Militärischer Widerstand und
Attentate auf Adolf Hitler

Patriotismus oder Verrat?

(von N. Dikigoros)

Der Deutsch-Österreicher Adolf Hitler hatte 1924 in "Mein Kampf" geschrieben: "Wenn durch die [...] Regierungsgewalt ein Volkstum dem Untergang entgegen geführt wird, dann ist die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht."*

Am 30. Januar 1933 war Hitler von Reichspräsident Paul v. Hindenburg zum Reichskanzler berufen worden. Er hatte eine "Regierung der nationalen Einheit" gebildet, die sich nach vielen Jahren der Präsidialkabinette unter Heinrich Brüning, Franz v. Papen und Schleicher erstmals wieder auf eine parlamentarische Mehrheit stützen konnte, nämlich eine große Koalition aus NSDAP, DVP (v. Papen) und DNVP (Hugenberg).

Hitler hatte stets versprochen, die Fesseln des Friedensdiktats von Versailles zu brechen, zu denen auch die Begrenzung des deutschen Heeres (Reichswehr) auf 100.000 Mann gehörte. Er verfügte bereits über eine para-militärische Kampftruppe in Form der "Sturmabteilungen (SA)" in Millionenstärke unter Ernst Röhm, die allerdings von der Reichswehrführung als Konkurrenz empfunden wurde. 1934 ließ sich Hitler von diversen Reichswehr-Generälen bestimmen, diese Konkurrenz zu beseitigen; in der "Nacht der langen Messer" (30. Juni 1934) wurden Röhm u.a. SA-Führer liquidiert. Die Reichswehr war damit zufrieden und hielt nun zunächst einige Jahre still.

1935 erklärte Hitler die Bestimmungen des Versailler Vertrages für hinfällig und begann mit dem personellen Ausbau der Reichswehr, der vor allem für die Berufsoffiziere mit einer noch nie dagewesenen Beförderungswelle verbunden war, die bei vielen Betroffenen unverhohlene Sympathien für Hitler und den National-Sozialismus weckte. Dagegen blieb die materielle Ausstattung der nun "Wehrmacht" genannten Streitkräfte - allen gegenteiligen Beteuerungen Hitlers und Propagandalügen seines Ministers Joseph Goebbels zum Trotz, die ständig "Kanonen statt Butter" im Munde führten - praktisch auf dem Niveau des Ersten Weltkriegs (1914-1918) stehen; dies galt insbesondere für Infanteriewaffen, Panzer und U-Boote. Eine echte Aufrüstung fand in Deutschland zunächst nicht statt. Seit Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges (1936-39) wurde wenigstens die deutsche Luftwaffe allmählich an internationales Niveau heran geführt.

Im Laufe des Jahres 1938 kam es zu außenpolitischen Spannungen zwischen dem Reich und der Tschecho-Slowakei, wo die deutschen (und anderen Minderheiten) unter eklatantem Verstoß gegen das in Versailles lautstark verkündete "Selbstbestimmungsrecht der Völker" brutal unterdrückt wurden. Im Sommer schien eine militärische Auseinandersetzung unmittelbar bevor zu stehen. Der Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Ludwig Beck, hatte richtig erkannt, daß England, Frankreich und die Sowjet-Union (die bereits in Bündnis-Verhandlungen standen) einen etwaigen Einmarsch deutscher Truppen ins Sudentenland zum Anlaß nehmen könnten, dem Reich den Krieg zu erklären, und daß die Wehrmacht für einen solchen in keiner Weise gerüstet war, während ihre Kriegsgegner seit 1937 massiv aufgerüstet hatten. Da er dies nicht verantworten wollte, trat er im August von seinem Posten zurück und begann, einen Staatsstreich zu planen, im Zuge dessen Hitler durch ein Attentat "beseitigt" werden sollte. Beck, der sich selber als Staatspräsident vorgesehen hatte, hielt auch Kontakt zum zivilen Widerstand unter Carl Friedrich Goerdeler, der als Reichskanzler vorgesehen war. Zusammen mit Beck und Goerdeler erarbeitete der Chef des Allgemeinen Heeresamts, General Friedrich Olbricht, die "Walküre-Pläne", mit denen die Verschwörer sich beim Umsturz die vollziehende Gewalt sichern wollten. (Diese Planungen erfolgten weder aus innenpolitischen, religiösen, moralischen oder sonstigen "Gewissensgründen", sondern allein aus außenpolitischen, militärischen Erwägungen und Sorge um Deutschland; man kann also nicht von einem Verrat sprechen. Beck & Co. versuchten auch nicht, Hitler zu politischen und militärischen Fehlentscheidungen zu verleiten und verrieten keine militärischen Planungen an die Kriegsgegner, wie dies der zwielichtige Leiter der deutschen Spionageabwehr, Admiral Wilhelm Canaris tat, für dessen Verhalten auch ihm wohlgesonnene Historiker keine schlüssigen patriotischen Argumente finden können.) Nachdem die Westmächte Ende September 1938 im "Münchner Abkommen" der Abtretung des Sudentenlandes zugestimmt hatten, um noch mehr Zeit für ihre Aufrüstung zu gewinnen, war Beck und seinen Mitverschwörern mangels augenscheinlicher Kriegsgefahr zunächst der Wind aus den Segeln genommen.

Im Januar 1939 beschloß das britische Kabinett in geheimer Sitzung, bei nächster sich bietender Gelegenheit Krieg gegen Deutschland zu beginnen. Diese Gelegenheit ergab sich im September 1939, als deutsche und sowjetische Truppen in Polen einmarschierten, das nach dem Ersten Weltkrieg gewaltsam weite Gebiete an sich gerissen hatte, deren Mehrheiten (Deutsche, Litauer, Russen, Ukrainer und Juden, die in Polen zu Minderheiten wurden) es brutal unterdrückte. England und Frankreich erklärten dem Deutschen Reich - nicht aber der Sowjet-Union - den Krieg. Nach der schnellen Niederwerfung Polens (durch das Reich und die SU) sowie Estlands, Lettlands, Litauens und Finnlands (durch die SU), während der sich die Westmächte nicht zu militärischen Aktionen an der deutschen Westgrenze hatten aufraffen können, zeichnete sich jedoch noch nicht notwendigerweise ein neuerlicher Weltkrieg ab, so daß den Verschwörern erneut der Wind aus den Segeln genommen war. Auch nach Hitlers militärischen Erfolgen der Jahre 1940 (Eroberung Skandinaviens, der BeNeLux-Staaten und Frankreichs) und 1941 (Eroberung des Balkans, des Baltikums, Weißrußlands und der Ukraine) war an einen Staatsstreich noch nicht zu denken.

Mit der Kriegswende 1942/43 (Schlacht von Stalingrad, Verlust Nordafrikas, Abfall Italiens) änderten sich die Voraussetzungen. Im Herbst 1943 forderte Olbricht den Oberstleutnant Claus Graf Schenk v. Stauffenberg für das Heeresamt an, der entschlossen war, in den folgenden Monaten ein Attentat auf Hitler zu unternehmen. Auch Generalmajor Henning v. Tresckow drängte angesichts der aussichtslosen militärischen Situation Deutschlands nach der erfolgreichen Invasion der Alliierten in Frankreich (Juni 1944) zur Ermordung Hitlers, um dem In- und Ausland zu zeigen, "daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat". (Angesichts der - allgemein bekannten - alliierten Forderung nach bedingungsloser Kapitulation seit der Konferenz von Casablanca mag dieses Ansinnen zwar naïv gewesen sein, aber noch nicht notwendigerweise verbrecherisch.) Um die Alliierten von der Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens zu überzeugen, übermittelten Olbricht & Co. den Briten eine Liste der beteiligten Verschwörer. (Dies muß man nicht notwendigerweise als Verrat auslegen, aber zumindest als Versagen in der Beurteilung der Kriegsziele der Alliierten im allgemeinen und Churchills im besonderen. Churchill bezeichnete Hitler bei seinem Ziel, das Deutsche Reich zu vernichten, als seinen wertvollsten Verbündeten, nach dessen Beseitigung bei den Engländern Kriegsmüdigkeit um sich zu greifen drohte; er würde daher alles tun, um Hitler ggf. zu warnen und ihm die Verschwörer auszuliefern.)

Nachdem mehrere Anschläge gescheitert waren - meist durch persönliches Versagen der versuchten Attentäter -, deponierte Stauffenberg - inzwischen Oberst und Stabschef des ebenfalls in die Pläne des Widerstands eingeweihten Befehlshabers des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm - am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" bei Rastenburg (Ostpreußen) bei einer Lagebesprechung mit Hitler eine Bombe an einem Tischbein. Um jedoch sein eigenes wertvolles Leben (er war ein schwer kriegsversehrter Krüppel) nicht zu gefährden (er wollte stellvertretender Kriegsminister werden), verließ er den Raum, bevor die Bombe detonierte und meldete seinen Mitverschwörern auf gut Glück das Gelingen des Attentats. (Dieses Verhalten läßt sich nicht anders als "verbrecherisch" nennen, denn ohne diese Falschmeldung hätte der - aussichtslose - Staatsstreich, der fast alle Beteiligten das Leben kostete, noch abgeblasen werden können.) Als bekannt wurde, daß Hitler den Anschlag - nur leicht verletzt - überlebt hatte, war der Umsturzversuch de facto gescheitert. Noch am selben Abend verriet Fromm seine Mitverschwörer, ließ sie verhaften und in der folgenden Nacht standrechtlich erschießen, um seine eigene Beteiligung zu vertuschen. Die Generäle Beck und Stülpnagel - die noch unfähiger als Stauffenberg waren, d.h. nicht einmal in der Lage, erfolgreich Selbstmord zu begehen - wurden später ebenfalls erschossen. Andere Verschwörer wurden - nachdem Churchill Hitler die Liste der Beteiligten zugespielt hatte - vor dem Volksgerichtshof angeklagt, verurteilt und hingerichtet, darunter auch Fromm.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galten die Verschwörer und Attentäter zunächst - nicht nur in Deutschland - pauschal als meineidige Verräter und Verbrecher. Im Laufe der Jahrzehnte wurde versucht, sie ebenso pauschal zu "Patrioten" und "Helden des Widerstands" aufzubauen. Eine differenzierende Beurteilung der einzelnen Personen und ihrer Motive steht bis heute aus. Bei objektiver Betrachtung wird man jedoch nicht umhin kommen, die meisten von ihnen als "Versager", "Verräter" und/oder "Verbrecher" anzusehen.


*Wahrscheinlich ist dies einer der Sätze, ob derer das Buch in der BRDDR noch immer verboten ist. Sollte das Berliner Regime etwa selber der Meinung sein, daß diese Aussage heute aktueller ist als 1924 und selbst 1944?


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