*Man darf Dwinger wohl glauben, daß diese Übernahme nicht ganz so "freiwillig" erfolgte wie einige seiner Gegner das heute mutmaßen. So wie die kriegsgefangenen Elsässer und Lothringer 1945 von den Franzosen vor die Wahl gestellt wurden, sich entweder "freiwillig" zur Fremdenlegion, d.h. für die Kolonialkriege in Indochina usw., zu melden oder aber als "Kriegsverbrecher" ermordethingerichtet zu werden, so wurden die deutschen Kriegsgefangenen in Rußland 1917 von den "Weißen" vor die Wahl gestellt, entweder "freiwillig" in ihren Reihen gegen die "Rote Armee" mit zu kämpfen, oder aber der "tschechischen Legion" ausgeliefert zu werden, was für deutsche und österreichische Kriegsgefangene - zumal für Offiziere - das sichere Todesurteil
bedeutete; 600.000 von ihnen, die sich nicht "freiwillig" meldeten, wurden ermordetkamen um. (Dwinger nannte später die Zahl von "rund 1 Million" - wohlgemerkt nicht während des "Dritten Reichs", sondern nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Zensur eine leichtfertige "Verunglimpfung" der Kriegsgegner nicht ohne weiteres geduldet hätte. Gleichwohl ist diese Zahl nicht glaubhaft: Insgesamt gerieten an der Ostfront - wo die Neigung, sich gefangen nehmen zu lassen, eher gering war, wenn man nicht gerade wie Dwinger schwer verwundet war - "nur" 700.000 Deutsche und Deutsch-Österreicher in Gefangenschaft. Darüberhinaus verlor Österreich-Ungarn noch einmal so viele Gefangene anderer Nationalität - allein bei der Brussilow-Offensive 1916 ca. 400.000. Dabei handelte es sich jedoch meist um unzuverlässige tschechische Truppen, von denen z.T. ganze Regimenter geschlossen die Waffen nieder legten. Dies bleibt festzuhalten, auch und gerade nachdem die Universität Wien 2009 das 500 Seiten lange Geschreibsel eines politisch-korrekten SchmierfinkenGutmenschen über "das militärische Verhalten der Tschechen im Ersten Weltkrieg" als Dissertation angenommen hat, der anhand "geheimer Akten" festgestellt haben will, daß es sich dabei lediglich um "böswillige Verleumdungen aus der Zwischenkriegszeit" gehandelt habe; tatsächlich hätten die Tschechen tapfer bis zur letzten Patrone gekämpft - demnach müßten also alle Aussagen von Dwinger u.a. Zeitzeugen frei erfunden sein und die "Tschechische
Legion" nie existiert haben. Wie dem auch sei, von den Tschechen in russischer Kriegsgefangenschaft kamen relativ wenige um.)
**Berichte über die Freikorpskämpfe im Baltikum hatten damals eine kurze Konjunktur; wenig später kam zum selben Thema noch "Der Mann ohne Vaterland" von Gertrud v. Brockdorff auf den Markt. Dieser wurde zusammen mit Dwingers "Die letzten Reiter" von Ernst v. Salomon zu einem Drehbuch für den Film "Menschen ohne Vaterland" umgearbeitet, der im Juni 1937 in die Kinos kam, aber kühl aufgenommen und kein kommerzieller Erfolg wurde.
***Dwinger wurde später vorgeworfen, daß dieses Buch - wie schon "Die letzten Reiter" - "national-sozialistisches Gedankengut" enthalte. Dieser Vorwurf zeugt von Oberflächlichkeit und Unkenntnis. Dwinger zeigt in beiden Büchern deutlich seine Sympathien für die Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter und Rudolf Berthold sowie für den Führer der weißrussischen Truppen im Baltikum, Paul Bermondt (Fürst Awalow). Hitler hatte dagegen nie einen Hehl daraus gemacht, daß er die Kämpfe der Freikorps sowohl im Baltikum gegen die Sowjets als auch im Ruhrgebiet gegen die Franzosen für eine sinn-, da aussichts-lose Verschwendung von Menschen und Material hielt. Im "Dritten Reich" ließ man zwar den von der "Weimarer Republik" initiierten Kult um Leutnant Schlageter zähneknirschend weiter zu; aber Hauptmann Berthold - 1919 Führer der "Eisernen Schar" im Baltikum, 1920 von Spartakisten ermordet - wurde bereits damals tot geschwiegen, obwohl er nach Richthofen und Udet der erfolgreichste deutsche Kampfflieger des Ersten Weltkriegs war, mit mehr Abschüssen als etwa Boelcke und Immelmann, die selbst noch in der BRD-Luftwaffe bis in die 1970er Jahre als Vorbilder gefeiert wurden. Oberst Awalow - der bis 1933 als Exilant in Deutschland geduldet wurde (ein verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Asyl gab es noch nicht) - ließ Hitler kurz nach seinem Regierungsantritt abschieben. (Er ging, tief enttäuscht, erst nach Jugo-Slawien, dann in die USA, wo er das Heer der Feinde Deutschlands vergrößerte.) Auch mit seinen in jenen Büchern geäußerten Plänen bezüglich der Sowjetunion - sie spätestens 1940 anzugreifen, aber nicht um sie zu erobern, sondern um sie zu befreien - saß Dwinger sowohl 1939 als auch 1941 gefährlich zwischen alle Stühlen. Zu allem Überfluß machte er auch noch deutlich, wen er für den eigentlich Schuldigen am Sieg des Bolschewismus im ehemaligen Tsarenreich im allgemeinen und für den Verlust des deutschen Baltikums im besonderen hielt: Hitlers geliebte Engländer. Dazu bedurfte es einer gehörigen Portion Zivilcourage. (Man stelle sich vor, ein Untertan der BRDDR würde es wagen, Türken-Wulffs geliebte Muslime als schlimmste Gefahr für den Weltfrieden im allgemeinen und als größte Feinde Deutschlands im besonderen zu bezeichnen - sein Buch würde sofort verboten, und er selber würde wegen "Volksverhetzung" für mehrere Jahre ins Gefängnis gesteckt, ggf. mittels nachträglich verhängter "Sicherheitsverwahrung" lebenslänglich!) Zwar war die Zensur im "Dritten Reich" noch nicht so streng wie später in der BRDDR (sondern, ganz im Gegenteil, vergleichsweise tolerant, worauf auch Dwingers jüdischer Schriftsteller-Kollege Colin Ross wiederholt hinwies), aber in solch krassen Fällen drohte, wenn nicht Einweisung ins Konzentrationslager, so doch zumindest Publikationsverbot. Dwinger hatte das Glück, daß ein ihm wohlgesonnener höherer Beamter in Goebbels' Propaganda-Ministerium den Druck befürwortete, und so wurde er schließlich trotz erheblicher Bedenken genehmigt. Daß man Dwinger in diesem Zusammenhang schließlich noch eine "einwandfreie national-sozialistische Gesinnung" bescheinigte, war weiter nichts als eine Floskel, die damals unter jeder positiven Beurteilung sowohl von Büchern als auch von Menschen stand, wie jeder, der im "Dritten Reich" Beamter war, noch wissen müßte. Dwingers wahre Gesinnung ist im Rückblick schwer zu erkennen, da er seine Bücher für breite Leserkreise schrieb und die handelnden Personen daher sehr heterogen zusammen setzte, um ihnen ebensolche Ansichten in den Mund zu legen, von denen sich keine unbedingt als seine eigene aufdrängt. Von seinen "Baltikumern" äußert nur ein einziger seine Bewunderung für Hitler und den Wunsch, nach Abschluß der Kämpfe der NSDAP beizutreten, alle übrigen haben andere Pläne; und wiewohl er den meisten von ihnen anti-semitische Parolen in den Mund legt, trägt der heimliche Held seiner Freikorps-Bücher, "Feinhals", eindeutig jüdische Züge; entsprechend unbeliebt ist er auch; aber wiederholt zeigt sich, daß es ohne ihn nicht geht. Dwingers "Lieblingsgestalt in der Geschichte" war offenbar General Yorck - was ihm unter den National-Sozialisten ebenfalls wenig Freunde gemacht haben dürfte, zumal nachdem sich einer von dessen Nachfahren am Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt hatte, ebenso wie die Freunde des von Dwinger gleichfalls mit Sympathien bedachten Generals v. Seeckt aus dem "Solf-Kreis". (Dikigoros teilt Dwingers Bewunderung für Yorck durchaus, freilich aus ganz anderen Gründen als dem Abschluß der Konvention von Tauroggen, die er für keine besondere Heldentat hält: Die drängte sich förmlich auf in der damaligen Konstellation - die russischen Truppen auf der Gegenseite wurden ebenfalls von deutschen Offizieren kommandiert -, hätte sich aber zu keiner Zeit auf das 20. Jahrhundert übertragen lassen, wie Dwinger zu glauben schien. Seeckt wurde wohl - ebenso wie General Ludendorff, eine weitere Sympathie-Figur Dwingers - nur durch die Gnade des frühen Todes davor bewahrt, auch persönlich dem Kreis der Hitler-Attentäter anzugehören und hingerichtet zu werden.) Im übrigen fällt auf, daß Dwinger in seinen Büchern durchweg über "Verlierer" schrieb. Mit einiger Sicherheit kann man nur annehmen, daß ihm unter all diesen Verlierern dreie besonders am Herzen lagen: sein Vaterland, sein Mutterland und seine Pferde. (Er läßt eine seiner Romanfiguren auf die Frage, was ein Land sei, antworten: "Seine Geschichte, seine Landschaft, seine Frauen, seine Kinder, seine Pferde... und seine Toten!")
****Nach dem Krieg wurden abenteuerliche Märchen über Dwingers SS-Dienstgrade verbreitet: Das SED-Organ Neues Deutschland behauptete 1948, Dwinger sei Oberführer (Brigadegeneral) gewesen; die taz führte ihn 2003 immerhin noch als Obersturmbannführer (Oberstleutnant). Tatsächlich entsprach der "Sonderführer" im Rang dem Leutnant bzw. dem Untersturmführer der Waffen-SS. (Dwinger war 1941 auf Veranlassung Himmlers kurz an die Waffen-SS-Division Wiking "ausgeliehen".) Dabei spielte es keine Rolle, ob jemand bei der "zivilen" SS oder SA einen höheren Dienstgrad hatte, zumal wenn dieser lediglich ehrenhalber verliehen worden war.
*****Die "Sühne" betrug 1.500.- DM, was - einen Monat nach der Währungsreform, bei der jeder Bürger mit gerade mal 40.- DM "Startguthaben" ausgestattet worden war - nicht wenig war. Neues Deutschland behauptete wahrheitswidrig, Dwinger sei nur zu 1.500.- RM verurteilt worden - was 150.- DM entsprochen hätte - und gab sich darob äußerst empört.
******Angeblich wollte Dwinger damit Henning v. Treskow, einem der Mitverschwörer des Grafen
Schenk von Stauffenberg,
ein literarisches Denkmal setzen; dessen Witwe habe sich das jedoch verbeten, weshalb er seine Hauptperson in "Pleskow" umbenannte. Das ist indes wenig glaubhaft: Ganz abgesehen davon, daß die Handlung des Buchs dafür kaum etwas her gibt, bekundet Dwinger zwar durchaus Sympathien für einige Verschwörer (von denen er neben Stauffenberg neun weitere namentlich erwähnt) und zieht die Lauterkeit ihrer Motive nicht in Zweifel - jedenfalls läßt er den damals heftig diskutierten Bruch des Eides auf Hitler nicht als Gegenargument gelten -; er macht aber auch deutlich, daß das ganze Unterfangen von Anfang an aussichtslos war, zumal die Alliierten, die man zuvor informiert hatte, eine Unterstützung verweigert hatten, da sie nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland kämpften. Ob Dwinger das ganze Ausmaß dieser Aussichtslosigkeit bekannt war, ist allerdings fraglich, insbesondere ob er wußte, daß
Churchill
die Verschwörer der Reichsregierung ans Messer lieferte, indem er ihr die Liste der Beteiligten in die Hände spielen ließ - die Zensur hätte es unmöglich gemacht, ein solches etwaiges Wissen zu veröffentlichen. Ebensowenig hätte die Zensur zugelassen, die Sinnlosigkeit der Verschwörung darzulegen: Hätte das Attentat vom 20. Juli 1944 Erfolg gehabt und hätte die Wehrmacht unmittelbar danach gegenüber den Westalliierten kapituliert, so wären die Deutschen mit hoher Wahrscheinlichkeit von den US-Amerikanern ausgerottet worden, denn damals war
Roosevelt noch am Leben und der
Kaufman-Morgenthau-Plan
noch in Kraft. Bis heute wäre es unmöglich, in einer BRDDR-Publikation zu thematisieren, daß nur die Niederschlagung des Juli-Putsches und die damit verbundene Verlängerung des Krieges über Roosevelts Tod hinaus die Deutschen vor diesem Schicksal bewahrte. Dwinger legt einer seiner Romanfiguren die - nach dem Krieg weit verbreitete - Illusion in den Mund, man hätte gegenüber den West-Alliierten kapitulieren und mit diesen gemeinsam Europa vor den Sowjets retten können; ob er das selber glaubte, ist zweifelhaft, da er immer wieder die Konferenzen von Casablanca und Jalta erwähnt, die dem entgegen standen; auch den Morgenthau-Plan erwähnt er, wenngleich nur am Rande; ebenso deutet er die Ermordung von Millionen deutscher Kriegsgefangener durch die USA an, die er in Gegensatz stellt zu der überaus korrekten Behandungen der westalliierten Kriegsgefangenen durch das Deutsche Reich, das sich peinlich genau an die (lediglich von der Sowjet-Union nicht anerkannte) Genfer Konvention hielt. Beides sind Themen, die in der heutigen BRDDR tabu sind; Dwingers Buch ist zwar (noch) nicht offiziell verboten, aber alle in öffentlichen Bibliotheken befindlichen Exemplare wurden in den 1970er Jahren verbrannt"aussortiert". Dazu dürften auch Sätze beigetragen haben, die heute aktueller denn je sind, wie der folgende: "Heute ist den Diktatoren jedenfalls die Hauptsache, daß in jedem Satz das Wort Demokratie vorkommt - mit ihm schmückt sich die Tyrannei besonders gern - aber das ist auch ungefähr das einzige, was sie von den alten Tyranneien unterscheidet." Dieser Satz mag damals noch gestimmt haben - inzwischen ist er infolge der viel umfangreicheren technischen Möglichkeiten, deren sich Diktaturen heute bedienen können, überholt: Selbst die schlimmsten Diktatoren der Vergangenheit könnten den DiktatorenDemokraten der Gegenwart nicht das Wasser reichen.
*******Damit will Dikigoros nicht behaupten, daß es allein am späten Zeitpunkt lag: Dwingers Werke sind denen v. Salomons sowohl inhaltlich als auch sprachlich-stilistisch deutlich unterlegen; er schrieb eher wie ein Kriegsberichterstatter, dabei mit romanhafter Breite und im Alter deutlich nachlassend - während Salomon bis zuletzt brillant auf gleich hohem Niveau schrieb. Dwinger selber empfand das freilich anders; er übernahm z.B. in "Auf halbem Wege" aus Salomons "Die Geächteten" das Kapitel über das Ende der "Eisernen Schar" und schrieb es um - wohl in dem Glauben, es damit verbessert zu haben.
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