Luis Trenker: Der Rebell (1932)
WARUM ES MIT DEM IDENTITÄTSKLAU
MANCHMAL NICHT KLAPPT (EXKURS)

[Trenker]
[Filmplakat] [L.T.]
EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

(von Filmen, Schauspielern und ihren [Vor-]Bildern)

Tirol war immer das Lieblings-Urlaubsland von Dikigoros' Mutter - wie sich das für eine gebürtige Ostmärkerin gehört -, und seine Hauptstadt Innsbruck ihre Lieblings-Stadt, obwohl sie Wienerin war. Wenn jedoch in einem ihrer heiß geliebten Kreuzworträtsel die Frage aufgetaucht wäre: "bekannter Schauspieler mit sieben Buchstaben, spielte u.a. den Andreas Hofer?", dann hätte sie die Antwort wahrscheinlich nicht gewußt. Natürlich wußte sie so ungefähr, wer Andreas Hofer war, und auch, daß dessen Geschichte ein paarmal verfilmt wurde - vor dem Krieg öfter als nachher -, aber wer da nun wen gespielt hatte... Vielleicht hätte sie zum Telefon gegriffen und ihre Schwiegertochter angerufen, die sich in solchen Fragen sonst bestens auskennt - aber in diesem Fall wäre auch das vergebliche Liebesmüh' gewesen. Natürlich kannten beide auch Luis Trenker - das war doch der nette Bergonkel von nebenan (ja, "von nebenan" assoziierte man, nicht etwa "aus Tirol"!), der manchmal Reklame für Ferien in den Alpen oder in den Dolomiten machte. Österreich war nach dem Krieg lange Zeit das einzige Ausland, in das die Deutschen reisen konnten - ja, Ausland war die Ostmark nun wieder, seit der glorreichen "Befreiung vom deutschen Joch" durch die Alliierten anno 1945, die es als "erstes Opfer der Hitler'schen Agression" anerkannten.

[So stand es jedenfalls noch in Dikigoros' Geschichtsbuch. Die Wahrheit durfte man erst sechs Jahrzehnte später schreiben, nämlich daß die alliierten Besatzer die Ostmark anfangs um keinen Deut besser behandelten als das übrige Deutschland: wie eine Negerkolonie. Dann ging es allerdings ziemlich schnell: Als anläßlich des 70. Jahrestages der Wiedervereinigungdes Anschlusses der alte, verkalkte Otto v. Habsburg die "Opfer"-These noch einmal aufwärmte, bekam er überraschend Kontra, selbst im Parlament der RÖ. Ja, auch die Gutmenschen lesen Dikigoros' Webseiten (ungerne, aber sie tun's :-), nur der gute Otto offenbar nicht; aber zu diesem Meinungsumschwung schreibt Dikigoros an anderer Stelle mehr.] Das war fast so lächerlich wie es die umgekehrte Behauptung gewesen wäre, Deutschland sei das erste Opfer der Agression des Österreichers Hitler gewesen. Allerdings war den Deutschen in der BRD (den "Eingeborenen von Trizonesien", wie sie in einem einstmals beliebten, aber heute wegen seines angeblich "revanchistischen" Untertons - da wagt doch jemand zu behaupten, daß die Deutschen keine Menschenfresser seien! - verfemten Karnevalsschlager genannt wurden), in der Sowjetischen Besatzungszone (die sich bald "DDR" nennen sollte) und in "Österreich" damals nicht zum Lachen zumute.

Die Marionetten-Regierung in Wien (jawohl, Marionetten-Regierung, denn selbstverständlich lag die Regierungsgewalt - ganz offiziell - bei den alliierten BesatzernBefreiern, die erst 1955 abziehen sollten) hatte im Jahre 1 nach der "Befreiung" nichts eiligeres zu tun, als große Gedenkfeiern zu veranstalten auf ihre 950-jährige Unabhängigkeit vom Deutschen Reich. [Das war ja auch fast richtig, wenn man mal davon absieht, daß die (von Bayern abgetrennte) Ostmark - mit welcher der Babenberger Luitpold anno 976 belehnt worden war und die in einer alten Urkunde von 996 erstmals als "Ostarrîchi" bezeichnet wurde - bis 1866 zum Reich gehörte ("unabhängig" war man nur von Bayern geworden :-) und von 1938-45 wieder.]

* * * * *

Wenn man sich also von der Werbung dazu bewegen ließ, auf "Auslands"-Urlaub nach Österreich zu fahren, dann sah man dort manchmal auch größere Geldstücke mit Bezug auf Andreas Hofer und/oder Tirol, z.B. 1959 eine 50-Schilling-Münze zur 100-Jahrfeier des Tiroler Aufstands gegen Napoleon oder 1963 auf die 600-jährige Zugehörigkeit Tirols zu Österreich.

[50 A$ 1959 Hofer] [50 A$ 1963 Tirol]

(Alle 25- und 50-Schilling-Stücke waren damals silberne "Gedenkmünzen" auf irgend einen Anlaß - schlichte "Kursmünzen" aus Silber, wie etwa die 5-Mark-Stücke in Deutschland, gab es in Österreich zu diesem Nennwert nicht; und alles darunter waren bis 1959 ohnehin Alu-Chips, wie in der DDR :-)

[1 RÖ-Alu-Chip 1952] [2 RÖ-Alu-Chips 1947] [5 RÖ-Alu-Chips 1952]

[Exkurs: Fällt Euch was auf, liebe Leser? Anders als der Tiroler Adler auf den Silbermünzen trägt der "österreichische" Adler auf der Wappenseite der Blechmünzen Hammer und Sichel. Ihr meint, das sei bestimmt auf Druck der sowjetischen Besatzer geschehen? Weit gefehlt - umgekehrt wird ein Schuh draus: Die (1.) "Republik Österreich" hatte bereits 1919 Hammer und Sichel ins Wappen aufgenommen, vier Jahre bevor die Sowjet-Union ein gleiches tat. (Der Genosse Stalin - der ja einige Zeit als Exilant in Wien lebte - hatte sich die Anregung dazu vielleicht von seinen sozialistischen Glaubensbrüdern Adler & Co. geholt.) 1945 nahm die (2.) "Republik Österreich" diese schöne Tradition wieder auf, wobei sie das Wappen noch um eine zerbrochene Kette ergänzte, um zu symbolisieren, daß die braven Sowjets sie aus der Knechtschaft des Preußen Hitler befreit hatten, in die er sie 1938 gegen den ausdrücklichen Willen von immerhin fast 1% der Bevölkerung geführt hatte. "Österreich" war also der erste Staat auf der Welt, der Hammer und Sichel ins Wappen aufnahm, und es ist der letzte und einzige, der es noch immer führt - alle noch so originellen Änderungs-Vorschläge wurden jedenfalls bisher abgelehnt. Exkurs Ende.]

[RÖ-Wappen 1919] [RÖ-Wappen 1945] [Änderungsvorschlag I] [Änderungsvorschlag II]

Wie dem auch sei, in Sachen silbene Gedenkmünzen mußten andere Bundesländer hinter Tirol zurück stehen: Kärnten und dem Burgenland wurde 1960 bzw. 1961 nur je eine 25-Schilling-Münze gewidmet - aber die waren ja auch erst 40 Jahre dabei.

[So jedenfalls die offizielle Lesart, und die war ja auch fast richtig, wenn man mal davon absieht, daß Arnulf von Kärnten schon 876 - also 100 Jahre vor dem Babenberger Luitpold - mit "Carantania" belehnt worden war. Nach dem Ersten Weltkrieg fielen südslawische Räuberbanden nach Kärnten ein, um es gewaltsam dem neu gegründeten Verbrecherstaat, pardon "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" (so nannte sich Jugoslawien damals noch) anzugliedern. Nach einem Widerstandskampf, der sicher nicht weniger heroïsch war als der Hofers in Tirol ein Jahrhundert zuvor, wurde 1920 eine Volksabstimmung abgehalten, in der sich 60% der Bevölkerung für Österreich aussprach. Im Gegensatz zu der Volksabstimmung ein Jahr zuvor, in der sich 90% der Österreicher für einen Anschluß an das Deutsche Reich ausgesprochen hatten, respektierten die alliierten Besatzer diesen Volksentscheid, und so kehrte Kärnten zu Österreich zurück. Die Slowenen südlich der Grenze sollten dagegen - nach einem kurzen Zwischenspiel 1941-44 - bis zum Jahre 2004 warten müssen, um wieder Anschluß an das zivilisierte Europa zu gewinnen.]

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Die meisten Deutschen aus dem "Altreich" (das es ja nun auch nicht mehr gab - es gab nur noch die "Bundesrepublik Deutschland", die "Sowjetische Besatzungs-Zone" und die "zur Zeit vorübergehend unter polnischer bzw. sowjetischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete") hätten Tirol wohl nicht mal mehr dem Namen nach gekannt, wenn nicht anläßlich der 600-Jahrfeier von 1963 (oder war das Zufall?) der Neger Billy Mo - ein Bayer aus Trinidad - einen Karnevals-Schlager mit dem schönen Titel "Ich kauf' mir lieber einen Tirolerhut" in die Hitparaden gebracht hätte. Aber was wollte man denn in Tirol, wenn man Tirolerhüte und die dazu gehörenden Schallplatten auch zuhause kaufen konnte? Man fuhr ja auch nicht nach Panamá, wenn man Panamahüte kaufen wollte! (Und auch nicht nach Ecuador, wo sie eigentlich herkommen - aber wer wußte und wer weiß das schon :-) Im April wurde die Scheibe Nr. 1; erst im Sommer wurde Mo abgelöst von einer dänischen Sängerin namens Gitte, die mit einem großen Texashut auftrat und sang: "Ich will 'nen Cowboooy als Mann". (Ein Jahr später sollte sie die weibliche Hauptrolle in einer aus heutiger Sicht harmlosen, aber damals als "Erotik"-Film bezeichneten Klamotte mit dem Titel "Liebesgrüße aus Tirol" spielen - aber das ist einer jener Streifen, die überall und nirgends spielen können und keine spezifische Beziehung zum Ort des Geschehens haben.) Auch nach Texas mußte man also nicht unbedingt reisen, zumal man bald von einer anderen Dänin namens Dorthe erfuhr, daß diejenigen, die es doch taten, besser in Düsseldorf geblieben wären, in Düsseldorf am Rhein. Es genügte zu wissen, daß der Texaner Johnson neuer US-Präsident war, nachdem man seinen Vorgänger Kennedy in Dallas/Texas umgelegt hatte, und daß man aus einem halben Pfund Rindfleisch eine gute Suppe kochen konnte (hilfsweise auch mit einer Tüte Suppenextrakt der Firma Knorr - für die u.a. ein gewisser Franz Beckenbauer Reklame machte, der gerade seine ersten Fußball-Länderspiele absolviert hatte :-) Ja, liebe Leser, es gab damals im deutschen Showgeschäft kaum noch Deutsche (sie waren gefallen oder hatten Berufsverbot bekommen - wenn nicht offiziell, so doch zumindest faktisch, denn Rundfunk und Fernsehen waren Staats-Monopole); der erfolgreichste Schlagersänger jener Zeit - ein gewisser Freddy - kam nicht aus Hamburg, sondern spielte nur den "Jungen von St. Pauli" - tatsächlich kam er... aus Österreich und war halber US-Ire. [Sein Nachname ist ebenso echt wie sein Vorname; es ist der seines leiblichen Vaters, den er annahm, weil er seinen Stiefvater, dessen Namen er von Geburt an tragen mußte, nicht mochte. Dikigoros hat Freddy Quinn nie sonderlich gemocht, obwohl er ihm in jüngster Zeit ein wenig sympathischer geworden ist - und sei es nur aus Mitgefühl (nichts anderes bedeutet ja "Sym-pathie", wenn man es wörtlich übersetzt :-) seit bekannt wurde, daß er gar nicht schwul, sondern nur heimlich mit einer Frau verheiratet war, die seine Mutter hätte sein können. (Das kommt davon, wenn man seiner eigenen Mutter als Teenager davon läuft und dann Nachholbedarf hat :-)] Aber auf die Idee, etwas über Andreas Hofer zu singen, wäre "Freddy" nie gekommen; vielmehr besang er - und sei es nur aus Mitgefühl - dessen Todfeind: Napoleon Bonaparte.

[Exkurs. Warum ist es bisher niemandem gelungen, mit einer Filmrolle das Bild des Napoleon Bonaparte auf sich zu prägen? Hat es an Versuchen gefehlt? Aber nicht doch: Die Franzosen sind stolz darauf, daß über niemanden so viele Filme gedreht wurden wie über ihren ersten Kaiser, über 200 an der Zahl! Bei Andreas Hofer kann Dikigoros wenigstens noch die Filme aufzählen, in denen es nicht gelungen ist, sein Bild auf einen bestimmten Schauspieler zu prägen, bei Napoleon dagegen verliert auch er die Übersicht. Welche Filme soll er exemplarisch heraus greifen? Vielleicht den fünf Stunden (oder weniger, je nach Zusammenschnitt :-) langen Stummfilm "Napoleon" von Abel Gance? Der bekommt zwar heute von den Nostalgikern herausragende Kritiken, aber beim Publikum der 1920er Jahre war er schlicht ein Flop; und das kann Dikigoros gut verstehen - ihn erinnert Albert Dieudonné in der Hauptrolle weniger an den kleinen Korsen als vielmehr an Gérard Depardieu in "Asterix und Obelix"; für so dumm konnte man das Publikum, das zahlreiche Bilder Napoleons kannte, denn doch nicht verkaufen. Oder "Hundert Tage", eine deutsch-italienische Co-Produktion (von Franz Wenzler nach einem Theaterstück von Benito Mussolini - der "Duce" war ein großen Bewunderer des Korsen; Charlie Chaplin hat ihn in "Der große Diktator" nicht umsonst "Bandito Nappoloni" genannt :-)? Der Film floppte Mitte der 1930er Jahre in Deutschland und Italien gleichermaßen und ist heute verboten, obwohl - oder weil? - er viele Gedanken und Sprüche enthält, die man auch den heutigen Befürwortern der EU in ihre hohlen Birnen und in ihre Großmäuler, pardon in den Mund legen könnte. Oder "Napoleon" von Sacha Guitry knapp drei Jahrzehnte später? Raymond Pellegrin in der Hauptrolle war vielleicht nicht schlechter als andere Darsteller vor oder nach ihm; aber erstens war er selber korsischer Abstammung (und über den Schauspieler-Profeten des eigenen Landsmanns im Film hat Dikigoros ja schon in der Einleitung zu "Die [un]schöne Welt der Illusionen" etwas geschrieben), und zweitens war er relativ unbekannt, während die Nebenrollen mit lauter Stars besetzt waren (u.a. Yves Montand, Orson Welles, Erich von Stroheim, Jean Gabin und Serge Reggiani), die ihn regelrecht an die Wand spielten. (Bezeichnenderweise erscheinen nur die Namen der beiden ersteren auf dem Filmplakat, nicht der des so genannten Hauptdarstellers!) Marie-Françoise Grenier hat zwar kürzlich die Auffassung vertreten, die Napoleon-Rolle habe dennoch an Pellegrin "geklebt"; aber damit meint sie wohl nur, daß man von ihm sonst nichts Erwähnenswertes mehr gehört oder gesehen hat; heute kennt ihn selbst in Frankreich kaum noch jemand, geschweige denn im Ausland, und das reicht einfach nicht aus, um eine historische Gestalt von Weltruhm zu verkörpern. Exkurs Ende.]

Zurück zu Andreas Hofer. Einen kleinen Ausflug in seine Lebensgeschichte kann Euch Dikigoros nicht ersparen, liebe Leser, wenn er Euch erklären soll, warum das mit dem Identitätsklau nichts werden konnte. Wenn Ihr in ein älteres Lexikon schaut, dann lest Ihr da wahrscheinlich den früher üblichen Schmu: "Südtiroler Freiheitskämpfer gegen die französischen Besatzer, getreu für Kaiser und Vaterland, verraten und auf Napoleons persönlichen Befehl erschossen." In neueren Lexika lest Ihr im Zweifel gar nichts, und in heutigen Geschichtsbüchern vielleicht, daß Hofer und noch ein paar andere Tiroler unter seiner Führung (oder vielleicht nennt man es jetzt anders, weil man das Wort "Führer" nicht mehr gerne schreibt und liest) gegen "Franzosen und Bayern" (nanu?!) kämpfte, für ein freiheitliches (womöglich "demokratisches" :-) Tirol. Vergeßt es... Nehmt einfach nur die Fakten: Die deutschen Staaten waren sich - wie so oft in der Geschichte - nicht einig, als es gegen Napoleon ging. Ja, gegen Napoleon, denn die damaligen "Koalitionskriege" waren die letzten in Europa, die nicht auf "nationaler" Basis geführt wurden, sondern als Kabinettskriege, d.h. es ging - zumindest anfangs - weniger gegen Frankreich als gegen die Feinde der rechtmäßigen Monarchie dortsebst; da waren sich alle Herrscherhäuser Europas einig - auf den Propagandabildern ist es das personifizierte Frankreich selber, das dem Tyrannen die Maske vom Gesicht riß! (Nein, das ist nicht die amerikanische Liberty - die war zwar auch made in France, aber das ist eine andere Geschichte -, mit den USA war Napoleon doch verbündet! Dies ist vielmehr die Verkörperung des königlichen Frankreichs; sie trägt eine Krone, und ihr Kleid ziert das Wappen der Bourbonen: goldene Lilien auf blauem Grund. Ihr meint, die Personifizierung Frankreichs sei doch die "Marianne"? Weit gefehlt: Die blutrünstige Schlampe mit der Jacobinermütze brachten erst die Revoluzzer von 1789 ins Spiel, dann die von 1830, dann die von 1848 und schließlich die von 1870. Heute sind die Greuel, für die sie stand, saß und marschierte, vergessen, verdrängt, ausgeblendet wie die Leichen auf dem berühmten Gemälde von Delacroix, das man kaum noch im vollständigen Original zu sehen bekommt - außer bei Dikigoros, versteht sich. Kurzum, auch die Franzosen verehren die falschen Helden; sie haben sogar den Beginn der Mordorgien, den Tag des Sturms auf die Bastille, zu ihrem Nationalfeiertag gemacht, den sie bis heute mit großem Pomp alljährlich begehen.)

Leider waren insbesondere die deutschen Fürsten unfähig, diese ihre Einigkeit auch politisch und vor allem militärisch umzusetzen: Erst - 1806 - kämpften (und verloren) die Preußen gegen Napoleon, während die Österreicher zuschauten, und dann - 1809 - ging es umgekehrt. Napoleon betrieb seine Außen- und Kriegspolitik geschickter: Er hatte die westdeutschen und süddeutschen Fürsten zu seinen Verbündeten gemacht, indem er ihnen die Gebiete zugeschlagen hatte, die er zuvor von den Kirchen und Klöstern und von den kleinen Reichsrittern enteignet, pardon säkularisiert und mediatisiert hatte. (Was sind das doch für wohl klingende Ausdrücke - fast so schön wie "Solidaritätszuschlag" und "Konsolidierung" heutzutage :-) Dann hatte er sie großzügig befördert, allen voran den Herzog von Bayern zum König. Dem überließ er, nachdem er Österreich geschlagen und Frieden geschlossen hatte, auch Südtirol. (Daß die Tiroler ein paar Scharmützel am Berg Isel gewannen - bei denen Hofer übrigens gar nicht mit kämpfte - war weniger seinem politischen oder militärischen Genie zu verdanken als der Unfähigkeit der Bayern, die noch mit gepreßten Linientruppen kämpften; als statt dessen die Franzosen anrückten war der Ofen bald aus.)

Nun war das zwar ein mehr oder weniger erzwungener, aber kein Diktatfriede wie etwa der von Versailles oder der von St. Germain gut ein Jahrhundert später, und vor allem nicht so unvernünftig - im Gegenteil. Die westlichen Bundesländer Österreichs sind bis heute ein Kapitel für sich: Liechtenstein sowieso, aber auch Vorarlberg wollte eigentlich lieber zur Schweiz (die Vorarlberger stimmten 1919 als einzige gegen den Anschluß ans Deutsche Reich), und das Bistum Trient hatte streng genommen nie richtig zum Habsburgerreich gehört; alle diese Gebiete paßten viel besser, oder zumindest ebenso gut zu Bayern (zu dem es seit der Auflösung des Langobardenreichs, spätestens aber seit dem 11. Jahrhundert gehört hatte) wie zu Österreich. (Anders als 1963 behauptet hatten es sich die Habsburger endgültig erst im 16. Jahrhundert unter den Nagel gerissen.) Außerdem waren die letzteren von Napoleon mit dem - eigentlich bayrischen - Erzbistum Salzburg mehr als großzügig "compensiert" worden. [Tirol war wirtschaftlich gesehen nicht viel wert - die Silberminen bei Brixen waren längst erschöpft -, ganz anders das reiche Salzburg!] Aber wann, liebe Leser, hätten sich jemals vernünftige Grenzziehungen auf Dauer durchgesetzt? [Sie sind ohnehin selten; Dikigoros fallen da im 20. Jahrhundert nur die Aufteilung der Tschecho-Slowakei 1939, der Wiener Schiedsspruch 1940 und die Aufteilung Jugo-Slawiens 1941 ein - sie hatten nur wenige Jahre Bestand, dann wurden sie von den alliierten Siegermächten zum Schaden aller beteiligten Völker rückgängig gemacht; ein halbes Jahrhundert später sollte ihre teilweise Wiederherstellung lange, blutige Bürgerkriege kosten.] Fast nie. Die Regel ist vielmehr, daß unvernünftige Grenzen gezogen werden - z.B. mit dem Lineal auf der Landkarte - und daß später die Realitäten dieser Unvernunft angepaßt werden, durch Ermordung oder Vertreibung derjenigen Menschen, die nicht aufs Lineal und in die Flächenfarbe der Atlanten passen. "Ethnische Säuberung" nennt man das heute.

Entgegen allen späteren Verdrehungen kämpften Andreas Hofer und die Tiroler keineswegs aus "nationalen" oder "patriotischen" Gründen gegen Franzosen und Bayern, sondern aus drei ganz anderen - von denen freilich nur die beiden ersten im Film (und anderswo :-) thematisiert werden: Da war zum ersten die feindselige Haltung der französischen Revolution gegenüber der Kirche (von der das Königreich Bayern ganz erheblich profitiert hatte, da ihm die "säkularisierten", d.h. enteigneten Klöster und Kirchengüter anheim gefallen waren) - aber die bestand überall, und die Bayern waren gewiß ebenso fromme Leute wie die Tiroler, und dennoch machten sie keine Revolution. Dann war da zweitens die - nach dem Vorbild der französischen "levée en masse" eingeführte - allgemeine Wehrpflicht, von der die Tiroler unter österreichischer Herrschaft durch fast drei Jahrhunderte alte Privilegien weitgehend befreit waren, d.h. sie mußten nur unter ganz bestimmten Umständen eine ganz bestimmte niedrige Anzahl von Soldaten stellen, und die durften auch nicht außer Landes eingesetzt werden; vor allem letzteres war wichtig; denn man brauchte kein Pazifist zu sein, um den Kriegsdienst für fremde Interessen irgendwo am Arsch der Welt zu verweigern. (Obwohl weder Napoleon noch der König von Bayern jemals auf die Schnapsidee gekommen wären, Truppen in den Irak oder an den Hindukusch zu schicken!) Aber auch das hatte mit "Patriotismus" nichts zu tun: Als knapp 100 Jahre zuvor Bayern - schon damals mit Frankreich verbündet - im Spanischen Erbfolgekrieg von österreichischen Truppen besetzt wurde, die dort Zwangsaushebungen vornahmen, hatten die bayrischen Bauern den Aufstand gegen die Besatzer geprobt, der im Dezember 1705 jämmerlich scheiterte. (Wenn Euch die Einzelheiten interessieren, googelt mal unter "Sendlinger Mordweihnacht".)

Exkurs/Nachtrag. Schon damals gab es einen heldenhaften Anführer, der es beinahe zum bayrischen National-Heiligen brachte, nämlich Hans Mayer, den "Schmied von Kochel". Er hatte nur einen kleinen Schönheitsfehler: Es hat ihn höchstwahrscheinlich nie gegeben, ebenso wenig wie den Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell, den serbischen Nationalhelden Miloš Obilić und viele andere, über die berühmte Filme gedreht wurden. Aber kommt es darauf wirklich an? Namen sind Schall und Rauch. Irgend jemand hat den Aufstand gegen die Österreicher in Bayern angeführt; irgendjemand hat den österreichischen Vogt in der Schweiz erschossen; irgendjemand hat den türkischen Sultan am Vorabend der Schlacht auf dem Amselfeld erstochen - genügt das nicht? Ist es besser, wenn man Trägern von "echten" Namen unechte Taten andichtet? Gewiß gab es einen Jan Breydel. Er war Schlachter und belieferte das flämische Heer vor der berühmten "Sporenschlacht" von 1302 mit Fleisch - das ist glaubhaft überliefert, mehr aber auch nicht. Die Legende machte aus ihm freilich den "Löwen von Flandern" und dessen Nationalhelden, der 700 Berufskollegen aus Brugge siegreich in die Schlacht führte (so viele gab es wahrscheinlich in ganz Flandern nicht, geschweige denn, daß sie sich mit dem Fleischerbeil in den Kampf gestürzt hätten :-) Es gab vielleicht auch mal in Polen einen Offizier namens Jerzy Wolodyjowski - aber die Heldentaten, die ihm der Märchenonkel Henryk Sienkiewicz zugeschrieb, hat er mit Sicherheit ebenso wenig begangen wie die Figuren aus "Quo vadis", über die Dikigoros an anderer Stelle schreibt, die ihren. Es mag auch in China mal einen Genossen namens Lei Feng oder Lei Föng gegeben haben; aber was immer der Verfasser Entdecker "seiner" Tagebücher ihm posthum an Heldentaten angehängt hat, dürfte frei erfunden sein. Und, um auch noch einen Fall zu erwähnen, bei dem sich Dikigoros selber nicht ganz sicher ist: Gewiß gab es in Mali mal einen Ort namens Timbuktu, der durch Handel vorübergehend reich wurde. (Obwohl man das den heutigen Ruinen dieses Namens schwerlich ansieht :-) Es mag dort auch mal einen Herrscher ("Mansa") namens Moses ("Musa") gegeben haben; aber daß dieser "Mansa Musa" eines schönen Tages zur Wallfahrt nach Mäkka aufbrach mit 100 Kamelen, die tonnenweise Gold geladen hatten, das er unterwegs in Ägypten so freigiebig verteilte, daß dort eine Inflation ausbrach, dürfte ein Märchen sein. Der berühmte Ibn Battuta - dessen Reisebericht Dikigoros für durch und durch glaubhaft hält, denn was er schreibt mag zwar teilweise banal sein, aber gerade so etwas denkt man sich nicht aus! - war auch in Timbuktu, eben weil er den sagenhaften M.M. mal persönlich kennen lernen wollte; aber er hat ihn nicht gefunden, und deshalb würde es Dikigoros nicht wundern, wenn es ihn nie gegeben hätte. Aber die Malinesen dürfte das nicht anfechten - sie haben ja sonst niemanden, der als "Nationalheld" in Frage käme. Exkurs/Nachtrag Ende.

Zurück zu Andreas Hofer und den Gründen für den Tiroler Aufstand. Deren dritter wird meist schamhaft verschwiegen - dabei dürfte er nicht der unwichtigste gewesen sein. Wie soll Dikigoros anfangen? Vielleicht, indem er erwähnt, daß die Deutschen, insbesondere die Deutsch-Österreicher (zu denen ja auch die Tiroler gehören), im Grunde ihres Herzens brave Leute sind, die nicht so leicht Revolution machen wie etwa die Franzosen und Russen, die sich schon von den Haßpredigten dazu aufstacheln lassen, die ein paar daher gelaufene jüdische Advocaten und sonstige Ideologen vom Stapel lassen, mögen sie nun RosenwasserRousseau, RubinsteinRobespierre oder ZederblumLenin heißen. Nein, bei den Deutschen muß es schon ans Eingemachte gehen - ans Geld. Tirol war wie gesagt ein armes Land, und Österreich krebste zwar - wie fast immer seit den idiotischen Kriegen Maria Theresias gegen Friedrich II von Preußen - hart am Rande des Staatsbankrotts, aber das wurde durch die - nach dem Vorbild der französischen "Assignaten" eingeführte - Ausgabe von Papiergeld einstweilen vertuscht. Für über eine Million Gulden lief in Tirol österreichisches Papiergeld um - eine irre hohe Summe für das kleine Ländchen -, als es an Bayern fiel; aber dort regierte kein Helmut Kohl, der den Ossis ihre wertlosen Aluchips 1:1 in D-Mark eintauschte, um auf Kosten der westdeutschen Steuerzahler Wählerstimmen für den nächsten Urnengang zu gewinnen, sondern ein nüchterner Mann, der sich keiner Wahl zu stellen brauchte; und als die Tiroler das Zeug von ihm in harte Silbermünzen eingewechselt haben wollten, sagte er "njet" - und zog sich damit den unauslöschlichen Haß der Tiroler zu, die sich nun von ihm "enteignet" fühlten. (Natürlich hätte auch der Habsburger die Lappen niemals gegen echtes Geld eingetauscht; er sagte es nur nicht so offen. Vielleicht hätte der Herzog, pardon König Max den Tirolern dafür bayrisches Papiergeld geben sollen - das Volk will belogen sein! -; aber so viel Cynismus brachte er wohl nicht auf. Im Rückblick war das ein Fehler, denn zahlen mußte er am Ende doch; die Kosten, die der Aufstand verursachte, waren noch höher; und auch die französischen Truppen, die ihn niederwarfen, kamen ja nicht zum Nulltarif.)

Exkurs. Ihr meint, das sei ein Einzelfall gewesen? Aber nein, liebe Leser, Dikigoros hat Euch doch schon an anderer Stelle dargelegt, daß die Revolution von 1848 in Wien aus exakt dem gleichen Grund ausgebrochen war, lest es bitte nochmal nach! Und in München war es kurz zuvor zum Aufstand gekommen, als der Bierpreis erhöht worden war! Und man kann den Kreis noch weiter ziehen: Wenn Ihr mal zurück geht bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Germanen erstmals "Geschichte machten", nämlich ins 4. Jahrhundert n.C. (die Kimbern und Teutonen tauchten zwar schon vorher auf, aber das waren Kelten :-), dann werdet Ihr sehen, daß das schon immer so war. Habt Ihr auch all diesen oberflächlichen Blödsinn über die "Völkerwanderung" gelernt, von wegen: 375 vertrieben die Hunnen die Goten, die daraufhin erst ins Oströmische - 378, Schlacht von Hadrianopel -, dann ins Weströmische Reich - 410, Eroberung Roms - einfielen? Aber so war es gar nicht - die Germanen lebten ja schon lange als "Foederaten" auf dem Boden des "Imperium Romanum"; als sie es zerschlugen, war das keine Invasion, sondern eine Revolution; und auch die hatte keine ideologischen Gründe (vergeßt den ganzen Stuß, den Euch die Professoren für Theologie und/oder Geschichte über den Streit zwischen "orthodoxen" Christen und "Arianern" erzählen - Kaiser Valens war ebenso Arianer wie die Goten!), sondern ganz handfeste materielle, die mit etwas Geld und gutem Willen leicht auszuräumen gewesen wären: Der oströmische Kaiser Valens hatte den Westgoten Siedlungsland in Thrakien zugesagt (er brauchte sie als Puffer gegen die Hunnen - gotische Söldner waren gefragt, der Satz "The Germans to the Front" ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts!) und fürs erste auch kostenlose Verpflegung. Die war auch schon unterwegs, und die Goten saßen brav am Nordufer der Donau - der Grenze - und warteten, daß man sie herein bäte und verköstigte. Aber dann kamen ein paar korrupte römische Provinzbonzen auf die glorreiche Idee, daraus ein Geschäft in die eigenen Taschen zu machen; sie unterschlugen die Lebensmittel-Lieferungen und verlangten von den Goten, daß sie alles, was sie verzehren wollten, in bar bezahlten. Die Goten aber waren arm, und ihr Geld bald alle. Großzügig wie die Römer waren, boten sie den Goten an, ihnen ihre Frauen und Kinder als Sklaven zu verkaufen; einige taten das, aber bald war auch das dafür bezahlte Geld aufgebraucht. Nun begannen die Goten zu [ver]hungern. Ihr Führer, ein gewisser Fritigern, schickte eine - unbewaffnete - Delegation, um zu protestieren; sie wurde massakriert. Da platzte ihm der Kragen; er führte seine Männer über die Donau, holte sich die Verpflegung mit Gewalt, befreite die versklavten Frauen und Kinder, schlug ein kleines "römisches" Heer - das hauptsächlich aus gotischen Söldnern bestand, die zu ihm überliefen - und... nein, er dachte gar nicht daran, irgendetwas zu erobern, sondern machte sich auf den Rückweg - lieber unter den Hunnen leben als unter diesem Römerpack... Aber das wollte der nun beleidigte Kaiser Valens nicht zulassen; er schickte ihnen das oströmische Hauptheer hinterher; bei Hadrianopel holte es die flüchtenden Westgoten ein und fiel über sie her. (Hadrianopel heißt heute "Edirne"; es liegt an der Maritza, in aller Welt - außer in Deutschland - bekannt durch das so betitelte melancholische Chanson der in Bulgarien geborenen Armenierin Sylvie Vartan, Grenzfluß zwischen Griechenland und dem türkisch besetzten Teil Europas.) Doch die Westgoten hatten Glück, daß ihnen ein Häuflein Ostgoten zu Hilfe kam; mit ihnen gemeinsam gewannen sie die Schlacht; Kaiser Valens fiel, und sein Nachfolger (wohlgemerkt ein Orthodoxer, der die arianischen Westgoten eigentlich hätte hassen müssen, wenn man den Märchenonkeln glauben würde) war vernünftiger: Er schloß Frieden, überließ den Goten Thrakien und nahm ihre Männer ins römische Heer auf; später wurde sogar einer von ihnen, einen gewissen Alarich, "magister militum [Reichsmarschall]". Das ging ein paar Jahre gut, dann war mal wieder Ebbe in der griechischenoströmischen Staatskasse (auch das ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, liebe Leser!), und die Soldzahlungen an die blöden Goten wurden Knall auf Fall eingestellt - sollten die doch sehen, wovon sie künftig lebten. Alarich - wiederum weit davon entfernt, irgendetwas "erobern" zu wollen, sah sich um und nahm ein Angebot der [West-]Römer an: Er selber sollte auch dort "magister militum" werden (der bisherige Reichsmarschall Stilicho war soeben einem Justizmord zum Opfer gefallen - die treue Seele hatte bis zuletzt an einen Irrtum geglaubt und seinen Leuten verboten, ihn heraus zu hauen), seine Leute mitbringen und als Siedlungsgebiet Illyrien erhalten, das ja eh viel schöner war als Thrakien. Aber kaum war er angekommen, da sagte man ihm: April, April, Gehalt gibt's keins, zu Fressen auch nichts; kämpft erst mal schön gegen die aufständischen Truppen aus Gallien und Britannien; und wenn dann noch was von Euch übrig ist, könnt Ihr ja noch mal nachfragen... Alarich aber hatte die Nase voll - und den Magen leer. Also zog er nach Rom - nein, nicht um es zu erobern, wozu denn? Hauptstadt des weströmischen Reichs war schon lange Ravenna; aber in Ostia, dem Hafen von Rom, legten die Getreideschiffe aus Nordafrika an (das war damals, bevor die verfluchten Muslime kamen und alles nachhaltig ruinierten, die Kornkammer des römischen Reichs), und die fing er ab, damit seine Leute etwas zu essen bekamen. Daraufhin stellten die nordafrikanischen Provinzen die Kornlieferungen nach Italien ein. Die Lage war für alle Beteiligten verzweifelt. Alarich verhandelte: Er wollte nichts weiter als den ihm und seinen Leuten zustehenden Sold, und natürlich etwas zu essen! Statt dessen griffen ihn die Römer - die auch hungerten - an; und da eroberte er halt die Stadt. Aber nicht etwa, um sie zu behalten, im Gegenteil: Dort gab es ja auch nichts zu fressen, also auf nach Afrika! Aber die kleine Flotte, die er bauen ließ, ging schon im ersten Sturm vor Sizilien unter; und so machten sich die Westgoten denn auf den langen, mühsamen Landweg. Noch bevor sie Italien hinter sich gelassen hatten, starb Alarich. (Nach seinem Grab wird seit Jordanes - und verstärkt seit August v. Platen - vergeblich gesucht, in der Hoffnung, dort irgendeinen "Schatz" zu entdecken :-) Und auch seine Leute kamen nie in Afrika an; sie blieben unterwegs hängen, ein Teil in Aquitanien, der Rest in Spanien, wo sie so etwas wie ein "Reich" gründeten, das dann irgendwann auch unterging; aber das ist eine andere Geschichte. Wie schrieb Goethe: "Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles!" Wohl wahr - wenn man denn "Gold" mit "Geld" gleich setzt. Merke: Auch die Liebe des Volkes zu seinen Herrschern geht durch den Magen - und durch den Geldbeutel. Exkurs Ende.

Das, und nichts anderes, steckte also hinter der vordergründigen Anhänglichkeit der "braven Tiroler" zu "ihrem" "Kaiser" Franz (dem Habsburger, nicht dem Beckenbauer :-). Warum Dikigoros das in Anführungsstriche setzt? Weil es bloß eine Spiegelfechterei des Habsburger Erzherzogs war, sich "Kaiser von Österreich" zu nennen: Er hatte die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen nieder gelegt, und nur in dieser Position hätte ihm der Titel "Kaiser" von Rechts wegen zugestanden; alles andere war Amtsanmaßung - freilich gelitten von Napoleons Gnaden, der sich selber auch noch eine "Kaiserkrone" aufs Haupt gesetzt hatte. Andere Gründe der Anhänglichkeit gab es nicht, denn dieser Franz I. war ein unsicherer Kantonist: Er hatte den Tirolern versprochen, auf keinen Fall einen Frieden zu schließen, bei dem sie aus dem Verband der österreichischen Länder heraus gerissen würden - aber dann, als der Krieg verloren war, mußte er so viele Gebiete abtreten, daß es ihm auf das bißchen Tirol auch nicht mehr ankam... Aber selbst wenn es ein Diktatfriede gewesen wäre: Kaiser Franz v. Habsburg hatte ihn unterschrieben (Hofer selber - als "Kommandant der Tiroler Milizen" - übrigens auch), und damit hatten die Kampfhandlungen aufzuhören; was der offiziell demobilisierte Schwarzbrenner, Fuselhändler und Kneipenwirt (nicht Bauer!) Hofer und seine Zechkumpane danach noch trieben, war schlicht ein völkerrechtswidriger Partisanenkampf, und dafür gehörte er als Rädelsführer an die Wand gestellt, basta.

Will Dikigoros damit etwa andeuten, daß es mit der Personifizierung Andreas Hofers durch irgend einen Schauspieler nicht klappen konnte, weil dessen Person eigentlich gar nicht zum Helden taugte? Aber nein, liebe Leser - als ob es darauf in der Geschichte, zumal in der Filmgeschichte, ankäme! Wie viele Gurken, die einem vermeintlichen oder tatsächlichen "Justizmord" zum Opfer fielen, sind nicht unverdient zu "Freiheitskämpfern", "Widerstandskämpfern" o.ä. hoch gejubelt worden?! (Und wie viele andere zu Unrecht vergessen oder gar verteufelt - wer kennt z.B. heutzutage noch Hofers Zeitgenossen Johann Philipp Palm? Oder den Siebenbürgener Pfarrer Stephan Ludwig Roth? Oder Albert Leo Schlageter? Und wenn der letztere doch noch irgendwo auftaucht, dann nur als böser "Vorläufer der Nazis"!) So schien es auch hier zu kommen, als erstmal ein Jahrhundert Gras über die Sache gewachsen war und die Leute, die noch dabei gewesen waren, und ihre Kinder und Enkel längst unter der Erde lagen. Da konnte man das Ganze endlich etwas schönen und für propagandistische Zwecke zurecht biegen. [Ihr glaubt doch nicht etwa, liebe Leser, so etwas gäbe es erst seit 1945? Seid bitte nicht naïv!] 1909 gab es in ganz Österreich - und auch im kleindeutschen Bismarck-Reich - Gedenkfeiern an den heldenhaften Aufstand, und alles konzentrierte sich auf Andreas Hofer - der das Glück gehabt hatte, hingerichtet und so zum Martyrer geworden zu sein; seine Mitstreiter dagegen, die Speckbacher, Haspinger usw., die z.T. noch bis zur Revolution von 1848 überlebten und dabei auf der falschen Seite standen, waren so gut wie vergessen. Schon 1913 wurde über ihn einer der ersten deutschsprachigen Stummfilme gedreht mit dem Titel "Tirol in Waffen". Bevor es zur Uraufführung kam, brach freilich der Erste Weltkrieg aus, und an dessen Ende ging Tirol erneut verloren, diesmal an Italien. Die Fascisten unter Mussolini, die dort bald an die Macht kamen, intensivierten noch die ohnehin rüde Romanisierungs-Politik und Unterdrückung des Deutschtums. Das war besonders für einen gewissen Adolf H. peinlich, der beschlossen hatte, Politiker zu werden und sich zum einen sehr stark für das Auslands-Deutschtum engagierte, aber zum anderen ein großer Bewunderer eben jenes Mussolini war; deshalb ließ er den dritten Band von "Mein Kampf", in dem er empfahl, die Tiroler - wie einst Kaiser Franz - fallen zu lassen, um sich mit Italien zu einigen, vorsichtshalber nicht veröffentlichen.

Andere übten weniger Zurückhaltung: 1929 brachte Hanns Prechtl "Andreas Hofer - Der Freiheitskampf des Tiroler Volkes" in die Kinos. Da Prechtl ein Bayer war (auch die Hauptrollen waren allesamt mit Bayern besetzt, allen voran Fritz Greiner als Andreas Hofer - den Tiroler blieben nur die Statisten :-) und sich der Tiroler Aufstand ja eigentlich genau gegen diese gerichtet hatte, wurden sie von Prechtl kurzerhand zu Italienern gemacht - das paßte besser in die Zeit. Unter diesen Umständen konnte man natürlich nicht an den Original-Schauplätzen drehen, sondern kurbelte das ganze etwas weiter nördlich ab. Es ging so richtig zur Sache, vor allem bei den Schlachtszenen: Infolge wüster Prügeleien gab es unter den Statisten 37 Schwerverletzte. Gleichwohl erhielt der Film viel Lob - aber nur von den Kritikern; das Publikum wollte ihn nicht sehen, denn inzwischen gab es Tonfilme, da ging man doch nicht mehr in einen der letzten Stummfilme!

* * * * *

So wurde das ganze nur drei Jahre später erneut verfilmt - diesmal mit Ton, und diesmal von einem echten Tiroler: Luis Trenker. "Der Rebell" nannte er seinen Streifen, in dem er selber die Hauptrolle spielte - wobei er Andreas Hofer in "Severin Anderlan" umbenannte. Die Fama will wissen, daß dieser Film die Nazis - vor allem Hitler und Goebbels - zu wahren Begeisterungs-Stürmen hingerissen haben soll; aus den vorgenannten Gründen fällt es Dikigoros schwer, das zu glauben. Mit der historischen Wirklichkeit hatte er auch nicht viel im Sinn (schon gar nicht mit der, an die das Publikum glaubte :-) Aber was er da unter dem Motto "Gegen Napoleon, für die Freiheit aller Deutschen") an ihre Stelle setzte, war fast noch schlimmer: Ein Held hat - jedenfalls in Deutschland - tapfer, offen und ehrlich für seine Sache zu kämpfen. Was tut dagegen Severin Anderlan? Er schießt in blinder Rache für die Zerstörung seines Elternhauses nicht etwa auf die Täter, sondern auf die nächste beste französische Patrouille; dann flieht er feige in die Berge. Anschließend schleicht er sich in der Uniform eines bayrischen Dragoner-Hauptmanns nach Innsbruck, um auf einem Tanzball mit der Tochter des bayrischen Amtsmannes herum zu poussieren, und schließlich überfallen seine tiroler Wurzelseppen, pardon Landsleute im Gebirge die anrückende 2. französische Armee. Die schießt aber zurück, und im Kampf um die Fahne mit dem Tiroler "Aar" [Adler], die selbst den Wegelagerern tapfer voran flattert, fällt "Anderlan" - allerdings nur in die Hände der Franzosen, die ihn anschließend erschießen. Entgegen der historischen Wahrheit endet der Held also nicht durch Verrat - obwohl auch er verraten wird, allerdings nur von einem namen- und motivlosen Niemand, der gleich nach Empfang des Kopfgeldes von einem anderen, ebenso namen- und motivlosen Niemand aus dem Hinterhalt erschossen wird, während "Anderlan" seinen französischen Verfolgern entkommt, um dann wie gesagt in bayrischer Uniform in Innsbruck wieder aufzutauchen. Und nach seiner Hinrichtung erstehen er und alle seine Kameraden wieder auf und fahren, auf einer Wolke marschierend und das Lied "Heil Dir mein Vaterland" singend, in den Himmel auf. Halleluja.... Tja, liebe Leser, was soll man mit so einem Ritter von der traurigen Gestalt anfangen? Zum Helden taugt er nicht, ganz bestimmt nicht, nicht mal als Vorbild für den eigenen Widerstand, denn inzwischen hatten die Franzosen das Rheinland (das sie, als Prechtls "Andreas Hofer" in die Kinos kam, noch besetzt hatten) geräumt; und mit den Bayern lebte man schon lange in Frieden.

Zu allem Überfluß erinnert die Sache mit der Uniform auch noch an die Geschichte vom "Hauptmann von Köpenick, die der Jude Carl Zuckmayer gerade zwei Jahre zuvor auf die Bühne gebracht hatte... Aber auch in der "Studenten-Uniform", die Trenker eingangs trägt (ja, man hat ihn zum Studiosus gemacht, der gerade aus Jena zurück kommt) wirkt er irgendwie falsch eingekleidet. Und überhaupt, dieser Trenker! Sein Gesicht mit dem breiten Maul wirkt wie eine Mischung aus Walt Disneys "großer böser Wolf", Pik Bube und King Kong (oder, wie Frau Dikigoros zu sagen pflegt, "wie ein Nußknacker"). Nein, mit so einer Galgenvogel-Visage kann man keinen Helden darstellen, sondern allenfalls einen Bösewicht. So etwas wollte das Kino-Publikum nicht sehen, das konnte nicht der gute Andreas Hofer sein; und weil man da durchaus zu differenzieren wußte, nahm man das nicht ihm, sondern Luis Trenker übel, diesem Krummstiebel mit italienischem Paß. (In dem stand übrigens Luigi Trenker.) Und demnächst schaute man sich lieber wieder einen der schönen Filme an, in denen der brave Otto Gebühr Friedrich den Großen spielte.

1933 brachte Franz Osten den Stoff unter dem Titel "Der Judas von Tirol" gleich noch einmal in die Kinos, diesmal aus der Sicht dessen, der Hofer an die Franzosen verriet - die Trenker in "Der Rebell" ja so gänzlich ausgespart hatte. Der Titel klingt reißerisch; aber die Nazis wären enttäuscht gewesen: Der Film hatte nichts anti-semitisches an sich, vielmehr zeigt er ganz simple Beweggründe auf: Raffl ist ein armer Bauersknecht - aber wer will das schon bleiben? Er jedenfalls nicht; er träumt davon, mal einen eigenen Hof zu besitzen und damit das Recht zu erwerben, bei den österlichen Passionsspielen auch mal den Jesus Christus zu spielen und nicht immer nur den Judas. [Exkurs: Ist das nicht lächerlich? Heutzutage versuchen jüdische Lobbyisten gar, die Passionsspiele von Oberammergau verbieten zu lassen - und früher oder später werden sie damit Erfolg haben, wie Dikigoros unsere Politiker einschätzt -, weil die "anti-semitisch" seien. Ja, wer hätte denn den Juden Jesus verraten sollen, wenn nicht ein anderer Jude? Die Geschichte spielt halt in Judäa - der heutigen "Westbank" - und steht so in der Bibel. Sollen wir Christen vielleicht auch die Bibel als "anti-semitisch" verbieten (zumal sie ja der Antisemit Luther übersetzt hat!) und allesamt zum Zionismus konvertieren? Der Film "Der Judas von Tirol" ist bis heute verboten; aber das gleichnamige Theaterstück des gebürtigen Tirolers Karl Schönherr aus dem Jahre 1897 - auf dem der Film beruht - wird bis heute gespielt, z.B. bei den Freilichtspielen von Lana; das verstehe, wer will.] Raffls Verrat zahlt sich freilich nicht aus: Seine Kollegin, die Magd Josefa, verunglückt bei dem Versuch, Hofer zu warnen, tödlich, und er selber wird verrückt. (Raffl, nicht Hofer - der ist es ja schon :-) Übrigens ließ sich der historische Raffl, wenn man der Fama glauben darf, nicht mit Assignaten o.ä. Papiergeld abspeisen, sondern in klingender Münze bezahlen, und er gab sich auch nicht mit 30 Silberlingen zufrieden, sondern bekam deren satte 1.500 - dafür konnte man schon einen ordentlichen Hof kaufen.

Wie angesichts dieses dünnen Süppchens nicht anders zu erwarten, floppte "Der Judas von Tirol"; keiner der Darsteller wollte später noch in ihm mitgespielt haben (weder Leopold v. Ledebur noch Fritz Rasp noch Marianne Hoppe, in deren Filmografien dieser Streifen durch die Bank fehlt), und kaum ein Zuschauer wollte es sehen. (Nur einen kleinen Tiroler aus Innsbruck, Dietmar von Schönleiten, muß der Film schwer beeindruckt haben; zehn Jahre später, als er in "Junge Adler" sein eigenes Leinwanddebut hat, nimmt er als Künstlernamen den des Schauspieldichters an - der soeben bei einem Angriff alliierter Terrorbomber auf Wien gefallen ist.) Auch die folgenden Verfilmungen des Stoffes sollten keinem Darsteller eine Chance geben, sich als Andreas Hofer zu profilieren: 1940 brachte Trenker "Der Feuerteufel" in die Kinos; die Hauptrolle darin spielte freilich wieder nicht Andreas Hofer, sondern diesmal sein Mitkämpfer Josef Speckbacher. So unverständlich wie es Dikigoros ist, daß "Der Rebell" seinen Regisseur zu Goebbels Liebling gemacht haben soll, so unverständlich ist es ihm auch, daß derselbe ob des Feuerteufel-Films bei den Nazis in Ungnade gefallen sein soll. Aber da beides auf Trenkers eigenen Angaben beruht, den er als Lügen- und Trunkenbold kennt, nimmt er mal an, daß sowohl das eine wie das andere unwahr ist. Wahr ist, daß 1952 in Österreich noch ein Film über den Tiroler Aufstand von 1809 mit dem Titel "Das letzte Aufgebot" gedreht wurde (der Titel wurde bald verboten und in "Der Bauernrebell" umbenannt), wieder nicht aus Hofers Perspektive (in dessen Rolle ein wenig beeindruckender Otto Löwe über die Leinwand stapft), sondern in einer ziemlich weit hergeholten Parallele zum "Volkssturm" 1945 von einem Bauernjungen, der zu den letzten - aussichtslosen - Kämpfen gegen die Franzosen noch aufgeboten wird. Dann war über drei Jahrzehnte Funkstille; "patriotische" Filme waren verpönt, sie galten bestenfalls - wie Sissi - als kitschig, schlimmstenfalls als rechtsradikale Gedankenverbrechen.

Doch es sollte noch besser kommen: 1984, zum krummen 175. Jahrestag des Tiroler Aufstands, mehr als ein halbes Jahrhundert nach "Der Judas von Tirol", verfilmte ein gewisser Christian Berger auch die Geschichte des Knechts Raffl noch einmal neu (unter dem einfallsreichen Titel "Raffl"), aber diesmal nicht als die eines Verräters aus Geldnot und schauspielerischem Ehrgeiz, sondern als Idealisierung des unbekannten Deserteurs, dem ja heute so mancher ein Denkmal setzen will. Dieser Film wurde mit nationalen und internationalen Preisen nur so überhäuft; dennoch wurde er zu einem der größten Flops der österreichischen Filmgeschichte, denn das undankbare Publikum weigerte sich beharrlich, ihn anzuschauen, sei es im Kino, sei es als Videofilm - es war offenbar noch nicht genügend manipuliert von der Regierung der sozialistischen Gutmenschen in Wien. Woran mag es gelegen haben? War dieser Film wirklich soviel schlechter als andere Schundstreifen, die dennoch zu Kassenhits wurden? Kaum. Aber hier greift die alte Regel der Prägung eines Schauspielers auf eine Rolle - oder zumindest auf einen Rollentyp. Nicht wahr, ein Schauspieler kann in jungen Jahren einen jugendlichen Hand verkörpern und in späteren Jahren einen älteren; oder auch einen jungen und einen alten Bösewicht. Aber man kann ihn im Alter nicht mehr völlig umpolen: Die Zuschauer wollten Dietmar Schönherr - ja, der kleine Junge von damals spielte jetzt als alter Mann die Hauptrolle - so nicht sehen, sondern ihn in seiner vermeintlichen Paraderolle im Gedächtnis behalten: als Cliff Allister McLane, Commander des schnellen Raumkreuzers Orion aus der Kultserie "Raumpatrouille", oder zumindest als einen Helden, nicht als Verräter. Dabei hatte sich Schönherr im Laufe seines Lebens immer mehr zu einem Linken entwickelt, seinen Ex-Schauspieler-Kollegen, den U.S.-Präsidenten Ronald Reagan, in aller [Fernseh-]Öffentlichkeit unflätig beschimpft und sich zum Handlanger des kommunistischen Sandinisten-Regimes in Nicaragua gemacht; er mochte die Rolle des Raumschiff-Kommandanten (die ihm offenbar auf den Leib geschrieben war als Sohn eines Berufsoffiziers, der es bis zum General gebracht hatte - pardon, heute muß es ja "Nazi-General" heißen) nach eigenem Bekunden gar nicht, ja er verfluchte sie regelrecht, weil sie ihn auf ein "falsches" Bild geprägt habe. (In Wirklichkeit war es wohl eher so, daß es dem geschäftstüchtigen Herrn v. Schönleiten gewaltig stank, keine zusätzlichen Tantiemen für die zahlreichen Wiederholungen und sonstigen Verwertungen der "Raumpatrouille" zu bekommen - er hatte seinerzeit versäumt, eine entsprechende Vertragsklausel auszuhandeln. [Michael Höfler, der Verfasser der oben verlinkten Raumpatrouille-Webseite, berichtet, daß Schönherr sich früher gerne an seine Rolle als Raumschiff-Kommandant erinnert habe.] In solchen Dingen denkt er nämlich streng kapitalistisch, weshalb er auch in die steuerlich günstigere Schweiz ausgewandert ist, wo er unter dem Namen "Pan y Arte [Brot und Kunst]" eine obskure Spenden-Waschanlage betreibt, die er als "Selbsthilfe-Stiftung für Nicaragua" bezeichnet, zu der auch der zwielichtige Kommunist Ernesto Cardenal seinen Namen beigesteuert hat.)

Aber wurde denn 1984 wirklich des 175. Jahrestags des Tiroler Aufstands gedacht, oder war es nicht vielmehr nur ein Zufall, daß der Film "Raffl" da heraus kam? Aber nein, liebe Leser, der Gedenktag wurde ganz offiziell begangen, sogar mit der Herausgabe eines silbernen 500-Schilling-Stücks! Nun hatte der nach 25 Jahren verzehnfachte Nennwert der Münze freilich nichts mit erhöhter Wertschätzung Hofers und/oder der Tiroler zu tun, sondern er spiegelte nur die Inflation und die staatliche Abzocke der Sammler wider. Aber auch dieses Vorhaben floppte - die meisten Numismatiker gaben damals das Sammelgebiet Österreich auf, und das war auch gut so, denn dadurch konnten die Gedenkmünzen, statt als Spekulations-Objekte in irgendwelchen Banksafes verschlossen zu liegen, wieder ihren eigentlichen Zweck erfüllen, nämlich umzulaufen und die Leute, die sie im Portemonnaie hatten, zum Denken anzuregen. Und als die Regierung dazu überging, statt "500" wieder "50" auf ihre Gedenk-Schillinge zu schreiben und das, was sie daran einsparte, daß sie die nur noch in Blech prägen ließ, in Werbung und aufwendige Pappaufmachung steckte, blieb sie auch damit erfolglos - die wiederum mit großem Brimborium (und einem Ausgabepreis, der den Nennwert weit überstieg, damit die Dinger nicht etwa wieder im Umlauf auftauchten - der Staat wollte schließlich 100% "Münzprägegewinn" machen!) auf den Markt geworfene Gedenkmünze "1000 Jahre Österreich" blieb ein Ladenhüter, der bis heute erfolglos auf Internet-Auktionen angeboten wird wie sauer Bier. Macht der Bischof nicht ein trauriges Dackel-Gesicht, als hätte er das bereits geahnt?

Und weil im "unabhängigen Österreich" noch viel mehr floppte nur als solche harmlosen Kleinigkeiten, wurde zu Beginn des 21. Jahrhundert die korrupte sozialistische Regierung, die das Land Jahrzehnte lang ruiniert hatte, abgewählt, und statt dessen kam - oh Schreck - eine böse christlich-liberale (also in den Augen aller braven Gutmenschen fascistoïde :-) Regierung an die Macht. [Hätte da nicht die öko-sozialistische BRDDR-Regierung in Berlin ernsthaft erwägen müssen, Bundeswehr-Panzer zur "Befreiung" nach Wien rollen zu lassen? Oder glaubte sie etwa, daß die in Bosnien dringender gebraucht würden? Oder hatte sie nur Angst, daß die Ostmärker eine solche Befreiung nicht wie 1938 mit rund 99% Zustimmung quittieren würden?] Die ließ es doch tatsächlich zu, daß böse Nationalisten mit einem alten Bild von Philipp Veit daran erinnerten, daß auch Österreicher natürlich Deutsche waren - bis 1848 sogar an führender Stelle - und sind.

Und sie ließ es zu, daß ein Regisseur den Hofer-Stoff siebzig Jahre nach Trenker noch einmal neu verfilmte: Xaver Schwarzenberger heißt er, "Die Freiheit des Adlers" lautet der Titel, und ein echter Südtiroler, Tobias Moretti, spielt die Hauptrolle. Anfang September 2001 war er so gut wie fertig gedreht; und Dikigoros befürchtete schon, daß er aus dem Verkehr gezogen würde, noch bevor er ihn zu sehen bekäme; denn nach der umfangreichen Vorankündigung wollte Schwarzenberger Hofer als Idealisten darstellen, der für seine Heimat nur das Beste will und sie dennoch als unglücklicher Held in die Katastrofe führt - eine allzu deutliche Parallele zu einem anderen Ostmärker. Und auch Raffl sollte endlich einmal nachvollziehbar dargestellt werden: weder als Verräter und böser Judas noch als Deserteur und edler Kriegsgegner, sondern als jemand, der erst bei den Aufständischen mitmacht, aber nach dem Waffenstillstand einsieht, daß es nicht richtig ist, durch fortgesetzte Partisanen-Tätigkeit den Besatzern Anlaß zu Retaliations-Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung zu geben, sondern daß man sich besser mit den Siegern arrangiert. [Haben denn die Deutschen - und die Deutsch-Österreicher - in Ost und West nach 1945 etwas anderes getan? Als Kollaborateur wird man nur dann an die Wand gestellt, wenn die Gegner den Krieg später doch noch verlieren; sonst ist man ein ehrenwerter Verbündeter!]

Aber dann kam der 11. September 2001. In dem allgemeinen Bestreben, nur ja keine Muslim-Feindlichkeit zu schüren, sondern diese im Gegenteil mit allen Mitteln zu bekämpfen, den islamischen Terror zu relativieren und ihn gar mit christlichem Fanatismus gleich zu setzen, wurde das Drehbuch flugs umgeschrieben und der Film in sieben Wochen noch einmal herunter gedreht. Tenor: "Der Humanist Hofer hätte die Sache zu einem guten Ende geführt, hätte sein geliebtes Tirol nicht in Blut und Asche untergehen lassen, hätte noch rechtzeitig kapituliert, als alles zuende war..." Aber da war "ein fanatischer Fundamentalist, der Kapuzinerpater Joachim Haspinger, der einen Gottesstaat Tirol wollte, und dieser trieb den verzweifelten, zermürbten, desinformierten Hofer in die letzten sinnlosen Gefechte, die dann Napoleon zum brutalen Zurückschlagen herausforderten... So spricht Bin Laden noch heute." (Zitiert nach der offiziellen Homepage, die der Bayrische Rundfunk der "Freiheit des Adlers" gewidmet hat - zu finden als weiterführender Link auf "Die [un]schöne Welt der Illusionen".) Das, liebe Leser, ist infame Verleumdung und allerübelste Geschichtsklitterung, für die man die Verantwortlichen an die Wand stellen sollte, wegen Verharmlosung der islamischen Gefahr. Die Tiroler wollten keinen Gottesstaat à la Ķhomeinī, sie waren auch keine Fundamentalisten à la 'bn Lādin; sie wollten nur ihre Gottesdienste weiter abhalten dürfen wie gewohnt, was ihnen die - damals atheïstischen - Bayern und Franzosen verboten hatten. "Aber wollen wir nicht in der Schule dem moslimischen Mädchen das Kopftuch verbieten? Ist das nicht dasselbe?" fragt der Umschreiber des Drehbuchs weiter. Nein, Schwachkopf, das ist nicht das selbe! Die Parallelen, die da gezogen werden, sind geradezu absurd. Aber selbst wenn der Film inhaltlich besser gewesen wäre: Tobias Moretti war beim Publikum bereits anderweitig geprägt, nämlich als Dosenöffner von "Kommissar Rex", dem bekannten Fernseh-Wauwau, und er blieb denn auch noch blasser als es seine Rolle ohnehin schon vorsah. Wenn überhaupt ein Schauspieler aus Tirol in der Lage gewesen wäre, das - falsche - Bild des alten, graubärtigen Haudegens auf sich zu prägen, als der Hofer nach wie vor durch die Hinterköpfe der wenigen spukt, die ihn überhaupt noch kennen, dann wäre das wohl Dietmar Schönherr gewesen, denn seine Raffl-Eskapade war längst vergessen und vergeben, und zu einem tragischen Helden hätte man den tapferen Raumschiff-Kommandanten vielleicht gerade noch umprägen können. [Nein, der einzige andere Tiroler, den man heute in der BRDDR noch kennt, der mit Luis Trenker die Liebe zum Bergsteigen und die Verlogenheit gemeinsam hat (und die seltene Fähigkeit, das Vertrauen einer Leni Riefenstahl zu gewinnen, aber das ist eine andere Geschichte), kam nie in Frage: Erstens war der Yeti-Sucher kein Schauspieler, und zweitens wäre er nicht bereit gewesen, den Hofer zu spielen - egal unter welchem Vorzeichen -, denn für ihn ist Tirol weder österreichisch noch bayrisch, sondern ur-italienisch; und alle, die das anders sehen, sind in seinen Augen "Neo-Faschisten" - daß es im Gegenteil die italienischen Neo-Fascisten sind, die dort regelmäßig zur zweitstärkste Partei nach der südtiroler Volkspartei gewählt werden, um zu verhindern, daß es etwa eine Volksabstimmung über den Verbleib bei Italien geben könnte, scheint er erfolgreich verdrängt zu haben.] Genug, auch diese Chance wurde vertan.

Exkurs. Darf Dikigoros, da er es noch an keiner anderen Stelle getan hat, ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu historischen Persönlichkeiten in Geschichts-Filmen einfügen? Kann es sein, fragte ihn kürzlich ein Leser, daß die historische Wahrheit der Prägung solcher Persönlichkeiten abträglich ist, die ja doch größtenteils auf Mythisierung beruht? Nein, so generell kann man das nicht sagen. Jeder Spielfilm dieser Art beruht ja zunächst mal auf einem Gerippe mehr oder weniger genauer historischer Fakten. Die kann man nun in mehr oder weniger chronologischer Reihenfolge oder Sinn und Verstand an einander reihen - d.h. ohne sinnvollen Zusammenhang und ohne sinnvolle Unterbrechung -, oder man kann sie irgendwie verknüpfen, durch zumeist frei erfundene oder jedenfalls frei ausgemalte Szenen aus der persönlichen Perspektive des "Helden" oder "Anti-Helden". Das Geschick dieser Einfügungen entscheidet über Erfolg oder Mißerfolg solcher Prägungen - und darum ist der Regisseur hier wichtiger als der Drehbuch-Autor, wenn er denn nicht mit ihm identisch ist! Deshalb ist "Die Freiheit des Adlers" auch unabhängig seines historischen Wahrheitsgehalts (der vielleicht sogar höher ist als der anderer Verfilmungen, sicher höher als der von "Der Rebell") ein schlechter Film, denn die meisten Einschübe bringen nicht nur die Haupthandlung nicht voran - d.h. sie sind auch objektiv überflüssig -, sondern sie betreffen gar nicht Hofer & Co., sondern irgendwelche Nebenpersonen oder Nebenhandlungen. Da schenkt z.B. der bayrische Oberst einem kleinen Deserteur das Leben und stellt ihn als Burschen ein; dann hat er eine Romanze mit der Tochter des Bürgermeisters von Innsbruck. Der König von Bayern wird erst von Napoleon persönlich kritisiert, weil er den Tiroler Aufstand herauf beschworen habe, dann von seinem eigenen Sohn, weil er sich mit Napoleon eingelassen hat. Selbst wenn das alles so gewesen wäre - was Dikigoros bezweifelt - wen schert's? Um Hofer zu prägen - im Guten wie im Bösen - hätte es doch ein paar Einschübe mehr aus seiner Sicht der Dinge gebraucht, und wenn man sie hätte frei erfinden müssen - das wäre eine zulässige Interpretation seiner Rolle gewesen, ohne die ein Film über eine historische Persönlichkeit wertlos ist. Exkurs Ende.

Man mag sich damit trösten, daß es mit Hofers Gegenspieler Napoleon nicht besser aussieht. Anfang 2003 kam unter diesem Namen ein sechsstündiger Fernseh-Spielfilm - nach der Biografie von Max Gallo - heraus (eine deutsch-französisch-österreichisch-italienische Co-Produktion - viele Köche verderben den Brei :-). Trotz des immensen Kostenaufwands (80 Mio DM, der letzte Nagel im Sarg des untergehenden Kirch-Imperiums) erlitt sie das gleiche Schicksal wie ein Viertel Jahrhundert zuvor das ebenso überlange Opus "Wallenstein" mit Rolf Boysen in der Hauptrolle. Der Film war nicht nur grottenschlecht gemacht (viele Weibergeschichten - eine polnische Geliebte soll Napoleon zum Rußland-Feldzug verführt haben - und viel Schlachtenlärm, bei dem nur ausgesprochene Spezialisten für historische Uniformen überhaupt erkennen konnten, wer da gegen wen kämpfen sollte; weder der Tiroler Aufstand noch Andreas Hofer wurden auch nur mit einem Wort erwähnt), sondern auch in einem Maße fehl besetzt, daß das Scheitern vorprogrammiert war. Talleyrand und Murat waren bloße Karikaturen ihrer historischen Vorbilder - aber das war geschenkt im Vergleich zu den Hauptdarstellern: Christian Clavier und Gérard Depardieu als Napoléon Bonaparte und sein GeStaPo-Chef Fouché - das waren Asterix und Obelix aus der gleichnamigen Lachnummer, die gerade überall in Europa mit großem Erfolg gelaufen war! Im Ernst, liebe Leser - wenn Ihr da noch ernst bleiben könnt - wie sollen die in diesem Exkurs erwähnten historischen Personen jemals einen Schauspieler finden, der ihr Bild auf sich prägt, wenn beim Verfilmen so ein Pfusch abgeliefert wird?

[Andreas Hofer, der große 'Humanist'] [Der neue Nicht-Hofer: Tobias Moretti - Kommissar Rex läßt grüßen] [Bekam keine Chance: Ex-Raumschiff-Orion-Commander Dietmar Schönherr] [Der neue Nicht-Napoleon: Christian Clavier alias 'Asterix']

Nachtrag. Der Mythos Andreas Hofer scheint - ob mit oder ohne einen Schauspieler, der ihn endlich im Film überzeugend personifizieren könnte - in der Ostmark unausrottbar. Nach der Währungsreform von 2002 legte die RÖ erneut ein Gedenkmünzen-Programm auf, mit dem die Untertanen an ihre "National-Helden" erinnert werden sollten. Wer könnte das sein im 21. Jahrhundert? Na klar, große Musiker, die dort wirkten, wie Haydn, Beethoven, Mozart und Karajan - dem kann Dikigoros nur voll und ganz zustimmen. Dann die Vertreter beliebter Sportarten wie des Skilaufens - auch das kann man in einem Alpenland nachvollziehen - und des unvermeidlichen Fußballspiels. Nur auf dem Feld der Politik setzten sich die Damen und Herren von der "Münze Österreich" mit ihren Gedenkanlässen einmal mehr mehr als einmal voll in die Nesseln: Die katastrofale EU-Erweiterung um den halben Ostblock anno 2004, das hundertjährige Jubiläum der Wahlrechts-Reform unter Kaiser Franz-Joseph anno 1907 und... 200 Jahre "Tiroler Freiheit" - die es wie gesagt nie gegeben hatte - anno 2009; und wieder durfte das Konterfei eines Mannes auf keinen Fall fehlen: das des Andreas Hofer. (Und, was Dikigoros bei Münzen, Geldscheinen, Briefmarken oder wo sonst solche Gesichter auftauchen, immer besonders bemerkenswert findet: Diesen Namen braucht man nicht mal dazu zu schreiben, weil ihn auch so alle [er]kennen. Es mag Musik-Banausen geben, die nicht wissen, wer Mozart und Haydn waren - ein Salzburger, der im Austausch gegen Tirol vom Bayern zum Österreicher wurde, und ein Deutsch-Ungar - bzw. wie sie aussahen, doch bei ihrem bärtigen Zeitgenossen aus Tirol besteht da keine Gefahr - jedenfalls nicht in der RÖ; und im Ausland gelten Münzen mit einem Nennwert von mehr als 2 Teuro ja nicht :-)

Aber, liebe Leser, wie schon 1984 wollt Ihr daraus bitte keine falschen Rückschlüsse auf die Wertschätzung Hofers und der Tiroler durch die RÖ-Regierung ziehen. Wenn Ihr schon die Augenbrauen hoch gezogen haben solltet ob des "krummen" 175. Jahrestages, den man ja eigentlich nur feiert, wenn einem sonst partout kein "runder" einfällt, dann dürft Ihr Euch fragen, was man denn anno 2009 doppelt so hoch veranschlagte wie den 200. Jahrestag des Tiroler Aufstandes von 1809. Erinnert Ihr Euch aus einem anderen Kapitel dieser "Reise durch die Vergangenheit" an König Richard Löwenherz von England? Was geschah gleich mit dem, als er aus dem Heiligen Land zurück kehrte? Richtig, er wurde in Österreich gefangen genommen und auf Burg Dürnstein eingekerkert. Wann war das? Im Januar 1193. Na, wenn das keine Heldentat war! Und wenn einem so viel Gutes widerfährt, dann ist das schon einen... nein, da ist Dikigoros ein Werbespruch für Asbach Uralt aus den 1960er Jahren in die Tastatur gerutscht, jedenfalls war das der "Münze Österreich" zum 816. (!) Jahrestag eine 10-Euro-Gedenkmünze wert. (Aber das merkt Dikigoros nur an, um die Relationen ein wenig zurecht zu rücken :-)

Noch ein Nachtrag - auf Lesermail: Warum Dikigoros, wenn er nicht glaubt, daß Luis Trenker sich beim Kinopublikum als Andreas Hofer einprägen konnte, nicht einen anderen - sogar preisgekrönten - Film von und mit ihm vorgestellt hat, nämlich "Der Kaiser von Kalifornien". Dessen Hauptgestalt - den Johann August Sut[t]er - habe er doch mit Sicherheit geprägt, zumal dessen Geschichte - anders als die Hofers oder Napoleons - nie anderweitig verfilmt worden sei; und gerade über diesen Film finde man doch sonst im Internet so gut wie nichts, im Gegensatz zu all den Käsefilmen, die hier erwähnt sind...?

Darauf gibt es mehrere Antworten. Die erste lautet: Dikigoros kennt diesen Film gar nicht, jedenfalls nicht das Original von 1935, das - wie alle deutschen Filme aus der Zeit des "Dritten Reichs" - von den alliierten Besatzern Befreiern 1945 verboten wurde. Während einige alberne Klamotten lustige Komödien jedoch irgendwann wieder frei gegeben wurden, blieb "Der Kaiser von Kalifornien" dauerhaft als "anti-amerikanisch" verboten. Das wollte wiederum Trenker - der nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch Produzent, Drehbuchautor und Regisseur war - nicht hinnehmen; also schnitt er den Film völlig um auf "harmlos"; und nur diese kastrierte geläuterte Fassung kennt Dikigoros; so etwas bespricht er nur, wenn er einen Vergleich hat, und den hat er nicht. (Er würde allerdings vermuten, daß die Neufassung weder von den bösen Nazis als "staatspolitisch wertvoll" noch von den bösen Fascisten auf dem Filmfestival von Venedig 1936 als "bester ausländischer Film" ausgezeichnet worden wäre: Irgendwann in der Mitte wird auf einer Art Stummfilmtafel in dürren Worten mitgeteilt, daß "Californien in den Bund der Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen [...] ist." Und am Ende tröstet sich Sutter über den Verlust seines Reichs mit dem visionären Gedanken, daß es dafür ja bald die schönen neuen USA geben wird, mit Mega-Cities und riesigen Wolkenkratzern :-) Zweitens muß er gestehen, daß er über die Lebensgeschichte des echten Johann Sut[t]er zu wenig weiß, um eine fundierte Filmkritik abliefern zu können. Zwar hat er irgendwo einen alten Aufsatz aus den 1970er Jahren - also lange vor dem Internet-Zeitalter - gefunden, in dem behauptet wird, über keinen anderen Deutsch-Amerikaner sei so viel geschrieben worden wie über ihn. Mag ja sein; aber das meiste - von Zweigs "Eldorado" bis Kischs "Fort Sutter" - dürfte eher auf Fantasie als auf Fakten beruhen. Andere Werke, die dort genannt sind, hat Dikigoros nicht auftreiben können, insbesondere nicht Guddes "Neu-Helvetia" von 1934, auf das Trenkers Drehbuch zurück gehen soll. Gewiß wäre das eine faszinierende Geschichte vor dem so ziemlich interessantesten historischen Hintergrund, den die Mitte des 19. Jahrhunderts zu bieten hat (viel interessanter als die letztlich erfolglosen Revolutionen und Revolutiönchen, die damals in Europa statt fanden): Wie die USA Kalifornien den Mexikanern und Russen - und eben auch dem Schweizer Sut[t]er - entriß, wie der "Goldrausch" fast alles, was dort zuvor aufgebaut worden war, auf Jahr[zehnt]e hinaus zerstörte, und wie schäbig sich Washington D[istrict of] C[riminals] schon damals... aber halt, das fällt ja unter anti-amerikanisch, also bricht Dikigoros seine zweite Antwort an dieser Stelle ab. Die dritte ist die wichtigste, denn sie betrifft etwas Grundsätzliches, das der Schreiber jener Lesermail offenbar nicht verstanden hat. (Vielleicht hat er die Eingangsseite nicht gelesen, oder Dikigoros hat sich dort nicht klar genug ausgedrückt.) Es geht hier nicht um bestimmte Schauspieler, die irgendwelche historische Personen auf sich geprägt haben, sondern umgekehrt um bestimmte historische Personen, die von irgendwelchen Schauspielern auf sich geprägt worden sind. Und so faszinierend Johann Sut[t]er und seine Geschichte auch gewesen sein mag - den kennt heute niemand mehr. (Was man so unter "kennen" versteht :-) Damit eine historische Person im Filmzeitalter "bekannt" wird oder bleibt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie ist ohnehin bekannt - dann ist letztlich egal, wer ihr Bild im Film prägt - es wird immer wieder Versuche geben, eine Umprägung durch Neuverfilmungen vorzunehmen. (Dikigoros hat Napoleon explizit erwähnt, da er nun mal mit Hofers Leben - und Tod - zu tun hatte; aber er könnte noch viele andere Personen nennen.) Oder aber sie ist durch einen Film erst bekannt gemacht bzw. der Vergessenheit entrissen worden - auch dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Wenn aber auch letzteres nicht gelingt - und Trenkers "Der Kaiser von Kalifornien" ist das in Bezug auf Sut[t]er eben nicht gelungen -, dann ist Hopfen und Malz verloren; dann macht es auch keinen Sinn, wenn Dikigoros einen solchen mißglückten Versuch bespricht. Wohlgemerkt: "Der Rebell" war ein mißglückter Versuch, Hofer cinematografisch auf Trenker zu prägen; aber dem Andenken Hofers an sich hat das keinen Abbruch getan, ebenso wenig wie die anderen mißglückten Versuche davor und danach. Und nur das wollte dieser Exkurs aufzeigen - wofür er eigentlich viel zu lang geraten ist. (Aber das hat er ja mit anderen Exkursen auf Dikigoros' Filmseiten gemeinsam :-)

Und noch etwas fällt Dikigoros dazu ein: Dem Johann Sut[t]er sind weder in Kalifornien noch sonstwo jemals Denkmäler errichtet worden - obwohl die USA damit doch immer recht schnell bei der Hand sind. Manchmal sind sie indes ebenso schnell mit dem Abreißen. In den 2020er Jahren fielen der "cancel culture" binnen kurzem alle möglichen Denkmäler - selbst solche auf einstige National-Helden wie George Washington, Abraham Lincoln und Teddy Roosevelt - zum Opfer (Dikigoros schreibt darüber an anderer Stelle mehr.) Auch die Deutschen - einschließlich der "Österreicher" - sind bei der Demontage ihrer Helden und ihrer Denkmäler bekanntlich nicht zimperlich. (Der Beispiele sind so viele, daß Dikigoros auf diesbezügliche Links verzichtet, sonst käme er vom Hölzchen aufs Stöckchen.) Aber die Denkmäler eines Helden stehen bis heute unterschütterlich: die auf Andreas Hofer. (Wie die in Frankreich auf Napoleon ja auch - diese letzte Parallele kann sich Dikigoros einfach nicht verkneifen :-)


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