage.  Diese Aussicht ist einzig.  Es ist der einzige Berg in der Fläche von Paris, und diese große Stadt liegt zu dessen Füssen.  Eine Betrachtung drängte sich mir auf, die Masse der Immoralität, die gleichsam in dem Nebel über dieser Hölle in die Höhe stieg, ließ mich schaudern.  Das war der Ort, der ganz Europa unglücklich machte und auch unsere Ruhe störte!  –  Am meisten hat mir der Jardin des Plantes gefallen, und ich gäbe viel darum, wenn Sie und der Bruder ihn sehen könnten.  Letzterer glaube ich käme sobald nicht wieder heraus.  Es ist dies ein großer Pflanzen-, Tier- und Mineralien-Garten.  Ein Teil des Gartens ist ein englischer Park, der eine Menge umzäunte große Plätze enthält.  In jeder solchen Umzäunung sind fremde Tiere, Störche, Gemsen, Angoren, Gänse, Hühner, Fasanen von allen Arten, ....., selbst Bären und Dromedare laufen darin frei umher, und die Zäune sind so weit, daß man leicht durchsehen kann.  Mehrere dieser Verzäunungen sind von Anhöhen [umgeben], sodaß man von der entgegengesetzten Seite diese ganzen Familien von Tieren in freiem Zustande überblickt.  In großen Käfigen sind die Löwen, Wölfe, Panther usw.  In der Mitte steht eine Rotunde, in der ein Elephant von enormer Höhe ist.  Diesem Elephanten werde ich mehrere Visiten machen, er gefällt mir gar zu wohl.  Mit diesen Gegenständen der Natur vertreibe ich mir meine Grillen, und schöne Spatziergänge gibt es hier.  Der Garten der Tuillerien oder die Elysäischen Felder sind recht angenehm.  Mit der großen Welt kann man hier ganz ungestört einhergehen, hat man hier den Vorzug, daß die Engländer so famos aussehen, daß man sich immer unbeobachtet fühlt, weil diese alle Augen auf sich ziehen.  Nein, diese englische Tracht ist unbegreiflich häßlich.  Die Männer haben die Röcke bis an die Sohlen und große Zaunpfähle als Stock.  Die Damen sind aber oft so angezogen, daß auch ich stehen bleibe und mich nicht trösten kann.  Vergeben Sie, wenn ich schließe, meine Zeit ist beschränkt und die Poststunde naht.  Nur ein Wort Nachricht von aller Wohlsein würde mich freuen.  Ich bitte inständigst darum und um Empfehlung an den Bruder und Ihre Kinder.  Dem Bruder bitte ich zu sagen, daß ich nach Kräften die Porzellanfragen des Herrn von Manteuffel beantworten werde.

2.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette, Paris, den 25. November 1816.

   Beste Freundin!  Es sind zwar heute 8 Wochen gerade, daß ich nunmehr hier bin[5], allein noch habe ich nur einen Brief von Ihnen.  Meine hiesige Existenz ist ziemlich maschinenmäßig und recht offengestanden, es gefällt mir gar nicht hier.  Lachen Sie darüber, wenn Sie wollen, es ist vielen unbegreiflich, doch ists einmal so und will nicht anders werden.  Mit vieler Mühe ist mein Geschäft übrigens verbunden, das meiste geschieht mündlich, man verspricht und hält dann mit leichterer Mühe nichts, weil alles Schriftliche vermieden wird.  Diese persönlichen Verhandlungen sind aber zum Verzweifeln.  Ganze Tage ist man in dieser ungeheuern Stadt unterwegs und halbtot kehrt man heim, ohne eine einzige Person angetroffen zu haben, und den kommenden Morgen geht die Hetze wieder an.  Oft fällt mir der Bruder dabei ein, der hier nach 8 Wochen schon verzweifelt sein würde.  Zu diesen Unannehmlichkeiten kommt die Witterung, die mehr als ungleich, höchst naß und neblich ist und die bestimmt zu meiner üblen Laune beitragen muß.  Mit Briefen werde ich hier übrigens gehörig versehen, ich erhalte oft welche, aber von lauter fremden Leuten, die Forderungen an die Krone Frankreich haben .....
   Daß alles in seinem alten Gange in Dresden geblieben ist, freut mich herzlich, auch ich habe vor allem Neuen heiligen Respekt und hier manchmal Zeit gefunden, das Ganze unseres Seins zu überschauen und das Stückwerk zu registrieren.  Daß aber mein Korn nicht besser wächst, ist mir unbegreiflich!  Hätte ich nicht die Bestimmung, wie eine Wachtel bald hier, bald dort zu sein, ich würde doch manches fester in das Auge fassen, ohne gerade Mißtrauen zu haben.  Überhaupt ist durch mein hiesiges Philosophieren ein Vorteil für meine Dienstverhältnisse nicht erwachsen, wenigstens ist der Egoismus, der früher ganz unterdrückt war, in aller Ehrbarkeit Mitglied des Geheimen Rates bei mir geworden und übernimmt die Repräsentation der Pflichten, sein Leben zu genießen und nicht alle seine Privatsachsen zu verlassen.  Wie weit meine hiesige Anwesenheit noch verziehen kann, weiß ich bis jetzt nicht, sollte es sehr lange dauern und ich ohnehin fremd in meinen Sachsen werden, so nehme ich nach meiner Rückkehr noch 6 Wochen Urlaub zur Herstellung meiner Privatgeschätte und um die Satisfaktion zu haben, eine Woche ganz ungebunden zu Hause zu leben und auf der Bärenhaut zu liegen.  Doch davon künftig mündlich ...

3.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette.  Paris, nach dem 8. Dezember 1816.

   Beste Freundin!  So kurz meine Zeit auch ist, die ich heute noch habe, so erlauben Sie mir diese Zeilen, doch behalte ich mir vor, diese Woche noch einen Hauptbrief zu stellen.  Stellen Sie sich vor, Ihren Brief vom 8. Nov. Erhielt ich am 5. Dez.  Daran ist das Cabinett schuld.  Diese Bestellung bitte ich nur im Notfall zu brauchen, dann aber alles mit der Post zu schreiben und entweder an mich, Rue Montblanc No. 17 Hôtel de la Paix, oder noch besser zu adressieren an mich und abzugeben bei Legationssekretär Rivière, Rue Montblanc No. 27.  Das Corsett besorge ich baldigst und bitte überhaupt um mehrere Commissionen.  Brauchen Sie denn keine seiden Sachen, Bänder, Blumen, Federn, Schuhe, Stiefeletten, auch sind sehr schöne türkische Shawls hier zu finden und sollen nicht teuer sein.  Von 600 fr. bis 14 000 fr. das Stück.  Gestickte Sachen sollen enorm teuer sein, z. B. eine Haube, wie sie mir eine Anzeige abverlangte, 150 bis 200 fr.  Überlegen Sie es sich ja, ich komme so bald nicht wieder nach Paris, und dann wäre alles Nachwünschen vergebens.  Wegen dem Gelde brauchen Sie nicht besorgt zu sein, damit bin ich persönlich gut versehen und wenn ich den Vorschuß in Dresden weiß, ist es mir noch lieber, als wenn ich es hier herumtragen muß .... Es hat mir zur wahren Beruhigung gereicht, wie Sie schreiben, daß die Saat [in Schmorckau] bald fertig sei, ob ich gleich nicht weiß, ob ich werde so bald diese Saat sehen können.

   Hier ist eine schreckliche Teuerung.  Das franz.  Gouvernement braucht täglich 700 000 fr. baaren Zuschuß, um das Brot für einen mittleren Preis nur für Paris zu erhalten, damit nicht Unruhen ausbrechen.  In den Provinzen ist dies nicht, und daher alles möglich und wäre längst geschehen, wenn die Alliierten Armeen nicht noch in Frankreich stünden.  In Liebstadt scheint es helle weg zu gehen, auch die Ottendorfer[6] haben Sie angesteckt, ich sehe noch den dasigen Oberförster kosackisch tanzen, so verdrehen sie alle!  Doch nächstens erlauben Sie mehr, ich muß schließen und bitte herzlich um Ihre ferneres Wohlwollen.

 

4.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette.  Paris, 14. Dezember 1816.

 

   Beste Freundin!  Mit vieler Freude erlauben Sie mir heute die Feder zu ergreifen, um Ihnen recht herzlich Glück zu Ihrem Geburtstag zu wünschen.  So streng Sie auch zuweilen gegen mich sind, so wenig wie Sie es überhaupt glauben wollen, so herzlichen Anteil nehme ich an Ihrem Schicksale, und eigentlich influiert auf der ganzen Welt kein Mensch direkter auf mich als Sie und der Bruder, der es aber auch nicht glaubt, weil ich die Fälle, in denen seine Ansichten nicht deutlich sein konnten, anderweiter Erörterung auferlegte und schon jetzt sagen kann, es war sehr nötig.  Mit dem ganzen Tage habe ich Ihre Dresdner Geburtstagcelebritäten verfolgt.  Gegen acht Uhr wurde gefrühstückt, dabei die Kinder hereingelassen und von diesen halb in Freude halb in Leid ein Actus aufgeführt.  Herr Illgner und Madm. Boesdilther schlossen ihre Wünsche an die der Kinder an, und zuletzt wurden die Hofdamen Md. Rosel etc. zum Handkuß zugelassen.  Zum Mittag war alles sehr vergnügt, und Ihre Gesundheit wurde auch von mir hier getrunken.  Nachmittags machten die Kinder eine Art Bescherung und hatten gewiß eine so herzliche Freude dabei, die man in einem solchen Mord- und Rattenneste wie Paris gar nicht sehen kann.  Nun kommt die Tante, die Cousinen, sie bleiben zum Thee und reden und gratulieren und besehen die Sachsen der Kinder.  Dieser Tage habe ich doppelte Sehnsucht nach Hause gehabt, es geht ein Kollege von mir, der Liquidations-Commissar von Kurhessen nach Hause.  Er ist seit dem Monat Mai hier und hat wenig mehr leisten können, als ich, aber er ist so glücklich, seinem Chape-d'affaire[7] seines Hofes den Auftrag geben zu können, alles fortzusetzen, und er geht nach Hause.  Dagegen habe ich in meinem Rivière zwar einen sehr guten Menschen, aber ein wahres Heupferd, dem ich die vices von mir nicht übergeben kann ....

   Wegen der Ottendorfer habe ich doch sehr lachen müssen und muß lachen, wenn ich daran denke, wird die alte gute Frau noch zum Ballgeben verführt, die Leysers[8] machen alles verwirrt, und am Ende ists mir doch unbegreiflich, wo sie das Geld herbekommen, ein Brunnen erschöpft sich, geschweige die Goldgruben von Gersdorf.  Für Liebstadt ist dies ein wahres Unglück, sie macht alles nach, und es ist ihnen recht, wenn es nur brav lässig zugehet.  Wenn ich nach Hause komme, wird das Lamentieren losgehen, da sind gewiß die Leute nicht bezahlt, der Fleischer noch im Rest und tausend Dinge mehr dergleichen.  Nun ists aber ein Ende, und der General erspart dadurch, daß verpachtet ist, allein 500 Taler jährlich an Hausschulden.  Denn wollte ich nicht bezahlen, scheren sie den Verwalter, bis er bezahlt, und wenn ich Galgen und Tod drauf setzte .... Ich werde mir künftig möglichst im Sommer ein Garten-Quartier mieten, ich habe soviel Lust an der Natur und genieße sie so wenig.  Daß Sie aber es nicht tun, ist doch zu unrecht.  Der Bruder versteht alles in der Welt, nur nicht etwas wie häusliches Leben einzurichten.  Das müßten Sie tun, mieten Sie doch kommenden Sommer den Demnitzischen Garten[9] oder einen in der Nähe, der Bruder macht einen Accord mit einem Schiffer, der ihn alle Morgen und Mittage über die Elbe in das Collegium und wieder zurück übersetzt, und damit ist alle Schwierigkeit gehoben.  Eigentlich wäre es dem Bruder gut, wenn er nur ein halb Jahr so in der Welt herumgeworfen worden wäre, als ich es seit 1813 unaufhörlich gewesen bin.  Bald bin ich dahin, daß ich in jeder Stube, in der ich nur zwei Minuten mich einrichtete, sagen kann, hier wohne ich und bin wie zu Hause.  .... Auch ich werde vielleicht hier ausziehen .... Dresden Quartier steht fest.  Das meinige ist mir eigentlich zu klein und bei den vielen Besuchen nicht anständig genug.  Komme ich noch im Sommer nach Dresden und Sie sind im a[ngegebenen] Garten eingemietet, dann miete ich mich in der Nähe ein.  Daß Herr Albert[10] nach Meißen geht, ist sehr gut und kostet es Ihnen auch Überwindung, für Alberten ist es das Beste, was geschehen kann.  Auf meiner Heimreise besuche ich ihn alsdann.  Doch der Platz gebietet zu schließen.  Mit ausgezeichneter Achtung ....

 

5.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette.  Paris, Januar 1817.

 

   Beste Freundin!  Mit unendlicher Freude habe ich Ihren letzten Brief vom 18. und 27. Dez. [1816] gelesen und hoffe stündlich auf offizielle Nachricht wegen meiner Abberufung, doch bis jetzt ging noch nichts ein.  Gewiß freue ich mich am meisten auf meine Rückkehr und werde nicht eher vergnügt, bis ich dieselbe bestimmt voraus sehe, auch nicht eher wieder ganz gesund; jetzt habe ich manche Tage solches Gicht-Reißen im Kopfe, daß ich öfterer halbe Nächte nicht schlafen kann.  Die hiesige Witterung ist zu ungewiß, feucht und ungesund.  Seit meinem neuen Quartier gehe ich abends gar nicht mehr aus, ich esse zu Hause und bleibe dann an meinem Ofen, den ich mir expreß habe setzen lassen, denn die Camingestalten (!) hätten mich ganz ruiniert.  Am Neujahrstage habe ich Ihnen in Gedanken meinen herzlichen Glückwunsch abgestattet und bin dann in Galla gratulieren gefahren, nach hiesigem Brauch.  Hier muß man nemlich jedem, mit dem man nur in der entferntesten Berührung steht, nach Befinden des Ranges persönlich gratulieren oder Charten schicken.  Damen muß man allemal etwas schenken, hat man besonderes Interesse, kostbare Gegenstände für den Anzug, sonst wenigstens Bonbons.  Diese Bonbons sind aber so schön, daß man für 2 bis 3 Louisd’or zu einem Geschenke haben muß.  Daß ich derbe Präsente ausspendete, können Sie wohl leicht glauben.  Diese Hetze dauert bis zum 6. Januar, und ich habe Bekannte, die bloß für Bonbons nur allein über 100 Louisd’or ausgeben, ohne gerade besonders accentuierte Geschenke zu machen.  Die Spielereien und Kindereien in solchen Dingen sind hier mehr im Schwunge als irgend wo in der Welt.  Der Herzog von Wellington ist jetzt hier, nahe sah ich ihn noch nicht, hoffe aber, ihn nächstens ganz in der Nähe zu sehen.  Er ist ein sonderbarer Mann und wie alle große Männer, in Dingen des gemeinen Lebens auffallend.  Jetzt aber in allem Ernste, der Bruder [Hans Georg] könnte einen rechten klugen Streich machen.  Urlaub nehmen, mit dem, der mich ablösen wird, hierher reisen, hier vier Wochen bleiben und dann mit mir meine Tour auf der Rückreise über die Schweiz machen; in 10 bis 12 Wochen und mit höchstens 1000 Talern ist die Sache gemacht, seine Gesundheit retabliert, seine Ansichten von fremden Verhältnissen belebt und tausend neue Bilder geschaffen, immittelst im Finanzcollegio drei Monate der lederne Vortrag ohne ihn vorgefallen und nichts Absonderliches versäumet worden.  Diese Idee sollte ihn nicht gereuen und was das beste ist, ihm das Arbeiten nach der Rückkehr zehnmal leichter werden.  Sie kommen einmal doch nicht mit, auch haben Sie Stärkere Pflichten zu Hause zu bleiben, als der Bruder, aber letzterer hat sehr unrecht, wenn er es nicht tut.  In einigen Jahren inkommodiert ihn das Reisen bei weitem mehr, und dann bleibt es ganz.  Was die hiesigen Moden betrifft, so sind die Pelze von buntem Sammet mit weißem Vorstoße und aufgenähten schwarzen Krausen vorzüglich Mode.  Eben heute waren in den Tuillerien wohl über 100 solche Pelze spazieren.  Die englischen Moden sind dagegen ganz famos, ich lege Ihnen einige Bilder davon bei, die gar nicht übertrieben sind.  Ihren Fräulein Töchtern bitte ich mich vorläufig zu empfehlen, ich habe die Schuhe schon bestellt, was aber der Ottilie ihre Schönheits-Mittel betrifft, so ist das neueste Mittel für die Sprossen, nicht ohne Hut in die Sonne zu gehen.  Der spröden Josepha, die mir nicht geschrieben, werde ich nicht so spröde wieder kommen, sondern sie ganz besonders bedenken, habe ihr auch schon ein Paar steife Stiefeln hier bestellen lassen.  Den Bruder grüßen Sie tausendmal und nächstens schreibe ich ihm, reden Sie ihm doch zu der Reise zu, ich will ihn ganz und wohlbehalten wieder überbringen und mit Leib und Seel und Hab und Gut Bürgschaft leisten.  Mehr kann ich nicht.

 

6.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette.  Paris, 7. Februar 1817.

 

   ... Wegen meines Abgangs von hier hoffte ich auf baldige aller höchste Entscheidung, aber ich habe keine erhalten und, wie mir der Bruder schreibt, ist der Grund eine sehr gute Meinung, die ich achten muß und eine doppelte Verpflichtung mir gibt, alles unparteiisch zu betrachten.  Daß ich herzlich mich aus diesen Geschäften weg wünsche, können Sie wohl glauben, besonders da ich leeres Stroh niemals gern gedroschen habe, aber ich kann nicht, ohne gewissenlos zu handeln, dies Geschäft sofort seinem Schicksale überlassen, in welches es gestürzt wird, wenn ich davon gehe.  So anmaßend dieses Ihnen scheinen mag, so ists doch wahr, mein College Rivière paßt so wenig dazu wie ich zum Orgelspieler, und ein neuer richtet sich wieder schwer ein, da so sehr viel von persönlichen Verhältnissen und Bekanntschaften abhängt.  Ich habe daher den Entschluß gefaßt, das Ende des Monats Februar abzuwarten, da muß alles angebracht sein und es sich entscheiden, ob das Geschäft überhaupt bald entschieden ist oder sich wenigstens abmachen läßt oder so fortgeleuert (geleiert) wird wie bis jetzt; ist letzteres, so trag ich sofort auf meine Ablösung an, ist ersteres, so kann in einem Monat viel geschehen.  Mit diesem Entschluße hab ich den Minister Nostitz und General Zeschau bereits bekannt gemacht und hoffe meine Pflicht und meine Wünsche in ein richtiges Verhältnis gestellt zu haben.  Inmittelst habe ich wegen meiner Ablösung mehrere Veranstaltungen hier so getroffen, daß ich bald übergeben kann, und im Monat April bin ich wahrscheinlich zu Hause, doch hiervon bitte ich noch zu Schweigen.  Uichteritz will mich nicht gern weglassen, da er nicht weiß, wer mich ablösen könnte und ob er mit meinem Nachfolger sich vertragen wurde.  Mit Freunden will ich dann abreisen, und wenn ich eine Extrapost abgehen sehe, denke ich oft mit Sehnsucht an meine Abreise.  Bis dahin ist es grün in Dresden, und es könnte wohl kommen, daß ich Sie oft zum Spaziergange aufmunterte.  Wäre es nur schon dahin.

   Was den Merino betrifft, oder die seidenen Zeuge, so werden hier keine gestreiften getragen, alles unie als grau, weiß, carmoisin und etwas grüne.  Die Engländerinnen haben lichtbraune Röcke wie Männer und schwarze Strümpfe, welches ihnen das Ansehen von Krähen gibt.  Die Hüte sind wenigstens dreimal zu klein, desto größer die Schleifen, die gleichsam den Hut beschatten.  Sehen Sie, ich fange mich an zu qualifizieren.  Der Carneval ist jetzt, und ich habe mehrere Maskeraden mit angesehen, die aber schlecht und langweilig sind ...

 

7.   Anton v. C. an seine Schwägerin Jeanette.  Paris, den 7. Mai 1817.

 

   Beste Freundin!  In der Tat ich habe tausendfache Entschuldigungen zu machen, daß ich nicht früher schrieb und auf Ihre beiden Briefe noch nicht antwortete, für die ich Ihnen herzlich danke, allein täglich hoffte ich meine Ablösung und wollte Sie dann sämtlich überraschen.  Doch Biedermann kommt erst, wie er mir schreibt, ultimo May hier an, und ich kann nicht eher fort, bis ich alle meine hiesigen Verbindungen auf ihn übertrug.  Im Allgemeinen kann dies nicht geschehen und daher muß ich noch einige Zeit mit ihm hier zusammen bleiben.  Sie schreiben mir, man glaube, ich würde gar nicht wiederkommen; wer dies gesagt hat, hat vortreffliche Nachrichten und kennt mich so wenig als die hiesigen Verhältnisse.  Die verwichenen Osterfeiertage dachte ich oft an Sie, Sie waren in Oberschöna, und ich machte eine Reise mit dem preußischen Liquidations-Commissar an die Ufer der Loire.  Dies sind die vergnügtesten Tage gewesen, die ich bis jetzt in Frankreich verlebte.  Wir reisten ganz allein und seine und meine Laune wachten allmählich so auf, daß wir ganze Tage von früh bis abend unseren Einfällen freien Lauf gegeben und herzlich gelacht haben.  Die Reise ging erst nach Rambouillet, wo wir die Merino-Schäfereien gründlich untersucht haben und mit der Überzeugung abreisten, daß, wie mein Reise-Compagnon behauptet, keine Schafhorde unbesehen und unbeurteilt geblieben wäre.  Denselben Abend erreichten wir Chartres, dessen alte Kirche wir bewunderten und sehr schön in ihrer Art ist.  Wir ließen sie uns bei Fackelschein zeigen, welches einen herrlichen Anblick gewährt und nur hier geschehen kann, wo man gegen baare Zahlung sogar einem Ketzer die erzbischöfliche Kathedrale mit Fackeln illuminiert.  Die Schnelligkeit einer fast couriermäßigen Reise machte es nur möglich, bis Vendome in einem Tage zu gelangen.  Dieses Stammschloß Heinrichs IV. liegt nicht nur sehr angenehm, sondern hat auch als Ruine durch sein Äußeres ein großes Interesse.  Mich konnte man vor Sonnenuntergang nicht herunterbringen und während ich einen Mann erwischt hatte, der ganz gravitätisch mit einem Quartanten auf dem verwüsteten Hofe herumging und mich nach meiner Nationalität fragte, war mein Compagnon auf einen alten Turm geklettert und konnte kaum wieder herab kommen.

   Inmittels hatte ich meinem Philosophen erzählt, wir wären Amerikaner; er war so gut, es zu glauben und erzählete mir die Geschichte des alten Schlosses mit der Versicherung, er lese eben im Julius Cäsar, könne aber nichts von Vendome darin finden, was er doch erwartet habe.  Mein Reisecompagnon kam ganz ermattet zu uns und das erste, was ihm mein Philosoph sagte, war, daß er ihm riete, vorsichtig zu handeln; er glaube wohl, daß er in Amerika solche Ruinen nicht gesehen, viel weniger bestiegen haben werde, und daher jetzt aus Unkunde sich in Lebensgefahr begeben habe.  Dies würde ihm aber viel in Frankreich passieren und daher sei ihm Vorsicht sehr heilsam.  Seine Kühnheit habe er bewundert und sie sei ihm ein Beweis, daß französische Kolonisten in Nordamerika ihren Nationalmut vorgepflanzt hätten, die englische Narrheit aber habe auf einer anderen Seite durch die englischen Kolonisten weit überhand genommen.  Mein Compagnon war wie aus den Wolken gefallen, und da er schlecht französisch spricht und den Mann für verrückt hielt, zu mal da er garnicht begreifen konnte, was er mit Amerika zu schaffen habe, sagte er:  „Diable, que voulez vous de moi?“, der Philosoph wurde wütend, Igel(?)- grob, und ich konnte vor Lachen kein Wort sprechen, während diese beiden in der größten Wut auseinandergingen.  – .... Den folgenden Tag erreichten wir Tours.  Man nennt diese Gegend den Garten von Frankreich und sie verdient diesen Namen durchaus ... Bis Amboise folgten wir den lachenden Ufern der Loire und benutzten die Gelegenheit, die Ökonomien im Camp de Loup zu besehen.  Sie gehören dem Minister des Innern ... Erst hinter Blois in Beauchamp verließen wir die Loire und kamen in Orléans an deren Ufer zurück.  Die hiesige Cathedrale, in der wir eine Militär-Messe mit Janitscharenmusik anhörten, ist sehr bekannt, und die Brücke und die Statue der Pucelle d’Orléans schön, sonst aber die Stadt mehr als häßlich.  Die Gegend nach Fontainebleau ist nicht besonders reizend.  Fontainebleau aber sehr merkwürdig, man sieht ein großes Schloß, an dem in jedem Zeitalter gebaut wurde und welches daher eine Musterkarte des verschiedenen Geschmacks ist.  Mit großer Pracht hat es Napoleon eingerichtet und dort oft förmlich repräsentiert.  Die kurze Durchsicht seiner Handbibliothek war uns sehr interessant, man fand nur Werke über das Finanz- und Militär-Fach, in seinem Zimmer eine kleine Privatsammlung von Werken über die römische Geschichte.  Das Zimmer, in dem er seine Abdikation unterzeichnete, war noch ganz so gelassen worden, wie es damals gewesen.  Auf einem kleinen schlichten Mahagoni-Tisch hatte er diese Akte vollzogen, die einem Plane ein Ende machte, der wenigstens die alte Welt in sich faßte.  Die Zimmer, worin der Papst gefangen gewesen, sind ebenfalls noch ganz unverändert und eigentlich nichts umgeschaffen als aus den N überall Lilien gemacht ...

 

8.   Anton v. C. an siene Schwägerin Jeanette.  Paris, vor der Abreise, etwa Mitte August 1817.

 

   Beste Freundin!  Endlich glaube ich mit Gewißheit meine baldige Abreise bestimmen zu können, ich hoffe in acht Tagen fertig zu sein und dann abzusegeln.  Herzlich froh will ich sein, wenn ich nur einmal zum Tore hinaus bin, nichts ist hier so schwer, als das Abkommen, alles so weitläufig und dabei eine Hitze hier zu Lande, die es ganz unmöglich macht, in den Mittagsstunden auszugehen.  Auf die Reise freue ich mich, ich habe die große Stadt auch satt und sehne mich nach freier Luft und nach Hause.  Vor dem Schwalle der Privatsachen fürchte ich mich, die über mich herfallen werden, das leugne ich nicht.  Stellen Sie sich meine, des Generals und nach Hüblers Tod Fritzens seine Sachen alle vor, es kraußt mir von weitem und Luft mache ich mir damit, das werden Sie sehen.  Überhaupt bin ich nicht biegsamer geworden, seitdem ich in dem Intriguenpfuhle vor Europa mein Hauptquartier aufgeschlagen und bald ein Jahr daselbst verwendet habe.  ...[11]

   Ich will auch Ihre Commissionen hier recht schön besorgen und habe schon Zeugs zusammengeschleppt, daß ich nicht in meine Stube mehr treten kann.  Noch mehr, aber das ist alles, was ich tun kann, ich übersende Ihnen mein holdes Konterfei in duplo, lachen Sie mich nicht aus und geben Sie eins dem Bruder davon.  Ich finde es schlecht gemacht und so sonderbar ich übrigens auch aussehen soll, so dumm dächte ich doch nicht.  Ich weiß zwar nicht.  Hier ist es Sitte, jeder läßt sich siluettieren und daher traf die Reihe auch mich.  Den Rahmen habe ich gleich zusetzen lassen, um alle Irrungen zu vermeiden.  Ich muß schließen und schreibe Ihnen von Frankfurt wieder, wenn ich nach Hause kommen werde.  Dort werde ich nicht lange verweilen, so Gott wolle.  Bald werde ich zum weißen Tore hereinkommen und meine Devotion persönlich versichern, mit der ich stets verharre
                                     ganz der Ihrige.

 

9.  Nachricht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit des Herzogl.  Sachsen-Coburg-Gothaischen dirigierenden Wirklichen Geheimen Rats Christof Anton Ferdinands von Carlowitz während seiner Dienstleistung im Königreiche Sachsen von 1806 bis 1824.

 

   Diese Nachricht ist im Jahre 1831 auf Erfordern Sr. Königl.  Hoheit des Prinzen-Mitregenten nach den eigenen Angaben des Geheimen Rats von Carlowitz zusammengestellt und Höchstdemselben übergeben worden, worauf dessen Ruf als Königl.  Sächsicher Finanzminister erfolgte, den er aber aus Anhänglichkeit an den Herzog von Coburg ablehnte.

   Anton v. Carlowitz, geboren 1785, wurde 1806 Assessor der Landesregierung und 1809 Hof- und Justizienrat.  1808 durchreiste er Deutschland und die Schweiz, 1811 und 1812 Italien; 1813 wurde er von der Ritterschaft des Meißner Kreises zum Mitgliede der Kreisdeputation gewählt.  In dieser Eigenschaft hatte er die Verpflegung der französischen Armeen im Kreise zu besorgen und erwarb das besondere Vertrauen der französischen Autoritäten wie Berthier, St. Cyr, Daru, Dumas, d’Aure etc., weil er sichere Hilfe schaffte, wo Not war, aber auch die Dankbarkeit des Kreises, weil er nur gab, was sich nicht abwenden ließ, und so Tonnen Goldes ersparte.  Als die französische Armee in Böhmen einfallen wollte, forderten die französischen Behörden, daß er sie dahin begleite, um als der deutschen Sprache kundiger Commissar die Verpflegung zu besorgen.  Er schlug diese Aufforderung, wodurch der Hof hätte in Verlegenheit kommen können, wiederholt ab und erwarb die Zufriedenheit des Königs Friedrich August dermaßen, daß Höchstderselbe ihn durch den Cabinettsminister auffordern ließ, sich eine Stelle auszubitten.  Er bat um die eben erledigte Meißner Kreishauptmannstelle, allein selbige wurde wenige Tage vor der Schlacht von Leipzig dem Geheimen Finanzrat von Zezschwitz in dem Maße conferiert, daß selbiger zugleich der Kreisdeputation vorgesetzt wurde.  Da Anton v. Carlowitz die erste Stelle in der Kreisdeputation, zu welcher er von den Ständen gewählt worden war, und der er mit Erfolg vorgestanden zu haben glaubte, nicht mit der zweiten vertauschen wollte, so trat er aus.  Während der Belagerung von Dresden wurde er, erschöpft durch Anstrengungen, von einem langwierigen und tödlichen Nervenfieber befallen.

   Als 1814 auf russische Anordnung das Kriegskollegium aufgelöst und die Kriegsverwaltungskammer eingesetzt wurde, erhielt er ohne Ansuchen die dritte Ratsstelle in dieser neuen Behörde.  – 1815, während die Preußen sich anschickten, Sachsen zu räumen, erhielten 4 Mitglieder der Kriegsverwaltungskammer, der Präsident von Schönberg und die Räthe von Erdmannsdorf, von Brenn und von Carlowitz vom Fürsten Hardenberg schriftliche Aufforderungen, in Preußische Dienste zu treten.  Den drei Räthen wurden Stellen im provisorischen General-Gouvernement zu Merseburg angewiesen, mit der Zusicherung, bei dessen Auflösung als Regierungsdirektoren angestellt zu werden.  Carlowiz lehnte diese Anstellung ab.  – Bei dem Wiederausbruche des Krieges gegen Frankreich hatte der kgl. sächsische Commissar bei den Congreßverhandlungen in Wien sich genöthigt gesehen, den verbündeten Mächten den 5 monatlichen Verpflegungsbedarf für eine russische Armee von 72 000 Mann zu versprechen, was nach den damaligen Preisen 1, 800 000 Thaler gekostet haben würde.  Carlowiz wurde zur Anschaffung dieses Bedarfs zu der russischen Verpflegungskommission nach Bamberg und später nach Frankfurt gesendet und bekam wegen der großen Erschöpfung der durch die Preußen ausgeleerten Kassen vorläufig nur 24 000 Thaler in Wechseln mit.  Er negotiirte mit dem Erfolg, daß er nur für den Fall der Noth einen 5 tägigen Bedarf vorräthig hatte, welchen er nach dem Siege bei Waterloo wieder verkaufen konnte, und überhaupt für Kgl. Sächsische Rechnung nicht mehr als 70 Klaftern Holz verabfolgte.  Gleichzeitig vermittelte er in Frankfurt bei dem englischen General Harries, daß dieser den 6monatlichen Betrag der englischen Subsidien für die sächsischen Hilfstruppen pränumerierte, ehe noch der Subsidientraktat selbst vom Parlamente genehmigt war, ein Vortheil, welcher keinem deutschen Fürsten außer dem König von Württemberg, als Schwestersohn des Königs von England, zugestanden wurde.  Durch diese Pränumeration wurde den damaligen großen Geldverlegenheiten in Dresden abgeholfen und das Mittel zur Wiedereinlösung der in Holland verpfändeten Pretiosen aus dem Grünen Gewölbe erlangt.  Damals erhielt er den Orden und das Versprechen der durch den Tod des von Zeschwitz wieder erledigt wordenen Meißner Kreishauptmannstelle.  Diese Stelle wurde aber dem Geh. Finanzrath von Zeschau übertragen und Carlowiz beruhigte sich gern, da sie innige Freunde waren.  – 1816 wurde Carlowiz nach Paris gesendet, um die Liquidation der Kgl. sächsischen Forderungen an Frankreich zu fertigen und zu betreiben.  Das preußische General-Gouvernement hatte die die gemeinschaftlichen sächsischen und preußischen Forderungen betreffenden Papiere nach Berlin mitgenommen und die preußischen Ausgleichungskommissarien wollten durch deren Vorenthaltung die von ihnen geforderten Concessionen in Bezug auf die milden Stiftungen erpressen.  Gleichwohl war der 6. Februar 1816 der peremtorische Termin der Liquidation an Frankreich, nach dessen Verflusse keine weiteren angenommen werden sollten.  In dieser Verlegenheit negotiirte Carlowiz, daß jene Papiere zum großen Verdrusse der preußischen Commissarien in Dresden, von Berlin unmittelbar an den preußischen Liquidationskommissar in Paris gesendet wurden.  Er bearbeitete die gemeinschaftliche Liquidation, und beide Commissarien schlossen nun mit den Französischen eine Convention über diese gemeinschaftlichen Forderungen auf die Summe von 6, 000 000 Franken.  Der Hauptvergleich zwischen den Verbündeten und Frankreich wurde nach Prozenten geschlossen und infolgesdessen lieferte Carlowiz die Summe von 930 000 Thalern nach Dresden.  – Während des französischen Krieges hatten die Stände 6 Millionen Thaler zu 5 p.ct. borgen müssen und versprochen, nach hergestelltem Frieden einen Tilgungsfonds anzuweisen, welcher nicht unter 1 p.ct. betragen konnte.  Es waren daher hierzu jährlich 60 000 Thaler nöthig.  Diese in dem erschöpften Lande durch mitten im Frieden zu erhöhende Abgaben aufzubringen, schien bedenklich.  Carlowiz entwarf daher den Plan, den Zinsfuß der Anleihe in dem Maße herabzusetzen, daß die Gläubiger, welche nicht Papiere zu 4 p.ct. annehmen wollten, von jenem Vorrathe der 930 000 Thaler bezahlt wurden, sonach also der Tilgungsfonds an 60 000 Thaler jährlich an den ersparten Zinsen gewonnen wurde.  – Dieser Plan fand Widerstand, denn man hatte im Geh.  Finanz-Collegium ein Liquidum von 700 000 Thalern an mancherlei, zum Theile aus dem 7 jährigen Kriege herrührenden [den Ständen völlig unbekannten] Forderungen des Fisci an das Land zusammengesetzt und wollte somit obigen Vorrath meist in die Finanzkasse ziehen.  Der Eindruck, welchen diese Operation auf die öffentliche Meinung, besonders die 1821 versammelten Stände machte, war nicht günstig, und Carlowitz an der Spitze einiger rechnungskundiger Stände stellte eine Gegenrechnung auf, nach welcher der Fiskus noch dem Lande schuldig war.  Der Fiskus hat seitdem seine Ansprüche nicht weiter verfolgt.  Der ständige Plan wurde von Sr. K. Majestät genehmigt und dann zur Ausführung gebracht.  – Von nun an schienen die Aussichten Carlowiz’ im Dienste geschlossen.  Ihm war nach dem Tode seines Freundes Zeschau die Meißner Kreishauptmannstelle zum dritten Male versprochen worden, und sie wurde nun dem Geh. Finanzrath Grafen Hohenthal zu Theil.  Er suchte, als sein Bruder, der Geh. Finanzrath v. Carlowiz, als Gesandter nach Frankfurt abging, um Anstellung im Geh. Finanzcollegio nach seinem Dienstalter als Rath an, und die jüngeren Räthe waren dieser Anstellung nicht entgegen, allein ihm wurde eröffnet, daß ein Einschub nicht stattfinden könne, und gleichwohl erhielt der Amtshauptmann v. Ende die erledigte Stelle mit Überspringung dreier älterer Räthe.  – Er hatte die Rechnungsexpedition der Kriegsverwaltungskammer so organisiert, wie sie bis 1831 war, und den übrigen Centralverwaltungsbehörden zum Muster dienen konnte.  Nun wünschte er, der mehrjährigen Direction jener Rechnungsexpedition „bei der nichts mehr zu schaffen war, vielmehr Alles nur in seinem geordnetem Gange ging“, entledigt und in eine mit wirklicher Administration verbundene Geschäftsbranche versetzt zu werden, doch dies war nicht zu erlangen.  Er hatte als Mitglied der Oberrechnungsdepuation einen vollständigen Plan ausgearbeitet, wie diese Behörde statt nur eine Defectur- und Justifikationsbehörde zu sein, die Stellung einer Generalcontrole erhalten könnte, um dem Cabinet die Übersicht und Garantie des Centralrechnungswesens gewähren zu können, allein dieser Plan, obgleich von Sachkundigen als vorzüglich anerkannt, wurde zu den Acten genommen und die Deputation blieb, was sie war, das Cabinet ohne jede Übersicht und Garantie.  Alle hier angeführten Umstände liegen in den betreffenden Dresdner Canzleiacten vor.  – Endlich ersuchte im Jahre 1824 der Herzog v. Coburg den König von Sachsen, ihm einen Commissar zu senden, der die Untersuchung gegen diejenigen zum Theil graduirten Personen leite, welche sich bei einem wider die Person des Herzogs gerichteten argen Volksaufstande compromittirt hatten.  Zu diesem Geschäft wurde Carlowiz abgesendet.  Er erwarb sich hierbei das Vertrauen des Herzogs in einem solchen Maße, daß dieser S. Majbat, ihm ihn zu überlassen, um ihn als dirigirenden Wirkl. Geh. Rath und Kammerpräsidenten an die Spitze der Landesverwaltung von Coburg zu stellen.


 

[1] Allgem. D. Biogr. 3, 790.  – Neuer Nekrolog der Deutschen XVIII (1840) I, S. 113ff.  – Aus den Archiven der Familie von Carlowitz (Als Ms. Gedruckt, Dresden 1875) S. 67 f.

[2] HstA., Loc. 32721 Rep. LII.  Generalia No. 775, Anlage A zum Erlaß vom 17. Mai 1814.  Sein Jahresgehalt betrug 1500 Taler.

[3] HstA., Loc. 2682.  Die von England bewilligten Subsidien de ao. 1815.

[4] Liebstadter Archiv.  Brief Hans Georgs an Carl Adolf v. C. vom 29. August 1816:  „Anton hat seine Instruction nach Paris erhalten und wird wahrscheinlich nächsten Mittwoch seine Reise dahin antreten.“  Die folgenden Darlegungen über Antons v. C. Bis zum Jahre 1824 beruhen auf der am Schluß des Aufsatzes unter No. 9 gedruckten:  „Nachricht über die Verhältnisse und Wirksamkeit des ... A. v. C.”, die außer in einer aktenmäßigen Ausfertigung auch in einem eigenhändigen Konzept Antons in einer Mappe des Carlowitzischen Geschlechtsarchivs in Heyda bei Wurzen vorhanden ist.

[5] Demnach war Anton v. C. Am 30. September 1816 in Paris angekommen.

[6] Liebstadt (=Kuckuckstein), das Schloß des ältesten Bruders des Generals Carl Adolf v. C.; Ottendorf, das Gut einer anderen Linie der C.

[7] Vielleicht Chargé-d’-affaires?

[8] Wohl die Familie des Generals von Leyser, dessen berühmtes Bild Rayski gemalt hat.

[9] Wohl in Loschwitz.

[10] Der älteste Sohn des Hans Georg v. C.  Er besuchte die Fürstenschule St. Afra und war von 1846–48 Minister der Justiz.

[11] Da Anton v. C. etwa am 30. September 1816 in Paris eingetroffen war, so muß dieser Brief etwa Mitte August 1817 geschrieben sein.  Dazu stimmt es, daß Hans Georg v. C. am 11. Sept. 1817 an seinen Bruder Carl Adolf schreibt:  „Anton hat Dir gleich nach seiner Rückkehr selbst geschrieben, wie er mir sagte, ich habe also die Nachricht von seiner Ankunft unterlassen.“  Die Rückkehr erfolgte Ende August oder Anfang September 1817.  Die Verzögerung der Heimkehr wurde auch dadurch herbeigeführt, daß Anton noch im April 1817 den Auftrag erhielt, mit der franz.  Regierung eine neue „Postkonvention“ für Sachsen zu vereinbaren.  (Brief Hans Georgs an Carl Adolf v. C. vom 26. April 1817, Liebstadter Archiv.)

 
Hosted by www.Geocities.ws

1