Edwin Erich Dwinger, 1940
Am 30. März 1282, um die Vesperzeit des zweiten Osterfeiertages, erhob sich das Volk von Palermo gegen die Franzosen, die Sizilien unter Karl von Anjou widerrechtlich beherrschten. In wenigen Stunden wurden in Palermo 4.000 französische Edle umgebracht, aber man schonte auch ihrer Frauen und Kinder nicht, alles wurde vom rasenden Volk aus den Häusern geholt, in den Straßen unter mannigfachen Martern zu Tode gebracht. Wie eine Flamme fraß sich das Morden durch das ganze Land, von diesem Zeitpunkte ab datiert die Regierung Peters III. von Aragon. Auch hier sorgte eine Art Proskriptionslisten für die Ausmerzung aller Franzosenfreunde, der Aufstand selbst aber ging als "Sizilianische Vesper" in die Geschichte ein.
Am 23. August 1572 beschloß Katharina von Medici, die Königinmutter des damaligen Frankreichs, die führenden Huguenotten mit einem Schlage zu vernichten. Sie hatte zur Hochzeit ihres Sohnes alle großen Protestanten nach Paris geladen, die Proskriptionen wurden in diesem Falle durch die Gästelisten ersetzt. Um Mitternacht läuteten plötzlich die Sturmglocken; ehe die meisten der Huguenotten ganz erwacht, trafen sie auch schon die Dolche der Schergen; als erster fiel ihr genialer Führer Admiral Collignon. Man stürzte sie aus den Fenstern, trieb mit den Leichen seinen Spott. 20.000 Menschen fielen dieser Tat im ganzen Lande zum Opfer, die Geschichte aber gab ihr den Namen "Bartholomäusnacht".
Am 3. September 1939, am dritten Tage des Polnischen Krieges, verkündete Warschau einen Rundruf. Es hieß darin nur kurz, daß Anweisung Nr. 59 sofort durchzuführen sei. Es war in Wirklichkeit die geheime Aufforderung dazu, schon lange bestehende Proskriptionen durchzuführen. Nach diesem Rundruf stürzte sich das polnische Volk, von seinen Soldaten samt ihren Offizieren dazu angetrieben, auf alle Deutschen, ermordete innerhalb weniger Tage 60.000 Menschen. Nur wenige von ihnen wurden erschossen, die meisten wurden tierisch erschlagen, auch Leichenschändungen kamen in großer Anzahl vor. Unter welchem Namen wird diese Tat in die Geschichte eingehen? Wie wird die Menschheit sie einstmals nennen?
Der deutsch-katholische Pfarrer von der
Herz-Jesu-Kirche in Bromberg beim stillen Gebet vor den Leichen ermordeter
Bromberger Volksdeutschen. |
Wie sich an heißen Tagen schon das kommende Gewitter verrät, lag eine merkwürdig dumpfe Spannung in der Luft. Seit Monaten schon hatten die Deutschen unter polnischen Ungesetzlichkeiten gelitten, jetzt aber wurde im Verhalten der Polen noch ein Neues spürbar: Warum blickten sie plötzlich so seltsam auf die Deutschen, warum sprachen selbst gute Bekannte nicht mehr mit ihnen? Wohl hatte man in Bromberg morgens noch ungestört zur Kirche gehen können, wenn man nicht gerade hörbar deutsch miteinander sprach, hatte höchstens auf den Straßen singenden Soldatenzügen ausweichen müssen, aber die meisten Deutschen kamen doch unbelästigt wieder in ihre Häuser. So saßen sie denn sonntäglich gekleidet in ihren Zimmern, lagen an den Rändern der Stadt aber Gärten um ihre Häuser, saßen sie auch wohl in den kleinen Gartenpavillons, während die Kinder die Tische zum Mittagessen deckten.
Wohl hatte man schon vom ersten Kriegstag an viele erneut verhaftet, in erster Linie natürlich die bekannten Führer der volksdeutschen Bewegungen, Klagen über den Vollzug dieser Internierungen hatte man jedoch bisher nicht vernommen, da diese Verhafteten meist nicht aus den Gefängnissen zurückgekehrt waren, man über ihr weiteres Ergehen also nur Mutmaßungen anstellen konnte. Würde es vielleicht zu einem neuen Grenzzonengesetz kommen, nachdem das erste schon so viele von ihnen enterbt hatte? So saßen die Bürger weiterhin verschwiegen an ihren Radioapparaten, hörten mit klopfenden Herzen die deutschen Sender, die Berichte vom schnellen Vormarsch des deutschen Heeres. Es geht nur mehr um Stunden, sagten die einen, dann werden auch wir hier befreit! Und wenn es selbst noch ein paar Tage dauert, meinten die andern, im großen ganzen ist unsere Leidenszeit zu Ende...