Freddy Quinn

Der Junge von St. Pauli (Video*) (Audio**)

(Kehrreim:)
Der Junge von St. Pauli [*hat die ganze/**der hat die] Welt geseh'n
In jedem fremden Hafen [*wollte/**wollt'] er vor Anker geh'n
Die Sehnsucht trieb ihn weiter, er glaubte an sein Glück
Doch es führten alle Wege nach St. Pauli zurück.

Wir spielten schon als Kinder Kapitän und Steuermann
Die Elbe bei St. Pauli war unser Ozean
In Altona am Fischmarkt, ja da kannten wir uns aus***
Aber dann, mit 16 Jahren, fuhr ich auf's große Meer hinaus.****

Kehrreim

Ich kannte mal ein Mädchen, wir liebten uns so sehr
Ich glaubte, daß das Mädchen für mich mein Schicksal wär'
Doch sie hat mich verlassen, sie war zulang' allein
Die Seefahrt und die Treue können selten Freunde sein.

Kehrreim

Instrumental


... nach St. Pauli zurück.


***Ich mich nicht, so merkwürdig mir das im Rückblick erscheint. Darf ich etwas weiter ausholen? Ich bin ein echter Hamborger Jong; ich habe (fast) die ganze Welt geseh'n, aber ich bin nie zur See gefahren.
Mein Urgroßvater und meine Urgroßonkeln großmütterlicherseits waren Fischer; aber schon in der nächsten Generation fuhr nur noch einer aus der Familie zur See, der älteste Bruder meiner Oma - in der Kriegsmarine - und in der übernächsten Generation nur noch ein Vetter meines Vaters - in der Handelsmarine. Er glaubte an sein Glück, brachte es bis zum Offizier, seinen Eltern von jeder großen Fahrt exotische Souvenirs und sich selber eine Afrikaanerin als Braut mit. (Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung; wir Kinder staunten sie mit weit aufgerissenem Mund an; und sie meinte mit spöttischem Lächeln: "Ihr habt wohl geglaubt, alle Afrikanerinnen wären dunkelhäutig und sprächen nur Kisuaheli, was?" Sie war groß, blond und blauäugig; und ihr leichter afrikaanser Zungenschlag fiel in Norddeutschland kaum auf.)
Aber dann, in den 1960er Jahren, setzte die Globalisierung ein - sie begann im Schiffbau und in der Seefahrt: Während die Bundesregierung jedes Jahr 'zig Millionen DM Entwicklungshilfe an Südkorea zahlte - das davon seine Werftindustrie aufbaute -, ließ der jüdische Finanzsenator Weichmann die Schlieker-Werft - Hamburgs größten Arbeitgeber - eiskalt über die Klinge springen. (Er trieb die Schlieker KG 1962 durch die Verweigerung der Bürgschaft für einen Wechsel über läppische 7 Millionen DM in den Konkurs. Aber die von ihren Gewerkschaftsbonzen total verblödeten Arbeiter vergaßen schnell: 1966 wählten sie das korrupte Sozischwein sogar zum Bürgermeister! Nur 7 Wochen nach seiner Wahl wurden die restlichen Hamburger Werften zwangsfusioniert und de facto verstaatlicht, denn hinter der verbliebenen Worthülse "Howaldtswerke" stand in Wahrheit die Salzgitter AG, ein 100%iger Staatsbetrieb; die Produktion wurde ab 1967 schrittweise nach Kiel verlagert.) Aber es kam noch dicker: [Nicht nur] Deutsche Handelsschiffe wurden "ausgeflaggt" in Steueroasen wie Griechenland, Panama und Liberia; die Mannschaften wurden zunehmend von Philippinos u.a. Exoten gestellt. Der Onkel wollte es nicht wahrhaben; er glaubte fest, das "Führungspersonal" werde immer deutsch bleiben. 1970 - das Jahr, in dem diese Platte herauskam - erwischte es ihn dann doch. Ich weiß noch, wie verbittert er war - er hatte gerade gebaut und sich entsprechend verschuldet; es war klar, daß er das Haus nicht würde halten können, denn für eine Umschulung war er zu alt. Soviel zur Seefahrt. Ich glaube übrigens nicht, daß man dabei allzuviel von der Welt sieht. In jedem noch so fremden Hafen sind die Hafenviertel doch mehr oder weniger gleich - und was sieht man beim mehr oder weniger kurzen Landurlaub sonst schon groß? Die Leute, die man da trifft, sind wohl meist Kneipenwirte und Prostituierte...
Nicht, daß man beim Fliegen, im Auto oder beim Pauschalurlaub mit Landsleuten mehr von der Welt sähe; ich habe es immer so gehalten, daß ich mir meine Reiseziele auf Schusters Rappen erschloß, und um mich von einem zum anderen zu begeben die Bahn benutzte. So lernt man am besten die Einheimischen kennen, ihre Speisen und Getränke, hört, was sie reden oder - wenn man ihre Sprache denn nicht versteht - was sie singen.
****Mein Vater ist auch mit 16 Jahren von Zuhause fort, aber nicht, um zur See zu fahren, sondern um eine Berufsausbildung in Süddeutschland zu machen - das war für einen Jungen von der Waterkant schon so gut wie Ausland; und für ein Kind armer Eltern war die Ausbildungsstätte wie ein Märchenschloß.

(Später hat er dann noch einiges mehr von der Welt gesehen - darunter auch mehrere Hafenstädte -; doch das war unfreiwillig und weniger märchenhaft, und da es keinen Bezug zu Hamburg hat, lasse ich es hier weg - schreibe darüber aber an anderer Stelle)
Ich bin in einer Ruinenstadt aufgewachsen. (Hamburg war stärker zerstört als Berlin, Dresden oder Köln, da die Briten gleich am Tag ihrer Kriegserklärung mit den Terrorbombardements auf die Wohngebiete begannen; in Hamburg gab es den ersten "Feuersturm" des 2. Weltkriegs - aber da war ich noch nicht geboren.) Mir war das allerdings nicht bewußt - ich kannte es ja nicht anders, fand es also ganz normal; außerdem wurde ja allenthalben schon wieder fleißig aufgebaut, besser als es vor dem Krieg gewesen war. (Wie sagte mein Vater, als ich ihn mal nach seinen Kindheitserinnerungen an Hamburg fragte? "An die Armen- und Elendsviertel von damals möchte ich garnicht zurückdenken!") Einwohner von Blankenese u.a. feinen Stadtteilen mögen das anders empfunden haben; aber die habe ich nie persönlich kennengelernt. Für mich war viel wichtiger, daß ich nie hungern mußte - was keineswegs selbstverständlich und vor allem dem Geschick meiner Mutter zu verdanken war, für ein Minimum an Geld ein Maximum an Kalorien auf den Tisch zu bringen. (Das machte damals eine gute Köchin aus, nicht irgendwelcher Schnickschnack à la haute cuisine! Es gab auch keine haute couture; die meisten Frauen nähten sich ihre Kleider selber - meine Mutter auf einer alten Singer-Nähmaschine -; und für Kinder war es selbstverständlich, gebrauchte Sachen von Verwandten und Bekannten "aufzutragen".) Das war ein täglicher Kampf. Die Lebensmittelkarten waren zwar seit 1950 abgeschafft, aber es gab noch längst nicht immer alles, was man gerne gegessen hätte, schon garnicht zu erschwinglichen Preisen. (In den 1950er Jahren gaben die Menschen - nicht nur in Deutschland - mehr als 50% ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus.) Und wenn man mal etwas entdeckte, das gut und billig war, konnte man es auch nicht gleich en gros auf Vorrat kaufen, denn elektrische Kühlschränke gab es noch nicht (jedenfalls nicht bei uns), geschweige denn Tiefkühltruhen; und auf einen "Eisschrank", der - vor allem im Sommer - voraussetzte, daß der "Eismann" täglich vorbeikam (der mit den Eisblöcken, nicht der mit dem Speiseeis!) wollte sich meine Mutter nicht verlassen; da kaufte sie lieber täglich frisch ein. (Wenn es verbilligte "Knickeier" gab, dann hätte auch ein Kühlschrank nichts genutzt - die mußten ja sofort verbraucht werden, d.h. es gab Omelette bis zum Abwinken, und aus den übrigen buk sie einen Kuchen.) Und sie nahm mich von klein auf zu allen Einkäufen mit. (Ich habe, lange bevor ich eingeschult wurde, gelernt zu lesen - als erstes das "₰" für "Pfennig" [uralte Abkürzung für "denarius"] -, zu zählen und zu rechnen.) Ich erinnere mich noch heute an jeden kleinen Krämerladen (nein, man sagte nicht "Tante-Emma-Laden"! Bitte trotzdem anklicken; ich schreibe dort in der Fußnote einiges mehr, was ich hier auslasse), in dem sie Kundin war - es gab ja noch keine Supermärkte, wo man alles auf einmal kaufen konnte; man mußte praktisch für jede Warengruppe woanders hin -, nur an Eines nicht: an den Fischmarkt in Altona.
[Also hier kein Bild]
Dabei waren wir bestimmt jede Woche dort. (Ich bin in Hamburg-Altona geboren und habe dort gelebt, bis wir aus Hamburg weggezogen sind.) Denn meine Mutter war - wie die Freddys - gebürtige Ostmärkerin (über ihr Heimatdorf schreibe ich hier etwas) und somit katholisch; und sie hielt auch in der Diaspora streng an ihren Bräuchen fest, d.h. sie ritzte in den Boden eines jeden Brotlaibs, bevor sie ihn anschnitt, Kreuze; und Freitags gab es Fisch. Samstags auch - mit Brot "gestreckte" Frikadellen aus den Resten -; Fleisch gab es nur Sonntags (Hammelbauch mit Wirsingkohl, Schweinebauch mit Rotkohl, Schweinebacke mit Grünkohl, Schweinepfötchen mit Sauerkraut oder Würstchen mit Kartoffelsalat); unter der Woche gab es Nudeln (die machte meine Mutter selber, ebenso Semmelknödel aus alten Rundstücken, Nockerln u.a. Mehlspeisen) mit Tomatensoße, Milchreis mit Zimt und Zucker, Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Spiegelei o.ä.; manchmal gab es auch bloß Brot mit Griebenschmalz. (Das machte sie ebenfalls selber, aus Schweinefett - Bauch und Flomen 1:1 gemischt, von Hand in Würfel geschnitten, nicht einfach durch den Fleischwolf gedreht, wie meine Oma das machte - dann werden die Grieben nichts.)
Ich habe auch von klein auf kochen gelernt, im Gegensatz zu meiner Schwester. Meine Mutter hatte da, so altmodisch sie ansonsten war, ganz "moderne" Ansichten, die mir heute im Rückblick recht befremdlich erscheinen, zumal für die damalige Zeit: Sie meinte, ein Junge sollte so früh wie möglich lernen, einen Haushalt zu führen, um nicht heiraten und sich von einer Ehefrau abhängig machen zu müssen; und ein Mädchen sollte so lange wie möglich zur Schule gehen und einen ordentlichen Beruf erlernen, um nicht heiraten und sich von einem Ehemann abhängig machen zu müssen. Sie selber litt sehr darunter, "nur" Hausfrau und Mutter zu sein, nicht nur, weil sie einen ordentlichen Beruf erlernt hatte (sie war Stenotypistin), den sie aufgegeben hatte, als die Kinder kamen, sondern auch, weil das Gehalt meines Vaters (er war Zöllner am Hamburger Hafen) recht knapp bemessen war. Man sagte zwar in Beamtenkreisen: "Des Königs Rock ist eng, aber warm"; doch in den ersten Nachkriegsjahren war er mehr eng als warm. Mein Vater hatte wieder ganz von vorne beginnen müssen, als "Anwärter", d.h. alle während des Krieges ausgesprochenen Beförderungen waren widerrufen worden - das war der Dank des Vaterlands dafür, daß er jahrelang seine Knochen hingehalten hatte und als Krüppel aus der Gefangenschaft heimgekehrt war. Aber formal war das natürlich völlig korrekt; schließlich hatte er während des ganzen Krieges keinen einzigen Tag beim Zoll gearbeitet, sondern sich an der Front, im Lazarett oder im PoW-camp herumgetrieben; alle Beförderungen waren "außerplanmäßig" gewesen, und nach dem verlorenen Krieg war die Zahl der Planstellen beim Zoll stark gesunken; er mußte froh sein, überhaupt wieder dort arbeiten zu dürfen. Ob das unseren Speisezettel aufbesserte? Nein. Mag sein, daß manche Zollbeamte von beschlagnahmter Schmuggelware - z.B. Kaffee - mal etwas "abzweigten"; aber mein Vater... Ich könnte jetzt schreiben: "... war dafür viel zu korrekt"; doch das wäre Heuchelei. Not kennt kein Gebot, und Gelegenheit macht Diebe. Aber mein Vater hatte keine Gelegenheit, denn mit seinem zerschossenen Bein ging er am Stock - zwar sehr geschickt und mit bemerkenswerter Geschwindigkeit, aber er konnte trotzdem nur Innendienst machen; und die Außendienstler teilten höchstens untereinander; schließlich riskierten sie ihr Leben im Kampf gegen die Schmugglerbanden, die oft bewaffnet waren - und das nicht nur zum Spaß. Warum sollten sie da den Lahmen und Fußkranken, die warm und trocken - und vor allem sicher - am Schreibtisch saßen, etwas abgeben?
Ende der 1950er Jahre ließ sich mein Vater ins Landesinnere versetzen, genauer gesagt ins Rheinland. Die alliierten Besatzer hatten 1957 den Flughafen Porz-Wahn wieder freigegeben; das war zwar noch eine Klitsche, aber der Neubau war schon geplant, und es zeichnete sich ab, daß es dann auch einen größeren Bedarf an Zollabfertigung und damit neue Planstellen geben würde; da versprach sich mein Vater bessere Beförderungschancen. (Es sollte freilich noch bis 1970 dauern, bis das neue Terminal endlich fertig war und in "Flughafen Köln-Bonn" umbenannt wurde.) In Hamburg hielt ihn nichts mehr, denn auch seine Eltern waren längst weggezogen, in ein kleines Kaff an der Ostsee, wo die Wohnraumlage besser und die Lebenshaltungskosten niedriger waren. Jedes Jahr in den Sommerferien fuhren wir nach Norddeutschland, um Verwandte und Bekannte zu besuchen, auch Vaters alte Kollegen vom Hamburger Zoll, wobei vor allem die Ehefrauen eifersüchtig die Karrieren verglichen. (Wir Kinder spielten unterdessen Halma, Mühle, Dame oder Schach gegeneinander, wobei ich meist verlor, weil ich, statt mich auf das Spiel zu konzentrieren, mit einem Ohr den Gesprächen der Erwachsenen lauschte.) Es lief immer auf die Frage hinaus: Hatte es sich gelohnt, wegzugehen oder nicht oder doch? Dienstgradmäßig wohl nicht: Auch in Hamburg war die Zahl der Planstellen erhöht worden, und auch die Ex-Kollegen wurden befördert - einige schneller, einige langsamer als mein Vater, im Durchschnitt gleich schnell. (Früher oder später erreichten aus der Generation fast alle die Endgehaltsstufe der Laufbahngruppe, auch mein Vater.)
Der Hauptvorteil war, daß wir jetzt - anders als in Hamburg - eine Dienstwohnung hatten, mit aus heutiger Sicht unglaublich niedrigem Mietzins: rund 2.- DM/m². (Es gab ein staatliches Wiederaufbauprogramm für ausgebombte Mietshäuser, das Kredite mit langer Laufzeit und minimalen Zinsen vergab; im Gegenzug mußten sich die Kreditnehmer verpflichten, den erneuerten Wohnraum für eine bestimmte Zeit billig an Beamte zu vermieten - so war Allen gedient.) Dafür konnte man natürlich keine Komfortwohnung im heutigen Sinne erwarten, aber für damalige Verhältnisse war das schon recht ordentlich: Wir hatten ein eigenes Badezimmer - sogar mit Badewanne! -, Zentralheizung und Gasanschluß - mußten also nicht mehr mühsam den Ofen und den Herd einfeuern - und sogar einen kleinen Balkon, auf dem man bei schönem Wetter die Wäsche trocknen konnte - was wollte man mehr? Ja, ein Aufzug wäre schön gewesen für meinen Vater, da wir im 3. Stock wohnten; aber das war damals ein undenkbarer Luxus; allerdings waren die Stufen im Treppenhaus relativ breit und nicht zu steil, es ging also auch so. Jedenfalls mußte man nicht um die weite Welt gefahren sein um zu ahnen, daß wir besser wohnten als der Durchschnitt anderswo. Warum ich das hier alles so ausführlich breittrete? Eine Gegenfrage, liebe Landratten, die Ihr die Seefahrt nur von romantischen Liedern wie diesem "kennt": Könnt Ihr Euch eine Vorstellung davon machen, unter welch miserablen Unterkunfts- und Arbeitsbedingungen vor allem die einfachen Matrosen noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts zur See fuhren? Und das praktisch ohne Feierabend, geschweige denn Feiertage, und bei meist recht bescheidener Heuer? Und da lag die Crux: Um dem abzuhelfen, wurden allerlei Schutzgesetze erlassen, die gut gemeint waren, aber genau das Gegenteil bewirkten, nämlich die o.g. "Ausflaggung": Die Schiffseigner wichen einfach dorthin aus, wo die Gesetze weniger streng waren; und Seeleute, die auf bessere Behandlung und Bezahlung pochten, wurden halt durch Ausländer ersetzt, die keine großen Ansprüche stellten. Und es blieb nicht bei der Seefahrt: Die immer weiter ausgedehnten Arbeitsschutzgesetze führten schließlich zur sogenannten "Globalisierung", d.h. zur Verlagerung von immer mehr Arbeitsplätzen ins billigere Ausland. Irgendwann hatte man halt die Schraube überdreht: Die große Mehrheit der Parlamentarier, die jene Gesetze in ihrem Elfenbeinturm ausheckten, gehörten mittlerweile der Kaste der Berufspolitiker an und hatten nie einen praktischen, d.h. wirtschaftsbezogenen Beruf ausgeübt, konnten sich also nicht ausmalen, was sie damit anrichteten; und als das Kind einmal in den Brunnen gefallen war, konnte man die Schraube nicht mehr zurückdrehen - da war die Kaste der Gewerkschaftsbonzen vor, die auch zunehmend von Leuten gestellt wurde, die zwar studiert, aber im Leben keinen Tag Handarbeit geleistet hatten, und denen das Schicksal der Arbeitslosen scheißegal war, solange sie nur selber ihre Managergehälter bekamen... Ach so, noch ein Vorteil von Porz-Wahn: Dort blieb uns die Hamburger Flutkatastrophe von 1962 erspart.
[Also auch davon kein Bild]
Ich selber bin erst mit 18 Jahren von Zuhause fort, als ich zur Bundeswehr ging - als Freiwilliger, aber zur Marine hätten mich keine zehn Pferde gebracht! (Das war der erste von vielen Vorteilen, die ein Zeitsoldat hatte: Er konnte sich die Waffengattung aussuchen.) So kam ich auch nochmal für einige Zeit nach Hamburg; später nur noch ab und zu beruflich oder auf Kurzbesuch bei den immer weniger werdenden Verwandten und Bekannten. Und meine Schwester? Die machte Abitur und heiratete einen Ostmärker, einen Akademiker, der gut verdiente und sie jeden Tag zum Essen ausführte. Als sie mit Ende 30 Witwe wurde, kam das böse Erwachen. In 2. Ehe heiratete sie einen echten Jungen aus Sankt Pauli, weniger gut betucht (in dem Alter wird es für Frauen schwierig, eine "gute Partie" zu machen), aber dafür jünger; und - sie lernte endlich kochen. Aber ihre Wege führten nicht nach S.P. zurück, sondern fort, weit über's Meer; und während Hamburg - und ganz Deutschland - im Begriff ist, der islamischen Invasion zu erliegen, leben sie heute in einem Land, das dem Ansturm der falschen "Flüchtlinge" resolut einen Riegel vorgeschoben hat, und haben dort ihr Glück gefunden. Auch ich habe übrigens eine Akademikerin geheiratet, die nicht kochen kann. (Ihre Mutter hatte das ähnlich gesehen wie meine - aber da haben meine Frau und ihre Schwester nicht viel versäumt, denn Schwiegermutters Kochkünste waren doch ziemlich bescheiden, wie ich bei den üblichen Pflichtbesuchen zu Ostern, zu Weihnachten und an Geburtstagen immer wieder feststellen mußte.) Sie hat auch nie den Ehrgeiz entwickelt, es zu lernen. Welch ein Glück - so pfuscht sie mir wenigstens nicht in der Küche herum, und es kommt auf den Tisch, was mir schmeckt ;-)
[Der Hamburger Michel] [Der Bunker auf dem Heiliggeistfeld]
Zurück zu meinen Kindheitserinnerungen an Hamburg. Sehr deutlich ist mir natürlich der Turm des "Michel" - der Kirche St. Michaelis - im Gedächtnis geblieben, der wie durch ein Wunder nicht von den Bomben gefällt worden war und weithin sichtbar aus den Ruinen aufragte. (Der Rest der Kirche wurde bevorzugt wiederaufgebaut - 1952 war sie schon wieder in Betrieb.) Aber ich war nie drin - es war ja eine evangelische Kirche, und ich war Katholik. (Damals erteilte die katholische Kirche Dispens für die Heirat mit einem Nicht-Katholiken nur unter der Maßgabe, daß die gemeinsamen Kinder katholisch getauft wurden. Wäre Hamburg nicht Diaspora gewesen, hätte meine Mutter wahrscheinlich garkeinen Dispens bekommen, denn mein Vater war nicht nur kein Katholik, sondern nichtmal Christ, also strenggenommen "Heide" - er hatte im Krieg den Glauben an Gott, das liebe Jesulein und alle heiligen Geister gründlich verloren und war ausgetreten.) Jeden Sonntag gingen wir in den Volkspark - wir wohnten ja in der Nähe -, mit dem ich vor allem akustische Erinnerungen verbinde, nämlich an das Krächzen der Raben; für mich war das immer der "Raab-Raab-Park". Das 1953 neu errichtete Sportstadion dortselbst habe ich nie von innen gesehen - ebensowenig das auf dem Heiliggeistfeld, an das ich nur noch verschwommene Erinnerungen habe, ich glaube an einen Jahrmarkt und an den riesigen grauen Klotz von Luftschutzbunker im Hintergrund. Mein Vater hatte zwar vor dem Krieg selber Fußball gespielt - Hamburg war eine Fußballhochburg -, aber nur bei einem der kleineren Vereine; er sah sich auch nie die Heimspiele des HSV (die damals noch nicht im Volksparkstadion ausgetragen wurden, sondern am Rothenbaum) oder des FC St. Pauli an, weil ihm der Eintritt zu teuer war. (Fernsehsendungen gab es zwar schon seit Ende 1952, aber kaum jemand hatte ein Empfangsgerät - wir auch nicht -; und in den 1950er Jahren gab es eh noch keine Fußballübertragungen; die "Sportschau" wurde erst 1961 eingeführt.) Er ging nur ab und zu mal in die Adolf-Jäger-Kampfbahn zu Altona 93 - das spielte damals mit den beiden anderen in derselben [Ober-]Liga, und da war der Stehplatz in der Kurve gerade noch erschwinglich. Einmal besuchten wir den Tierpark Hagenbeck, zu irgendeiner Festveranstaltung; aber offen gestanden erinnere ich mich an kein einziges Tier, nur daran, daß ich das Schlagsahnewettessen für Kinder nicht gewann und darob ziemlich enttäuscht war, denn ich war eigentlich ein guter und vor allem schneller Esser. (Meine Mutter hatte mich stets ermahnt: "Iß schneller; wenn Du so langsam herummuffelst, haben die anderen den Brotkorb leergemacht, bevor Du satt wirst!") Aber an Schlagsahne war ich von zuhause nicht gewöhnt und hatte infolgedessen keine Übung.
F.Q. habe ich in Hamburg nie live erlebt; nicht nur damals nicht (dafür war ich noch zu jung), sondern ich habe auch später nie einen seiner Auftritte besucht und - man höre und staune - nie eine Schallplatte von ihm besessen. Aber während ich das schreibe, fällt mir ein, daß ich heute irgendwo ein Plakat gesehen habe, wonach der gute alte Tony Christie - von dem ich alle alten LPs habe - demnächst ganz in der Nähe auftreten soll; da muß ich gleich mal sehen, ob ich noch Karten bekomme; also mache ich hier erstmal Schluß. (Vielleicht werde ich später noch etwas nachtragen.)

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