Herausgeber moechte mit diesem Buch ein „neues“, „schluessiges Bild“ der
historischen und Kulturlandschaft Siebenbuergen geliefert haben, doch bei
naeherer Betrachtung tritt Ernuechterung an die Stelle solch hochtrabenden
Wunschdenkens. Das „Bild“ ist weder „neu“, noch „schluessig“, weil dem
Konzept, also der Programmatik des Herausgebers und dessen engstem Gesinnungskreis
weder wissenschaftliches Ethos, noch damit verbundene geschichtswissenschaftliche
Verantwortung, noch Objektivitaet zugrunde liegt. Stattdessen auf Schritt
und Tritt Konfrontation, zu gut deutsch „Bekaempfung“, die erklaerte „Auseinandersetzung
mit Teilen der rumaenischsprachigen Historiographie“, die ihre ideologische
Belastung nicht hinterfrage und durch „Selbstreferenzialitaet“ „wissenschaftlicher
Soliditaet“ verlustig sei (S. X). Womit Herausgeber den anmassenden und
uebertriebenen Anspruch dieses Buches als gemeinsame Anstrengung“ reklamiert,
der ethnischen und kulturellen Vielfalt des historischen, aber auch des
heutigen Siebenbuergen gerecht geworden zu sein. Herausgeber behauptet
ferner, mit diesem Buch „drei Nationalhistoriographien“ ueberwunden zu
haben, die in „Abgrenzung voneinander entstanden“ und „“zwei, drei oder
noch mehr Darstellungsweisen der Geschichte einzelner Orte und Ereignisse“
lieferten. Es sei „nicht nur ein neues, sondern auch erst ein in sich schluessiges
Bild entstanden“ (S. X). Wie voreilig auch dieses Statement des Herausgebers
ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass hier zwei Qualitaetsebenen national-nationalistisch-chauvinistischer
Historiographie vermengt erscheinen: zum einen die „Geschichtenschreibung“,
deren Gegenstand die Staatsnation im Sinne des 19. und 20. Jahrhunderts
ist, zum anderen die Ebene engstirniger, lokalpatriotisch-provinzieller,
„landsmannschaftlicher“ Mythenbildung.
Dieses „Handbuch“ steht durchgehend fuer die verengte
und verengende, auf Auseinandersetzung gemuenzte Sichtweise, die der Herausgeber
und eine Anzahl von Mitarbeitern nicht vor den Makeln und Unzulaenglichkeiten,
mit einem Wort, vor eben der Unwissenschaftlichkeit feit, deren sie „Teile
der neueren rumaenischsprachigen Historiographie“ lautstark bezichtigen.
Weil sie eine zumindest ebenso tiefgreifende Hypothek von Ideologie und
Selbstreferenzialitaet mit sich herumschleppen. Das aeussert sich in einer
eigentlichen Neuauflage geschichtsrevisionistischer und kulturimperialistischer
Sichtweisen, die in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts,
verstaerkt im 2. Weltkriegs des Wiener „Schiedsspruchs“ den ungarisch-
und deutschsprachigen Geschichts- und Kulturbetrieb in Gestalt der „Volks-
und Kulturboden“-Doktrin bestimmten und beherrschten.
Allerdings bedient dieses Buch in anderer Weise als der aggressive, plumpe und mit simplistisch-unbedarften Billigargumenten ueberfrachtete Diskurs der „Volks- und Kulturbodenforschung“ einen Diskurs raffinierter Anspielungen und Understatements, der dem Publikum vermitteln moechte, dass Siebenbuergen nur von der einen und durch die eine Seite ein Jahrtausend lang „historisch gepraegt“ wurde (S. X), was besagen will, dass die andere Seite hier nichts zu melden habe, und wenn, dann einzig und allein im Prokrustesbett des „uniformierenden Druck vermeintlicher einheitlicher Nationalstaaten“ (S. X). Und um das Mass an Arroganz und Überheblichkeit, an heuchlerischer Zweigleisigkeit zum Überlaufen zu bringen, setzt Herhausgeber noch eine kroenende Portion seiner ideologischen Unterstellungen drauf: er spricht seine „Hoffnung“ aus, dass die „tausendjaehrige“, Vielfalt foerdernde Kulturhaftigkeit, Bestand haben wird gegenueber der Kulturlosigkeit des „uniformierenden Druck(s) vermeintlich einheitlicher Nationalstaaten“ (S. X).
Angesichts dieser Sachlage kommen ernsthafte Zweifel auf, ob dieses „Handbuch“ im Zeitalter des zusammenwachsenden Europa und der europaeischen Erweiterung entstand und nicht etwa die Neuauflage eines Produkts nationaler und chauvinistischer Gehaessigkeiten und Übergriffe der Jahre 1940-1944 ist? Die Gegensaetzlichkeit zwischen dem erwuenschten Bestand von tausendjaehriger „historischer Praegung„ und suggeriertem Wegbleiben solcher Praegung verraet die klischeehafte Horrorvision eines der Kulturlosigkeit preisgegebenes Siebenbuergen. Denn das „Kulturbringertum“ die „Kulturleistung“ und der „kolonisierte Raum“ der einen Seite darf der „Kulturlosigkeit“, dem Durcheinander, dem rumaenischen „Klientel- und Schmiergeldwesen“ (S. LXIV), der „uniformierenden“ Nationalideologie unter keinen Umstaenden preisgegeben werden ! Was zu unserem Bedauern den von der „Volks- und Kulturboden“-Doktrin vertretenen, vorurteilbeladenen Mythen des „Kulturbringertums“, der kulturellen „Leistung“, der „Kolonisierung“, der Angleichung des kulturellen Gefaelles an „westeuropaeische“ Standards haargenau entspricht.
Damit ist ein weitere Makel des „Handbuchs“ erfasst: der eindeutige Unwillen, „Teilen der neueren rumaenischsprachigen Historiographie“ und dem „uniformierenden Druck vermeintlicher Nationalstaaten“ wissenschaftlichen Verstand und Verstaendnis entgegenzubringen und zumindest zu konzedieren, dass hinter diesen beiden Äusserungsformen der berechtigte Wunsch eines zu sich selbst findenden, nach der Ausformung seiner eigenen geschichtlichen Identitaet strebenden Volkes stecken koennte, das es leid ist, nur als Objekt westlicher Kolonisierung gehandelt zu werden.
Dem unzeitgemaessen, weil auf sturer Ablehnung, auf durchgaengiger Handhabung von Klischees und Stereotypen beruhenden Kulturbild des Herausgebers und seiner Gesinnungsgenossen muss weiterhin bescheinigt werden, zu selbstkritischer Distanz unfaehig zu sein, um abwaegen zu koennen, wo sie dem Bild und sich sich selbst Grenzen auferlegen sollten. Auf dieser Unfaehigkeit beruht die Grundhaltung des „Handbuchs“, den eigenen Voelkern bzw. Nationen und ihrer Kulturtradition das Recht nationaler und kultureller Behauptung und Ausstrahlung schrankenlos zuzugestehen, hingegen die rumaenische Kulturueberlieferung, weil eine typisch suedost- und osteuropaeische „Holzkultur“ und auf das Stereotyp des „dominante(n) Lebensmodells der Transhumanz“ aufgebaut (S. XXIII, XXVIII, XXXI) als minderwertig abzuqualifizieren.
Auch ist es bar jeder wissenschaftlichen und historiographischen Vernunft,
ausser dem bereits genannten typischen Stereotyp der „transhumanten“, also
nicht sesshaften, unherstreunenden kulturlosen „wlachischen“ Schafhirten,
Stereotypen wie „menschenleere(s) Land“, „duenne Besiedlung“ (S. XXV, XXX),
„Halbierung der Bevoelkerung“ (=Bevoelkerungsschwund infolge der Einfaelle
innerasiatischer Voelker, wie die Mongolen 1241/42) (S. XXVIII-XXIX) zu
bedienen, ganz zu schweigen von den „in den Norden der Donau zuwandernden
romanischsprachigen Wlachen“ (S. XXIII-XXIV) oder der „ab dem 13. Jahrhundert
oestlich und suedlich der Karpaten „erfolgten“ Abwanderung grosser wlachischer
Gruppen sowohl nach Siebenbuergen, [...], als auch in betraechtlichem Umfang
ins Komitat Temesch und ins Severiner Banat“ (S. XXXI).
Die Haltung des Herausgebers im „Vorwort“ kommt
also in der „Geschichtlichen Einfuehrung“ (S. XIX-LXXI) auf ihre volle
Rechnung. Zwar ist dieser 49-Seiten starke Text unsigniert, traegt aber
den unverkennbaren Fingerabdruck von Meinolf Arens, Konrad
Guendisch
und Harald Roth. In Verbindung mit der in einem Sonderabschnitt abgehandelten
„Siebenbuergischen Frage“, was wohl „Siebenbuergen-Frage“ haette heissen
sollen, lautet der kroenende Abschluss, „bestehende (Landes)Grenzen [wuerden
doch] von niemandem in Frage gestellt werden“, „wo doch die demographischen
Verhaeltnisse eindeutig sind“ (S. XXIV). Diese Aussage ist bodenlos, weil
vollgepackt mit kultureller Nachtraeglichkeit (Ressentiment) und damit
im Gleichklang zu den ebenfalls rueckwaertsgewandten, wehleidigen Hoffnungsbeteuerungen
des Herausgebers, die „historische Praegung“, die Siebenbuergen durch das
1000-jaehrige Stephansreich erfuhr, moege erhalten bleiben. Man vermeint
wohl auf diese Weise dem Vorwurf des Revisionismus vorgebeugt zu haben.
Es wird uebersehen, dass die Botschaft dieses Buches der Revisionismusverdaechtigung
schwerlich entgeht, weil auf breiter Ebene zugunsten der einen Seite kraeftig
revidiert wird. Die rumaenische Seite ist es, der wiederum Versagen vorgeworfen
wird, weil sie allein es angeblich zu verantworten habe, den „Streit ueber
die Kontinuitaet oder Migration“ „mit dogmatischer Kompromisslosigkeit
gefuehrt“ zu haben, „die selten wissenschaftliches Niveau erreicht(e)“
(S. XXIII). Womit die blanke Unwissenschaftlichkeit der einen Seite suggeriert
wird; was die andere Seite in hochwissenschaftlicher Gediegenheit erstrahlen
laesst. So verwundert die Behauptung Arens’scher
Praegung nicht, dass „Die anerkannte Wissenschaft ausserhalb Rumaeniens“
sich [angeblich] im wesentlichen fuer die zweite Erklaerung, die Migrationstheorie,
entschieden“ habe (S. XXIV). Reinstes Wunschdenken ! Das liegt auf der
Linie des „Siebenbuergen-Instituts“ in Gundelsheim/Neckar, das in seinem
verzweifelten Kampf um Legitimation und Anerkennung wohl grosse Hoffnungen
in dieses „Handbuch“ setzt. Der Aufwand und die eingesetzten Mittel sind
typisch fuer diese Anstalt, die ihr Bestehen und Treiben einzig und allein
der Subventionierung aus dem bundesrepublikanischen Steuersaeckel verdankt.
Dem Ringen nach Anerkennung ist auch die Notiz auf der Impressum-Seite
zuzuschreiben: „Das Handbuch der Historischen Staetten Siebenbuergen ist
am Siebenbuergen-Institut in Gundelsheim/Neckar entstanden“. Damit soll
also sichergestellt sein, dass die ertraeumten „Verdienste“ dieses Buches
ja nicht falsch zugeordnet werden. Dem Legitimationsdrang entspringt auch
die Formulierung des Klappentextes, Harald Roth leite das „Siebenbuergen
Institut an der Universitaet Heidelberg“. Damit soll dem Ganzen der Touch
akademischer Glaubhaftigkeit (=Seriositaet, Soliditaet) verpasst werden.
All das entspricht durchaus der Grossspurigkeit dieses „Instituts“ und
dem ueberaus vollen Mund seiner „wissenschaftlichen“ Leitung, die sich
nicht zum ersten Mal auf diese Weise gebaerdet.
Ein letztes Wort ueber die Rezeption des „Handbuchs“ durch das bundesrepublikanische, vor allem durch das jungakademische Publikum. Zum rechten Verstaendnis des suggestiven, mit Anspielungen und Understatements operierenden Diskurs Roths und gesinnungsgenossen bedarf es schon eines Hintergrundwissens, das eher bei denen vorauszusetzen ist, die im siebenbuergischen Kontext aufgewachsen und/oder sich mit diesem jahrelang auseinandergesetzt haben. Es besteht also durachaus die Gefahr, der Hinterhaeltigkeit dieses hintergruendigen Diskurses auf den Leim zu gehen, was ja auch die insgeheime Intention des Konzeptes ist, das dem "Siebenburgen"-Handbuch zugrunde liegt.
Dieses „Handbuch“ bestaetigt einmal mehr unsere seit 1996 auf den „Kritischen Blaettern zur Geschichtsforschung und Ideologie“, vor allem auf den Seiten der „Akte Gundelsheim“ vorgebrachten Beanstandungen und Kritikpunkte am Gundelsheimer „Wissenschafts“-Betrieb. Die gravierenden Fehlgriffe und Übertreibungen dieses „Institut“Handbuchs boeten ebensoviel Anlass zum Leisertreten, doch von der „Kompetenz“, die nicht anders will, weil sie einfach nicht anders kann, kann weder heute noch in der Zukunft eine andere „Qualitaet“ erwartet werden. Selig seien die UNBELEHRBAREN !