SIE KOENNEN NICHT, ODER SIE WOLLEN NICHT ANDERS !


Vergleich:

EIN HOEHEPUNKT GUNDELSHEIMER SKANDALGESCHICHTE

Beleuchtung des Rummels um das Buch von Lucian Boia auf dem Hintergrund der Abgruendigkeiten des "Siebenbuergen"-Handbuchs


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Historische Staetten. Siebenbuergen (Kroeners Taschenbuchausgabe: Bd.330), hg. von Harald Roth., 11 Karten, 22 Stadtplaene, Stuttgart 2003.

            Herausgeber moechte mit diesem Buch ein „neues“, „schluessiges Bild“ der historischen und Kulturlandschaft Siebenbuergen geliefert haben, doch bei naeherer Betrachtung tritt Ernuechterung an die Stelle solch hochtrabenden Wunschdenkens. Das „Bild“ ist weder „neu“, noch „schluessig“, weil dem Konzept, also der Programmatik des Herausgebers und dessen engstem Gesinnungskreis weder wissenschaftliches Ethos, noch damit verbundene geschichtswissenschaftliche Verantwortung, noch Objektivitaet zugrunde liegt. Stattdessen auf Schritt und Tritt Konfrontation, zu gut deutsch „Bekaempfung“, die erklaerte „Auseinandersetzung mit Teilen der rumaenischsprachigen Historiographie“, die ihre ideologische Belastung nicht hinterfrage und durch „Selbstreferenzialitaet“ „wissenschaftlicher Soliditaet“ verlustig sei (S. X). Womit Herausgeber den anmassenden und uebertriebenen Anspruch dieses Buches als gemeinsame Anstrengung“ reklamiert, der ethnischen und kulturellen Vielfalt des historischen, aber auch des heutigen Siebenbuergen gerecht geworden zu sein. Herausgeber behauptet ferner, mit diesem Buch „drei Nationalhistoriographien“ ueberwunden zu haben, die in „Abgrenzung voneinander entstanden“ und „“zwei, drei oder noch mehr Darstellungsweisen der Geschichte einzelner Orte und Ereignisse“ lieferten. Es sei „nicht nur ein neues, sondern auch erst ein in sich schluessiges Bild entstanden“ (S. X). Wie voreilig auch dieses Statement des Herausgebers ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass hier zwei Qualitaetsebenen national-nationalistisch-chauvinistischer Historiographie vermengt erscheinen: zum einen die „Geschichtenschreibung“, deren Gegenstand die Staatsnation im Sinne des 19. und 20. Jahrhunderts ist, zum anderen die Ebene engstirniger, lokalpatriotisch-provinzieller, „landsmannschaftlicher“ Mythenbildung.
Dieses „Handbuch“ steht durchgehend fuer die verengte und verengende, auf Auseinandersetzung gemuenzte Sichtweise, die der Herausgeber und eine Anzahl von Mitarbeitern nicht vor den Makeln und Unzulaenglichkeiten, mit einem Wort, vor eben der Unwissenschaftlichkeit feit, deren sie „Teile der neueren rumaenischsprachigen Historiographie“ lautstark bezichtigen. Weil sie eine zumindest ebenso tiefgreifende Hypothek von Ideologie und Selbstreferenzialitaet mit sich herumschleppen. Das aeussert sich in einer eigentlichen Neuauflage geschichtsrevisionistischer und kulturimperialistischer Sichtweisen, die in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, verstaerkt im 2. Weltkriegs des Wiener „Schiedsspruchs“ den ungarisch- und deutschsprachigen Geschichts- und Kulturbetrieb in Gestalt der „Volks- und Kulturboden“-Doktrin bestimmten und beherrschten.

            Allerdings bedient dieses Buch in anderer Weise als der aggressive, plumpe und mit simplistisch-unbedarften Billigargumenten ueberfrachtete Diskurs der „Volks- und Kulturbodenforschung“ einen Diskurs raffinierter Anspielungen und Understatements, der dem Publikum vermitteln moechte, dass Siebenbuergen nur von der einen und durch die eine Seite ein Jahrtausend lang „historisch gepraegt“ wurde (S. X), was besagen will, dass die andere Seite hier nichts zu melden habe, und wenn, dann einzig und allein im Prokrustesbett des „uniformierenden Druck vermeintlicher einheitlicher Nationalstaaten“ (S. X). Und um das Mass an Arroganz und Überheblichkeit, an heuchlerischer Zweigleisigkeit zum Überlaufen zu bringen, setzt Herhausgeber noch eine kroenende Portion seiner ideologischen Unterstellungen drauf: er spricht seine „Hoffnung“ aus, dass die „tausendjaehrige“, Vielfalt foerdernde Kulturhaftigkeit, Bestand haben wird gegenueber der Kulturlosigkeit des „uniformierenden Druck(s) vermeintlich einheitlicher Nationalstaaten“ (S. X).

            Angesichts dieser Sachlage kommen ernsthafte Zweifel auf, ob dieses „Handbuch“ im Zeitalter des zusammenwachsenden Europa und der europaeischen Erweiterung entstand und nicht etwa die Neuauflage eines Produkts nationaler und chauvinistischer Gehaessigkeiten und Übergriffe der Jahre 1940-1944 ist? Die Gegensaetzlichkeit zwischen dem erwuenschten Bestand von tausendjaehriger „historischer Praegung„ und suggeriertem Wegbleiben solcher Praegung verraet die klischeehafte Horrorvision eines der Kulturlosigkeit preisgegebenes Siebenbuergen. Denn das „Kulturbringertum“ die „Kulturleistung“ und der „kolonisierte Raum“ der einen Seite darf der „Kulturlosigkeit“, dem Durcheinander, dem rumaenischen „Klientel- und Schmiergeldwesen“ (S. LXIV), der „uniformierenden“ Nationalideologie unter keinen Umstaenden preisgegeben werden ! Was zu unserem Bedauern den von der „Volks- und Kulturboden“-Doktrin vertretenen, vorurteilbeladenen Mythen des „Kulturbringertums“, der kulturellen „Leistung“, der „Kolonisierung“, der Angleichung des kulturellen Gefaelles an „westeuropaeische“ Standards haargenau entspricht.

            Damit ist ein weitere Makel des „Handbuchs“ erfasst: der eindeutige Unwillen, „Teilen der neueren rumaenischsprachigen Historiographie“ und dem „uniformierenden Druck vermeintlicher Nationalstaaten“ wissenschaftlichen Verstand und Verstaendnis entgegenzubringen und zumindest zu konzedieren, dass hinter diesen beiden Äusserungsformen der berechtigte Wunsch eines zu sich selbst findenden, nach der Ausformung seiner eigenen geschichtlichen Identitaet strebenden Volkes stecken koennte, das es leid ist, nur als Objekt westlicher Kolonisierung gehandelt zu werden.

            Dem unzeitgemaessen, weil auf sturer Ablehnung, auf durchgaengiger Handhabung von Klischees und Stereotypen beruhenden Kulturbild des Herausgebers und seiner Gesinnungsgenossen muss weiterhin bescheinigt werden, zu selbstkritischer Distanz unfaehig zu sein, um abwaegen zu koennen, wo sie dem Bild und sich sich selbst Grenzen auferlegen sollten. Auf dieser Unfaehigkeit beruht die Grundhaltung des „Handbuchs“, den eigenen Voelkern bzw. Nationen und ihrer Kulturtradition das Recht nationaler und kultureller Behauptung und Ausstrahlung schrankenlos zuzugestehen, hingegen die rumaenische Kulturueberlieferung, weil eine typisch suedost- und osteuropaeische „Holzkultur“ und auf das Stereotyp des „dominante(n) Lebensmodells der Transhumanz“ aufgebaut (S. XXIII, XXVIII, XXXI) als minderwertig abzuqualifizieren.

            Auch ist es bar jeder wissenschaftlichen und historiographischen Vernunft, ausser dem bereits genannten typischen Stereotyp der „transhumanten“, also nicht sesshaften, unherstreunenden kulturlosen „wlachischen“ Schafhirten, Stereotypen wie „menschenleere(s) Land“, „duenne Besiedlung“ (S. XXV, XXX), „Halbierung der Bevoelkerung“ (=Bevoelkerungsschwund infolge der Einfaelle innerasiatischer Voelker, wie die Mongolen 1241/42) (S. XXVIII-XXIX) zu bedienen, ganz zu schweigen von den „in den Norden der Donau zuwandernden romanischsprachigen Wlachen“ (S. XXIII-XXIV) oder der „ab dem 13. Jahrhundert oestlich und suedlich der Karpaten „erfolgten“ Abwanderung grosser wlachischer Gruppen sowohl nach Siebenbuergen, [...], als auch in betraechtlichem Umfang ins Komitat Temesch und ins Severiner Banat“ (S. XXXI).
Die Haltung des Herausgebers im „Vorwort“ kommt also in der „Geschichtlichen Einfuehrung“ (S. XIX-LXXI) auf ihre volle Rechnung. Zwar ist dieser 49-Seiten starke Text unsigniert, traegt aber den unverkennbaren Fingerabdruck von Meinolf Arens, Konrad  Guendisch und Harald Roth. In Verbindung mit der in einem Sonderabschnitt abgehandelten „Siebenbuergischen Frage“, was wohl „Siebenbuergen-Frage“ haette heissen sollen, lautet der kroenende Abschluss, „bestehende (Landes)Grenzen [wuerden doch] von niemandem in Frage gestellt werden“, „wo doch die demographischen Verhaeltnisse eindeutig sind“ (S. XXIV). Diese Aussage ist bodenlos, weil vollgepackt mit kultureller Nachtraeglichkeit (Ressentiment) und damit im Gleichklang zu den ebenfalls rueckwaertsgewandten, wehleidigen Hoffnungsbeteuerungen des Herausgebers, die „historische Praegung“, die Siebenbuergen durch das 1000-jaehrige Stephansreich erfuhr, moege erhalten bleiben. Man vermeint wohl auf diese Weise dem Vorwurf des Revisionismus vorgebeugt zu haben. Es wird uebersehen, dass die Botschaft dieses Buches der Revisionismusverdaechtigung schwerlich entgeht, weil auf breiter Ebene zugunsten der einen Seite kraeftig revidiert wird. Die rumaenische Seite ist es, der wiederum Versagen vorgeworfen wird, weil sie allein es angeblich zu verantworten habe, den „Streit ueber die Kontinuitaet oder Migration“ „mit dogmatischer Kompromisslosigkeit gefuehrt“ zu haben, „die selten wissenschaftliches Niveau erreicht(e)“ (S. XXIII). Womit die blanke Unwissenschaftlichkeit der einen Seite suggeriert wird; was die andere Seite in hochwissenschaftlicher Gediegenheit erstrahlen laesst. So verwundert die Behauptung Arens’scher Praegung nicht, dass „Die anerkannte Wissenschaft ausserhalb Rumaeniens“ sich [angeblich] im wesentlichen fuer die zweite Erklaerung, die Migrationstheorie, entschieden“ habe (S. XXIV). Reinstes Wunschdenken ! Das liegt auf der Linie des „Siebenbuergen-Instituts“ in Gundelsheim/Neckar, das in seinem verzweifelten Kampf um Legitimation und Anerkennung wohl grosse Hoffnungen in dieses „Handbuch“ setzt. Der Aufwand und die eingesetzten Mittel sind typisch fuer diese Anstalt, die ihr Bestehen und Treiben einzig und allein der Subventionierung aus dem bundesrepublikanischen Steuersaeckel verdankt. Dem Ringen nach Anerkennung ist auch die Notiz auf der Impressum-Seite zuzuschreiben: „Das Handbuch der Historischen Staetten Siebenbuergen ist am Siebenbuergen-Institut in Gundelsheim/Neckar entstanden“. Damit soll also sichergestellt sein, dass die ertraeumten „Verdienste“ dieses Buches ja nicht falsch zugeordnet werden. Dem Legitimationsdrang entspringt auch die Formulierung des Klappentextes, Harald Roth leite das „Siebenbuergen Institut an der Universitaet Heidelberg“. Damit soll dem Ganzen der Touch akademischer Glaubhaftigkeit (=Seriositaet, Soliditaet) verpasst werden. All das entspricht durchaus der Grossspurigkeit dieses „Instituts“ und dem ueberaus vollen Mund seiner „wissenschaftlichen“ Leitung, die sich nicht zum ersten Mal auf diese Weise gebaerdet.

Ein letztes Wort ueber die Rezeption des „Handbuchs“ durch das bundesrepublikanische, vor allem durch das jungakademische Publikum. Zum rechten Verstaendnis des suggestiven, mit Anspielungen und Understatements operierenden Diskurs Roths und gesinnungsgenossen bedarf es schon eines Hintergrundwissens, das eher bei denen vorauszusetzen ist, die im siebenbuergischen Kontext aufgewachsen und/oder sich mit diesem jahrelang auseinandergesetzt haben. Es besteht also durachaus die Gefahr, der Hinterhaeltigkeit dieses hintergruendigen Diskurses auf den Leim zu gehen, was ja auch die insgeheime Intention des Konzeptes ist, das dem "Siebenburgen"-Handbuch zugrunde liegt.

            Dieses „Handbuch“ bestaetigt einmal mehr unsere seit 1996 auf den „Kritischen Blaettern zur Geschichtsforschung und Ideologie“, vor allem auf den Seiten der „Akte Gundelsheim“ vorgebrachten Beanstandungen und Kritikpunkte am Gundelsheimer „Wissenschafts“-Betrieb. Die gravierenden Fehlgriffe und Übertreibungen dieses „Institut“Handbuchs boeten ebensoviel Anlass zum Leisertreten, doch von der „Kompetenz“, die nicht anders will, weil sie einfach nicht anders kann, kann weder heute noch in der Zukunft eine andere „Qualitaet“ erwartet werden. Selig seien die UNBELEHRBAREN !



Datei: Sie koennen.html         Erstellt: 19.01.2004     Geaendert:03.08.20076      Webmaster, Autor und  © Klaus Popa


 
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